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Allgemeiner Anzeiger : 25.10.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190210251
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19021025
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-25
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.10.1902
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P-lMsch- R««dscha». , " Deutschland. * Kaiserin AugusteViktoria vollendete am Mittwoch ihr 44. Lebensjahr. »Zum kommandierenden General des 17. Armeekorps ist General- Leutnant v. Braunschweig ernannt worden. Der NeMtag^abg. Rickert (^r. Vgg.) erlitt am Dienstag einen Schlaganfall. O efferrei ch-Ungarn. * Zwischen Oesterr.eichundRumänien wurde, wie die »Neue Freie Presse' meldet, vor zehn Jahren unter dem rumänischen Ministerium Katargin eine Militärkonvention abge schlossen, die l eute noch besteht und deren letzte Fassung lautet daß Rumänien im Felle eines österreichisch-russischen Krieges mit 2V- Armee- Korps am Pruth das Vordringen Rußlands und mit anderthalb Korps Bulgarien im Schach zu hatten hätte. Frankreich. »Mit dem Enthusiasmus der Franzosen ist es eine eigene Sache. Die Woche, welche den Burengeneralen solch stürmischen Em- Wang der Hauptstadt an der Seine brachte, schloß mit Feierlichkeiten zu Ehren — Lord Kitcheners, der von den Franzosen als alter französischer Soldat begrüßt wird. »In .er Deputiertenkammer forderte Dejcante (so;.) die Dringlichkeit !ür seinen An trag betr. die Streichung des Kultus- budgets. Er hatte diesen Antrag schon im Juni n. eingebracht. Die Dringlichkeit wurde mit 237 gegen 219 Stimmen abgelehnt. Ebenso wurde die Dringlichkeit für den Antrag Ao ' e Kündigung des Konkordats, mit 285 degen 179 S immen abgelehnt. Äaglmed. »Im Hydepark in London fand am Sonn tag eine Kundgebungvon mehreren Tausend Reservisten statt, die angeben, nach ihrem Dienst im südafrikanischen Kriege ohne Leistung der rückständigen Zahlung entlassen worden und jetzt dem Verhungern nahe zu sein. Der Vorsitzende des Reservisten - Komitees, Bartholomew, erk ärte, das Kriegs- rwnisteruim habe ihm gegenüber zngestanden, daß die Reservisten gerechten Grund zur Be schwerde hätten. Die Standarte, welche im Hyde-Park von den Demonstranten getragen wurde, trug die An schrift: „Ehret die Tapferen und HM denen, die ur Verteidigung des Reichs gekämpft haben." (Die bösen Buren hatten bekanntlich das englische Reich bedroht, daS in Trümmer gegangen wäre ohne di» jetzt hungernden Reservisten!) »Sämtliche Londoner Zeitungen enthalten sich mit auffallender Uebersinstimmuug jeder Bemerkung über den Berliner Aufent halt der Burengeneral e. Die offizielle Zurückhaltung den Buren gegenüber hat ihnen offenbar sehr gefallen. velzie». »Di» Fortsetzung der unternommenen RuudreisederBurengenerale scheint noch keineswegs aufgegeben zu sein. Wie General Louis Botha persönlich einem Ver treter des ,Büreau Lassan' mitteilte, werden die Burengenerale bestimmt eine Reise nach Amerika unternehmen, lieber den Zeitpunkt und die näheren Einzelheiten der Reise steht jedoch noch nichts Endgültiges fest. Dänemark. »Im Folketking kündigte der Minister präsident an, er werde eine Vorlage betr. die Reform des Kommunalwahlrechts ein bringen, sobald Aussicht, wenn auch nur ge ringe, zur Durchführung derselben vorhanden sei, ferner einen Gesetzentwurf betr. vollständige Umänderung des Lotsenwesens. Der Kultus minister kündigte eine Vorlage an betr. die Einführung der obligatorischen bürgerlichen Sh «. Bolkaostaatcn. »Mit dem Aufstande der Mace do ni er scheint eS ganz zu Ende zu sein. Der Bandenführer Oberstleutnant Iarakow wmde von bulgarischen Bauern, die von der revolutionären Bewegung nichts wissen wollten, fangen genommen. binett und zwar unter dem Präsidium v- n Deutscher Reichstag Walimirowitsch gebildet; auch die Namen sämtlicher Minister endigen selbstverständlichtauf — itsch, so daß wenigstens in diesem Punkte unter ihnen völlige Uebereinstimmung herrscht. Amerika. in einem Dorfe im Vilajet Monasttr g e -I Angelegenheit der Ermordung zweier Misfionaer -Hin der Provinz Hunan, wo die für die Er- »Endlich ist das neue serbische K a -fmordung der M.sfionare verantwortlichen Be- -- .. i amten freigelassen wurden, während mau einige einfältige Leute ent hauptete. (Als ob das in China nicht fast immer der Fall wäre! ?) »Der Niederlage der Aufständi schen in Venezuela steht ein starker Verlust der siegreichen Regierungsiruppen unter Castro gegenüber,- dieser soll nur noch 3100, die Rebellen dagegen 9000 Mann zur Ver fügung haben. Afrik«. »Die Ausficht einer hohen Besteue rung von Transvaal zum Zwecke der Deckung der Kriegskosten hat die Mmenbefitzer v. Hrimn schweig, kommandierender General des 17. Armeekorps. im Randbeürk in große Aufregung versetzt. Die Minenkammer des Rand richtete ein Schreiben an Lord Milner, in welchem sie er klärt, daß eine starke Heranziehung zu den Kriegskosten für die Zukunft Transvaals un heilvoll sein würde. Das Schreiben ersucht die Regierung, ihre Absichten rechtzeitig lund zugeben, „und spricht sich dahin aus, daß auf alle Fälle fünf Jahre lang keine Zahlung zu den Kriegskosten gefordert wer den sollte." »In Marokko find wieder einmal Maßnahmen gegen die Europäer angeordnet worden. Eine dem Madrider .Liberal' aus Tanger zugehende Depesche meldet, es verlaute, daß alle europäischen Angestellten aus Fes ausgewiesen seien. »Amtlich wird bestätigt, daß der tolle Mullah den Briten eine ernste Schlappe beibrachte. Nach lebhaftem Kampfe wurde der Mullah mit großen Verlusten zurückgeschlagen. Die Engländer verloren 2 Offi ziere und 50 Mann an Toten. Zwei OWere und 100 Mann wurden verwundet. Da die Eingeborenentruppen „sehr erreg!" waren, zog sich der englische Befehlshaber zu rück, um Verstärkungen zu erwarten. Der Mullah führt von allen Seiten Verstärkungen herzu. — Die amtliche Nachricht, die stark an die Stilisierung der südafrikanischen Depeschen erinnert, zeigt jedenfalls, daß der „zurückge schlagen?* Mullah die Engländer unvermutet in eine böse Lage gebracht hat, und daß die englische Expedition völlig gescheitert ist. Affe«. »Der Kaiser von China hat am 18. d. im Sommervalast Empfang abge halten. Alle Mitglieder des diplomatischen Korps und die Befehlshaber der Schutzwachcn der Gesandtschaften waren anwesend mit Ausnahme des englischen Ge sandten Satow. Dieser hat jeden gesell schaftlichen Verkehr mit dem chinesischen Hwe abgelehnt wegen der Rechtsbeugung in der Am 20. d. wird die zweite Beratung des Zoll tarifentwurfs bei den Positionen „Weizen und Roggen" fortgesetzt. Abg. Graf Schwerin-Löwitz (kons.) legt die Gründe dar, aus denen ein Teil seiner Freunde nicht in der Lage sei, den Anträgen v. Wangenheim zuzusiimmen, sondern an den KommissionSoorschlägen festhalte. Mit einem Zollsatz von 6 Mark könne man zu frieden sein. An einer verhältnismäßig geringenDifferenz dürfe doch daS wichtige Werk des Zolltarifs nicht scheitern. Württembergischer Minister v. Vischel: Die süddeutschen Staaten halten an der Forderung einer Erhöhung der Getrridezölle fest, ohne jedoch auf die übertriebenen Wünsche des Bundes der Landwirte einzngehen. Die Erhöhung der Zölle solle keine Erhöhung des BodenwerteS herbeiführen, sondern einer weiteren Entwertung Vorbeugen. Die Regie rungen müßtm an ihren Mindestsätzen feühaiten; die württembergische Regierung sei mit den Ausfüh rungen des Reichskanzlers voll einverstanden. Abg. Sattler (nat.-lib.): Aus den Aus führungen der Grasen Schwerin kann ich zu meiner Freude feüstellen, daß nicht die ganze konservative Fraktion sich der Richtung ergeben hat, welche es darauf anlegt, alle Augenblicke Kraftproben mit der Regierung anzuüellen. Herr Herold meinte, die Anträge des Bundes der Landwirte seien nur ge stellt, um zu demonstrieren. DaS gilt doch auch von den KommissionSvorschlägen, dmn auch sie sind nicht erreichbar. Die Zett des Redens ist jetzt vorbei. ES gibt niemand mehr im Hause, der nicht weiß, wie er stimmen wird. So äußerst beklagens wert das Scheitern aber wäre, wir tragen nicht die Verantwortung dafür. Abg. Heim (Z-ntr.) betont, in der Kommission hätten auch Mitglieder der nationalliberalen Partei für die Kompromißant^äge gestimmt. Redner tritt dann für seinen 6 Mk.>Antrag ein, dabei gleich auch den 6 Mk.-Zoll für Gerste als unerläßlich dar legend. Abg. Winterer (Els.): Meine Freunde können den Standpunkt, den sie bei der ersten Lesung ver traten, auch nach der langen KommiisionSberatung nicht verlassen. Wir werden für langfristige Handels verträge und für eine entsprechende Erhöhung der Getreidezölle stimmen. Abg. Haußmann-Balngen (südd. Vp.) ist der Ansicht, daß eS kein untrüglicheres Mittel gäbe, die Sozialdemokratie zu bekämpfen, als mit den Mindestzöllen. Wo ist die Gerechtigkeit, wenn dem einen Berufsstande Mindestzölle gewährt werden und dem anderen nicht S Wie kann eine Regierung diese Vorlage mit ihren 146 Positionen durchzubringen hoffen, bei der sie nicht eine einzigePartei hintersichhal? Bapriicher Finanzminifier v. Riedel bekämpft die Hetmschen Wünsche wegen weiterer Erhöhung de« Gerstenzolls. Was für die Landwlr,schäft habe geschehen könne, ist schon geschehen. Auch Handelsverträge seien bei einem zu hohen Mindest zoll auf Gerste unmöglich. Die verbündeten Regie rungen haben jedenfalls vorgrschlagen, was sie für das beste und für möglich halten. Abg. Barth (fr. Vgg.): Die verbündeten Regie rungen haben gethan, waS sie konnten, um den Forderungen der Agrarier gerecht zu werden. Aber da« alles genügt nicht, sie sollen noch mehr thun. Diese Gesetzgebung schlägt den primitivsten Forde rungen der Gerechtigkeit ins Gesicht, und darum freuen wir uns, daß sie in dieser Session nicht zu stände kommen wird. Abg. Baudert (soz.) weist den Vorwurf des Abg. Paasche zurück, daß seine Parteifreunde zu lange Reden gehalten hätten. Gerade die Arbeiter seien es, welche die Kosten der Vorlage zu tragen hätten, imd deshalb müßten seine Parteifreunde da gegen kämpfen. Am 21. d. wird die Beratung der Zolltarif- Vorlage bei den Minimalsätzcn sür Weizen und Roggen fortgesetzt. Abg Rösicke (Bd. d. Ldw.) führt aus: ES hieße Eulen nach Athen tragen, wenn er nochmals den Versuch machen wollte, die Linke von der Not der Lan-wirffchaft und dem dringenden Bedürfnis nach höheren Zöllen zu überzeugen. Sie wolle sich eben nicht überzeugen lassen. Von einer Brot verteuerung könne überhaupt keine Rede sein. Abg. Bindewald (Antis.): Die ganze hessische Bauernschaft stehe auf dem Boden des 7,50 Mark- Zolles. Die Interessen der Landwirtschaft und der Industrie seien gleichwertig und müßten beim Ab schluß neuer Handelsveriräge gleiche Berücksichtigung finden. Bismarck habe man vertraut, der heutigen Regierung könne man aber kein Vertrauen entgegen- bringen. Bei den Zöllen der Regierungsvorlage müsse die Landwirtschaft in zwei bis drei Jahren zu Grunde gehen. Abg. Nißler (kons.) schildert die Lage der süd- deutschen Bauern, die jetzt eine sehr traurige sei. Mit Spannung warte man die Entscheidung über diese Vorlage ab. Jetzt trage die Landwirtschaft nicht einmal mehr die Produktionskosten, und sie habe doch das Recht, etwas zu verdienen. Er könne deshalb nicht der Regierungsvorlage zustimmen. Seine Freunde aus Süddeutschland würden in erster Linie für den 6 Mark-Zoll, in zweiter für die Kom- misflonSvorschläge eintreten. Abg. Hahn (Bd. d. Ldw.) betont, er müsse der Legendenbildung über die Absichten des Bundes dc: Landwirte entgegentreten. Dieselben gingen nur auf die Erhaltung und Erstarkuna des inneren Marktes. Die Exportindustrie bedürfe überhaupt so vieler künstlicher Stützen, daß ihr Wert zweifel haft erscheine. Abg. Herold (Ztr.): Von der angekündigten wissenschaftlichen Begründung dafür, daß die Gcirelde- zölle aus 7,50 Mark bemessen werden müßten, habe er nichts bemerkt. Dit Berechnungen der Nbgg. Rösicke und Hahn beruhten auf teils willkürlicher, teils direkt falscher Grundlage. Die Bauern würden es nicht verstehen, wie eS lächerlich sein solle, einen aussichtslosen Zoll aufzugeben und sich mit einem erreichbaren zu begnügen. Nachdem noch Abg. Graf Schwerin- Löwitz (freikon.) gesprochen, ergreift da? Wort Reichskanzer Graf Bülow: Nach der Regie rungsvorlage würden die landwirtschaftlichen Er zeugnisse mit 17,2 Prozent, die der Industrie mit 5,9 Prozent ihres Einfuhrwertes geschützt. ES könne also nicht die Rede davon sein, daß die In dustrie der Landwirtschaft geopfert werde. Der Abg. Hahn habe in einer mysteriösen Andeutung gesagt, die Erhöhung der Mindeflzölle sei an ge wissen Stellen auf Widerstand gestoßen. Der Abg. Frh. v. Wangenheim hat neulich schon deutlicher ge sagt, der Wind von oben sei umgeschlagen. Dem gegenüber habe ich zu erklären, daß von oben In keiner Weise eine Einmischung in die Ausarbeitung, geschäftliche Behandlung und parlamentarische Ver tretung der Vorlage stattgefunden hat. Der Abg. Frh. v. Wangenheim hat ferner gesagt, die ver bündeten Regierungen sägten durch ihre Politik den Ast ab, auf dem die Monarchie fitze. Ich kann nur meinem Bedauern Ausdruck geben, daß diese Worte gesnrochen worden find. An der Stellung der ver bündeten Regierungen wird durch solche Angriffe nicht- geändert. Im Namen der verbündeten Regie rungen habe ich noch einmal die Erklärung abzu geben, daß sowohl die Anträge Wangenheim, Heim und Albrecht wie die KommisstonSbeschlüsse in allen Stadien der Beratung unannehmbar find. Damit ist die Debatte beendet und eS beginne» nach einer langen Geschäftsordnungsdebatte die Ab stimmungen. Nachdem der Antrag Wangenheim, den Roggenzoll auf 7,50 Mk. fcstzusetzen, in namentlicher Abfiim i ung mit 289 gegen 44 Stimmen bei fünf Stimmenthaltungen und der Antrag Heim, den Roggenzoll auf 6 Mk. festzusetzen, in einfacher Ab stimmung Ligen einen Teil des Zentrums und einen Teil der Konservativen abgeIehnt worden war, Wird mit 187 gegen 152 Stimmen bei 5 Stimm enthaltungen der KommisfionSantrag auf 5,80 Mart Mindest oll sür Roggen angenommen. In bezug auf den MindestZollsatz für Weizen wird der Antrag Wangenheim (7,50 Mk.) in einfacher Abstimmung ab gelehnt und der Kom- mtsstonSantrag (6 Mk.) in namentlicher Ab stimmung und bei demselben Parteienve-Hältnis, wie eS sich bei Roggen gestaltet hatte, mit 194 gegen 146 Stimmen und 5 Stimmenihaltung-n ange nommen. Auch der Weizenzollsatz im autonomen Tarts wird in Höhe des Kommissionsvorschlages (7,50 Mk.) angenommen. U<m Uah und Fern. Die Kaisergrust im Speyerer Dom ist seit einigen Tagen vollendet, doch ruhen die Leichen der Kaiser noch in ihren provisorischen Särgen. Neben dem Denkmal Rudolfs von Habsburg hat man die berühmte steinerne Grabplatte mit dem Relief Rudolfs an einem Pfeiler angebracht. Die Wände des Domes werden zur Zeit gereinigt, da durch die er forderlichen Arbeiten fich starke Staubschichten gebildet haben. Wenn nun noch daS Thor, das an die Kaisergrust kommt, fertiggestellt ist und der sonstige ornamentale Schmuck, so dürfte der Speyerer Dom in noch erhöhterem Maße ein Anziehungspunkt aller Freunde der Kunst sein als bisher. O Truggotd. 7) Roman von Anna Seyffert-Klinger. «Fortsetzung) Die alte Dame, welche fich vorher kaum noch aufrecht gu erhalten vermochte, ließ fich zum vieiben bewegen, und als man endlich auf dem Balkon Platz genommen hatte und eine duftende Maibowle zum Genuß einlud, sielen die Sorgen wie Zentnerlasten ab von dem gequälten Mutterherzen. .Wenn Heinrich Winkler Lisa liebte und im Besitze namhafter Geldmittel war, so würde sich auch ein Ausweg finden, eine Flucht ins Ausland oder dergleichen! Die Liebe macht bekanntlich erfinderisch, und wenn ein Mann sein Herz einem Mädchen wie Lisa schenkt, so läß; er fich sein Glück auch nicht durch einen Abenteurer rauben!" kombinierte ganz richtig dte Professorin. Eie beging nur den einen Fehler, es für selbstverständlich zu halten, daß Heinrich die Lieb« ihrer Tochter erwiderte — ein Fehler, den viele Mütter in leicht verzeihlicher Eitelkeit begeben. Wer die zärtlich geliebte Tochter für unwider stehlich hält, wird in den meisten Fällen große Enttäuschungen für fich heraufbeschwören, denn die L ebe frag! nicht nach dem wahren Wert der Erkorenen, sondern umkleidet fie vielmehr »it all den guten und edlen Eigenschaften, den süßen Reizen eines langgehegten Joeals. So kommt eS, daß die bescheidensten, lieblichsten Mädchenknospen oft unbeachtet bleiben oder wohl gar verkannt werden, während anderseits Koketterie > nd Oberflächlichkeit den Sieg davon- tragen. Anni hatte zwischen Heinrich und Oskar Platz gesunden, fie scherzie und lachte in der ihr eigenen graziösen Oberflächlichkeit mit beiden, aber einem scharfen Beobachter hätte es doch auffallen müssen, daß fie ihre Aufmerksamkeit mehr und mehr Oskar Klarius zuwandte. Heinrich dachte nicht daran, Eifersucht zu empfinden, er fand Anni entzückender denn je und wußte es ihr Dank, daß fie Sorge trug, eS Oskar vergessen zu machen, wie kühl fich die ganze Familie Wmk er gegen ihn verhielt. Heinrich litt geradezu unter diesem Zwischen fall. Er fühlte fich dem einstigen Schul kameraden gegenüber sehr verpflichtet und ver mochte es doch nicht, Klarius mit aufrichtiger Herzlichkeit zu begegnen. Ein Etwas stand trennend, warnend zwischen den beiden, Heinrich mißtraute dem andern, trotzdem derselbe ehrlich und rückhaltlos den Gewinnanteil herauszu- geben bereit war. Anni befand fich m ihrem E ement. Sie war keineswegs bösartig, aber schon, das Heinrich Lisa in seinen Armen gehalten und mit so eigen liebevollen Blick n bemachtet, hatte die kleine Eitelkeit verdrossen. Sie dachte gar nicht daran, Heinrich die Freiheit zu opfern, aber seine ritterliche Aufmerksamkeit, das zärt liche Aufleuchten seiner Augen mochte fie ebenso wenig entbehren, fie gönnte ihn keiner andern. Als fie Lisas verstohlene Blicke bemerkte, die fich voll heimliche: Sehnsucht und leiser Ent täuschung wieder und wieder dem Geliebten zu- wandten, da legte fie eS erst recht darauf au, ihn zu fesseln, trotzdem ihre Sympathie vielmehr Oskar Klarius gehörte. Sie stieß mit Heinrich an, um dann, indem fie Lisa lachend fix erte, dieser zuzutrinken. „Auf dein spezielles Wohl, Liebe l Der Schreck hat dich doch arg mitgenommen, du siehst jetzt noch angegriffen aus! Nun, wir wollen hoffen, daß du morgen das kleine Abenteuer vergessen hast und dein Interesse dem stummen Verehrer an unserem Rebentisch nicht ganz versagst!" „Ich verstehe dich nicht," entgegnete Lisa, aus leichten, träumerischen Sinnen empor schreckend. „Von wem sprichst du eigentlich?" „Kleine Heuchlerin! Von dem graubärt gen H-rrn, welcher dich im Konzertgarten nicht aus den Augen ließ und dann die Kühnheit soweit irieb, sich deiner verehrten Mutter vorzustellen. Seinen Namen konnte ich leider nicht hören —" „Es war Baron Albers," warf die Pro fessorin scheinbar harmlos hinein. „Sie be finden sich übrigens in einer Täuschung, liebes Kind, denn der Baron hatte es nicht nötig, fich mir vo-zustellen, er war schon mit meinen Eltern befreundet, hat Jahrzehnte hindurch im Aus lande gelebt und wünscht nun die alten Be ziehungen zu unserem Hause wieder anzu knüpfen." „Welch eine prosaische Aufklärung!" meinte Anni enttäuscht. „Und ich hätte daraus schwören mögen, daß er im Sinn hat, Lisa zur Frau Baroniu zu Wachen!" Käch- und Heinrich lachten hell und belustigt auf, und als erstere bem rfte, daß die Stirn der alten Dame fich wie io tiefem Unmut faltete. bemerkte fie, freundlich entschuldigend: „Halten Sie der Jugend unseres Wildfangs die trausen, thölichten Gedanken zugute, verehrte Frau Pro fessor! Anms Köpfchen wirbelt den Tag über von lauter Einfällen, bei denen man nie weiß, ob man sich darüber ärgern oder lachen ioll! Als Ihr spezielles Wohl, Verehrteste Frau, und," setzte fie mit einem leuchtenden Blick auf ihren Bruder hinzu, „auf Lisas Glück!" Möge ihr Traum von Seligkeit und Liebe fich ganz und voll erfüllen, das wünsche ich auS tiefstem Herzen!" „Dank! Tausend Dank l" stammelte die alte Dame, während eine Tyräne schwer über ihre Wange rollte; fie sah, wie Anni fich wieder Oskar Klarius znwandte, und ein stilles Gebet für Annis Gluck stieg aus ihrer mütterlichen Brust zum Himmel empor. Ach, fie gönnte dem lieben, eigenwilligen Kinde ja daS allerbeste, neidenswerteste Los, wenn es nur nicht seine Wünsche dorthin rich' tete, von wo die Professorin die Erlösung aus schwerem Konflikt erwartete. „Fühlen Sie fich wirlich wohl in dieser pedantischen, kleinbürgerlichen Umgebung? fragte KlariuS seine anmutige Nachbarin leise, als er bemerkte, daß Heinrichs Aufmerksamkeit fich momentan von ihr abgewandt hatte. Sie rümpfte mit einer bezeichnenden Be wegung das Näschen und entgegnete, daß Mamas strenges Gebot fie leider zwinge, zwischen all den ernsten hausbackenen Menschen hier auszuhalten. „Ich liebe Käthe sehr," fuhr fie in ihrer unverständigen Weise fort, „aber steint leint
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