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Allgemeiner Anzeiger : 08.01.1913
- Erscheinungsdatum
- 1913-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191301086
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19130108
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1913
-
Monat
1913-01
- Tag 1913-01-08
-
Monat
1913-01
-
Jahr
1913
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.01.1913
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Abrüstung in Ruhland und Österreich. Wenn nicht alles trügt, so hat die Bot- ickasterkonferenz in London in der Tat erfreu liche Ergebnisse gezeitigt. Es war schon ein Verdienst der sechs Diplomaten, die dort die Gemachte vertreten, daß sie in der so heiklen Frage des serbischen Hafens an der Adria eine Lösung fanden, die Serbien (bei einigem guten Willen) befriedigen mutzte, und die zugleich dem österreichischen Standpunkte, wonach ein serbischer Kriegshafen unmöglich zugestanden werden konnte, gerecht ward. Gewiß, man ist nur „grundsätzlich" einig, aber diese Einigung hat doch einem serbisch-österreichischen ernsten Konflikt vorgebeugt. Nachdem dies einmal erreicht war, ist in der internationalen Lage eine Entspannung ringe» treten, der naturgemäß auch eine Rücknahme dezw. Einstellung der militärischen Vorbereitun gen einzelner Staaten folgen mußte. Das gilt in erster Linie von Österreich-Ungarn und Ruß land, die neben dem Drucke der politischen Spannung Sicherheitsmaßnahmen auf militäri schem Gebiet getroffen hatten. Man darf deshalb wohl dem Gerücht glauben, wonach das Peters burger Kabinett vor wenigen Tagen in Wien angefragt hat, ob Österreich-Ungarn bereit sei, zu demobilisieren, in welchem Falle Rußland dasselbe tun wolle. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß Österreich bejahend antworten wird. In diesem Vorschlag Rußlands kann nur ein Beweis seiner friedlichen Gesinnung erblickt werden, der man in Wien Rechnung tragen wird. In Petersburg wird darauf hingewiesen, daß dieser Schritt des Petersburger Kabinetts um so mehr zu begrüßen sei, als es sich bei Rußland um keine eigentliche Mobilisation handelt, sondern nur um eine zeitliche Zurück haltung von Reservemannschaften, die dem Staate naturgemäs weit geringere Unkosten auf erlegt als die Mobilisation von Teilen der österreichisch-ungarischen Armee, das Zarenreich somit in der Lage wäre, die Lasten der Kriegs bereitschaft noch längere Zeit ohne größere Schwierigkeiten zu tragen. Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß Österreich-Ungarn nicht ohne weiteres alle seine Truppen aus ihren Standorten abberufen kann — dazu ist doch wohl Serbiens Haltung noch immer nicht klar genug — so wird das Wiener Kabinett doch sicher bereit sein, die Mobilisation gegen Rußland einzustellen. Freilich, es bleibt die Frage, ob man sich wird darüber einigen können, wer den Anfang machen soll. Es wird auch hier noch eingehender Verhandlungen be dürfen. Immerhin darf man mit Genugtuung eine abermalige Entspannung der Lage sestftellen. Leider stehen die Aussichten dec Friedens konferenz nicht ganz so günsüg. Zwar ist man sich schon einigermaßen nahegekommen, — die Türken haben in die Abtretung gewisser Ge bietsteile gewilligt und die Vervknveten haben ihnen dafür einige ägäische Inseln zugestanden, — aber es besteht doch immer noch eine be trächtliche Meinungsverschiedenheit. Zwei Punkte sind vor allem umstritten: das Schicksal Adrianopels und Skutaris und das der ägäischen Inseln, dis an dem Eingang der Dardanellen von den Griechen besetzt worden sind. Die Türken behaupten, Adrianopel müsse mohammedanischer Besitz bleiben. Sie haben die Festhaltung an dieser Forderung und ihre Durchsetzung bereits im ganzen Lande durch die Presse als Erfolg verkünden lassen, um über die Abtretung Thraziens, Mazedoniens, Kos sowas (Altserbien) und Novibazars hinweg zutäuschen, sie können jetzt, ohne das Land schwer zu beunruhigen, auf Adrianopel nicht verzichten. Die Bulgaren aber wollen die Festung, well sie sonst eine ständige Drohung bedeuten würde. „Adrianopel bleibt türkisch!" schreien die Türken. „Adrianopel ist bulgarisch. Darüber ist kein Zweifel erlaubt," sagen die Bulgaren. Ähnlich verhält es sich mit Skutari. Die Türken behaupten, sie könnten nur tatsächlich erobertes Gebiet abtreten. Die Montenegrmer K Im Strom äer Melt. 1) Erzählung von Paul Blitz.*) 1. Früher als sonst verließ Lucie den Leseklub ihrer Freundinnen. Es wollte heute keine rechte Behaglichkeit aufkommen. Von Anfang an herrschte eine diskrete Zurückhaltung, die man in diesem kleinen Kreise sonst nie zu finden gewöhnt war. Eine dumpfe Schwüle lag über dem sonst so traulichen Raum. Und jeder fühlte, daß irgend etwas noch Unausgesprochenes, Grausiges die Gemüter bedrückte. Am deutlichsten fühlte das Lucie. Harmlos und fröhlich wie immer war sie hergekommen, in der Voraussicht, eine an regende Stunde hier zu verleben. Aber kaum war sie eingetreten und sah die bereits anwesen den Freundinnen an, da senkte sich, wie ein Schatten, etwas auf sie nieder, daS ihr plötzlich den Atem nahm und ihr dann das Blut durch die Adern jagte. Erstaunt sah sie sich um. Von einer zur andern glitt ihr Blick. Aber jede der Freun dinnen wich ihr aus. Jede war freundlich und lieb zu ihr, aber keine sprach ein offenes Wort, das die Stimmung klärte. Mit peinlicher Deutlichkeit empfand Lucie das, und von dem Augenblick an war es um ihre Fassung geschehen, denn sie fühlte, daß ihr irgend etwas Unangenehmes bevorstand. Nur mit Mühe hielt sie sich aufrecht. Und bei der *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. aber sehen in dem Besitz Skutaris den einzigen Eriolg ihres Feldzuges. Gerade die Lösung dieser Frage aber ist schwierig, weil sie eng mit der albanischen zusammenhängt. Zwischen den Kabinetten von Wien und Rom wird deshalb zurzeit ein reger Depeschenwechsel über die künftige Zugehörigkeit von Skutari geführt. Die italienische Regierung befürwortet in Wien die Ausschaltung Skutaris von dem zu schaffen den Fürstentum Albanien und macht geltend, daß das Schicksal des montenegrinischen Thrones von der Annexion Skutaris abhängt. Es heißt, daß der König von Italien sich per sönlich dafür einsetzt, diesen Wunsch des Königs von Montenegro, seines Schwiegervaters, zu erfüllen. Ob man in Wien ohne weiteres zustimmen kann, hängt davon ab, welche Versprechungen die österreichische Regierung den albanischen Stammes führern gemacht hat, die Skutari zur Hauptstadt des selbständigen Albaniens wünschen. Man sieht, die Dings sind durchaus nicht einfach. Auch der Streit um die ägäischen Inseln wird nicht so leicht zu schlichten sein. Die Türken be haupten, sie gehören zum größten Teil zu Kleinasien und müßten deshalb türkisch bleiben, die Griechen sehen in ihnen Gebiete, die geo graphisch zu ihrer Heimat gehören. Aber schließlich bleibt die Hauptsache, daß die Groß mächte „grundsätzlich" einig sind. Da dies augenblicklich der Fall zu sein scheint, darf man hoffnungsvoll der weiteren Entwicklung ent- gegensehen. Im Augenblick freilich sieht es sehr böse aus. Die Delegierten des Balkanbundes sind der Verzögerungstaktik der Türkei müde. In der Sitzung vom 3. Januar haben sie deshalb der Türkei ein dreifaches Ulti matum überreicht, betreffend Adrianopel, Kreta und die ägäischen Inseln. Sie gaben gleichzeitig zu verstehen, daß sie die Ver handlungen abbrechen würden, falls sie nicht in kürzester Frist eine klare und zufriedenstellende Antwort erhalten. Die Türken erklärten, daß sie ihre Antwort sehr bald geben würden. Diese Erklärung wird als ein Anzeichen dafür aufgefaßt, daß die Türken einen Bruch für un vermeidlich ansehen, und darum keine Verzöge rung mehr wünschen. Obwohl es angesichts des Ultimatums und der darauf erfolgten Erklärung der Türken den Anschein hat, als ob die Verhandlungen ge scheitert seien, ist es immerhin noch möglich, daß die Türken nachgeben, oder aber einen Einigungs- vorschlag machen, der für die Balkanstaaten annehm bar Wäre. Aber auch wenn es zum Abbruch der Verhandlungen kommen sollte, brauchte nicht eine sofortige Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zu folgen, denn man wird dann vermutlich zunächst eine Ver mittlung der Großmächte anstreben. Ob die Großmächte einstimmig bereit sein werden, einen solchen Wumch zu erfüllen, steht allerdings dahin. — Jedenfalls spielt der Bal'anbund mit seinem Ultimatum ein nicht ganz unbedenkliches Spiel. Politische Huncllchau. Deutschland. *Kaiser Wilhelm, der,- wie jetzt fest steht, Anfang März seine Reise nach Korfu antritt, kehrt Anfang Mai aus dem Süden zurück und trifft voraussichtlich am 14. Mai in Wiesbaden ein, um dort zehn Tage zu verbleiben. Von hier aus wird der Monarch den vierten Wettstreit deutscher Männergejang- vereine in Frankfurt a. M. besuchen. * Im Beisein des würtiembergischen Königspaares und mehrerer andrer deutscher Bundesfürsten fand in Stuttgart die Beisetzung des so plötzlich aus dem Leben ge schiedenen Staatssekretärs des Äußeren von Kiderlen-Wächter statt. In Vertretung des Kaijerpaares war der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg erschienen, der ein prachtvolles Blumenarrangement am Sarge des Verstorbenen mederlegte. * An den in Berlin stattfindsnden Beratungen über die Gestaltung der dem Reichstage vis Zum 1. Apra oorzulegenden allgemeinen B e. sitz steuer nehmen dis Finanzminister von Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen teil. Alles, was bisher über das vor aussichtliche Ergebnis der Beratungen berichtet worden ist, beruht um so mehr auf Ver mutungen, als in unterrichteten Kreisen ange nommen wird, daß endgültige Beschlüsse über haupt noch nicht gefaßt sein dürften. Den Be ratungen wird die umfangreiche Denkschrift zu grunde gelegt, die schon vor einigen Monaten im Reichsschatzamt ausgearbeitet worden ist und die außer einem reichhaltigen Zahlen material nur die verschiedenen Arten einer all gemeinen Bssitzsteuer aufführt, ohne für eine von ihnen bestimmte Stellung zu nehmen. * Die Vorlage über dieErrichtung eines KolonialgsrichtshofeS wird demnächst dem Bundesrat zugehrn. Bekanntlich hat der Entwurf bereits dem Reichstage vorgelegen, und die Streitfrage, die zur Zurückziehung der Vorlage führte, bestand einmal in der Zu sammensetzung des Kolonialgerichtshofes, für den der Regierungsentwurf vorgeschlagen hatte, daß die Beisitzer zum Teil aus Verwaltungs beamten, Beamten des Auswärtigen Amts und des Kolonialamts bestehen sollten. Der neue Entwurf paßt sich den im Reichstage geltend gemachten Wünschen an und sieht vor, daß als Beisitzer nur Richter, die sich im vollen Besitz der richterlichen Rechte befinden, in Betracht kommen können. Die zweite Streitfrage bildete der Sitz des Gerichtes, wobei in erster Linie Ham burg und Berlin in Frage kamen. * Um den Zuzug Mittelloser nach den Schutzgebieten zu verhindern, wird vom 1. Januar ab von jedem Einwanderer, der ohne sichere Lebensstellung nach Süd - westafrika reist, die Hinterlegung von 300 Mark verlangt; ohne dies erhält der Reisende keinen Fahrschein. Der Betrag wird bei der Landung von den Agenturen der Damvferlinie zurückerstattet, wenn die Behörden damit ein verstanden sind. Für Ostafrika ist die Regelung folgende: die Europäer müssen, wenn sie keine feste Anstellung haben, eine Barschaft von 600 Mk., die Farbigen eine solche von 200 Mark nachweisen. Bon diesen Beträgen sind 400 Mk. von Europäern und 150 Mark von Farbigen bei der Linie zu hinterlegen, um als Deckung der Rückfahrkssten zu dienen, falls die Behörde die Landung nicht gestattet oder die Heimsendung anordnet. Die Rückzahlung kann nur erfolgen, nachdem das Gouvernement seine Zustimmung erteilt hat. Diese Bestimmungen finden auch Anwendung auf solche Personen, mit Ausnahme von Ehefrauen und Kindern, deren Angehörige m Ostafrika ansässig sind. Asien. *An der chinesisch - tibetanischen Grenze ist es zu einer blutigen Schlacht ge kommen, in der 300 chinesische Soldaten gefallen sind. Die Chinesen sollen sechs Maschinen- aewehre verloren haben. Amtlich wird als Grund für diese Niederlage angegeben, daß die Soldaten, weil sie das Vertrauen in die genaue Landeskenntnis ihrer Befehlshaber verloren hatten, den Gehorsam verweigerten und daß Tibetaner diese Gelegenheit benutzten, um sie anzugreifen. Vie StapeUZufe in äen Kriegsmarinen i-ir. Abgesehen von Torpedofahrzeugen und Unter seebooten sind im Laufe des Jahres 1912 folgende Kriegsschiffe von Stapel gelaufen: Deutschland: Zwei Linienschiffe (Prinz- Regent Luitpold" am 17. Februar in Kiel, „König Albert" am 27. April in Danzig), ein Großer Kreuzer („Seydlitz" am 30. März in Hamburg) und zwei Kleine Kreuzer („Karls ruhe" am 11. November und „Rostock" am 12. November, beide in Kiel). Gesamtwasser verdrängung etwa 82 200 Tonnen gegen 115 300 Tonnen im Jahre 1911. England: Vier Linienschiffe („Ajax", „Audacious", „Jron Duke", „Marlborough"), ein Panzerkreuzer („Queen Mary"), fünf Kleine Kreuzer („Dublin", „Southampton", „Sydney", „Melbourne", „Fearleß"). Zusammen 150 430 Tonnen Wasserverdrängung gegen 205 510 Tonnen im Jahre 1911. Ver. Staaten: Zwei Linienschiffe („New York" und „Texas"). Gesamlwasser- verdrängung 54830 Tonnen gegen 52 840 Tonnen im Jahre 1911. Frankreich: Zwei Linienschiffe („Paris" und „France"). Gesamtwasserverdrängung 46 940 Tonnen, genau ebenso viel wie im Jahre 1911. Japan: Zwei Panzerkreuzer („Kongo" und „Hiyei"). Gesamtwasserverdrängung 55 880 Tonnen gegen 35 830 Tonnen im Jahre 1911. Italien: Zwei Kleine Kreuzer („Mar sala" und „Libia"). Gesamtwasserverdrängung 7300 Tonnen gegen 71300 Tonnen im Jahre 1911. Osterreich-Ungarn: Zwei Linien schiffe („Tegeithoff" und „Prinz Eugen") und zwei Kleine Kreuzer („Saida" und „Helgoland"). Gesamtwasserverdrängung 49 800 Tonnen gegen 21400 Tonnen im Jahrs 1911. Spanien: Ein Linienschiff („Espana") von 15 700 Tonnen. China: Ein Kleiner Kreuzer („Fei Hmrg") von 2600 Tonnen. Rußland hat im Jahre 1912, ebenso wie es in den Jahren 1908, 1909 und 1910 ser Fall war, keinen Stapellauf von größeren Schiffen zu verzeichnen; auch für die süöamer!- kanischen Staaten sind im Jahre 1912 keine größeren Schiffe zu Wasser gebracht worden. Im ganzen erreichen die Zahlen für 1912 die jenigen für 1911 nicht: der Tonnengehalt aller im Jahre 1912 von Stapel gelaufenen Schiffe wird bri deren Fertigstellung rund 470 010 Tonnen betragen, gegen 700 000 Tonnen im Jahre 1911 und 260 000 Tonnen un Jahre 1910. Für die letzten sechs Jahre beträgt das Gesamtergebnis auf dem Gebiets des Miegs- schiffbaues: England 715 780 Tonnen, Deutsch land 445 500, Frankreich 246 660, Ver. Staaten 236 650, Japan 168 730, Italien 150 060, Österreich-Ungarn 118090, Rußland 105 510 Tonnen. Während sich die Zahl der schwimmenden Großkampfschiffe im Jahre 1911 um 27 ver mehrte, sind im Jahre 1912 nur 17 oder, wenn man das spanische Linienschiff auch zu dieser Klasse rechnet, 18 Großkampischiffe von Stapel gelaufen, eine Zahl, die im Jahre 1913 wieder auf 24 steigen dürfte. Von s>!ak uncl fern. Riesenunterschlagung in einem Braun schweiger Bankgeschäft. Bei der Firma Gebrüder Löbbecke u. Komp, in Braunschweig sind in der Zeit vom Dezember 1910 bis 1912 umfangreiche Depoiunterschlagungen von Effekten durch den Buchhalter Aurbach und den Kauf mann Alexander Weber verübt worden. Aurbach ist von Weber dazu angestiftet worden. Die Unterschlagungen wurden von den beiden Ge nannten dadurch ermöglicht, daß sie Auftrags oder Depoikundenscheine fälschten oder neu her stellten. Die Gesamtunlerschlagungen dürften sich auf etwa 450 000 Mk. belaufen. Beide sind flüchtig geworden, wodurch die Angelegen heit erst zur amtlichen Kenntnis kam, weil die geschädigte Firma davon abgesehen hatte, An zeige zu erstatten. Der Schaden der Depot inhaber ist von dem Banthause voll gedeckt worden. Der Herr „Revisor". Bei dem Rechner der Spar- und Darlehnskasse in Rust (Baden) erschien dieser Tage ein gut gekleideter Fremder, der unter Vorzeigung eines Ausweises angab, daß er eine Revision der Bücher und Kaffs vorzunehmen habe. Der angebliche Revisor sand nichts zu beanstanden, doch erklärte er, der Rechner müsse unter Mitnahme von Geld und Büchern mit nach Freiburg kommen, um sich dort an zuständiger Stelle besser recht fertigen zu können. Während sich nun der Rentner im Nebenzimmer umkleidete, verschwand der Herr Revisor unter Mitnahme der Bücher und des Kassenbestandes. Bei der sofortigen Verfolgung wurdr ver Gauner durch die Genoarmerie im Kellerhals des Schulhaufes in Ettenheim entdeckt und feftgenommen. ersten Gelegenheit suchte sie einen Grund, sich zu verabschieden. Angstvoll, atemlos ging sie dann nach Hause, um sich Klarheit zu verschaffen. Erschrocken sah die alte Mutter auf, als sie die Tochter zu so ungewohnt früher Stunde zurückkommen sah, und noch mehr erstaunte sie, als sie den Grund dafür erfuhr. „Aber Kind, ich bitte dich, was soll uns denn bevorstehen!? Du bist erregt und siehst Gespenster." Doch auch der Mutter Worte wirkten auf die Tochter nicht beruhigend, und plötzlich fragte sie: „Ist es dir nicht auch ausgefallen, daß Papa, als er sich gestern abend vor seiner Ab reise verabschiedete, anders war, als sonst?" Wieder erschrak die alte Dame. „Anders als sonst? Wie meinst du das? Ich habe nichts davon gemerkt." Lucie nickte. „Als er mir die Hand gab, fühlte ich deutlich, daß sie zitterte." „Aber Kind, wie soll ich das verstehen? So sag' doch klar, was du denkst. Mit deiner Erregtheit hast du mich schon angesteckt." Und plötzlich fragte die Tochter nun: „Hast du eine Ahnung, ob Papa in finanzieller Schwierigkeit ist?" Mit starrfragenden Augen sah die Mutter aus. „Aber, Lucie, wie soll ich denn das wissen! ? Darüber hat doch Papa mit mir nie gesprochen, überhaupt, wie kommst du nur daraus?" „Diese Möglichkeit wäre doch wohl nicht so ganz ausgeschlossen." „Das weiß ich nicht. Aber ich glaube das auch nicht. Unser Bankhaus ist doch so solide und fest fundiert, daß es seit nahezu hundert Jahren allen Stürmen getrotzt hat." „Und trotz alledem erkläre ich dir, daß ich an Papa schon seit längerer Zeit kleine Ver änderungen wahrgenommen habe; er hatte zweifelsohne Sorgen, die er uns verheimlichen wollte." Die alte Dame wurde immer erstaunter, aber auch immer besorgter. „Warum hast du mir von alledem denn nie etwas gesagt?" „Weil ich bisher noch immer selbst nicht so recht an die Richtigkeit meiner Beobachtung glauben mochte." Angstvoll entgegnete die Mutter: „Das alles trifft mich völlig überraschend. Nie habe ich etwas Ähnliches gemerkt oder an Derartiges auch nur gedacht." „Auch mir kamen alle diese kleinen, auf fälligen Erscheinungen, die ich im Laufe d:r Zeit an Papa wahrgenommen habe, eigentlich erst heute so recht zum Bewußtsein; denn dort im Kränzchen war ein junges Mädchen — die Paula Hellwig — du kennst sie ja als ein boshaftes Geschöpf — die sprach so obenhin von den Ge fahren, denen in unsrer Zeit selbst die ältesten Bankhäuser ausgesetzt seien — und diese Worte waren direkt auf mich gemünzt, das fühlte ich ganz deutlich. Von dem Augenblick an fiel es wie Schuppen von meinen Augen, ich erkannte auf all den Gesichtern meiner Freundinnen, daß es etwas gab, was sie alle wußten, nur ich noch nicht! Und da packte mich die Unruhs und die heimliche Angst, und ich fing an zu beob ¬ achten und zu grübeln; nicht das geringste ent ging mir mehr, bis es mir endlich zum Erschrecken klar wurde, daß man mich heimlich bemitleidete. Nichts sagte man, kein Wort verriet etwas. Nur die Mienen sprachen. Da fühlte ich klar, daß uns etwes Furchtbares bevorstände. Alle di« andern schienen bereits alles zu wissen, nur wir, die am meisten Beteiligten, wir ahnten noch nichts I Und da hielt es mich nicht länger mehr in der Gesellschaft. Ich ging, und niemand hielt mich zurück. Nur mitleidsvolle Blicke folgten mir. Schrecklich war das. Gan, grauenvoll schrecklich. Wie Feuer brannten mir diese Blicke ins Herz. Fast geflohen bin ich. Und selbst draußen auf der Straße verfolgte mich die Angst. Jedem Gruß wich ich aus, wie menschenscheu lief ich durch die Straßen, denn in all den Blicken der mir Begegnenden glaubte ich immer nur das gleiche zu lesen. Sie alle, sie ahnten vielleicht schon, was uns bevorstand, und nur wir, wir wußten noch von nichts. So kam ich nach Hause!" „Mein Gott! Mein Gott!" jammerte die alte Dame nun, „was wird das nur werden!" Da trat die Tochter zu ihr heran, um sie zu beschwichtigen und fragte sie dann: „Hat denn Papa nie etwas zu dir verlauten lassen, Mutting?" „Aber nein, kein Wort, nicht das geringste; er hat ja nie von seinen Geschäften und Unter nehmungen gesprochen, und ich habe auch nie gewagt, ihn darum zu befragen." „So weißt du also auch nicht, weshalb Papa fortgefahren ist?"
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