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Allgemeiner Anzeiger : 20.12.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190212201
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19021220
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1902
-
Monat
1902-12
- Tag 1902-12-20
-
Monat
1902-12
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.12.1902
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Uolttische Rundschau» Die Exekution gegen Venezuela. *Am 13. d. haben in dem venezola nischen Konflikt zum ersten Male die Kanonen gedonnert. Die Be wohner von Puerto Cabello hatten ein englisches Kauffahrteischiff „Topaze" mit Be schlag belegt und mit Matrosen ihrer Natio nalität bemannt. Infolgedessen fenerten das englische Kriegsschiff „Chmybdis" und die deutsche „Vineta" auf daS Fort und das Zollhaus von Puerto Cabello. Das Fort erwiderte das , Feuer, wurde aber bald zum Schweigen ge bracht. Das Fort und ein Kastell wurden in Trümmer gelegt. Der Befehlshaber des lehieren wurde bei der Besetzung durch die Ver bündeten gefangen genommen. "Die Ver. Staaten mischen sich nicht ein. Präsident Roosevelt und Staals- sekretär Hay halten in der venezolanischen An gelegenheit eine Besprechung. Beide find der Ansicht, daß, wenn nicht unerwartete Ver wickelungen einträten, die Der. Staaten sich in den Streit nicht ernstlich mithineinziehen lassen sollten. * In Venezuela ist nach einer Meldung des »Wölfischen Büreaus' aus Caracas vom Montag eine Bewegung im Gange, den Rücktritt Castros zu verlangen und den Vizepräsidenten Ayala dazu zu veranlassen, daß er den Kon greß berufe, damit derselbe einen zeitweiligen Präsidenten ernenne und mit Deutschland und England eine Verständigung zu er reichen suche. "Die deutsche und die englische Kolonie in Caracas befindet fich nach anderen Nachrichten in vollständiger Panik, an .. 114 Personen verlangten am Sonntag morgen des am erikanischen Gesandten Bowen Schutz. Die amerikanische Gesandtschaft verproviantierte fich auf alle Fälle. Viele Deutsche wurden in der amerikanischen Gesandtschaft ausgenommen und daZ Haus in eine Art Kaserne mit Vor räten umgewandelt. * * * Deutschland. -Die Wiener ,Polit. Korresp.' will wissen, Kaiser Wilhelm habe beabficktigt, den Graken Bülow in den Fürstenstand zu er heben. Auf Bitten des Kanzlers aber habe er davon Abstand genommen. "Die einzige Aenderung, welche in drit ter Lesung der Zolltarifvorlage an den Beschlüssen des Reichstages in zweiter Lesung vorgenommen wurde, bestand gemäß dem von Mitgliedern der konservativen Partei, der Reichspartei, des Zentrums und der natio nalliberalen Partei eingebrachten Antrag in der Wiederherstellung der Regierungsvorlage zu 8 2 des Zolltarifgesetzes (Mindestzölle) mit Ausnahme des Zollsatzes M Gerste (4 Mk. für Malzgerste statt 3 Mk. sür Gerste über haupt). In Wegfall gekommen find die in zweiter Lesung gemäß den Beschlüssen der Kom- misfivn eingefügten Mindestzölle für Pferde, Vieh und Fleisch. * DerHerzog von CPmberland hat an den unlängst im Disziplinarwege verurteilten Landgerichtspräfidenten Dedekind ein Hand schreiben gerichtet, das von den »Braunschw. Nachr.' veröffentlicht wird. Nachdem der Herzog dem Präsidenten iür die „unverletzte Aufrecht erhaltung der Rechte seines Hauses" gedankt, wendet er fiL scharf gegen das vor einigen Tagen vom^braunschweiger Landtage ange nommene Regentschaftsgesetz und bedauert das Einbringen der Porlage, die die Rechtslage verdunkele und gegen das monarchische Prinzip verstoße. Der Herzog erklärt, an seiner Auf fassung vom November 1884 auch heute noch »estzuhalten und verwahrt fich gegen jede Schmälerung seiner Rechte. * Das öffentlicheStrafverfahreu gegen den sozialdemokratischen .Vorwärts' wegen Beleidigung Friedrich Krupps ist eingestellt worden. * Eine Verordnung betr^das Zollwesen der Schutzgebiete Afrikas und der Südsee wird im.Reichsanz.' veröffentlicht. Es heißt darin: Der RelLSknnler ist ermächtigt, kür den Bereich der Schutzgebiete Afrikas und der Süds« zu ver. ordnm, dan für Zollgefälle, Geldstrafen, Ersatz des Werte? konterbandierter oder geschmuggelter Gegen stände und der Kosten des hierauf bezüglichen Ver fahrens im Falle des Unvermögens des Schuldigen diejenige Berson oder Gesellschaft haftbar ist, in deren Gewalt, Aufsicht oder Dienst der Schuldigt steht. Doch bleibt eS den vorbezeichneten Personen und Gesellschaften Vorbehalten, ihre Haltung durch Nachweis auszuschließen, daß die Zuwiderhandlung nicht bei Ausführung der Verrichtungen verübt ist, die sie dem THLter übertragen oder ein für allemal überlassen hatten. * Eine Aniabl deutscher Schutzleute wird fich kurz vor Weihnachten in Genua ein schiffen, um die Seereise nach Kiau 1 schou anzutreten, wohin fie engagiert worden find. Die Beamten, welche fich aus den verschiedensten Städten Deutschlands rekrutieren, find auf drei Jahre verpflichtet und erhalten außer freier Hm- und Rück ahrt ein Jahresgehalt von 2500 Mk. Oesterreich-Ungarn. * Heber dar Unwohlsein Kaiser Franz Josephs erfährt der .Hannov, Kour/ aus ver- läßlicher Quelle: Das Leiden wurde zu Anfang als ein rheumatisches angenommen. Erst später wurden hämorrhotdale Ursachen des Leidens festgestellt und da die entzündlichen Herde bereits eine starke Aus dehnung erreicht Latten, io mußte mit einer Ope ration vsrgegangen werden. Solche operativen Eingriffe sind immer sehr schmerzhaft, weshalb dem Monarchen nahegelegt wurde, daß die Operation im Zustande der Narkose mit viel weniger Schmerzen verbunden wäre. Der Kaiser lehnte jedoch eine Narkotisierung ab und so wurde operiert, bei vollem Bewußtsein des Monarchen. Mit Selbstbeherrschung ertrug der Kaiser die Schmerzen, und die außordent- liche Widerstandsfähigkeit ermöglichte eS, daß er schon nach zehn Tagen die erste Ausfahrt unter nehmen konnte.' Gegenwärtig ist der Gesundheits zustand des Kaisers ein sehr befriedigender und gibt zu keinerlei Bedenken mehr Anlaß. * Durch kaiserliches Patent werden die Landtage einberufen, und zwar der jenige Nieder-Oesterreichs auf den 19. Dezem ber, derjenige Mährens auf den 20. Dezember, diejenigen Ober-Oesterreichs, Gö - und Gra- diskas und Vorarlbergs auf den 22. Dezember, Istriens auf den 27. Dezember, sowie diejenigen Böhmens, Galiziens, Salzburgs, Steiermarks und Schlesiens zum 29. Dezember. *Der Abschluß des Ausgleiches zwischen beiden Regierungen ist, wie die .Neue Freie Presse' meldet, in den nächsten Tagen zu erwarten. (Diese Meldung ist in den letzten acht Monaten mindestens schon ein Dutzendmal aufgetaucht.) Frankreich. * Marineminjster Pelletan ist am Sonn tag früh in Cherbourg eingetroffen und von den Spitzen der Behörden am Bahnhofe empfangen worden. Nach dem Empfange der Behörden in der Seepräfektur wohnte Pelletan einem von den republikanischen Komitees ver anstalteten Bankett bei. Bei dem Bankett hielt Pelletan eine Rede, in der er ausiührte, sein Ideal wäre, alle Völker solidarisch und befreundet zu sehen; trotz dieses Ideals wisse er wohl, den Erfordernissen gerecht zu werben, und werde alles thun, was das höhere Interesse und die Ehre der französischen Fahne erheische. Balkanstaaten. * Die ,W. A.-Ztg.' veröffentlicht eine Unter- redung mit einem den Orient genau kennen den Diplomaten. Derselbe prophezeit auf das bestimmteste für das Frühjahr den Ausbruch von Unruhen in großem Stil auf dem Balkan, da der Sultan keine Re formen durchführen könne, ohne Thron und Leben aufs Spiel zu setzen. * Dem macedonischenFÜHre rOberft Jankow wurden bei seiner AnkuMt aus dem Bckhnhofe in Sofia von einer zahlreichen Volts menge große Ovationen dargebracht. Afrika. *Aus dem Lager des Sultans von Marokko bestätigt eine Mitteilung der .Times' die Niederlage der marokkanischen Truppen bei Tasa am 29. November durch verräterischen Abfall eines bis dahin auf der Seite des Sultans stehenden Stammes, der in einer Thalenge plötzlich das Feuer aus die Truppen eröffnete, wobei 83 Soldaten fielen und viele verwundet wurden. Deutscher Reichstag. Am 13. d. sieht auf der Tagesordnung die dritte Beratung der Zolltarifvorlage. Zu § 1 des ZolltaritgesetzeS liegt nunmehr ein Kompromißantrag der MehrheilSpart-ien vor, wonach die Mindestzölle für Vieh und Fleisch fortfallen und für die Getreidearten bis auf Malzgerste die Mindestzölle der Regierungsvorlage wieder eingesetzt werden. Diese Mindestsätze betragen für Roggen 5 Mk., Weizen und Gerke 5,50 M., Hafer 5 Mk. für dm Doppelzentner, während nach dem Kompromiß, antrage der Zoll für Malzgerste auf 4 Mk. gegenüber 3 Mk. in der Regierungsvorlage festgesetzt wird. In der GeneraldtSkussion gibt Reichskanzler Graf v. Bülow die Erklärung ab, daß die ver bündeten Regierungm dem Zolltarif in der nun mehr vorliegenden Fassung ihr Zustimmung zu geben bereit sind, und daß die Aenderungen, welche in dem Entwurf des Zolltarifgesetzes vor genommen worden sind, das Einverständnis des Bundesrats finden werden mit alleinig« Ausnahme der zum zweiten Absatz des 8 1 gefaßten Beschlüsse. Insbesondere darf ich voraussetzen, daß die verbündeten Regierunaen ihre ernsten Besorgnisse, zu welchen die nach 8 10a beschlossene Einschränkung des SteuerrechtS der Gemeinden mit Rücksicht auf die schwere finanzielle Lage einzelnen Kommunen Anlaß gibt, zurücktreten lassen werden, nachdem der Zeitpunkt für das Inkrafttreten dieser Bestimmung bis 1910 hinauSgerückt ist. Ebenso kann ich in Aussicht stellen, daß die verbündeten Regierungm im Interesse der verbesserten und gesicherten Für sorge für die Hinterdlievenm der Arbeiterklassen dem § 11a betr. die spätere Einführung der Witwen- und Waisenversorgung zustimmen werden. Die ver bündeten Regierungen haben sich entschlossen, dahin zu wirkm, daß auch dei Einführung dieser weit gehenden sozialpolitischen Maßregel nach den für die Beteiligung de? Reiches festgelegten Grenzen eine wirtschaftliche Entwickelung der Einzelstaaten und die Regelung ihrer Finanzen noch möglich sei. Der einzige hiernach verbleibende Differenzpunkt zwischen den verbündeten Regierungen und den Be- Müssen der zweiten Lesung ist die Erweiterung der Mindestzölle, welche durch den Antrag Herold und Genossen beseitigt werden sollen. Nach diesem An trag sollen die Mindestzölle für Pferde, Vieh und Fleisch nicht feiMlegt werden, die Mindestsätze für Getreide auf die Sätze der Vorlage zurückgeführt werden mit Ausnahme des Zolles für Malzgerste. Namens der verbündeten Regierungen kann ich schon das Einverständnis mit diesem Antrag erklären. Die vert ündeten Regierungen sind nicht der Meinung, daß sie sich mit der Zustimmung zu der Erhöhung des Mindestzolles von 3 auf 4 Mark in Wider- ipruch setzen mit dem ablehnenden Standpunkt, den fie bezüglich der Anträge auf Erhöhung und Er weiterung der Mindestsätze des Entwurfs haben ein- nehmen müssen. Die früheren Erklärungen der ver bündeten Regierungen bezogen sich aus Gerste im allgemeinen. Für Malzgerste einen höheren Zoll zu gewähren, erscheint sachlich durchaus gerechtfertigt und die verbündeten Regierungen haben sich über- zeugt, daß eine verschiedene Verzollung möglich sein wird. Was die eventuelle Verzollung von Fütter gerste beirifft, so wird bei den VertragSverhand- lunxen den berechtigten Interessen der Landwirtschaft Rechnung getragen werden. Die verbündeten Regie rungen geben sich der Hoffnung hin, daß daS hohe Hau» seine Beschlüsse so fassen wird, daß eine voll« Einmütigkeit zwischen Bundesrat und Reichstag er- reicht wird und damit da« große Werk zum Segen des Vaterlandes zum Abschluß kommt. (Abg. Leb«» bour (soz.) ruft: Zum Fluch des Vaterlandes.) Abg. F' hr. v. Wangenheim (kons.) führt aus, daß selbst durch die Beschlüsse zweiter Lesung der Landwirtschaft ein erheblicher Schaden zugefügt werde. Er werd« deshalb mit einem Teil seiner Freunde gegen das Kompromiß stimmen. Abg. Richter (fr. Vp.) polemisiert gegen den Abg. v. Kröche« und gegen die Regierung. Dit ganze Zolltarifborlage stehe den nationalen Inter essen entgegen, widerspreche der Weltpolittk, sei eine unheilvolle That. Namens der Freikonservativen gibt Abg. Gamp eine Erklärung ab, wonach sie einstimmig für die Kompromißanträg' eintreten werden. Abg. Malkenbuhr (foz.) bekämpft die Vorlage. Abg. Hompesch verliest eine die Zustimmung de« Zentrums zum Kompromiß motivierende Er- . klärung. A g. Barth (fr. Vgg.) äußert sich über die Unmöglichkeit, auf Grund des von der Kommission beschlossenen Tarifs neue Handelsverträge abzu- schließen. Reichskanzler Graf Bülow entgegnet, man solle ' im Auslande nicht glauben, daß Deutschland kein größeres Interesse hätte am Zustandekommen von Handelsverträgen als andere Länder. Deutschland sei der beste Käufer der Welt und brauche unter kein kaudinischeS Joch zu kriechen. Abg. Paasche legt den nationalliberalen Stand punkt dar und ergeht sich In Angriffen aui die Linke. Es reden noch die Abgg. Fürst Radziwill (Pole) und Haußmann (südd. Vp ), sowie Graf Limburg-Stirum (kons.). Von den Abgg. Spahn, b. Kardorff und Gen. wird der Antrag auf Schluß der General- diskussion gestellt und mit 206 gegen 118 Stimmen bei 6 Stimmenthaltungen angenommen. DaS Haus tritt nun in die Spezialdtskussion ein. Es liegt ein Antrag Sing er-Stadthagen vor, üb«r einzelne Positionen des Zolltarifs geson dert zu diskutieren und abzusiimmen. Abg. Stadthagen (soz.) bezeichnet die Art, wie daS Gesetz zu stände gekommen ist, als einen Rechtsbruch, den sich seine Partei nicht brauche ge fallen zu lassen. Es entsteht eine längere GeschäftSordnurgsdebatte, an der sich auch die Abgg. Bachem, Singer, Schrader und Bebel beteiligen. — Der Antrag wird in nament licher Abstimmung abgclehnt. Darauf beantragen die Sozialdemokraten die Verlesung der gesamten Kommission»b«schlüsse. Abg. Singer brgründet den Antrag. DaS Volk habe ein Recht zu wissen, welche Beschlüsse hier gefaßt worden seien. Auf Antrag des Abg. Spahn wird der Antrag der Sozialdemokraten mit 275 gegen 50 Stimmen abgelehnt. Nunmehr tritt das Haus in die Spczialdebatte deS 8 1 des Tarifgesetzes ein. Abg. Rösicke-Dessau (fr. Vgg.) bekämpft in längeren Ausführungen die Erhöhung des Zolles für Braugerste. Abg. Antrick (soz.) verbreitet sich zunächst sehr ausführlich über die Futterzölle, speziell den Mais zoll, und folgert aus den Lohen Geflügel-, Eier-, Fleischzöllen, daß man das Volk dem Vegetarismus in die Arme treiben wolle. (Erst um 12V- Uhr morgens hat Antrick seine Dauerrede — er hat acht Stunden gesprochen — geendet.) Seinem Vortrag« folgte alsbald ein Antrag auf Schluß der Diskussion. Dieser wurde mit 234 gegen 73 Stimmen angenommen. Der Antrag Herold (Herabsetzung der Mindest zölle für Getreide und Beseitigung der Mindestzölle für Vieh und Fleisch) wird mit 199 gegen 105 Stim men bei einer Enthaltung angenommen, ebenso mit diefer Aenderung der grundlegende 8 1 der Gesetzes unter Ablehnung aller übrigen Amendements mit 200 gegen 107 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Diskussion über den Rest des Gesetzes Wird auk Anirag des Abg. Spahn zusammengesatzt und nach kurzer Debatte ein Antrag auf Schluß der DiSku'sion angenommen. Alle Amendement» werden durch Ucbergang zur Tagesordnung beseitigt. Schließlich wird nach einer fast zwanzirsiündigen Sitzung um 5 Uhr morgens die Zolltarif- Borlage endgültig angenommen. ES stimmen dafür 202 Abgeordnete, dagegen 100, bei einer Stimmenthaltung. Da» Resultat wird von der Majorität mit brausenden Hochrufen ausgenommen. Der Reichskanzler war bis zuletzt anwesend. Darauf vertagt fich da» Haus bi» zum 18. Ja- nuar 1903. U-n Ralf und Fer»». Die Restauration „Zur schwarze« Liesel" i« Bad Gastein, ein LieMngsaus- enthalt Kaiser Wilhelms I., soll unter den Hammer kommen und am 8. Januar versteigert werden. Das Gasthaus bietet einen der schö sten Aussichtspunkte de? vernehmen Bades. Ringsum himmelar.strebende FeMollsse, dunkle Wälder, sattgrüne Matten: misten durch dieses Zaube^and schlängelt sich das glitzernde Silberband der rasch dnhivfließendm Ache, deren Lau- das Auge weit hinaus ins Thal zu verewigen vermag. Die ursprüngliche Be sitzerin der Restauration, ein unter dem Namen „die schwarze Liesel" b'kannteS Original, zählte früher hohe Persönlichkeiten zu den ständigen Gästen des Etablissements. Kein Sommer verging, ohne daß Kaiser Wil helm. Fürst Bismarck, Manteuffel u. a. fich ein- ge -nden hätten. Heute zeigt man das Glas des greisen Monarchen und die Kugel, mit der er manchen Kegel zu Falle gebracht. Auch Kaiserin Elisabeth in Begleitung der Erzherzogin Marie Valerie weilte in dem bescheioenen Gast hause, vessen Gianzzeil mit dem Tode seiner ersten Besitzerin, der „schwarzen Liesel", zu er blassen begann. O ^Uruggold. 23) Roman von Anna Seyffert-Klinger. Nfortsttzimz.) „Die Geschichte mit dem Manuskript? Ich bitte Sie, mein Bester, verschonen Sie mich." „Sie haben dem Herrn Baron die Hand schrift entwendet," erwiderte Ewald. „Ich nahm beim Aufräumen das Zeug, das ich >üc Makulatur hielt, mit mir. Später er kannte ich erst, welch einen interessanten Fund ich gemacht Halle —" „Da wäre es wohl an der Zeit gewesen, dem Herrn Baron sein Eigentum zurückzu stellen." „Das Manuskript Eigentum des Barons? Das glauben Sie wohl selber nicht, Verehr tester." Klarius ließ fich gemächlich in einen Sessel gleiten. „Wenn Sie es vorziehen, zu stehen, so gestatten Sie wenigstens, daß ich Platz nehme und mir auch eine Echte au- zünoe, es spricht fich gemütlicher dabei — mein Himmel, so setzen Sie fich doch, Sie können mir glauben —" „Ich ersuche Sie, mein Herr, nur das Manuskript herauszugeben —' „So lassen Sie doch endlich den alten Schmöker aus dem Spiel." Ewald vermochte seine Entrüstung kaum noch zu meistern. Die Gelassenheit des andern, der schli ßiich in seinem Rechte war, reizte ihn. „Sie verweigern mir also die Herausgabe des Werkes?" fragte er schroff. „Vorläufig ja," entgegnete Klarius, seine Zigarre in Brand setzend. „Ich bin bereit, Ihnen eine angemessene Entschädigung zu bieten —" „Bieten Sie nicht, mein Bester," Klarius that ein paar lange Züge, um dann den blauen Dampf gemächlich, mit Behagen wieder ent weichen zu lassen, „bieten Sie nicht, ich gehe auf nichts ein, und wenn es fich um ein Ver mögen handelte. Vielleicht später einmal, wer kann's wissen? Zur Zeit bin ich ein sehr wohlhabender Mann und habe es nicht nölig, derlei Geschäfte zu machen. Erst gestern habe ich einen Reingewinn von baren Hunderttausend Mark gehabt. Sie staunen? Ja, wissen Sie, ich bin ein Glückspilz, ein Sonntagskind, das Gold hat Gefallen an mir. . Andere Leute dürfen derlei gar nicht aussprechen, es würde eine Herausforderung an das Schicksal be deuten, — bei mir ist das anders. Ich darf mir diesen Luxus gestatten, ohne die Rache der Götter fürchten zu müssen!... Ich bin immer obenauf, wissen Sie, ohne besonders talen tiert zu sein — nur eine Portion Weltklugheit habe ich mir angeeignet und die verleiht mir einige Fühlfäden mehr, als die Menschen im allgemeinen besitzen. Durch ein wenig Trainie- rung erreicht man es bald, stets der gewinnende Teil zu sein, und ich kann Ihnen sagen, die Anstrengung lohnt sich der Mühe." Ewald hatte langsam daS Zimmer durch messen. Bei Oskars Ausführungen hatte sein Groll fich ein wenig besän'tigt. Es k ang so aufrichtig und gemütlich, was dort gesprochen wurde, und enthielt obenein so viel des Inter essanten, daß der Doktor fich unter dem Ein druck des Gesagten befand. Freilich ließ er fich nicht einen Moment von dem Zwecke ableiten, welcher ihn hierher geführt hatte. „Wenn Sie das Manuskript aufbewahrt haben und fich so entschieden weigern, es herauszugeben, so bleibt mir doch nur die An nahme, daß Sie aus irgend einem Grunde eines Tages gegen unsere Familie vorgehen und uns zu schädigen suchen werden." „Ich denke garnicht daran," entgegnete Klarius kaltblütig, indem er die Asche von seiner Zigarre strich und fich dann weit zurück lehnte, „es ist aber mein Prinzip, niemals einen Vorteil aus der Hand zu geben. Ich kann garnicht wissen, in welcher Weise diese alten Papiere mir noch einmal nützen können, daher behalte ich fie." „Vielleicht erreicht meine herzliche Bitte, was meinem Ersuchen verweigert wurde. Sie erweisen einer alten, schwergeprüften Frau eine grenzenlose Wohlthat mit der Herausgabe der Blätter. Meine Mutter würde des Dankes voll sein, wenn fie erführe, daß Sie, mein Herr, fich ihretwegen eines Vorteils begeben hätten." „Geben Sie es aus, in mich zu dringen. Ich bin mir selbst der Nächste, und wenn ich jemand eine Wohlthat erweise, so darf ich selbst nicht dabei zu kurz kommen. Ich gebe das Werk nicht heraus, und wenn Sie des Himmels reichsten Segen auf mein unwürdiges Haupt herabflehen. Ich handle nach ganz be stimmten Prinzipien und lasse mich von keinem Menschen beeinflussen." Ewald hatte das unheimliche Gefühl, als starre ihm hier in diesem Menschen ein schroffer Fels entgegen, an dessen Ecken und Spitzen man fich wund stoßen müsse bei jedem Versuch, auch nur das kleinste Teilchen davon fich z« nutze zu machen. „Und wenn der Baron gerichtlich gegen Sie vorgehen würde?" fragte er sondierend. Klarius verstand ihn sofort. „Ein Kampf bereitet mir stets Vergnügen," erwiderte er lSchclnd; „wer mich angreift, findet mich ge wappnet." „Und wir haben nichts von Ihrer Indis kretion zu fürchten?" „Vorläufig nicht das allergeringste." „Und später?" Eine vieldeutige Bewegung antwortete ihm. Ewald glaubte vor tiefinnerer Empörung ersticken zu müssen. Er sah ein, daß hier nichts zu erreichen war. Er durfte es noch nicht einmal wagen, den andern zu beleidigen; er war überzeugt, daß KlariuS jede Eigenmächtigkeit durch eine Bos heit rächen würde. Ein gefährlicher, unheim licher Mensch, gegen den man nicht die kleinste Waffe besaß! Vielleicht erlauerte er aus dem Hinterhalt heraus die günstige Gelegenheit,/ wo er daS Geheimnis am wirksamsten aller Welt preis- geben konnte — jetzt erst lastete die alte Schuld gleich einer Fessel schwer , drückend auf der Familie. A wußte nichts mehr zu saiaen, und da er fürchtete, daß jeden Moment sein Zorn über wallen werde, so empfahl er fich kurz und ziem lich hastig -
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