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Allgemeiner Anzeiger : 24.01.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190301249
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19030124
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- Saxonica
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- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1903
-
Monat
1903-01
- Tag 1903-01-24
-
Monat
1903-01
-
Jahr
1903
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.01.1903
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Eine Telrpho«verbind«»g «öuigsderg- Kiel, Luftlinie 670 Kilometer, ist fertig gestellt und soll demnächst eröffnet werden. Gegen wärtig finden VersuchLgespräche statt, die ein befriedigendes Ergebnis gehabt haben. Ballons für Marine - Fnnkentelegraphie. Nachdem gegen Mitte Dezember des vorigen Jahres an Bord des TorpedoversuchSschiffeS „Neptun" in Kiel Versuche angeüellt waren, welche den Wert der Benutzung von Fesselballons und Drachen für die Funkenlelegrophie der Marine feststellen sollten, werden die Versuche in diesem Jahre in ausge dehnter Weise fortgesetzt werden. Die Funkentele. graphie hat sich auf Ser bei der Marine recht gut bewährt, und es handelt sich b« vorliegenden Ver suchen im wesentlichen um die Feststellung, ob die Verwendung von Drachen und Fesselballon« den Wirkungskreis der Funkensprach« zu erweitern im stände ist. Hierbei wäre auch der Einfluh der Witterung in Betracht zu ziehen, was bei den nächsten Versuchen auch eingehende Berücksichtigung finden soll. Lie bisherigen Erprobungen sind lediglich vorbereitender Naiur gewrsen, ein abschließendes Urteil über die Frage wird erst in Verfolg weiterer Proben möplich sein. Von feiten der Marinever. waltung wird au' die weitere Steigerung der Leistungsfähigkeit der Funkentelegraphie das größte Gewicht gelegt. Mormoneu-Ausweisunge«. Der Regie rungspräsident von Osnabrück hat eine Anzahl Mormonen. Agitatoren, die sich in krä tiger Weise bemerkbar machten, aus dem Gebiete des preußischen Staates ausgewiesen. Ueber die Zunahme der Mormonen-Agitation im Deutschen Reiche wird von Jahr zu Jahr immer lebhafter Klage geführt, ohne daß es bisher gelungen wäre, der Bewegung Einhalt zu gebieten. Der flüchtige Kassierer des Krefelder Stadttheaters, Wick, wuroe in Antwerpen ver haftet. Selbstmord. Der Direktor des Stadt theaters in Nordhausen, Ludwig Hoffmann, hat sich aus Geldsorgen erhängt. Vor einigen Wochen nahm sich der Theaterdirektor Wackwitz in Sondershausen aus demselben Grunde das Leben. Der ehemalige ,Times' - Korrespon- deut Blowttz ist in Paris am Sonntag ge storben. Bekanntlich hieß Blow tz ursprünglich Oppert und hatte sein Pseudonym nach dem Städtchen in Böhmen gewählt, in dem er 1825 geboren worden war. In jungen Jahren kam er nach Frankreich und wirkte dort als Lehrer des Deutschen. 1870 ließ er sich dort naturali sieren, wobei er den Namen Blowitz annahm. Seit 1871 schrieb er für die .Times' Berichte, die sich ost durch Unzuverlässigkeit und Deutsch- feindlichkeit aus zeichneten. Vor einigen Wochen erst gab er diese Tätigkeit auf. Südafrikanische Goldmine«. Aus so eben veröffentlichten Statistiken über die süd afrikanischen Goldminen find, wie man aus London schreibt, die folgenden interessanten Tatsachen ersichtlich: Die Zahl der Minengesell schaften beträgt 120; sie find in zehn Gruppen eingeteilt und besitzen ein Nominalkapital in Hüde von 57 (dem Kurswerte nach 171) Millionen Pfund. Die bisher gezahlten Dioi- denden belau en sich auf 19V- Millionen. Der durch den Krieg erlittene „tote" Verlust wird auf 6>/r Millionen geschätzt. 64 Prozent der in den Mnen beschäftigten weißen Arbeiter find unverheiratet. Die Arbeite« im Simplonlmmel find auf dxr Nordseite, wie kurz zuvor auf der Süd- seile, Ms weiches Gestein gestoßen, wodurch die Maschjnenbohrung einstweilen unmöglich ist. An jyre Stelle ist vorerst Handbohrung ge beten, auch muß die betreffende Strecke aus Furcht vor nachstürzenden Massen durch eiserne Träger gestützt werden. Et« tearer Schiedsspruch. Es hat sich herqusgestellt, daß die Spesen für einen Schiedsspruch des Haager Schiedsgerichtshofes eine unheimliche Höhe erreichen können. So wird jetzt bekannt gegeben, daß die Spesen im Schiedsspruch zwischen Mexiko und Nordamerika sich au, eine Million Gulden für Honorar, An waltspesen, Diäten rc. beliefen, 1'.. beide Parteien -u tragen hatten. Am JahreSschlutz war nicht weit von Mailand ein unbekannter Mann von einem Eisenbahnzuge überfahren worden. Die Leiche wmde von einer in Mailand lebenden Frau und deren Kindern als die des seit einem Jahre auf Geschäftsreisen abwesenden Gatten erkannt, von dem sie seit einiger Zeit nichts mehr gekört hatten. Die Familie ließ den Toten bestatten und legte tiefe Trauer an. Eine Woche später kam ein Bekannter und fragte nach dem Manne; auf die Mitteilung, er sei Ende Dezember gestorben, erklärte der Be sucher verwundert, daß er ihn vor einigen Tagen noch gesund und wohlauf in Piacenza gesehen habe. Die Familie reiste dorthin und fand in der Tat den Galten und Vater lebend wieder, der nur den schwer begreiflichen Fehler begangen hatte, seit Monaten keine Nachricht von sich gegeben zu haben. Marconi hat seine Anlage für draht lose Telegraphie bei Kap Cod vervollständigt und erhielt vom Präsidenten Roosevelt dessen Depesche nach E-igland an König Eduard, die am Dienstag, den 20. d., abgesendet werden sollte. Mit diesem Telegramm wird die Ver bindung durch drahtlose Telegraphie zwischen Europa und Amerika förmlich eröffnet. Ein Versuchsschiehen mit einem neuen sechzehi.zöll gen gezogenen Geschütz fand auf dem Schießplätze des Forts von Sandy Hook, südlich von der Einfahrt nach New Jork, statt. Nach den dabei erzielten Erfolgen wird be hauptet, das Geschütz, das ein 2400 englische Pfund schweres Geschoß 20 englische Meilen weit schleudert, sei das stärkste Geschütz der ganzen Welt. EntrüstnngSvetsammlung auf hoher See! Der Dampfer „Saint Louis* von der .American Lme" ist am 17. d. in New Jork eingetroffen. Er hatte, namentlich am 11. und 12. Januar, starken Schneesturm zu bestehen. Es wird berichtet, daß die Kajüts- passagtere des Schiffes, als bekannt wurde, daß die Kessel leck seien, eine Entrüstungsversamm lung abhielten. Sie beschlossen ein Tadels votum gegen die Gesellschaft, welche Reisende einen in solchem Zustande befindlichen Dampfer besteigen lasse, und , orderten den Kapitän aul, sie von einem anderen westwärts fahrenden Dampfer aufnehmen zu lassen oder den Kurs auf den zuerst erreichbaren Hafen von Halifax zu richten. Der Kapitän lehnte j-doch das Ersuchen rundweg ab. Die Leitung der American-L ne hat jetzt eine Erklärung er« lassen, w-lche besagt, die verzögerte Ankunft des Sch ff;s sei die Folge verspäteter Abreise von Cherbourg und äußerst schlechten Wetters. Im Zustande der Kessel sei nichts, was das Schiff verhindert hätte, eine normale Fahrt zu machen oder was die volllommene Sicherheit des Schiffes hätte beeinträchiigen können. Eine nicht ungerechte Lynchjustiz wäre, nach dem .Medicinal Record', unlängst an einem Kur pfuscher in der Stadt Appleron (Wisconsin) voll zogen worden. Eine ratende Volksmenge stürmte das Haus des Mannes, der eine neue Theorie auf besondere Art zu prüfen gewagt hatte. DaS ärzt liche Fachblatt versteigt sich zu der autzerordenlichen Aeußerung, daß er in diesim Falle vielleicht ganz gut gewesen wäre, wenn der Doktor ein für allemal unschädlich gemacht worden wäre. Der Mann halte ein beispielloses Verbrechen gegen die Volksgesundheit begangen. Er gehörte zu den heftigsten Jmpfgegnern und ging in der Be kämpfung der gewohnten Pockenbehandlung bis zu der Behauptung, daß die Pocken durchaus nicht ansteckend wären. Um das zu beweisen, bestrich er sich die Hände mit Pockengist und unternahm eine Woche lang Reisen von Stadt zu Stadl I Da in Wirklichkeit eine schwere Pockenepidemie über die Gegend hereinbrach, schob die Bevölkerung, wabr- cheinlich mit vollem Recht, dem umherziehenden Kurpfuscher deren Verbreitung zu. Der Mann wäre übrigens sicher der Volkswut zum Opfer gefallen, wenn er nicht gerade abwesend gewesen wäre, als die Volksmenge sein HauS in Brand steckte. Ne«e Goldfunde i« Kloudike. In Masta am Tanana, einem Nebenflüsse des Iulon, ist ein neues Goldland von angeblich unerreichter Ergiebigkeit entdeckt worden. Der Tananafluß liegt in dem gebirgigen Hinterland des Aukon uno bildet das Ta! der Tanana Hills. — Der Goldreichtum Alaskas scheint unerschöpflich zu sein. Seit im Jahre 1896 reiche Goldfelder >m Jukonflusse in Alaska >m Klondikegebiete entdeckt wurden, find Hunderte von Millionen von den unternehmenden Gold suchern aus der Erde geschaufelt worden, und noch hat die Ergiebigkeit der Goldregionen sich nicht verringert. Infolge einer Explosion wurden in einer Spezereihandlung zu Konstantine der Laden- befitzec und vier Kunden getötet. Es heißt, daß der Besitzer des Ladens heimlich Pulver herstellte. SW-W-S^- Gerichtsljalle. Köthen. Der frühere Leiter des Technischen Instituts zu Köthen, Dr. Holzapfel, klagte gegen den Schriftsteller Olto Marpurg, weil letzterer den Kläger beschuldigt hatte, dieser habe in seiner Eigenschaft als Direktor und Besitzer der Anstalt Fälschungen an den Abgangszeugnissen der Studierenden vor- genomwen. Die dieserhalb von der herzoglichen Regierung sowohl wie von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Untersuchung ist eingestellt und Dr. Holz apfel außer Verfolgung gesetzt worden, weil sich die Grundlosigkeit der Anschuldigungen ergeben hatte. Marpurg wurde zu einer Gesamtstrafe von 300 Mk. oder 60 Tagen Gefängnis verurteilt. Leipzig. DaS Landgericht Koblenz hat den Steinbrucharbeiter Schäfer wegen Untreue und LottericvergehenS zu 2 Monat Gefängnis und einer Geldstrafe, den Loiteriekollekteur Würzburger in Hamburg zu 4 Monat Gefängnis sowie 1000 und 300 Mk. Geldstrafe verurteilt. Schäfer hatte durch Würzburger für sich und vier kroatische Arbeiter ein Marienburger Los gekauft. Den auf dasselbe gefallenen Gewinn von 60 000 Mk. über brachte Würzburger persönlich dem Schäfer. Er über redete diesen, den Gewinn für sich zu behalten und ihm, W., 10000 Mk. davon abzugeben, was dann auch ge schah. Schäfer sagte nun den Kroaten, das LoS habe 10000 Mk. gewonnen. Die Leute überließen ihm von den vorgczeigten 10 000 Mk. 2000 Mk. und teilten die übrigen 8000 Mk. unter sich. Am Abend aber sagte er ihnen, daß der Gewinn 60 000 Mark betragen habe und gab ihnen noch 40000 Mk., die sie ebenfalls unter sich teilten. Die Revision der beiden Angeklagten kam vor dem Reichsgericht zur Verhandlung. Da kein RechtSirrlum zu erkennen War, wurde die Revision als unbegründet verworfen. Das Aardaasfrft 1« Petersburg. Der deutsche Kronprinz hat bei seiner An wesenheit in der russischen Hauptstadt Ge legenheit gehabt, der prunkvollen Feier des Jordansfestes oder der Waflerweihe am 18. Januar beizuwohnen. Dec russische Winter herrscht jetzt in seiner vollen Macht und Schön heit und das Eis auf der N.-wa ist so stark, daß es ohne Gefahr den Zudrang einer zahl losen Volksmenge ertragen kann. Auf dem Strom, dem Winterpalast gegenüber, etwa dreißig Fuß vom Ufer entfernt, wird zu dieser Feier eine offene runde Säulenhalle erbaut. Das Dach dieses Tempels ist gewöhnlich mit dem Bilde Johannes des Täufers geziert. Das I inere ist mit vier großen Gemälden geschmückt, von denen das dem Palast zugekehrte Bild die Taufe des Heilands im Jordan vorstellt. Ein auf festem Pfahlwerk ruvender Damm bildet den Zugang zu diesem Bau, in dessen Mitte eine große Oeffnung in das EiS gemacht ist; über dieser Oeffnung schwebt an der D cke eine weiße Taube als Sinnbild des heiligen Geistes. Trotz des eisigen Hauches, der über die Fläche der Newa dahinzieht, sammelt sich die Volksmenge schon am frühen Morgen und harrt geduldig auf den Beginn des Festes. Später ziehen die Regimenter mit ihren Fahnen heran und stellen sich — mehr als 50 000 Soldaten — auf der Eisfläche auf. Von einer der Hauptpforten des Pulastes bis zu dem Tempel auf der Newa ist eine rote Scharlach decke auSgebreitet. Gegen Mittag erscheint unter dem Geläut aller Kirchrnglocken der große Festzug aus den Hallen des Sch.osseL: voran die Kirchenbauner, die Heiligenbilder und die Kirchensänger, dann der Metropolit mit der hohen Geistlichkeit, wohl an dreihundert Priester, darauf der Zar mit den Groß fürsten und höchsten Würdenträgern. Lang sam, in feierlichem Zuge, schreiten sie. über die Schariachdecke zum Tempel. Sobald l der Kaiser dort anlangt, beginnt der Metro- i polit die Gebete, deren Schlußworte die Kirchen-! sänger mit ihrem Gesang begleiten. Diefe Feierlichkeit dauert beinahe eine halbe Stunde; alsdann taucht der Erzpriester ein silbernes Kreuz in die Oeffnung des Eises, überreicht dem Zaren einen mit geweihtem Wasser ge füllten Kelch und besprengt die Umstehenden. Von der Peter-Pauls-Festung donnern die Kanonen, ein Regiment nach dem andern setzt sich in Bewegung, zieht im Parademarsch zum Tempel und der Metropolit beginnt die Weibe der Fahnen. Es ist ein unvergeßlicher Ein druck, den das Herz eirMngt: der weiche, ge tragene Gesang der Kirchensänger, zuweilen übertönt von dem rollenden Donner der Ge schütze; die betenden Priester in ihren reichsten Meßgewändern; ein Heer von sünfzigtausend Mann, das seine Fahnen geweiht aus der Hand des Priesters empfängt, und dahinter eine Volksmenge, die nach Hunderttausenden zählt und ernst und andachtsvoll der Feier zuschaut. Nachdem die Fahnenweihe geendet, entfernt sich der Hof mit den bejahrten Geistlichen, die Regimenter ziehen mit klingendem Soiel ab und das Volk drängt sich heran, um Flaschen und Gefäße mit geweihtem Wasser zu füllen. Es ist eine rein russische Glaubensfeier, die auch auf anderen Flüssen, selbst in Sibirien, stait- findet, nirgends aber mit solchem Prunk wie auf der Newa. Um die Erde i« 27 Tage«. Aus New Jork wird geschrieben: Die hiesige ,World' rechnet aus, daß die Reise um die Erde gegenwärtig auf Grund der vorhandenen Transportmittel und mit Zugrundelegung der schnellsten Fahrzeiten von Eisenbahnen und Dampfern in 27 Tagen zurückgelegt werden könnte. Es kommen 10 800 Meilen zu Lande und 11800 Meilen zur See in Betracht. Die Berechnung geht von Chicago aus, von wo aus man mittels der neuen Luxusexpreßzüge in 20 Stunden nach New Aork gelangen kann; von New Jork nach Hamburg (4800 Meilen) fahren die modernen Hamburger und Bremer Dampfer in 7'/« Tagen, zwischen Hamburg und Wladiwostok besteht nach dem Ausbaue der neuen transsibirischen Eisenbahn ein ununter brochener Sch enenstrang von 7500 Meilen Länge, eine Strecke, welche bei einer Durch- schnittsgeschwindigkeit der amerikanischen Schnell züge in 6'/, Tagen zurückgelegt werden könnte, wenn die gegenwärtige Fahrtdauer auch be deutend länger währt, da der Cxpreßdienst auf der transsibirischen Eisenbahn noch in den Knder- schuhen steckt. Die 7000 Meilen Süllen Ozeans zwischen Wladiwostok und Seattle könnten auf Grund der Fahrgeschwindigkeit der deutschen Schnelldampfer in 10'/« Tagen zurückgelegt werden, und die Eisenbahnsahrt Seattle Chicago würde 2'/« Tage in Anspruch nehmen. Also insgesamt 27 Tage, ein Rekord, der auf Basis des wohl in n chl allzuierner Zeit zu erwartenden elek trischen Betriebes aut 22 Tage herabgedrückt Werren könnte. Also 27 Tage für die moderne Weltumspannung ohne Anwendung von Phan tasie, wenn auch allerdings unter Zugrunde legung von taisächlich nicht gellenden Verhält nissen, denn die sibirische Bahn kennt keinerlei Cxpreßzüge von 50 Meilen DurchschnitlS- geschwmdigkeit in der Stunde, und die Dampfer des Stillen Ozeans bleiben hinter dem Rekord der „Deutschland" und des „Kronprinzen Wil- Heim" bedeutend zurück. Der taisächlich erziel» Rekord der Weltreise ist der 1894 im Auftrage einer Londoner illustrierten Zeitschrift aufgestellte von 66 Tagen (New P -rk-Southampton 6 Tage, Southampton-Brindifi 3Vr Tage, Brindisi Joko- Hama 42, Jolohama-San Francisco 10 und San Francisco-New Dort 4 Tage). Jules Verne ist demnach seit lange ein überwundener Standpunkt l Kuntes Allerlei. Neueste Mode. „Ich möchte einen Hut haben, aber einen nach der allerneuesten Mode I" — „Sehr wohl, gnädige Frau, wollen Sie gefälligst für einen Augenblick Platz nehmen, gerade in diesem Moment ist die Mode im Begriff zu wechseln!" Küche. „Sic schlän, die süße Maus, und der JhM verhält sich muckemauseftill in seinem Benchen, notzem er noch kein« Ruhe finden kann — ein paar prächtige, süße Dinger." Wie zärtlich, von Rührung durchzittert seine Stimme klang. Anni stand dabei. Sie hatte nie ähnlich stzr Kinder empfunden. Weshalb war sie so verständnislos an allem, was andere beglückte, vorübergegangen? Ihre Eltern und Geschwister fanden doch auch vollste Befriedigung im engen Hirtel der Familie. Nur sie hatte von all dem nichts wissen wollen. Ihre Phantasie spiegelte ihr rauschte Seidenkleider vor, lichtdurchflutete Salons, denen bezaubernde Frauen dem frohen Genuß huldigten — von allen war sie die Schö fix, Vornehmste, Beneidenswerteste. Sie schmück e sich mit Diamanten, und wenn sie huldvoll lächelte, so rechnete man sich das ,ur hohen Ehre an. Die eitlen Träume waren Wirklichkeit ge« worden- Ihre Schönheit erregte Aufsehen und Ihr Geschum» in Toilettensachen Bewunderung. Di^ Männerwelt lag ihr huldigend zu Füßen und die Damen der Finanzkretse nahmen es als eine Auszeichnung, wenn sie ihren Salon besuchen konnten. Doch wie bald hatte sie die Schalheit dieses rein aus Aeußerlichkerten gerichteten Lebens er kannt, ohne doch die Kraft zu finden, aus dem seichten Fahrwasser heraus in den frisch flutenden Strom Lebens zu steuern. Käthe war mit dem Billet hinaus gegangen und d e beiden wieder allein. „Ich mache mir so viele Vorwürfe wegen der zerbrochenen Puppe," sagte Anni leise, „finde aber nicht den Mut, Käthe einzugestehen, daß ich die Urheberin des ganzen Unheils bin. Und ich danke auch Ihnen, daß Sie mich nicht verraten haben." „Das hätte ja gar keinen Zweck," meinte er ernst, „Geschehenes ist nicht zu ändern und mein Schwager würde doch vielleicht weniger vorurteilslos und gerecht denken, als ich." Anni wußte es ja, daß der Doktor nicht gerade freundlich aus sie gestimmt war. Wie würde er es aufnehmen, daß sie die Nacht hier blieb? Ihr wurde ganz beklommen bei diesem Gedanken. Hans sah sie erstaunt prüfend an. Augen scheinlich wußte er nicht, wie er sich ihre Be fangenheit, ihr seltsames Verhalten deinen solle. Er fühlte, wie ein eigenes, süß berauschendes Entzücken ihn mehr und nnhc umfing. Ec konnte den Blick nicht lassen von dem bestrickenden, glühen oen Anilitz. Da lächelte Anni in ihrer spöttischen Wesse in sich hinein. Sie dachte, daß Ktarius das Billet nun bald erhalten werde. Sie stellte sich seinen Zorn, seine Aufregung vor und be lustigte sich tm stillen darüber. Mochte sie auch langsam zur Erkenntnis dessen gelangen, was dem Leben wahren Wert verleiht, ein Teufel - chen steck.e doch in ihr und würde sich so schnell nicht hmaustretben lassen. Hans sah das listige, überlegene Lächeln; im selben Moment war all sein Entzücken ver flogen, wie auS Erz gemeißelt erschienen feine Züge. Gewiß, sie freute sich, daß sie durch ihre Koketterie und „raffinierte" Liebenswürdig keit wieder einen Sklaven zu ihren Füßen ge zwungen hatte. O, er sah es ihr an, wie fie sich innerlich über ihn belustigte! Doch diesen Triumph gönnte er ihr nicht. Er wollte fie zwingen, einzusehen, daß eS auch jemand gab, der fie durchschau» und sich nicht bethören ließ. Es war einer jener lichien Sommerabende, schwül und von Wohlgerüchen durchweht, wo die Nacht nur herabzufinken scheint, um uns die Schönheit der Erre um so fühlbarer zu machen. Die Gedanken der jungen Frau wanderten, und ihre Empfindungen ebenfalls. Sie ließ sich willenlos von dem Zauber der Umgebung elnspmnen. „Heute bin ich nach langer, langer Zeit zum ersten Male wieder froh und von Herzen befriedigt," sagte fie, mit strahlenden Augen zu Hans aufsehend, „und das danke ich Ihnen, Herr Winkler. Sie waren so gut und nach- fichäg gegen mich —" Er verbeugte sich fehl kühl. „Sie werden doch nicht vermutet haben, gnädige Frau, daß ich wie früher m meinen Ftegeltahren gesell schaftliche Formen außer acht lasten könne —" Sie schüttelte erstaunt das Köpfchen und sah ihn forschend an. „Es hat mir sebr wohl gethan, daß Sie sich so eingehend mit meinem Bilde beschäftigten, eS veredelten und ein Kunst- werc daraus schufen. Ich hatte soviel Güte wahrlich nicht uw Sie verdient. * „Meine Gnädige, der Künstler und der Mensch m mir werden stets getrennt voneinander sein, ebenso wie Form und Inhalt grundver schiedene Dinge find. Glauben Sie mch!, daß ich so leicht vergesse und mich bestechen lasse. Die Flegeljahre find vorüber, aber auch die der Leichtgläubigkeit, wo man unverzeihliche Thor- heilen begeht. Frauenlächeln und Frauengunst entzücken meinen Künstlerfinn — mein Herz bleibt kalt." Annis Blut umkreiste wild die Schläfe, dazu begann es fie wie ein Frösteln zu schütteln, es war, als sei fie aus lichter, strahlender Höhe hinabgestürzt in dunkle, eisige Nacht, wo alles Leben aufhörte. Freilich sollte ,niemand es merken, wie tief beleidigt fie eben worden, wie unglücklich fie war. Sie lachte hell auf. „Wie tragisch das klingt! Haben Sie wirklich so wenig Glück bei den Frauen, daß sie ihnen gezwungener maßen den Fehdehandschuh Hinweisen? Ha, ha, ha, das belustigt mich! Ich möchte Sie einmal in einem großen Kreise reizender Mädchen sehen! Ich werde ein Fest geben und Sie find als erster dazu geladen!" Und als Käthe zum Essen rief, flog Anni mit mädchenhafter Ausgelassenheit auf sie zu. „Ich arrangiere ein Warfest, Käthe, und ihr alle seid meme Ehrengäste! Eine Aosoge lasse ich nicht gelten, ich werde auch den philiströsen Herrn Doktor zu gewinnen wissen! Alles Nähere wird hier eingehend besprochen!" Hans war ihnen langsam gefolgt. „Sie ist doch ein Flattergeist," dachte er, „aber eia reizender, bezaubernder Falter, das muß ihr der Neid lassen!" Lr» (Fortsetzung falzt.)
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