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Allgemeiner Anzeiger : 01.11.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190211014
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19021101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-11
- Tag 1902-11-01
-
Monat
1902-11
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.11.1902
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Volltlfckr RnN^cha«. De«tschl»nd. * Das Kaiserpaar wohnte am Dienstag mit dem Kronprinzen von Däne mark dem Gastspiele der Sara Bernhardt im kömgl. Schzuspielbause bei. * Der Kaiser begibt sich am 5. November nach Kiel und tritt am 6. von dort die Reise n ach London an. * Mit bezug ans die in der ätzten Zeit an?« oesprenaten Gerüchte über eine Erschütterung der Stillung des Reichskanzler« Grafen Bülow durch den bisherigen Verlauf oer Avlltariiangelegenheit ist es als politisch be merkenswert tbervor.ruheben, der Kaiser und die Kaiserin sich Sonntag bei dem Reichskanzler zvm Diner angesagt hatten. * Für die von Deutschland angeregte Kon« ferenz wegen der drahtlosen Tele- gravhie bw an bis jetzt dem Vernehmen nach Oesterreich-Ungarn, Italien, Rußland und die Der. Staaten ihre Beteiligung zngesagt; von England und Frankreich steht die Antwort noch aus. Es bandelt sich nach der ,Nat.-Ztg/ Vor ollem darum, zn verhüten, daß durch vor- zeitiqe einseitige Annahme eines oder de? anderen der verschiedenen - hsteme drahtloser Telegraphie die Benutzung dieses neuen Mittels der Nach richten Be'ör> erring zwischen den verschiedenen Siaat°n verhindert oder erschwert würde. «Zwischen den freisinnigen Parteien und den Sozialdemokraten ist nun eine Einigung dahin ' kstelt worden, daß nach der Abstimmung über die ViehMe der Antrag aut Aus setzung der Zolltarifs) erat ung ge stellt werden wird. Zur Abstimmung über die ViehMe sollte es am Mittwoch kommen. Der Antrag wird gestellt, weil die Linke eine Weiter- be-mung für nutzlos hält, so lange die Mnnu gsverschiedenheiten zwischen Regierung - nd Mehrheitsparteieu bestehen. Sehr zweifel haft ist es freilich, ob der Antrag bei der Mehrheit Anklang finden wird. Bis jetzt liegt nicht sas geringste Anzeichen vor, daß die Metrheitsparteien dem Anträge znstimmen werden. «Im Befinden des Abg. Rickert ist «rireultch^rweise ein« Besserung zu verzeichnen. Pro- kcssor Rickert aus Freiburg, der am Freitag an daS Krankenlager ^es Vaters geeilt war, ist wieder ab gereist. da die Aerztc versicherten, daß eine unmittel bare Lebensgefahr iür den Patenten zur Zeit nicht bestebt. «Der .Reichsanzeiger' veröffentlicht die vom Bundesrat beschlossenen Bestimmungen betreffend die Einrichtung und den Beirieb der Ros, ha «r- spinnereien, Haar- und Borstenzurichtereien sowie der Mrsten- und Pinielmacyereien, vom 22. Oktober 1902. Die Verordnung enthält ein gehende Vo'schri'ten zur möglichsten Beseitigung sanitärer Uebelstiinde in den genannten Gewerbe- betrieben. Bekanntlich ist im Reichstage wiederholt der Erlaß solcher Bestimmungen als höchst dringlich bezeichnet worden. «JnvaliditätSversicherungSmarken Werden fortan bei den Postanstalten gegen Marken einer anderen Lohnklasse unter folgenden Bedingungen umgetau > cht werden: Die Marken, deren Nm- tawch gewünscht wird, müssen unbes.Mi«t sein. ES find«: nur ein Umtausch gegen ander« Marken statt. Der etwaige höhere Wert der letzteren muß vom Empfänger bar zugeuchlt werden. Eine Bar- zah! mg au? der Postkasse ist ausgeschlossen. Jede Post Malt hat nur die Marken derjenigen Versiche- rungS-Anstalt zum Umtausch anzunehmen, deren Marken sie verkauft. «Seit der Erwerbung bezw. Pachtung von Kiautschou ist den in China lebenden Militär« pfliatigen jungen Deutschen gestattet worden, im F lle der Qualifikation zum «injLhrig-frti- willigen Dienst ihr Jahr in Kiautichou ob« menen zu Türken. Ten Anfang hierin machte am 1. April 1896 ein junger Hamburger, welcher sein Jahr bei der N-illerle in Tstngtau abdiente. Seit jener Zeit haben bis jetzt insgesamt 21 junge Deutsche auf diese Art im fernen Osten ihrer Milt- ttkpflicht genügt. Frankreich «Di» aufständischen Grubenarbeiter in Nvcd-ranlreich haben sich bereit erklärt, die schiedsrichterliche Entscheidung des Ministerpräsidenten CombeS anzunehmen. * Der Chef des Sicherheitsdienstes, Cache« fert, wurde vom Pariser Polizeiprä ekten er mächtigt, gegen den Gaulois' wegen dessen Be hauptung, daß Cochefert die Flucht der Familie Humbert begünstigt habe, die Verleumdungsklage anznstrrngen. Suglaud. ( «Chamberlain wwd nach amtlicher Mitteilung im letzten Teil des November Südafrika besuchen, um sich über die durch die Beendigung des Krieges und die Re gelung der Verhältnisse in den neuen Kolonien gestellten Ausgaben ein klares Bild zu ver schaffen. Er hofft m't allen Beteiligten zu sprechen und ihre Ansichten über die in Zu kunft zu befolgende Politik in Südafrika zu er wägen. Der Besuch wird sich auf die Kap- kolonie, Natal, die Oranje-Kolonie und Trans vaal anseehnen uno die Rückkehr Anfang März erfolgen. Wie das .Reutersche Bmeau' er ährt, hat der Besuch Chamberlair s in Südafrika die Nronprin, Friedrich non Aän,morst. volle Billigung des Königs und des Premier ministers und wird auch von Milner lebhaft begrüßt. * Von der zur Wiederansied elnng der Buren auf ihren Farmen von der eng lischen Regierung b'willigten Summe von drei Millionen Pfund >'st nach einer am Montag im Unterhaus vom Kolonialminister Chamberlain abgegebenen Erklärung kein Teilbetrag dazu verwendet worden, kriegsgefangene Buren nach Südafrika Mffckmbringen. Finanzse'retär des Krieg?amts Lord Stanley teilte mit, daß etwa 13000 Buren nach Afrika zurückgebracht seien. Es seien Maßnahmen getroffen, um 7000 Ge fangene von Indien und Ceylon vor Ablauf d'efcs IahreS in die Heimat zu befördern. Der Rest der gegangenen Buren werde bald darauf zurückgesandt werden, falls sie den Treu eid leisten. Schweiz. «In der Schweiz wurde am Sonntag bei der Gesamterneuerung des NationalrntS, dessen Mitglied er'ahl infolge der Vermehrung der Bevölkerung von 147 auf 167 steigt, die bis herige radikal-demokratische Mehr heit bestätigt. Die noch vorznnehmenden Stichwahlen können an diesem Ergebnis nichts ändern. Die Sozialdemokraten erhalten einen Zuwachs von 2 bis 3 Mandaten und dürften damit auf etwa 8 Mandate kommen. Spanten. «Der leitende Minister Sagasta ließ seinen Kollegen Mitteilen, er sei krank und müsse das Bett hüten. Doch glaubt man, daß es u ir eine volitische Krankheit s'i, nm Moret die Premicrschast zuzuschieben. In folgedessen find Krise ngerüchte im Um lauf. Amerika. «Generalstaatsanwalt Knox überreichte dem Präsidenten Roosevelt einen umfassenden Bericht über die Untersuchungen bezüglich der Gültigkeit der Rechtttitel der Neuen Pa nama-Gesellschaft aff den Grund besitz, die Bauten und die Konzessionen, über welche dieselbe zu verfügen beabsichtigt. Es verlautet, für den Fall, daß die Ver. Staaten daS Unternehmen ankaufen, sei Admiral Walker als Haupt der Mit dem Bau des Panama- Kanals zu beauftragenden Kommission aus- ersehen. Ans dem Reichstage. Der Reichstag setzte am Montag die zweite Beratung der Zalltarifvorlage bet den ViehMen fort. Äbg. Müller-Sagan (fr. Vp.) erörterte die Frage der Fleischnot und wie« an der Hand statistischer Zahlen nach, daß die inländische Vieh produktion nicht im stände sei, den Bedarf der deuischen Bevölkerung zu decken. Seine Freunde würden gegen die Mtnimalzölle sowohl wie gegen jede Erhöhung der Vieh- und Fleischzöll« stimmen. Abg. Svahn trat namens des Zentrums für die Kommisssonkbeichlüffe ein. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Verhandlungen so lange würden fortgesetzt werden können, daß sie zu gedeihlichem Ende führten. Auch Abg. Semler (nat.-lib.) sprach die Hoffnung aus, daß die Vorlage zu stände kommen werde und trat namens seiner Partei für die Regie rungsvorlage ein, wies aber den KommisjonSbeschluß mit den Minimalzöllen zurück. Abg. v. Oldenburg trat namens der Konservativen für die KommissionS- beschlüsse ein. Ein großer Teil der Partei werde auch für den Antrag Wangenheim stimmen. Aba. Pachnicke (frs. Vgg.) bekämvfte die Vorlage sowohl wie die Kommissionsbeschlüsse und ersuchte schließlich, dem grausamen Spiel ein Ende zu machen, indem man den Reichstag vertage, bis der Etat eingegangen sei. Nachdem Abg. Becker (Zentr.) die Annahme der KommtsssonSbeschlüsse befürwortet hatte, wurde die Weiterberatung vertagt. Am 28. d. wird die zweit« Beratung der Zoll tarifvorlage fortgesetzt bei den Vieh- und Flesschzöllen. Abg. Graf Kanitz (kons.) nimmt zunächst die Tierärzte gegen verschiedene Bemerkungen der Nbgg. Bebel und Müller-Sagan in Schutz. Er kenn« keinen Fall, in dem ein Tierarzt in einer V'eh- oder Fleischuntersu^ung nicht seine Pflicht gethan habe. Was den jetzigen Fleischmangel betreffe, könne er den Städten nur den Rat geben, mit der Belettigung der Schl'-chlsteu-r vorzugehen. Die ganze Welt leid« jetzt Fleischmanael, auch England, das in diesem Jahre seinen Fleischbedars statt aus Australien aus Europa bezogen hake. Eine Beseitigung der Sperren würde nach seiner Ansicht keine Verbilligung der Fleischpreise herbeisührn«, denn die Einfuhr dringe nur Seuchen ins Land, die wieder die Presse steigern. Die Linke verlange bei jeder Gelegenheit billiges Brot und hohe Löhne; daS lasse sich nicht vereinigen. Die hohen Löhne seien wichtiger als billiges Fleisch und Brot. Abg. Depken (nat.-lib.) teilt mit, daß seine Partei nicht kür die KomausstonSbeichlüsse eintr- ten werde. Mit demselben Recht wie bei den Viehzöllen könnte man überall Miudcstzölle fordern. Seine Freunde würden für die Regierungsvorlage stimmen, die schon genügend groß« Erhöhungen bringt. Unsere Keietzaebung habe sich seit 1896 in betug auf die Zulassung von Vieh und Fleisch nicht geändert, die Grenzsperre könne also die Flcischteuerung nicht ver ursacht haben. Er sei überzeugt, daß die Landwirt» chaft in absehbarer Zeit in der Lage sein werde, un Fleischbedars Demschlands zn decken. Redner prcht zum Schluß die Hoffnung aus, daß sich der wahre Patriotismus auch noch bei dieser wichtigen Vorlage bewähren möge. Abg. Zwick (sr. Vp.) wünscht auch namens einer Partei eine Grenzsperre gegen di« Ein-chlep- mng von Seuchen, aber st« fordere nicht, daß man >ie Aufhebung der Grenzsperre von völliger Seuchrn- reiheit abhängig macht. Seine Partei wünsche auch Handelsverträge, welche die Stetigkeit im wirtschaft lichen Leben gewährleisten und auch dem Arbeiter höhere Löhne sichern. Redner wendet sich dann gegen daS Borsäureverbot und bestreitet, daß Bor säure irgendwie dem Magen schädlich sei. Abg. Segitz (soz.) weist auf die zahlreichen Widersprüche der Freunde der Landwirtschaft über gewisse Fragen hin. Leider kämen sie schließ lich zu demselben Resultat, daß die Not der Land wirtschaft nur durch Staatshilfe beseitigt werden könne. E» geht dar Gerücht, das Zentrum wolle, um die Beratung zu beichleunigen, eine Aenderung der Geschäftsordnung herbeitvhren. Dieses Ziel werde man nicht erreichen, die Vorlage werde gründlich weiter beraten werden und dazu reiche die Zeit bis 15. Juni nicht aus. Staatssekretär Graf PosadowSky: ES Ist be hauptet worden, daß die GetreidezSlle den Konsum in ihrer vollen Höbe belasten. ES ist aber noch ganz ungewiß, wer überhaupt den Zoll zu tragen hat. ES tei doch Thaisache, daß die Getreidefracht ' von Amerika nach hier außerordentlich stark gewichen , sei. Eb nso sei es Thalsache, daß gerade, wenn die i Industrie blühe, dies einen Rückschlag für die Land wirtschaft bedeute infolge von Mangel an Arbeitern, Abwanderung derselben nach den Stödten. Geholfen könne der Landwirtschaft nur dadurch werden, daß sie hohe Leutrlöhne zahle — aber auch zahlen könne. Und fle könne das nur bei hohen Preisen. Er komme jetzt zu den Fleischzöllen, der Fleischnot, dem Fleischschaugeseh. Wenn wir bei un» daS Fleisch durch Untersuchuna kontrollieren, dann mässen wir eS auch bei der Einfuhr kontrollieren. Wir können nicht dem Jnlande eine so strenge Unter- suchung zumutrn, wenn wir nicht dasselbe auch gegenüber der Einfuhr thun. Der Fleischverbrauch deS Volkes hat sich gehoben, und dem muß natür lich die Landwirtschaft mit der Produktion folgen. Aber auf dem Wege, die "« Linke vorschläzt, geht daS nickt. Jede umfassende Seuche wirkt, selbst wenn kür die gelöteten Tiere Entschädigung gezahlt wird, wahrhaft vernichtend ans den Betrieb der Landwirtschaft. Wir müssen deshalb vorsichtig sein, und dem allein sollen die Sperren dienen. Weiter weist der Staatssekretär die in Sachen Borsäure- Verbot laut gewordenen Vorwürfe zurück. Ein stärkerer Zusatz von Borsäure wirke zweifellos schädlich. Was nun den Zoll anlange, so habe ja der Doppeltarif »nter Umständen sein Gutes. Man dürfe aber di« Min malsätze niemals so hoch stellen, daß dadurch Zollkriege entfesselt werden. Für Ge treide waren Mindestsätze wichtig, um gleich von vornherein zu zeigen, wie weit wir bei den Handels verträgen mit dem Zoll berabgehen können. Man hat gesagt: W:nn der Zolltarif nicht zu stände kommt, verlängern Sie doch die Handelsverträge oder schließen Sie auf Grund des autonomen Tarifs neue Verträge ab. Ja, erstmS gehören dazu zweie und zweitens liegen die Verhältnisse jetzt ungünstiger als unter Caprivi. 31 Staaten haben seitdem ihren Zollschutz sehr wesentlich und für eine Reihe von Gegenstände» erhöht. Die Gefahr, daß wir in baadelspolitische Schwierigkeiten geraten, ist größer auf Grund des bestehenden Zolltarif? als auf Grund eines neuen Tarifs. Die Regierung stebt vor einem kritiichcn Augenblick, und ich kann den Mehrheitsparteien nur dringend raten, von weiter- gehenden Forderungen alsbald abzulassen. Diese weisergthenden Forderungen find nicht realisierbar. Darum bitte ich Sie dringend, sich auf der Regie» runoSvorlagc zu vereinigen. Abg. Trimborn (Zentr.) verteidigt zunächst die Grenzsperren und triit sodann ein für Aullecht- erhal u»g der von der Kommission beschlossenen M ndestzölle auch auf Vieh und Fleisch. Tie Au?- führungen der Staatssekretärs gegen die Mindest- zölle müßten ihn und seine Freunde erst recht be denklich machen. Vor den Wahlen habe daS Zentrum, wie er Herrn Bebel bemerken müsse, keine Angst. Abg. Haase (loz.): Nach der Erklärung deS Grafen PosadowSky ist ein Entgegenkommen der Regierung ausgeschlossen. Ich sehe also nicht ein, weshalb wir noch weiter beraten, eS sei denn, daß die Parteien sich aus den- Boden der Regierungs vorlage stellen. Uns soll eS gleich sein. Wir werden den Tarif gründlich durchberaten. Wir seufzen unter der Fleischicu-rung, während die anderen Staaten billigere- Fleisch genießen können. Die wtilere Beratung wird vertagt. - - i > s-S Uon Uol, nnd Fern. Hu der Falschmünzer- «nd Brief» markenfälschungsaffSre in L emnitz bemerkt die offiziöse,Berl. Korr.' zur Berichtigung von Zeitungsmeldungen: Die Briefmarkeniälschtt find gleich bei den ersten Versuchen, die Brie'- marken unterzubringen, obgesaßt worden. Die Zahl der an Zahlung-statt ins Publ-kum ge langten Brieimarken beträgt etwa 1500. Die meisten dieser Marken sind bei den Inhabern beschlagnahmt worden. Der ungewöhnliche Fall, daß in den Räumen der Polizei eme Haussuchung vorge nommen wird, hat sich in Eisenach ereignet. Beide dortige Staatsanwälte begaben sich am 28. d. in die Büreaus deS Polizeiamtes wie des Gemeindevorstandes und belegten Akten mit Beschlag, die sich auf dir Ausübung der Sittenpolizei beziehen. Noch niemals eine Eisenbahn gesehen hatte ein Rekrut aus Oberlauterbach bei Nieder rödern im Elsaß, der letzte Woche beim Garde- Korps eintreten mußte. Auf der langen Reise nach Berlin konnte er das Vergnügen der ersten Eisenbabnfahrt gleich recht ausgiebig ge nießen. Es gibt auch in unserem verkehrs reichen Zeitalter sicher noch mehr erwachsene Menschen, die noch nie eine Eisenbahn gesehen haben. A Truggotd. ») Nsm«l vm Arna e«tzffert-K4i»ger. Se't gestern glaubte Lisa die süßeste, be- sellgeudst- G.'w'ßbcjl erlangt zu haben, auS Hnmiche- treuen Augen hatte fie ihr en gegen- aelewi-itt, und nun war eS auSgescklcssen, daß sie sich durch tleinlich« Bedenken ihren Glauben je wieder rauben ließ. Sie »ar so wunschlos glücklich, nicht einmal nach einem K, he des Geliebten sehnte fie fich, die G w blutt, daß all das bräutliche Glück eines Tages ihr Sein auS'üllen werde, ver setz-e fi- in einen Zustand höchster Wonne. ES war so schön, zu lieben und fich geliebt zu wissen; unbewußt empfand fie eS in ihrem keuschen He^en, daß in der Sehnsucht das reinst« Glick liegt. Ewa d war gegangen, und Lisa kam es kaim ,nm Bewußisein, daß fie fich jetzt mit der Mutter allein befand. Still trug fie das Kaffeeg'sckmr hinaus und setzle fich dann mit einer Handarbeit an das weilgeöffnete Fenster. Die Pro essorin hob semzend daS ergraute Haupt. Sie glaubte es so bestimmt im voraus »u wissen, daß der Sang ihres Sohnes voll ständig zweck os sei. Sie sah alleroings das Mliche Lächeln ihres Kindos — wie hätte das WLoerschwiegeue Glück dieses jungen Herzens ihr verborge, bleiben können, d« Seele, deren Roguna«« fie so genau kannte! Ua» dennoch hielt sie es sür ihre Pflicht, zu sprachen rmd das, was seiner Vollendung ent- gegmirämnie, zu zerstören. „Schließe das Fenster, Kind," sagte sie leise, „und setze dich zu mir, ich habe mit dir zu sprechen!" Lisa gehorchte, leise vor fich hinfingend, dann setzte fie fich auf einen Stuhl neben den Srssel der Mutier. Ihr Herz klopfte so ungestüm. Sie wagte den Blick kaum zu heben. Wollte die Mutier über die bevorstehende Verlobung mit ihr sprechen? Vielleicht gar die Frage der Aus stattung berühren? Die Purpurglut mädchenhafter Scham brannte auf Lffas Wangen, fis hätte die Mutter bitten mögen: „Sprich nicht, heute noch nicht!" aber ihre Lippen blieben geschlossen. Sie hätte es nicht vermocht, diese angebetete Mutter auch nur durch ein einziges Wort zu verletzen. Die zitternde Hand strich liebkosend über die rosige Wange der Tochter, aber die alie Dame wagte es nicht, in das strahlende Antlitz vor ihr zu sehen, fie hätte dann den Mut zum Sprechen nicht gefunden. „Es handelt fich um eine sehr ernste Ange legenheit, mein Liebling," sagte fie traurig, „die ich jedoch nicht eher erörtern möchte, als bis du mir die Versicherung gegeben hast, daß du allezeit von meiner aufopfernden Liebe für dich überzeugt warst und niemals daran ge zweifelt hast, daß ich jederzeit mir euer Bestes wollte." „Aber, Mama, liebe Mama, selbstverständ lich! Hältst du mich für so undankbar —" „Nicht? dergleichen, meine einzige Tochter, uud doch that es mir wohl, die bestimmte Er klärung auS deinem Munde zu hören —" „Daß du die bette, selbstloseste aller Mütter bist?" rief Lisa erschüttert, „wenn es dir darum zu ihun ist, Herzllebe, sollst du es in dieser Stunde wissen, daß ich dich liebe und verehre wie eine Heilige, und weiß, daß du zu jedem, dem schwersten Op'er bereu wä*ff, könntest du dadurch eines deiner Kinder glücklich machen!" „Mein teures Kind, habe Dank für das gute Wort, eS wird Balsam sein für die Martern, die deiner armen Mutter bevor« stehen." Lisa warf einen schnellen Blick in das gram- entstellte Gesicht der Professorin. „Mama!" rief fie bestürzt, du stehst aus, als s-i dir ein Unglück widerfahren!" „Ein Unglück, mein armes Kind, ja, das ist das rechte Wort!" Lisa küßte voll Inbrunst die lieben Hände, die jahraus und ein in treuester Fürsorge über ihrem Dasein gewaltet hatten. „Sprich!" bat fie leise mit erstickter Stimme. „Und weiches Leid dir auch erfahren hast, deine Kinder werden es dir tragen helfen!" Und die Pro'essorin überwand alles Zagen und die bange Scheu und erzählte die kurze verhängnisschwere Geschichte von Schuld und Leid und Buße. Draußen strahlte die Morgensonne, nur hier und da flnchi'g von einer schwarzen Wolke verhüllt. Hier drinnen im traulichen Zimmer türmten sich am Sebenhimmel eines hoffnungs reichen Daseins drohende Wetter empor. Die Mutter erleichterte ihr sorgenschweres Herz, um die Last auf ihren Liebling, ihr einziges, lieb reizendes Töchte'chen, zn übertragen. „Es dtieb mir noch die Hoffnung," schloß fie ihren Bericht, „daß uns eine Guadenfnst zum Handeln, vielleicht zum Widerstande gegen die Willkür des Barons gegeben sei. Gestern aaend wurde mir auch dieser Scheintrost ge raubt." Die Professorin schöpfte tief Atem. Sie wagte es nicht, ihre Tochter anzusehen- „Hast du den allen Herrn bemerkt, welcher im Schloß« garten einsam an einem Tische saß und dann einige Worte mit mir wechselte?" „Er hat mich während des ganzen Abends in einer auffallenden, ungebührlichen Weise fixiert —" „Ruhig, ruhig, mein L'ebling — es war Baron Albers, dein —" fie stockte, „dein zu« künftiger Gatte," vollendete fie dann leise, doch in festem Ton. Lisa hatte, während die Mutter sprach, einige Teilnahme, schmerzliche Trauer und t-ere Erschütterung verraten. Die Purpurglut war langsam von ihren Wangen entwichen. Nun aber lächelte fie doch. Es war ein sieghaftes, qualbefreiteL Lächeln. „DaS kann dein Ernst nicht sein, Mama," entgegnete fie sanft, jedoch durchaus entschieden, „dieser alle unsympathische Baron und ich — eS ist einfach undenlbar —" „Und dennoch mußt du dich mit dem Gr« danken absinden, mein armes Kind —" „Muß ich?" wiederholte Lisa, indem eine feine senkrechte Falle auf ihre weißen Stirn entstand. „Diese Frage werde ich einem and«« ren vorlegen, der ein größeres Anrecht auf meine Person hat, als du und ihr alle!"
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