Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 25.12.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190212253
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19021225
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19021225
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-12
- Tag 1902-12-25
-
Monat
1902-12
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.12.1902
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Politische Rundschau. Die Exekutiv« gegen Venezuela. * Dem Vorschlag einer schiedsgericht lichen Regelung haben Deutschland und England im Prinzip zugestimmt. Wahrscheinlich wird Prüfident Rooseveldt daS Schiedsrichteramt übernehmen. * Die Blockade der venezolani sch e n K ü st e ist am 20. d. begonnen worden; seitens Deutschlands über die Häfen von Puerto Cabello und Maracaibo, seitens Englands über die Häfen La Guayra, Carenero, Guanta, Camana, Carupano und die Ocinokomündimgen. Infolgedessen stiegen die Lebensmittelpreise in Puerto Cabello sogleich um 20 Prozent. *Die Aufständischen in Vene zuela machen Fortschritte. Londoner Zei tungen melden aus Willemstad: Die Aufständi schen hoben Rio Chico uno Cucacas genommen und belagern Coro. * Ueber die Aufbringung von Geldern für Castro melden Londoner Blätter ans Caracas, in einer Versammlung am Freitag hätten einige Großkaufleute und Vertreter erster Firmen ihre Bereitwilligkeit ausgedrückt, der Regierung das Geld zur Bezahlung der deutschen und englischen Forderungen zu leihen. * * Deutschland. * Die Eröffnung des preußischenLand- tages soll in diesem Jahre nicht durch den Kaiser, sondern durch den Grafen Bülow erfolgen. *DaS Befinden des Königs Georg von Sachsen hat sich wesentlich ge bessert. *Der König von Dänemark hat dem Generaladjutanten des deutschen Kaiser», General- leutnant v. Moltke, das Großkreuz des Danne- brog-Ordens verliehen. * Die offiziöse,Südd. Corr.' schreibt: Inder österreichischen Presse tritt mit großer Bestimmt heit die Angabe auf, daß die Verhand lungen über die Erneuerung der Handelsverträge zwischen dem Deut schen Reich, Oesterreich-Ungarn, Italien, und Rußland im März und April nächsten Jahres in Berlin stattstnden würden. Gerade wegen der scheinbaren Ge nauigkeit in der Bestimmung von Ort und Zeit kann diese Meldung nur ein Fehler sein. Den Sitz der nächsten Handelsvertrags - Verhand lungen schon jetzt vorherzusagen, läuft auf ein Rätselraten hinaus. Es ist fraglich, ob alle Verhandlungen an demselben Orte geführt werden, und schließlich kann das Wo hier doch nur als ein Umstand von minderer Bedeutung gelten. Was aber die oben erwähnte Zeitan gabe betrifft, so bleibt es dunkel, weshalb mau gerade im März oder im April mit den Ver handlungen beginnen soll. Bisher find selbst vorbereitende Schrille zu den neuen Unter handlungen nicht geschehen. Es liegt aber kein Grund vor, nach dem Jahres wechsel noch lange damit zu warten. Jeden falls steht nach Annahme des Reichszolltarifs auf deutscher Seite der Eröffnung internatio naler Besprechungen ein Hindernis nicht mehr entgegen, und man wird im neuen Jahr auch ohne Kündigung der alten Verträge in die Verhandlungen eintreten können. "Wie der ,B. L.-A/ aus Bundesratskreisen erfahren haben w.ll, find nunmehr an den maßgebenoen Stellen die Bedenken zurück - getreten, welche bisher einer Gewährung von Anwesenheitsgeldern an die Mit glieder des Reichstages entgegen standen. Der Bundesrat wird daher noch im trau e oes Winters dem vom Reichstag be schlossenen Gesetzentwurf auf Gewährung von Änwcsenheitsgeloern, über den bisher eine Be schluß,aff ung >m Bundesrat nicht stattgefunden hm, näyertreten und ihm vorausfichlltch mit sehr große rMehrheit zustimmen, jedoch sollen die Anwesenheitsgelder erst mit Beginn der nächsten Legislaturperiode gezahlt werden. *Die Reichsanskunftsstelle für Auswanderer hat soeben eine Statistik ihrer bisherigen Auskunftsvermittelung aufge stellt, die demnächst dem Reichstag zugehen wird. Sie gibt ein interessantes Bild von der vielseitigen Inanspruchnahme der verdienstlichen Einrichtung. Von der Auskunstsstelle find ferner eine Anzahl Drucksachen herausgegeben worden, wie ein Leitfaden für Auskunftserteilung an Auswanderer. * Bei der Reichslagsersatzwahl in Liegnitz ist am Freitag der Kandidat der Freisinnigen Volkspartei Justizrat Pohl in Gleiwitz gewählt worden. * Die im Reichs-Postgebiet und in Württen- berg bis Ende März gültig gewesenen Postwertzeichen werden gegen solche mit der Inschrift »Deutsches Reich* nur noch bis Ende dieses Monats umge- tauscht. Vom 1. Januar 1903 ab werden Anträge auf Umtausch alter Postwertzeichen nicht mehr berücksichtigt. Es ist daher anzu- raten, den Umtausch der etwa noch vorhandenen allen Postwertzeichen baldigst zu bewirken. Dies kann bei allen Reichs-Postanstallen und königlich württembergischen Postanstalten sowie bei den Landbriesträgern geschehen. * Daß es am 20. d. ohne die Hilfe fremder Schiffe gelungen ist, das Kriegsschiff „Wittelsbach* von Grund abzubringen, hat in den Marinekreisen angenehm berührt. * Ueber den Regierungsentwurf zu einem neuen Schutzgesetz für die Werke der Photographie ist in den Kreisen der Be teiligten ein heißer Streit entbrannt. Der Rechtsschutzverband deutscher Photographen hat in einer an den Reichskanzler gerichteten „Vorstellung* eine Reihe von Bedenken gegen den Entwurf erhoben und der Meinung Aus druck gegeben, daß die Porträtphotographen von dem neuen Gesetz gegenüber dem geltenden keinerlei Vorteile haben würden. Der Deutsche Photographenverein, der seinen Sitz in Weimar hat, tritt in einer Eingabe an den Reichskanzler und an den Reichstag der Auffassung des Rechtsschutzverbandes nachdrncksvoll entgegen. Frankreich. * Die Funkentelegraphie ist in Frankreich als Staatsmonopo! erklärt worden. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft in Cherbourg im Auftrage des Uuterstaats- sekretärs für Posten und Telegraphenwesen die Apparate der von dem Unternehmer Popp am Kap de la Hague errichteten Station für draht lose Telegraphie beschlagnahmt. Popp wird gerichtlich verfolgt werden, da die Postverwal tung kürzlich bekannt gegeben hat, daß auch die Korrespondenz durch Funkentelegraphie Staats monopol sei. England. *Die Prinzessin von Wales ist am 20. d. abends von einem Sohne entbunden worden. Die Prinzessin und der neugeborene Prinz befinden sich wohl. Der neugeborene Prinz ist das vierte Kind, das der am K. Juli 1893 geschloffenen Ehe des Prinzen Georg mit Mary, Fürstin von Teck, entstammt. *Die Londoner Blätter veröffentlichen eine von Lord Roberts anläßlich der alljähr lichen Inspektion der Militärschule in Sandhurst gehaltene Rede, in der der General die von verschiedenen Sellen an dem jetzigen System der Beförderung in der Armee geübte Kritik erwähnte und erklärte, daß die soziale Stellung der Offiziersschüler keinen Einfluß auf ihre Beförderung habe. Die Veranlassung zu dieser Bemerkung gab die üngste Rede des früheren Schatzkanzlers Hicks- Beach, der geäußert hatte, daß der Einfluß der Frauen für die Beförderung der höheren Offiziere immer noch maßgebend sei. — General Methuen ist von seiner Ver wundung wiederhergestellt und wirb in kurzer Zeit seinen Posten wieder übernehmen. Wie es heißt, soll ihm ein wichtiges Kommando übertragen werden. Belgien. *Aus dem Congostaat hat ein bel gischer Dampfer nach Antwerpen wieder recht wenig erfreuliche Nachrichten überbracht. Im Kaffai-Gebiet find neuerdings Unruhen aus gebrochen. — Das Gericht in Boma verurteilte drei Europäer wegen Grausamkeiten, die sie an eingeborenen Frauen und Kindern begangen hatten, zu 10 bis 15 Jahr Zwangs arbeit. — Die Mörder des Leutnants Tondeur, der in der Nähe des Kiwu-Sees meuchlings ermordet worden war, wurden hingerichtet. — Den Befehlshaber des Forts Mbeni haben Eingeborene getötet und aufgefressen. Balkanstaaten. *Ein Teil der russischen Presse läßt sich von Berichterstattern aus Macedonien berichten, daß die dortige Lage vornehmlich des halb eine so ernste sei und eine Reforma tion unerläßlich mache, weil sich das natio nale Bewußtsein und die Energie des nationalen Gedankens bei den Macedoniern in ganz besonderer Weise gestärkt habe. Dagegen läßt sich aber einwenden und durch die Aus sagen zurückgekehrter Bandenführer erhärten, daß der Ausstand in manchen Bezirken Mace- doniens geradezu an der Gleichgültigkeit, ja an dem Widerstande der christlich-macedonischen Bevölkerung gegen den Anschluß an Lie „B e - freier* und ihre nur auf Bandenumtriebe gestützte Taktik scheiterte. Einige Banden mußten, wie nunmehr feststeht, geradezu ihr Operationsfeld in andere Distrikte verlegen, well die Bevölkerung nichts von einer Unter stützung dieser Scharen wissen wollte. Afrika. * Immer bestimmter tritt die Behauptung auf, Milner werde demnächst von seinem Amte als Kap-Gouverneur zurücktreten. Es heißt, er solle Gouverneur von Kanada werden und später als Nach folger Chamberlains ins Kolouialamt einziehen. (Das würde aber doch voraussetzell, daß Chamberlain Premierminister würde!) * Der Sultan von Marokko sandte alle verfügbaren Truppen nach Taza und gab be kannt, daß er beabsichtige, die Aufständi schen gänzlich zu vernichten. Dir Per Haftung der Familie Humbert. Das Ereignis des TageS ist die endlich in Madrid erfolgte Verhaftungder Familie Humbert. Die Madrider Polizei war schon längere Zeit auf sie aufmerksam ge worden; eS handelte sich nur darum, die Ge wißheit zu erlangen, daß man wirklich die Humberts vor sich habe. Diese hatten eine einfache Wohnung gemietet und diese einfach ausgestattet, unterhielten auch keinen Verkehr und gingen nur einzeln aus. Ihre Einkäufe besorgten sie nur des Abends; sie kauften aber stets die feinsten Delikatessen. Bei der Ver haftung wurden nur etwa 15 000 Frank in Gold und Wertsachen bei ihnen gefunden. Ihrer Auslieferung an Frankreich stehen irgend welche Schwierigkeiten nicht entgegen. Ihre Strafe kann nur leicht sein; sie wird wegen Verwendung falscher Papiere zum Zwecke des Betruges eintreten; der Betrug selbst ist schon verjährt. Offiziös werden über die Verhaftung der Familie Humbert folgende Einzelheiten gemeldet: Seit mehr als zwei Monaten waren der Polizei von Madrid Personen verdächtig vorgekommen, welche ein Haus in der Calle de Ferraz bewohnten. Am Freitag sah ein Polizeibeamter Romain Daurignac in das HauS ««treten. Der Beamte verschaffte sich sofort die gerichtliche Ermächtigung zum Betreten des Hauses, dessen sämtliche Zugänge bewacht wurden und läutete an der Pforte. ES antwortete aber niemand, doch hörte man im Innern leise sprechen. Der Beamte läutete hierauf zum zweiten Male und forderte im Namen des Gesetzes auf, die Thür zu öffne». Nach 20 Minuten wurde geöffnet und die Polizei drang in die Wohnung ein und verhaftete das Ehepaar Humbert, deren Tochter Eva, Romain, Emil und Marie Daurignac. Auf Befraegn er klärte« die Verhafteten, fit seien das Opfer einer großen Schändlichkeit und stießen Drobungen gegen verschiedene bekannte Persönlichkeiten in Frankreich aus. Sie fügten hinzu, daß sie seit dem S. Mai tn Madrid seien und sich von Parts direkt dorthin be geben hätten. Zn der Wohnung der Verhafteten wa den Schmucksachen im Werte von etwa 10 000 Frank, 2 Lose und 2275 Pesetas an Geld gefunden. An dem Hause wurden die Siegel angelegt und die sämtlichen Verhafteten zur Verfügung des französischen Botschafters gestellt. Ein Fluchtversuch durch ein Fenster war durch die Gendarmerie vereitelt worden. Die Polizei vermutet, daß die Familie Humbert, ehe sie das Haus den Beamten öffnete, wichtige Papiere vernichtet hat. Uo» Uals mrd Fern. DeS Kaisers Einzug in Jerusalem. Das Kolossalgemälde des vielgenannten Malers Hermann Knack-uß, Professors an der könig lichen Kunstakademie in Kassel, welches den Einzug des deutschen Kaiserpaares nebst großem Gefolge in Jerusalem am 28. Oktober 1898 darstellt, ist soeben fertiggestellt worden. Der Künstler hat an dem Bilde über drei Jahre gearbeitet. Es find einige Hundert Personen, darunter über 40 in porträtähnlicher Wieder gabe, auf dem Kolossalbilde zu schauen. Be kanntlich hat Knackfuß zum Studium des Ganzen die Palästmafahrt des Kaiserpaares mitgemacht. Eine «ach siebe« Jahren entdeckte Mordthat. In Kalk bei Köln wurde ein Mann wegen Totschlags verhaftet, der im Ver lauf eines ehelichen Zwistes seiner Frau tät liche Verletzungen beigebracht hatte. Bei seiner Festnahme bezichtigte der Unhold seinen Schwager eines Mordes, den dieser vor sieben Jahren in Siegen ausgeführt haben soll. Die sofort angestelllen Recherchen ergaben, daß eu jener Zeit an dem genannten Orte thatsächlich ein Mann ermordet worden war. Die Behörde nahm darauf den der That Beschuldigten gleich falls in Hast. Infolge Hochwassers wurde in Hersfeld die Badeanstalt und ein Eisbrecher, in Friedlos die Fuldabrücke, in Breitenbach ebenfalls die Fuldabrücke und in Wehrda ein Brückenbogen fortgerissen. Das Werradorf Kleinbach ist meterhoch mit Wasser und Eischollen bedeckt. Eine „Engelmacherin" (diese Bezeichnung ist leider gang und gäbe geworden!) hat die Polizei in Hameln entlarvt und verhaftet. Di« des Morde» in zahlreichen Fällen Beschuldigte ist die Ehefrau des Kupferschmieds Götze, die zuletzt in Hamel» war. Sie hat in den verschiedensten Orten der Provinz gewohnt, am meisten in Hannover. Ihre Erwerbsquelle bestand darin, Kinder diskreter Geburt gegen einmalige Abfindung an Kindes- statt, d. h. dauernd, in Pflege zu nehmen. Wen» Geld und Kind erst in ihrem Besitz war, dann hat fic, um den den Kindern nahestehenden Persone« Ms dem Gesichtskreis zu kommen, alsbald ihren Wohnsitz verändert. In dem neuen Wohnort kränkelte das übernommene Kind sodann vom erste» Tage an, und die Engelmacherin verstand es, nach außen hin den Anschein zu erwecken, als sei das Kind von einer unheilbaren Krankheit befallen. In Wirklichkeit soll sie in teuflischer Weise da» zum Tode führende Siechtum bet zahlreichen Kindern Herbeigeführt haben. Sir hat die Kinder langsam verhungern lassen. Die der Unholdin in Pflege gegebenen Kinder find, wie festgestellt ist, in keinem Falle älter al« 2 Atonale geworden. Diese immer wieder, kehrende gleichmäßige Erscheinung hat schließlich auch zu der Vermutung geführt, nimmt man an, daß eS sich bet der Götze um eine Engelmacherct handelt, wie sie schlimmer seit Jahren nicht entdeckt ist. Die Zahl der um» Leben gebrachten Kinder steht noch nicht fest, vorläufig kommen drei Kinder in Frage. Da die G. aber seit Jahren ein unstetes Lcbm führt, nimmt man an, daß die Zahl ihrer Opfer bedeutend größer ist. Die Ermittelungen bet dm Standesämtern ihres jeweiligen Aufenthaltsortes wird ergeben, ob diese Annahme richtig ist. Die Götze wird sich vor dem Schwurgericht zu Hannover wegen Mordes zu verantworten haben. Ein gewtffenhafter Dieb. Einem Gast wirte in Augsburg waren vor längerer Zeit 5 Mk. gestohlen worden. Kürzlich nun bekam er, wie der,Fränk. Kur.' milteilt, den Betrag von dem Diede aus Nürnberg mit der Bemer kung zugesandt, er (der Dieb) habe jetzt einem andern 100 Mk. abgeschwindelt, der diese besser entbehren könne als der Wirt die 5 Mk. Der Krähe«fa«g oder das „Rabenziehen* ist ein eigenartiger Erweröszweig um diese Jahreszeit in den Ortschaften am Kurischen Haff. Schon am frühen Morgen ziehen die Krähen- jäger an das Haff hinaus. Auf entlegenen Stellen, namentlich zwischen Buschwerk, wird K Hruggotd. 25) Roman von Anna Seyffert-Klinger. lkoriletzmis.) Käthe war sehr blaß geworden, aber fie schmiegte sich enger in Ewalds Arme, dann, an» einandergeschmiegt, sprachen fie alles aus, was ihre Herzen beschwerte, und Käthe erfuhr das alte, streng behütete Geheimnis und auch, daß Klarius mit um dasselbe wußte. Als Ewald geendet hatte und ihr in brennender Erwartung und heißer Ungeduld in die Augen sah, da legte fie zum ersten Male beide Arme um seinen Hals. „Dein für ewig,* sagte fie leise und fest, „diese alte Geschichte von Irrtum und Leid darf unS unser Glück nicht rauben. Wie gut ist es aber, daß du mir alles anvertraut hast —" fie schien in Nachdenken zu versinken, aus dem Ewalds stürmische Liebkosungen fie erst wieder weckten. „Hast du auch alles bedacht, mein Herz?* flüsterte er, „es kann ein Tag kommen —* „Der Tag des Kampfes S Dann sollst du mich auf meinem Platze finden, darauf ver lasse dich.* Sie sprachen nicht mehr vom Scheiden, für fie gab eS ferner keine bittere Notwendigkeit, einsam und freudlos durchs Leben zu gehen. Die Liebe allein ist das Leben, fie ist mächtig genug, um alle äußeren Mißverhältnisse aus zugleichen — daS hatte dieses junge Paar an fich erfahren. Wohl jauchte in dem Doktor von Zeit zu Zeit ein leises, unbestimmtes Unbehagen auf, aber KSches Liebkosüngen erstickten es, und ihre Augen redeten eine Sprache, die alle, auch die letzten Zweifel zerstreute. Nun fie es wußte, wie treu und selbstlos fie geliebt wurde, zögerte sie nicht, dem Ver lobten den reichen Born ihres Herzens zu öffnen. Woran Mädchenstolz und Mißverständ nisse fie bisher verhindert hatten, ihr reiches Innenleben zu offenbaren, das wurde nun zur schönsten Pflicht — Käthes Liebe schien stark genug, um selbst die dunkelsten am Lebens himmel auftauchenden Gewitterwolken zu zer streuen und zu verscheuchen! . .. 14. Die Hochzeitsfeier in der Kirche ist beendet. Das ungleiche Brautpaar hat die üblichen, mit stereotypem Lächeln gespendeten Glückwünsche in Empfang genommen und verläßt nun langsam das Gotteshaus. Die gedämpften Klänge der Orgel geben den Neuvermählten das Geleit, über Blumen und frisches Grün führt der Weg, die raschelnde Schleppe verursachte Lisa ein nervöses Un behagen. Ein beklemmender Druck lastet auf der jungen Frau, der fich noch steigert, als fie aus dem Portal heraus in die brennende Glut des Sommernachmittages treten. Draußen hat fich eine schaulustige Menge aufgestellt. Die Braut wird kritisiert, jede Miene ihres bleichen, zarten Antlitzes einer Musterung unterworfen, halblaut gesprochene Worte durchschwirren die Lust, alle Köpfe recken fich neugierig vor. Einen Moment steht das Brautpaar wartend still. Der Wagenschlag ist noch nicht geöffnet. Eilig springt der Diener hinzu, um mit einer geflüsterten Entschuldigung das Versäumte nach zuholen. „Ja, ja, das Geld," tönt es an Lisas Ohr, „das vergoldet einen Zaunpsahl, und er wird geheiratet. Dem Fräulein hatte man soviel Berechnung auch nicht zugetraut. Aber so find fie alle." „Natürlich," fällt eine andere Stimme ein, „ich liefere da Wäsche ins Haus, früher war es mit den Winklers eine Herrlichkeit, und der junge Herr, was der Ingenieur ist —" Lisa besaß gerade noch soviel Kraft, um in den Wagen zu gelangen, fie war einer Ohnmacht nahe und sank mit schneebleichem Antlitz in die Polster zurück. Die Züge des Barons blieben unbeweglich. Hatte er die Bemerkung gleichfalls beachtet? Still und in fich gekehrt, saß er auf seinem Platze. Er berührte nicht einmal Lisas Hand. Er hatte das Spiel, das er vor länger als einem Jahrzehnt angefangen, gewonnen — der Traum seiner Jugend, den er nie vergessen konnte, war doch noch Wirklichkeit geworden. — Lisa glich der Mutter, wie fie einst in ihrer Mädchenzeit auSgesehen Hatte, Zug um Zug, nur daß dem holden Antlitz dieser jungen Frau noch eine sanfte Bestimmtheit zu gute kam, die fich unverkennbar darin ausprägte, eine ge sunde Energie, die der Professorin stets ge- sehlt hatte. Der Baron durfte also befriedigt, ja glück lich sein. Sein Blick suchte auch wieder und wieder das zarte Gesichtchen unter dem blühen den Myrtenkranz, aber seine Hand stahl sich nicht in die der jungen Gaisin, ffumm und un beweglich saß er neben i!' 'n auch be wegen mochte — Freude nn Gefühl des Triumphes war es u.. Lisa war es wohl kaum zum Bewußtsein gekommen, daß es seltsam unnatürlich war, so stumm und in fich gekehrt neben dem ihr soeben angetrauten Gatten zu fitzen. Sie hatte kau« ihre Haltung zurückgewonnen, als der Wagen auch schon vor dem Hotel hielt. Wieder neugierige Zuschauer, unzarte Be merkungen und dann endlich ein kühler, blumen geschmückter Saal, dessen Mitte die Hochzeits tafel einnahm. Lisa fühlte einen Schwindelanfall und wagte es doch nicht, fich zu setzen. Bei einer jungen Braut mutet Müdigkeit und Erschlaffung seltsam an, das wußte fie aus Erfahrung, und fielwollte nicht noch mehr Anlaß zu kritischen, spöttischen Bemerkungen geben, daher blieb fie standhaft. Der Baron nahm ihre Hand und küßte sie leise. „Mut, mein Kind," flüsterte er, „»och wenige Stunden, und du bist jeden Zw-mges enthoben, hast kerne Beobachter mehr zu fürchten.* Es war eine recht stattliche Hochzeitsgesell schaft und Anni Holder in ihrem mattrosa Tüllkleide unzweifelhaft die reizendste von allen. Klarius hatte fie bereits als seine Braut vorgestellt, denn ein Telegramm des Herrn Holder hatte den Bund, sofern die Mama keine Einwendungen erhebe, genehmigt. Käthe wünschte ihre Verlobung vorläufig
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)