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Wahrheit und Reinheit unter den Frauen, wenn Sie nicht der Liebe eines braven Mannes wert wären, Hanna/' „Sie sollen mich bis zu Ende anhören und dann entscheiden. Das Haus, in dem wir beide Gäste waren, lag in der Nähe einer größeren Stadt. Der, von dem ich spreche —" „Herr Lyndon?" „Ich will ihn so nennen, obwohl das nicht sein wahrer Name ist. Er schlug mir vor, vor dem Standesbeamten jener Stadt unsere Ehe zu schließen. Wir waren beide lange genug in der Gegend gewesen, uni das thun zu dürfen. Von Lyndon unauf hörlich bestürmt und ihn mit der ersten romantischen Neigung eines dem Kindesalter kaum entwachsenen Mädchens liebend und überzeugt, meine Liebe werde in demselben Maße erwidert, ohne befreundete Seele in der Nähe, bei der ich mir Rat hätte holen können, nüt dein Bewußtsein, mich schnöden Undanks und Unge horsams gegen die zärtlichsten Eltern schuldig zu machen, ließ ich mich zu dieser unseligen Verbindung überreden. Vierzehn Tage nach erfolgtem Aufgebot gingen wir eines Morgens früh durch den Park nach der Stadt zuni Standesamt, als Vermählte kehrten wir ins Schloß zurück, und am Abend mußte ich wieder bei meinen Eltern sein, die Last meines schuldigen Geheimnisses mit mir nehmend." — „Stand dieser Herr Lyndon im Rang über Ihnen, und was war der Grund für seine Heimlichkeiten?" — „Er während sich an der Seite Dessen stand, dem ich im Begriff war, alles, was mir teuer war, zu opfern. Ich fühlte mich schwerer Sünde schuldig, und voll Verzweiflung klammerte ich mich in jener letzten Stunde zärtlicher als je an die, von denen ich mich vielleicht auf ewig losriß. Als die heilige Handlung vorüber war, sah mich der junge Geistliche, der uns getraut hatte, in ganz merk würdiger Weise an und verließ die Kirche, nachdem er einige Worte mit meinem Manne geflüstert hatte. Sobald er fort war, stieg Lyndon zur Orgel hinauf, mir winkend, ihm zu folgen. „Komm, Hanna," rief er, sich an die Orgel setzend, auf welcher er so manche Stunde während der letzten Wochen gespielt hatte, und schlug die ersten Akkorde zum Hochzeitsmarsch an, „wir wollen wenigstens Hochzeitsmusik haben, wenn wir auch jedem anderen festlichen Prunk entsagen mußten." Er spielte, wie er immer spielte, wie ein Verzückter, doch auf mein schwer belastetes Herz machte das keinen Eindruck. Ich kehrte wieder in das Kirchenschiff zurück. In den: schwach erhellten Seitengang stieß ich beinahe mit dem fremden jungen Geistlichen zusammen. „Ich wünschte dringend, Sie zu sprechen," begann er leise und in sichtlicher Aufregung, nm mich zu versichern, daß auch alles in Ordnung ist. „Sie sind bereits vor dem Standesamte. getraut worden, sagte mir Ihr Mann und die Zeremonie hier in der Kirche hat mir zur Beruhigung Ihres Gewissens stattgcfunden, doch bin ich ver pflichtet, Ihnen zu erklären —" Die letzten Töne des Hoch zeitsmarsches waren schon seit einigen Minuten verhallt, und ich hörte die Schritte meines Mannes, der rasch näher kam, immer dich ter hinter mir. „Aber Freund," rief er, meinen Arm in den sei nen ziehend, „ich sagte Ihnen doch, daß meine Frau von allem genau unterrich tet ist." Der Fremde stotterte eine Entschuldigung, verbeugte sich vor mir, verabschie dete sich von meinem Manne General Dewet. Ein Saktmskl zu sagte mir, durch seine Verheiratung mit mir setze er Stellung und Vermögen aufs Spiel. Ich war noch nicht achtzehn Jahre alt und in einer kleinen Stadt aufgewachsen, von Leuten erzogen, welchen die Lüge etwas Unmögliches war. Kurz nach meiner Heimkehr erschien er in meiner Vaterstadt. Ich bat ihn, meine Eltern von unserer Verheiratung zu unterrichten oder mir zn gestatten, es zu thun. Unter dem alten Vorwande weigerte er sich, das zu thun. Als er mich aber aufforderte, ihm als seine Frau zu folgen, erklärte ich ihm, die Heirat vor dem Standes beamten genüge mir nicht, und ich würde Heimat und Eltern nicht verlassen, um mit ihm zu gehen, bis unsere Ehe vor Gottes Altar eingefegnet wäre. Er schalt das ein kindisches Vorurteil, doch nach einiger Zeit gab er nach und sagte mir, ich solle meinen Willen haben, er würde sich mit mir in der Kirche trauen lassen, in der mein Vater Geistlicher war, nichtsdestoweniger müsse unsere Verbindung geheim bleiben. Ein ihm befreundeter Pfarramts kandidat werde eines Morgens herüberkommen und die Zeremonie in aller Stille ohne Zeugen vollziehen. Für die Rechtsgültigkeit unserer Ehe käme doch nur die Trauuug vor dem Standesbeamteu in Betracht. Ich werde jenen Tag im Leben nicht vergessen, die leere, in Schatten gehüllte Kirche, den Regen, der gegen die Fenster schlug, das Gesicht des Fremden, der die Zeremonie vollzog, das schauerliche Gefühl der Verlassenheit, das sich meiner bemächtigte, und entfernte sich eiligst. Am näch- stenMorgen ver ließ ich bei Tagesanbruch mein elterliches Hans, zerknirscht in dem Bewußt sein, die Meinigen in tiefste Trauer zu versetzen. Erst von der Zu kunft durfte ich hoffen, mich vor ihnen gerechtfertigt zu sehen; mein Mann beteuerte mir, diese Zeit sei nicht mehr fern, lieber das, was folgte, will ich möglichst kurz hinweggehen. Mein Leben war Hinfort ein elendes llmherwandern an der Seite eines Men schen, in dem ich nur zu bald den gänzlichen Mangel au Ehrgefühl und Grundsätzen entdeckte. Sein einziger Beruf war, die Leute auszubeuten. Wo sein Vorteil in Frage kam, gab es für ihn keinerlei Bedenken, er war unbarmherzig, hart und falsch bis ins innerste Mark. Gott weiß, wie schwer es mir wird, das alles von einem Menschen zu berichten, für den ich so viel gewagt und so viel verloren hatte. Der Tag erschien, an dem ich die Schmach einer solchen Verbindung nicht länger zu ertragen vermochte und lieber mein und meines Kindes Geschick der Vorsehung anheimstellen wollte, als ein Leben zu teilen, das sich nur aus Betrug stützte. Ich eröffnete meinem Mann, wozu ich mich entschlossen, nachdem ich erkannt hätte, er werde sich niemals ändern. Mir bliebe nichts übrig, als die Trennung von ihm, ich würde durch eigene Kraft mich und mein Töchterchen erhalten, oder unterzugehen und nichts würde mich vermögen, ihm länger zu folgen und Schmach und Schande mit ihm zu teilen." (Fortsetzung folgt.) General Botha General Delaiey. kkren cter kurenkükrer in kottercksrn.