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Sächsische Elbzeitung Sächsische Schweiz 74. ^akiMNg Bad Särandau, Dienstag, den 22. Npril 1930 Nr. 93 Tageszeitung für die Landgemeinden Altendorf, .Kleingießhübel, Klein hennersdorf, Krippen, Lichtenhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postel- wih, Prossen, Rathmannsdorf, Ncinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Walters dorf, Wendischfähre, sowie für das Eesamtgcbict der Sächsischen Schweiz Druck und Berlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh, Walter Hieke Perantwortlich: TLalter Hieke. Anzeigenpreis (in NM.): Die "gespaltene 35 mm breite Pctitzeilc Al Psg., sür auswärtige Auftraggeber 25 Pfg., 35 mm breite Ncklamezeile 30 Pfg. Tabel larischer Sah nach besonderem Tarif. Bei Wiederholungen wird entsprechen der Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für in- und ausländische Zeitungen „Das Leben im Bild" Nichterscheinen einzelner Nummern infolge höherer Gewalt, Streik, Aussperrung, Betriebsstörung berechtigt nicht zur Vezugspreiskürzung oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung Blutige Ostern in Leipzig Drei Tote beim kommunistischen Zugendtag Tageblatt für die Erscheint täglich nachmittags 5 Uhr mit Ausualuue Lc^ »LE U?- Ständige Wockenbeilagen: -»7^'2 Ü« Leipzig, 21. Slpril. An den Oslerfcierlagen fand in Lelp- ,Ia das fünfte Reichsfugcnd tresfen des üam m u - »j sl i scheu Jugend verbau des Deutschlands statt. Den Höhepunkt dec Veranstaltung bildete am Sonntag nachmittag eine Internationale kampfkundgebung auf dein Amzustusplalz. An den Attfmärschcn zu dieser Kundgebung, die aus allen Stadtteilen erfolgten, beteiligten sich nach polizeilicher Schätzung 15 000 Personen, zu denen noch eine aroszc Zahl unbeleiliqtec Zuschauer kamen. Ls sprachen der Vorsitzende des HJVV, Wüller, und der Vorsitzende der üpD. Thälmann. Während der Kundgebung wurden von den Demonslranlen an den drei grotzcn Fahnenmasten ro t e Zahnen hochgezogen. Lin Polizeiaufgebot versuchte, die Fahnen hcrnnlerznholcn, muszle sich aber vor der Ueber- macht ins Neue Theater zurückziehen. Die Fahnen wnrden erst am Schlutz der Kundgebung von den Demonstranten selbst wieder heruntergeholt. Während der Rede Thälmanns kam es, von den meisten Teilnehmern fast «nbemcrkk, am Eingang des Grimmaischcn Sleinweges zu einem schweren Zusammenstoß, der leider drei Todesopfer im Ge folge hatlc. Das Polizeipräsidium teilt zu diesen Vorgängen mit: „In den Zügen wurden zahlreiche Fahnen, Plakate und Transparente mitgeführt. In einigen Fällen sind von der Polizei Plakate mit aufreizenden Aufschriften beschlagnahmt worden. Während es bei den Umzügen verhältnismäßig ge ordnet zuging, kam es bei der Kundgebung auf dem Auguslusplah zu einer schweren Ausschreitung. Im Grinnnaischen Steinweg hatten Demonstranten versucht, ein Auto, das vom Augustusplaß in den Grinnnaischen Steinweg cinbog, aufznhalten und nmzustürzcn. Während cs den cinschreitenden Polizeibeamten gelang, dem Auto die Durchfahrt zu ermöglichen, wurden sie von den nachdrängen den Demonstranten angegriffen und mit Latten- Fahnen stangen usw. geschlagen. Die Beamten suchten mit ihrer Schußwaffe und dem'Gummiknüppel die Angreifer von sich abzuhalten. Bei der Abwehr wurde der Polizeihauplmann Galle durch Schläge und Sliche so schwer getroffen, das; er tot zusammenbrach. Der Polizeioberwachtmcister Karte ist einige Stunden nach dem Vorfall seinen schweren Hieb-nnd Stichverlctzun- qcv erlegen. Ein weiterer Beamter schwebt noch in Todesge fahr. Drei Beamte wurden zum Teil erheblich verletzt. In schwerster Notwehr sind von den Beamten einige Schüsse abgegeben worden. Einer der Demonstranten hat einen tödlichen Schuß erhalten. Seine Person konnte noch nicht festgestellt werden. Im übri- czen sind, soweit bisher sestgestcllt, vier Demonstranten ver letzt worden. Einer von ihnen wurde dem Krankenhaus zu- gesührt. Bei dem Abmarsch der Massen, der mit einem Vor beimarsch an der Leitung auf dem Neichsgerichtsplatz en dete, und der sich bis in die achte Abendstunde hinzog, ist es zu besonderen Zwischenfällen nicht gekoinmen. Ruhiger Montag Der Ostermontag ist nach den bis jetzt vorliegen den Meldungen im allgemeinen bis auf gelegentliche Rem peleien ruhig verlaufen. Am Augustnsplatz wurden morgens ausfahrende Streifenwagen der Polizei von Demonstranten belästigt, die sich ihrer Feststelung durch Flucht in die an liegenden Häuser zu entziehen suchten. Beim Ansuchen des Grundstückes Georgiring 3 wurde ein Beamter in einem fmstercn Kellerraum angegriffen. In der Notwehr gab er einen Schuß ab, durch den ein Demonstrant so schwer ver letzt wurde, daß er ins Krankenhaus gebracht werden mußte. Eine Anzahl Personen wurden wegen Widerstands und Be leidigung festgenommen: sie sind jedoch größtenteils schon »weder entlassen worden. Das Polizeipräsidium hatte mit Auchstcht auf die Vorkommnisse am Sonntag die sür Man ag angesetzten Veranstaltungen auf öffentlichen Stra ßen und Plätzen verboten. Namentlich war ein Appell der Slurmbrigaden aus dein Bahnhofsvorplatz augesctzt. Infolge des Verbots umerblicben diese Veranstaltungen. Es kam lediglich zu klei nen Ansammlungen, bei denen unbeteiligte Zuschauer und -l'aziergängcr das Hanptkontingcnt bildeten. Auch hier er- ielgicn einige Festnahmen. Die auswärtigen Teilnehmer des ongendtages hatten zum größten Teil bereits im Laufe des Tages in Kraftwagen und mit der Bahn die Rückfahrt aiigc- trctcn. Das Polizeipräsidium teilte in der 11. Abendstunde über den Verlauf des Ostermontags u. a. folgendes mit: Das vom Polizeipräsidium zum zweiten Osterfcicrtag er lassene Verbot einer Demonstration mi Freien ist in» allge meinen befolgt worden. Leider machte sich auch am heutigen Tage infolge des Verhaltens meist auswärtiger junger Kom munisten wiederholt polizeiliches Einschreiten notwendig. So wurden am Vormittag in Leipzig-Kleinzschocher die Beamten eines Streifwagens, der zum Schutze des Gottes dienstes die westlichen Vororte durchfuhr, von jungen Kom munisten tätlich bedroht und angegriffen. Der Rädelsführer wmche fcstgenommcn. Auch in Leipzig-Neustadt machte sich ein stärkerer Polizeieinsatz nötig, da infolge größerer Ansammlungen vor einem in der Meißncrstraße gelegenen Ouarticrlokal die Gefahr bestand, daß der Gottesdienst der nahe gelegenen Kirche eine Störung erfahren könnte. In die sem Falle erfolgten eine größere Anzahl namentlicher Fest stellungen. Zu einem weiteren Zwischenfall kam es in der achten Morgenstunde auf dem Augustusplatz. Hier war die Besatzung eines Streifenwagens von jungen Kommunisten in der übelsten Weise beschimpft worden. Bei dieser Gelegen heit mußte ein Beamter in der Notwehr von seiner Schuß waffe Gebrauch machen. Hierbei erhielt ein Demonstrant, ein 22jähriger junger Kommunist aus Berlin, erhebliche Verletzungen, die seine Ucberführung nach dem Krankenhaus notwendig machten. Der Rücktransport dir auswärtigen Teilnehmer hat sich bis zur Stunde ohne wesentliche Zwi schenfälle abgewickelt. Lediglich aus Göhren ((zwischen Altenburg und Leipzig) liegt eine Meldung vor, wonach es dort zwischen heimfahrenden Kommunisten und Berliner Nationalsozialisten zu einer Schlägerei gekommen ist, in deren Verlauf es auf beiden Seiten Leichtverletzte gab. Auf de? Suche nach den Mördern der Leipziger Volizeibeannen. Berlin. Im Zusammenhang mit den blutigen kommuni stischen Ausschreitungen in Leipzig wurden am Montag abend in ganz Preußen umfangreiche politische Maßnahmen durchgcsührt, um alle an dem Leipziger Treffen beteiligt gc wesenen Kommuuistcngrnpcpn scstzustellcu und auf Wassen zu untersuchen. Der größte Teil der Berliner Kommunisten kam mit Lastautos aus dem Wege über Potsdam. Beim Erreichen des Potsdamer Stadtgebietes wurden die Kommunistcntraiis« Porte auf Anordnung der Potsdamer Regierung von der dor tigen Polizei empfangen und die in Richtung Berlin weiter führenden Antos bis zur Glienickcr Brücke geleitet. Dort wurden sie von einem großen Aufgebot von Kriminal- und Schntzpolizcibeamtcu erwartet. Etwa IO Kommunisten die sich nicht answcisen konnten, wurden nach dem Polizeipräsidium gebracht. Rach dem „Vorwärts" wurden zwei Kommunisten in Haft behalten, von denen einer als Täter dringend verdächtig ist. Bei der Durchsuchung der nach Halle (Saale) zuruckkehrendeu Kommunisten wnrden zahlreiche Wassen gesunden. Etwa IW Kommunisten, die sich nicht ausweiseu konnten, wurden vor läufig scstgeuommen, bis ans drei aber wieder entlassen. Diese drei standen auf Grund gewisser Anzeichen in starkem Verdacht, an der Ermordung der Leipziger Polizcibcamten beteiligt ge wesen zu sein. Der Gipfel der Roheil. Welcher Roheit diese verhetzten Jugendlichen sähig sind, dafür nur noch ein Beispiel. Einem der niedergeschlagenen Polizcibcamten war seine Kappe abgcnommcn worden. Kurz nach den blutigen Ereignissen konnte man daun beob achten, wie kommunistische Gruppen auf dem Augustusplatz mit dieser Kappe Ball spielten. Von Gruppe zu Gruppe, über die Köpfe hinweg, wurde sic geworfen. Selbst Kinder im Alter von 10 Jahren beteiligten sich daran, nnd ge meines Lachen der Mädchen begleitete die widerliche Szene. Die Dresdner Volizei greift energisch durch Dresden. Denjenigen Personen, die au dem kommunisti schen Jttgendtresfen in Leipzig teilnchmcn wollten, hat die Dresdner Polizei bereits am Tage der Abreise öffentlich ans die Finger gesehen. Schon am Karfreitag war die Dresd ner Polizei erfreulich auf dem Posten und hat es durch ent schlossenes, jedoch durchaus nicht scharfes Auftreten verhindert, daß cs zu Störungen gekommen ist. Die von Dresden Ab sahrenden wurden gründlich nach Waffen durchsucht. Roch mehr war die Polizei am Ostermontag tätig, als es sich darum haudcltc, die von Leipzig Znrückgekehrteu „in Empfang zu nehmen". Schon vor dem Wcichbildc der Stadt wurden die Kraftwagen angchallcn nnd deren Insassen durchgcprüst. Man hat eine ganz stattliche Menge von Dolchen, Gnmmiknüppcln und Schlagringen den „harmlosen Ostcrrcisendcn" abgcnom- men. Auch sind mehrere Personen kurzerhand in Gewahrsam gebracht worden. Ansammlungen, die sich am späten Abend des Ostermontag am Freiberger Platz zu bilden suchten, sind rasch zerstreut worden. — Abschließend kann man jedenfalls scststcllcn, daß das Polizeipräsidium in Dresden dafür gesorgt hat, daß die Ostcrfeicrtagc einschließlich des Karfreitag störungslos verlausen sind, weil man beizeiten ans dem Posten war. Die Stellung des sächsischen Innenministeriums. Vorsichtsmaßnahmen für den 1. Mai erwogen. Das sächsische Ministerin»» des Innern hat von Anfang an die Vorbereitungen für das Leipziger Tressen mit Aufmerk samkeit verfolgt. Für das Ministerium hat kein Anlaß Vorge legen, etwas zu unternehmen. Es wäre aus den Leipziger Po lizeipräsidenten angckommcn, von sich aus bei seiner vorge setzten Behörde, also bei dem Innenminister, anznsragcn, ob für die geplante kommunistische Demonstration sür Leipzig ein Verbot zu erlassen sei. Wäre das geschehen, so hätte das In nenministerium solchem Verlangen Wohl stattgcgcben. An sich aber konnte cs den Anschein haben, als könne man in Leipzig selbständig die Lage beherrschen. Es ist nun bereits von maßgebender Stelle die Lage über schaut worden, was mau tun kann, um einer Wiederholung solcher Vorgänge vorznbcngcn. Bestrebungen sind im Gange, die cs crrcichen wollen, daß sür die für den 1. Ma i vorgesehe nen kommunistischen Demonstrationen ein Verbot erlassen wird. Ein solches Verbot kau» aber die sächsische Regierung nicht allein vornehmen. Es werden deshalb in Berlin Be- sprechnngcii geführt werde» mit dem Ziele, sür das ganze Reich ein Verbot der kom»umistischen DcmoustraÜonen am l. Mai zu erreichen. -i- tzuo vAäis, Oenmania? Ostern, das Fest der Anserstchuug und des Lenzes, ist vor über. Uebcrall herrscht Ruhe und Friede»». Rur in Leipzig ist der österliche Frieden gestört worden durch die verrohte Jugend der Kommunisten. Moskau hatte zu einem Rcichsjugcndtag der Kommunisten nach Leipzig ansgerilsei», nnd diese Masscnausammlung moskowitischcr Jünglinge hat zu schwere» Ausschreitungen geführt. Es ist Blut geflossen, daS Blut tapferer und pflichttreuer Polizeibeamten. Polizcihauptmaun Galle und Obcrwacht- meister Karte sind von der verrohten Jugend meuchlings getötet worden, ei» weiterer Beamter ringt »och mit dem Tode, und drei weitere sind z»m Teil erheblich verletzt »vorder». Wiederum Hal die Staatsautvrität versagt. Wiederum wurde» die politische» Kinder Severings Sieger. Es steht zwar in uiiscrer Verfassung, die Gewalt geht vom Volke aus. Unter diesem Volke aber versteht mau die Masse der staats- bejaheiidei» Bürger und --Arbeiter und nicht die verrohte Jugend der Straße. Diesmal hat aber nicht das Volk, sondern die Straße gesiegt. Und das lag besonders au dem völligen Ver sage» der Leitmig der Leipziger Polizei. Hätte der Leipziger Polizeipräsident Fleißner, ei» Sozialdemokrat, wirklich alle die Machtmittel bcreilgestelll, die erforderlich Ware», »m vv» vornherein die Autorität des Staates zu wahre», da»» hätte dieses Blutvergießen nie statlsiudei» können. Unsere lommimistische Jugend ist feige und schreckt zurück, »venu sic die Macht des Staates sieht,. Wenn aber, wie in diesem Falte, die polizeiliche» Kräfte so gering sind, dann erwacht der Blut rausch in dieser vertierten Masse, die miter der Anführung der bcrüchtigsten Elemente ans de» schlechtesten Hafenvierteln Hamburgs und dem Kaschcmmcnviertel des Berliner Wed dings stehe». Abgesche» vo» dem Angriff auf die Polizei beamten, der unbedingt die strengste Ahndung erfordert, spot tet es jeder Beschreibung, mit welch zynischem Sadismus die verrohte Jugend vorgeht. Das Fußballspiel mit der Kopf bedeckung (siehe nebenstehender Bericht) des Ermordete» spricht Bände darüber, wie erschreckend tief diese Jugend ver roht ist. Jedes menschliche Empfinde» geht ihr ab. Wem» ma» so die Bilanz zieht über diesen Vorfall, dam» ersteht Wohl mit Recht die Frage: (Zin vallii; Eolinnni»? Wohin, Deutschland? Soll sich der friedliebende Bürger, der schwer arbeitende Bauer, der nie rastende ehrliche deutsche Arbeiter, der wegen der schlechte» wirlschastliche» Lage leider arbeitslose Angestellte mid Arbeiter, solle» diese deutsche» Män ner und Frauen sich solchen» Terror »och »veiler beuge»? Rei» und abermals »ei»! Es ist jetzt genug Blut geflossen. Jetzt soll die Regierung sich endlich einmal ansrasseu und mit Ge walt die Staatsautorität wahren. Und wenn bei dieser Ge legenheit auch einmal Blut aus seilen der verrohte» J»ge»d stießt, so schadet das »icht. Tas Bl»t jener tapfere» Männer, die jetzt im Dienste sür das Vaterland ihr Leben ließe», es