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Allgemeiner Anzeiger : 12.11.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190211124
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19021112
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19021112
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-11
- Tag 1902-11-12
-
Monat
1902-11
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.11.1902
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Politische Prmdschau» Deutschland. * Das Geschwader, das den Kaiser nach England begleitet, nahm am Donnerstag abend seinen Weg durch den Kaiser Wilhelm-Kanal, und verließ am Freitag früh Brunsbüttel, um nach der Themse zu steuern. Die Jacht „Hohen- zollern" geht jedoch nur bis Viktoria Port; dort wird der Kaiser sich mit seinem Gefolge an Bord des „Sleipner" begeben und auf diesem die Weiterreise iortsetzen. Der Aufenthalt Kaiser Wilhelms in Sandringham wird voraus- fichilich bis zum 15. November dauern. Alsdann begibt sich der Monarch zur Jagd nach Lowther Castle beim Earl of Lonsdale. Ueber den Zeitpunkt der Rückreise ist bisher noch keine Bestimmung betroffen. * DaS plötzliche Ausscheiden des Erbgroß» Herzogs von Baden aus dem Kommando des rheinischen Armeekorps halte u. a. auch zu Gerüchten über Zwistigkeiten zwischen dem Kaiser und dem Erbgroßherzog Ver anlassung gegeben. Dazu erfährt ein Berichterstatter der .Königsb. Allg. Z-g.' eine Randbemerkung zu einem solche Behauptungen behardelnden ZeilungS» aus!chnnt, die von einer sehr hoch stehenden Per sönlichkeit herstammt. Die hier geübte Kritik war ebenso kurz, wie energisch. Sie enthielt nämlich nur ein einziges Wort, und dieses lautete: „Blech." *Wie aus parlamentarischen Kreisen wieder einmal auf das bestimmteste versichert wird, ent sprechen olle Nachrichten über eine Verständi gung zw scheu den Mehrheitsparteien des Reichstages und der Regierung über die »ndgültigr Gestaltung des Zolltonf- gcsetzes nicht der Wahrheit. Bis jetzt haben keinerlei sachliche Verhand« I« ngen zwischen Vertretern der Mehrheits parteien und der Regierung staftgeiunden; es find nur Erwägungen gepflogen worden, wie ein schneller Fortgang der Beratungen gesichert werden könne. * Der Kölner Weihbischof und Domdechant Dr. Anton Hubert Fischer wurde zum Erzbischof der Erzdiözese Köln gewählt. * Die Regierung veranstaltet, wie die ,Hamb. Nachr/ erfahren haben wollen, Erhebungen über eine Ausdehnung der Sonntags ruhe. ES bandle sich dabei namentlich um die Verkürzung der Verkaufszeit an Sonntagen, um die Einschränkung der AuSnahmesonntage, um das gänzliche Verbot der Arbeit an dem ersten Weihnacht;-, Oster- und Pfingst'eiertage sowie um das gänzliche Verbot ver Arbeit in den Großhandelsgeschäften. Die verschiedensten wirtschaftlichen Körp rschaften, an welche An fragen dieserhalb ergangen sind, hätten sich be reits ablehnend geäußert. *Die Wiederannahme deutscher Namen, die in polnische umgewandelt worden find, soll nach einer ministeriellen Ver fügung künftighin sehr «leichtert werden. Durch diese Verfügung wird genehmigt, daß der vor- geschriebeue Stempel unerboben bleiben soll und die sonst gen Kosten auf den Dis positionsfonds der beteiligten Ooerprästdeuten zu übernehmen find, sofern sich die Beteiligten als unvermögend ausweisen. * Der zum kath o lis ch en B i s ch o f und apostollchen Vikar für Deutsch-Ostafrika ernannte Benediktinermönch Franz Anton Spieß ist ein Bauernsohn aus Sankt Jacob am Arlberg. Er war Kooperator im Oetzthal, trat 1892 in den Benedikliner-Orden in Sankt Ottilien in Bayern ein. Dann ging er als M sfionar nach Deutsch-Ostafrika, gründete unter großen Geiahren eine M sfionSstätte am Ny flasee und kehrte im Juli d. fieberkrank nach der Heimat zurück. Hier erhielt er seine Ernennung zum MisfionSbischof Deutsch-Oft- afrikaS. Er wird seinen Bischofssitz in Dar-es« Salaam nehmen. Oesterreich-Ungar«. * Im Wiener Abgeordnetenhause kam eS am Donnerstag bei Beratung des Dringlichkeits» antrageL des Abg. Klofatsch betreffend dieSol - datenmißhandlungenzu äußerst stür mischen Szenen, weil derLandesverteidigung?- Minister die Angriffe auf die Armee ener gisch zurückwies und erklärte, die Armee stehe zu hoch, um durch solche Einwürfe in, diesem Hause berührt zu werden. Diese Er klärung rief bei den Tschechen, Alldeutschen und Sozialisten große Entrüstung hervor. Man verlangte den Ordnungsruf gegen den Minister. Die weiteren Erklärungen desselben, daß er eine Beleidigung des Hauses nicht beabsichtigt habe, aber für das, was er gesagt, Wort für Wort einstehe und dabei bleibe, verursachten einen abermaligen Sturm. Zahlreiche Ab geordnete erklärten, wenn der Minister in solcher Weise Beschwerden beantworte, dann würden sie wissen, hieraus die Folgerungen zu ziehen. Graf v. Monts, der für den Posten des deuychen Botschafters in Rom in Aussicht genommen ist. FrnukreiÄ. *Der erste Schiedsspruch in den Fragen des Kohlenarbeiterstreiks ist erfolgt; er bedeutet eine Niederlage der Arbeiter. Die von den Bergwerksgesellschaften des Pas« be-CalaiS gewählten Schiedsrichter haben ihren Urteil«sprach dahin abgegeben, daß eine Er- Graf pomftalös, der als Preuß. Gesandter tn München in Aussicht genommen ist. Höhung des gegenwärtigen Lohnsatzes nicht angängig sei. England. *Die neuen Kredite für Trans vaal und Oranje im Betrage von achr Millionen Pfund (160 Mill. Mk.) find vom Unterhause einstimmig bewilligt worden. Italien. * In Rom leugnet man, von einem Protest des Sultans gegen die Bes chießung des Seeräubernestes in derMidra - Bat etwas zu wissen. Die Gerüchte von Plänen Italiens betreffend Demen fi d nach der ,Tribuna' voll ständig erfunden, das Vorgehen Italiens gegen die Seeräuberer, die den Handel in der erythräischen Kolonie zerstöre, sei voll kommen gerechtfertigt. Nach den Blättern hatten die Piraten zehn Schaluppen, die mit sehr guten Waffen ausgerüstet waren. Vier Schaluppen der Italiener richteten unter den Piraten ein wahres Blutbad an. Drei Schal ppen der Seeräuber wurden in den Grund gebohrt. — Die türkischen Behörden lieferten den Italienern drei Piralen aus. Spante«. *Die Beziehungen zwischen dem Mini sterium Sagasta und dem Vatikan scheinen sich in jüngster Zeit günstiger gestaltet zu haben. Ministerpräsident Sagasta hat in den Cortes mitgeteilt, daß die spanische Regie rung die vom Vatikan vorgeschlagene Einsetzung eines gemischten Ausschusses zur Regelung der schwebenden Fragen annehme. Da der päpstliche Stuhl die Notwendigkeit der Verminderung der Zahl der be stehenden Diözesen und der Herabsetzung der Gehälter einiger kirchlicher Würdenträger in Spanien anerkannt hat, bleibt dem Ausschuß nur die Aufgabe, in ge meinsamem Einverständnis die Zahl der auf zulassenden Diözesen und die Gehaltsverminde rungen festzustellen. Balkauftaaten. * Das türkis che Schatzamt hat An weisung gegeben, alle rückständigen Pen sionen an die in Deutschland lebenden Wit wen und Waisen von Deutschen, die früher im türkischen Staatsdienste gestanden haben, auszuzahlen. Diese waren fest saft zwei Jahren nicht mehr gezahlt worden. Amer»«. *Die vom venezolanischen Amtsblatt am Dienstag gebrachte Meldung, Castro habe Matos bei La Victoria geschlagen, wird am Donnerstag in einem,Reuter'»Telegramm aus Curasao als reine Erfindung be zeichnet. Matos stehe vielmehr mit starker Macht nahe bei Cua. Afr»«. *Der Gouverneur der Kapkolonie Milner erklärte, die englische Regierung sei nicht in der Lage, das Anerbieten anzunchmen, ein Burenkontingent für den Dienst im Somalilande zu bilden. Aus dem Reichstage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die zweite Beratung des Zolltarifgesetzes fort bei 8 2, der von der Erhebung der Zölle nach dem Roh- be,w. Rein gewicht handelt. Nach der Vorlage sollen bei Waren, für die der Zoll 6 Mk. für den Doppelzentner nicht übersteigt, die GcwichtSzölle nach dem Rohgewicht erhoben werden. Die hierzu gestellten Anträge der Sozialdemokraten und der Freisinnigen Vereinigung wurden in namentlichen Abstimmungen abgel-hnt. Dergleichen wurden die HZ 3 und 4 unter Ablehnung der hierzu von den Sozialdemokraten eingebrachten Abön erungSanträge nach den Kommtssionsbcsch.üssen angenommen. Bet 8 5, der in 14 Nummern die einzelnen zollfreien Gegenstände aufführt, kam es zu einer längeren GrschästSordnungsdebatte. Am 7. d. wird die Beratung des Zolltarif- gesetzeS bet 8 5 fortgesetzt, der in 14 Titeln die Gegenstände aufzählt, die vom Zoll befreit sein sollen. Hierzu liegen neun sozialdemokratische An träge und ein Antrag des Abg. Müller-Meiningen vor, welche die Zahl der zollsreien Gegenstände er weitern wollen. Die Beratung wird in Gemäßheit des am Donnerstag herbeigeführten Beschlusses zusammen gefaßt. Abg. Stadthagen (soz.) äußert zunächst leb haften Zweifel darüber, ob es nach Artikel 28 der Reichsversassung zulässig sei, die Verhandlungen des Reichsiagcs bet beschlußunfähigem Hause zu führen. Seiner Ansicht nach müßten die Verhandlungen dann sofort abgebrochen werden, andernfalls die Be chlüsse ungültig sein würden. In der kaiserlichen Prolta- matton sei seiner Zeit ber'prochen worden, für das wirtschaftliche Gedeihen Helgolands nach Möglichkeit zu sorgen. Der Absatz 3, welcher die zollfreie Ein fuhr gebrauchter Kleidungsstücke und Wäsche ge stattet, soweit sie nicht zum Verkauf und zu gewerb lichen Zwecken dienen fallen, gehe ihm nicht weit genug, deshalb beantrage er, den Nachsatz zu stretchen. Auch in Ziffer 4, wonach der zoll freie Eingang von landwirtschaftlichen Maschinen, Handwerkszeug, Hochzeitsgeschenken u. s. w. ge- stattet werden soll, sofern dazu eine besondere Er- laubnis eingeholt werde, sei er nötig, diesen Nach satz zu streichen. Weshalb wolle man auch NahrungS- und Genußmittel, wie einen jungen Ochsen, einen altdeutschen Napfkuchen, von der Zoll- sreiheit ausschließen ? (Während dieser Ausführungen des Redners hat sich der Saal immer mehr geleert. Im Saale sind im ganzen nur 27 Sozialdemokraten, 6 Nationalliberale und 7 F eisinnige geblieben.) Redner verbreitet sich eingehend über die übr gen sozialdemokratischen AbänderungSanträge und wendet sich dann den nächsten Abschnitten deS Paragraphen zu: zollfreier Proviant für Schiffe, Proben von Kakao, Kaffee, Zucker und Tabak, Kunstsachen für Kunstausstellungen rc. (Ruf rechts: Schluß!) Ich höre Schluß rufen. Wenn Sie sich freilich die ganze Zeit in der Restauration aufhalten und dann nur hei kommen, um Schluß zu rufen, dann wundere ich mich nicht, wenn Sie nachher falsch abst mmen. Sie dort behaupten immer, daß auch Sie die Interessen des kleinen Manne- wahren. Dabei wollen Sie einem Berufs si cher, der jährlich vielleicht 800 Mk. verdient, und dessen Handwerks zeug ihm 120 Mk. kostet, dieses Handwerkszeug noch verteuern. Diese Ziffern, die ich Ihnen hier nenne, sind dem Gutachten eines Schweriner Regier ungs- rates entnommen, der allerdings den Mut ha e, sür die Interessen der kleinen Leute, wie die Be- rufSfischer eS sind, einzutreten. Unsere Ant-äge, meine Herren, find durchweg zu Gunsten des Mittel- standes. Fassen Sie doch einmal, meine Herren, solche Beschlüsse! Stimmen Sie für unsere An träge, dann thun Sie doch einmal ein gutes Wert! Nach dieser viereinviertelstündigen Rede erhät das Wort Abg. Brömel (srs. Vgg.) zur Geschäftsordnung, welcher an die Mehrheit des Hauses die Bitte richtet, den DonnerStags-Beschluß rückgängig zu machen, also über die vorliegenden Anträge getrennt zu dis kutieren (Rufe rechts und im Z-ntrum: Nein, nein!). Meine Herren, gerade die Rede, die Sie eben gehört haben, muß Ihnen doch die Ueber- zeugung gegeben haben, daß eS mit einer so ver- schtedene Gegenstände zusammensassenden Diskussion nicht weiter geht. Redner weist dann, unablä sig von rechts unterbrochen, darauf hin, daß 1879 eben falls bei 8 4, der mit dem jetzigen 8 5 gleichlautend über ZollfretheitS-Gegenständc handelt, ebenfalls die einzelnen Punkte getrennt beraten worden seien. Redner, vom Vizepräsidenten Büsing schließlich darauf hingewiesen, daß das HauS am Donnerstag doch beschlossen habe, den 8 5 im ganzen zu beraten, stellt nunmehr io-mell den Antrag zur GelchäftSord- nung, diesem Beschlusse entgegen die 14 Punkte ge trennt zu beraten. Vizepräsident Büsing erklärt diesen Antrag angesichts der DonnerStagS-BeschlusseS für unzulässig. Ein bezüglicher Beschluß deS Hause» liege nun einmal vor. Abg. Singer und Barth widersprechen ent schieden dieser Auffassung. Ein Geschästsordnungs- antrag, welcher den DonnerStags-Beschluß ausheben und noch jetzt getrennte Beratung Herbeisühren wolle, sei in jedem Stadium der Beratung zulässig. Der Äbq. Barth hält besonders noch dem Zentrum vor, daß Brömel bei Begründung seines Verlar genS Worte gebraucht habe, wie sie bei früherer Gelegen heit Windihorst selber gesprochen habe. Abg. Müller-Sagan und Stadthagen vertreten dieielbe Auffassung. Vizepräsident Büsing: Ich kann einen solchen Antrag nicht zulasten, eine Feststellung der beschluß fähigen Anzahl ist nur vor einer Abstimmung zulässig. Abg. Bassermann: Es können Zweifel ent stehen, ob die Ansicht des Präsidenten richtig ist, und ich beantrage deshalb, diese Fragt der G<- schäfttordnungLkommisston zur Prüfung zu über weisen, aber über den Antrag Brömel sofort abzu- ßimmen. Der Antrag Bassermann wird angenommen und darauf ein Antrag auf Schluß der Debatte. Die Abgg. Singer und Müllcr-Meintngm kon statieren zur Geschäftsordnung, daß oen Antrag stellern zur Begründung ihrer Anträge nicht das Wort »erstattet worden sei. Daraus wird zur Abstimmung über § 5 und die dazu gestellten Anträge geschritten. ES wird zunächst über den Antrag Albrecht zu Nummer 2 namentlich abgestimmt. Der Namensaufruf ergibt die Anwesen heit von nur 183 Mitgliedern, von denen 22 für und 161 gegen den Antrag stimmen; daS Haus ist demnach nicht beschlußfähig. Präsident Gras Bailestrcm beraumt kraft eigener Machtvollkommenheit die nächste Sitzung auf Momag an zur Fortsetzung der eben abgebrochenen Beratung. A Truggotd. 12 ) Roma« vo» Anna Setzsfert-Kliuger. Sie reichte Winkler ihre kleine, vornehm zarte Hand hin. „Watz ich vermag, um diese kleine Widerspenstige zur Befinnurg zu bringen, das wi d o schein, verlassen Lie sich daran l" Heinrich beugte sich über die zierlichen Finger spitzen uni ki ß e sie, eine Thräne aus seine« Augen fiel brennend heiß darauf. Sprechen konme er ncht. Die Kehle war ihm wie zuge schnürt, er emp and einen Jamm r, wie nie zuvor in seinem Dasein. Und ms die beiden iichten Mädcheng statten langsam daoon- schritten, war es ihm, als gehe das Glück nun von inm sür alle, alle Zeit. .Wenn ich wenigstens jetzt noch einen raschen Einschluß »atzte, energisch handelte, dann wäre es möglich, las Fl ehende noch mir zurück zu gewinnen I" Das fuhr ihm so durch den Sinn, und unw llküilich that er einen Schritt vor, als wolle er den jungen Mä ch n folgen. Aber es blieb bei dieser einen Bewegung. Was wollte er doch eigentlich? Hatte Lisa nicht versprochen Freiwerberin bei Anni zu sein, und konwe er sich eine nicht beredtere Fürsprecherin Witt scheu, als Lisa Siemann? Sie schätzte ihn hoch, daS hatte fie ihm zahllose Maie dutch Worte und Blicke bewies:», und gestern abend, als er fie im Arm hielt, wie war es ibm da so berauschend durch die Adern ge« stosstn. Die Gartenthür knarrte, nun war er ganz allein, ein Opfer der trostlosesten und wider sprechendsten Emlfinoungen. Mit glühendem Kopf und jagenden Pulsen ließ er sich auf der Bank nieder, wo Lisa gesessen hatte und die Z rstörung ihres süßen, heimlichen Liebes« iraumes erfuhr. Heinrich glaubte wieder ihr todblasses, schönes Gesicht vor sich zu sehen. Was war mit Lisa vorgegangen? Hatte fie nicht gesagt, fie sei verlobt? Sah fie aus wie eine strahlende Braut? Um GofteLwillen, was mochte dem jungen Mädchev widerfahren sein? . . . Winkler konnte vor einem quälenden Etwas, das in seiner Brust wühlte, weder zur Ruhe kommen, noch Klarheit in seine tiefinneren Regungen bring, n. Er stand w eder auf und eilte auf die Straße hinaus. Dis Wetter, welches schon wä rend des ganzen Tages gedroht hatte, ent lud sich über dem kleinen, gartenreichen Vorort in voller Heftigkeit. Winkler dachte nicht daran, ein schützendes Dach aufzusuchen, ziellos irrte er stundenlang in dem Aufruhr der Elemente herum, und als er endlich heimkam, war er bis auf die Haut durchnäßt. Käthe empfing ihn mit Ausrufen aufrichtiger Besorgnis; er aber schnitt jede Frage von vorn herein ab. „Sieh her, ich bin wie aus dem Wasser ge zogen, ich gehe sogleich zu Bett und versuche zu schlafen, dann wird mir die kleine Abkühlung nicht schaden/ „Aber so höre doch nur die große Neuig keit -" „Daß Fräulein Siemann sich verlobt hat? Ich Weitz es bereits, Käthe! Du kannst mir giauben, das ganze Leben ist ein Rätsel und nicht wert, daß man sich mit der Lösung des selben ernstlich beschäftigt." Noch ein flüchtiges „Gutenacht", dann schloß er die Thür seines Zimmers hinter sich ab. Käthe sah ihrem Bruder kopfschüttelnd nach, fie wußte nichts von dem Vorgefallenen und glaubte, er sei krank geworden und spreche im Fieber. „Wir werden morgen zum Arzt schicken müssen," sagte fie zu Anni, welche blaß und fröstelnd im Wohnzimmer am Fenster saß, „mit Heinrich stimmt es nicht, oder es ist die Aufregung über all das gewonneue Geld, die ihn so mitnimmt I" Ats fie auch hier nur eine undeutlich ge murmelte Antwort erhielt, winkte fie Anni schweigend ins Schlafzimmer hinein, und bald erlosch auch das letzte Licht in der Winklerfchen Wohnung. 8. Als Lisa, Anni mit sich fortziehend, das Haus erreicht hatte, küßte fie das junge Mäd chen saft heftig auf die Stirn. „Ich hoffe, liebe Anni, du wirst es dir sehr überlegen, ehe du einem Manne wie Heinrich Winkler endgiltig einen Korb gibst. Und wenn du deine Launen und Wünsche fürchtest, so bedenke auch, daß Winkler durch den Lotteriegewinn mit einem Schlage sehr wohlhabend geworden ist, und daß er auch ohnedies bemüht gewesen wäre, deinen Ansprüchen wettgehrndst Rechnung zu tragen. Er ist ein so guter, aufopferuugsiähiger Mensch, daß er bereit wäre, sein Herzblut für diejenigen hinzugeben, welche er liebt. Freilich gehört er auch zu denen, welche zu Grunde gehen, wenn ihre Liebe unerwdert bleibt." Da warf sich Anni ausschluchzend an die Brust der Freundin. „Wenn du Heinz so genau kennst, so versündige auch du dich nicht an ihm, heiratete nicht den alten, unausstehlichen Baron, sondern warte, bis der Tag kommt, wo Winkler —' „Anni, ich verbiete dir, weiter zu sprechen!" rief Lisa atemlos. Aber das junge Mädchen schüttelte nur trotzig das reizende, eigenwillige Köpfchen. „Dich liebt er, Lisa, dich allein! Und du liebst ihn gleichfalls, leugne es nicht, es wäre eine offenbare Lüge!" Lisas Augen sprühten. Anni hatte Wahl kaum geglaubt, daß das sanfte Ge'evnev« töchterlein so zornig werden könne. „W- lliest du diese finnlosen, ganz aus der Lw> ge griffenen Dinge vorhin vielleicht auch Herrn Winkler erzählen?" rief fie mit leidenschaft licher, wenn auch leiser Stimme. „Ick ver bitte mir ein sür allemal, daß du mich zum Gegenftande deiner Empfindungen machst, die an Taktlosigkeit und Thorheit nichts zu wünschen übrig lassen. Ich bedarf keiner Für sprecherin bei der Wahl meines künftigen Gaiten, und folltest du meine Warnung nicht respek tieren, so werde ich derselben den gebührenden Nachdruck zu geben wissen!" .... „Lisa, wie kannst du nur so heftig sein! Ich habe es ja so gut mit dir und Heinz ge weint!" rief Anni ganz bestürzt. Die andere aber war schon die Treppe hinauf- gehuscht, wo hellflutendes Licht fie empfing.
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