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Allgemeiner Anzeiger : 22.10.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190210225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19021022
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19021022
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-22
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 22.10.1902
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Politische R««dlch<m. Deutschland. * Der Kaiser wohnie am 18. d. der Ent hüllung des dem Großen Kurfürsten in Fehrbellin errichteten Denkmals bei. "Die Ankunft der Burengene rale in Berlin auf dem Bahnhof Zoolo gischer Garten gestaltete sich ungemein enthu siastisch festens deS nach Tausenden zählenden Berliner Publikums. Als die Generale den Bahnwagen verließen, drängte es sich an sie heran, ergriff ihre Hände und küßte sie. Den Ausgang der Frestrcppe vermochten sie nicht herunterzusteigen, denn die Massen hoben die Helden Transvaals empor und trugen sie unter jubelnden Zurufen der nachstürzenden Tausende zum Mittelportal der Empfangshalle. Als die Generale sodann auf den Platz vor dem Bahn hofsgebäude hinaustraten, sprengte das zehn- tausendköpfige Publikum, das hier stand, die starke Schutzmannskette. Die Menschenmassen drängten an die Equipagen heran und ver suchten immer und immer wieder die Hände der Generale zn erfassen. Elegant gekleidete Damen schwangen sich auf die Tr^br'tter der Geiährte und überreichten kostbare Bouketts. Erst nach einer dreiviertelstündigen wahren Triun Mährt langte der Zug vor dem Hotel an. Dort wie derholte sich die stürmische Begrüßung seitens der stundenlang Harrenden in beinahe noch höherem Maße. Nachdem es gelungen war, den Generalen den Eintritt in ihr Absteige quartier freizumachen, sand in dessen EuMangsräumen di- oifistelle Begrüßung seitens des Komitees statt. General Botha er griff zuerst das Wort, um seinen Dank auszu sprechen. Die auf der Straße harrende, dicht gedrängte Menge brach immer aufs neue in brausende Hochrufe aus und ruhte nicht eher, bis die Gefeierten sich auf dem Balkon des Hauses zeigten und zuerst Botha, de Wet und endlich auch Delarey in kurzen Ansprachen ihren Dank für die begeisterte Ausnahme susdrückten. Die Menge stimmte darauf die Lieder „Will kommen, Helden von Transvaal" und „Deutsch land, Deutschland über alles" an, welchen Ge sängen die Generale entblößten Hauptes und auf dem Balkon stehend, bis zu Ende bei wohnten. * General deWet sprach den Dan? der Generale aus für den „wunderbaren Empfang, den uns die Hauptstadt des Deutschen Reiches bereitet hat, ein Empfang, so kolossal und schön, daß wir keine Worte für unsere Empfindungen darüber haben. Unser Weg war mit Blumen bestreut — Zeichen der Liebe zum kleinsten und zer- tretenstenVolke der Erde. Wir haben keine Worte, unseren Dank auszudrücken. Hinter uns liegt eine bitter schwere Zeit, aber die Sympathie unserer Brüder und Schwestern in Deutschland hat es uns tragen hesten. Unser Kommen hierher hat kein politisches Ziel; wir wünschen nur das Elend unseres zertretenen Volkes zu mildern. Nochmals: Herzlichen Dan'." "Infolge der geplanten Verstaatlichung verschiedener Privatbahnen wird, wie eine Berliner Korrespondenz von gut unterrichteter parlamentarischer Seite erfahren haben will, das preußisch ^Abgeordnetenhaus bereits in allernächster Zeit einbe rufen werden. Einige dieser Bahnen sollen nämlich nach den Vertragsentwürfen vom Staate schon am 1. Januar 1903 in Betrieb genommen werden, was eine schleunige Beschlußfassung des Landtages in dieser Angelegenheit erfordere. -- Eine Bestätigung dieser Nachricht wird man wohl abwmten müssen. "Eine polnische Gewerbe-Aus stellung soll im nächsten Jahre in Posen stattfinden. Außerdem denkt man daran, ein polnisches RechtSschutzbüreau zu errichten, das für die polnischen Abgeordneten Beschwerdematerial sammeln soll, gleichzeitig aber auch solchen Personen behilflich sein, die selbst nicht vor Gericht erscheinen können. Frankreich. "Die französische Deputierten- kammer nahm am Donnerstag die Beratung O Truggold. 6s Roman von Anna Seyffert-Klinger. (Forgebimg.) Lisa liebte Heinrich mit schwärmerischer Ver ehrung, mit der Tiefe und Hingebung eines Herzens, das sich zum ersten Male dem heiligen Gottesstrahl erschließt. Und wie so gern glaubte sie an Gegenliebe! Selig lächelte sie in sich hinein, und als sie sich, mädchenhaft erglühend, emporrichtete, strahlte ihr liebes zartes Gesichtchen alle im Herzen em- p-undene Wonne wider. Erst die besorgten Fragen der Umstehenden erinnerten sie wieder an den Urfall und ließen sie den Schmerz von neuem empfinden. Doch hätte sie in dieser Stunde wohl größere Qualen gelassen ertragen, sie dachte auch nicht daran, ihr Glück zu verbergen, sondern antwortete heiter, fast übermütig. Der Vorgang war im Garten wohl bemerkt word n; als man jedoch sah, daß die kleine Gesellschaft Anstalten traf, an einem andern Tische Platz Zu nehmen, wurde das Interesse wieder abgrlenkt. Die Professorin litt unsagbar. Ihrem müt- le.l chm Schar blicke blieb die Wandlung in den Zügen ihrer Tochter nicht verborgen. Der armen Mutter schien. eS, als öffne sich ein Abgrund vor hren hochgeschlossenen Augen, sie wandte das Gesicht ab, um Lisas Lächeln, ihr vor Glück gerötetes Antlitz nicht sehen zu müssen. Jl"- -ältlich gel'ebt-S Kind s"Ü'e die Gattin Us Barons werden mit der Le e zu einem der Interpellationen über die Schließung der Kongreganiften-Schulen wieder auf. Baudry d'Affon griff das Verhalten der Regier rung heftig an. "In der Deputiertenkammer hat sich eine neue Gruppe, genannt die „Freidenker" gebildet, zu deren Präsidenten der Deputierte Hubbard gewählt wurde. Die Gruppe wird von der Opposition als die parlamen tarische Freimaurerloge bezeichnet. Estland. * Wie der ,Vofs. Zig/ aus London gemeldet wird, bestätigt sich die Nachricht über die sofortige Rückkehr der Burengenerale nach Landon. Es heißt, sie suchten weitere Besprechung mit Chamberlain nach und geben die Rundreise auf dem Festlande auf, um zu versuchen, eine Erörterung gewisser Phasen der südafrikanischen Frage wieder anzu knüpfen. Die von den Burengeneralen geübte Zurückhaltung auf ihrer Rundreise geht der englischen Regierung noch nicht weit genug. Das Regierungsblatt .Standard erklärt, der Besuch in Paris hätte unterbleiben sollen, die Generale hätten verhüllte Drohungen ansge stoßen, es sei Zeit für England zu erwägen, was es von solchen Leuten zu halten hätte. Die Generale sollten ihre Bettelmisfion lieber aufgeben und nach Hause zurückkehren. Es zirkuliert ferner ein Gerücht, die englische Regierung habe den Generalen zu verstehen ge geben, falls sie ihre Tour fortsetzten, müßte sie erwägen, ob es ratsam sei, ihnen die Rückkehr nach Südafrika zu gestatten. Amerika. "Das Kriegsamt der Vereinigten Staaten odnete die Herabminderung der regulären Armee auf das gesetzliche Minimum von 58 600 Mann an. Aste«. "Prinz Tuan, der berüchtigte Boxer führer, befindet sich, einem englischen Blatte zu folge, in solcher Not, seitdem er in der Verbannung lebt, daß er gezwungen war, eine Stellung in einem Handelshause in der Pro vinz Kuan-Fu anzunehmen. Die.Jndependance Helge' bestätigt diese Nachricht und fügt hinzu, daß der Prinz Verkäufer in einer Theehandlung sei. (Na, na!) Deutscher Reichstag. Am 16. d. wurde der erste Gegenstand der Tagesordnung, die Interpellation Albrecht betr. die Flcischnot von der Tagesordnung abgesetzt, nachdem Staatssekretär Graf PosadowSkh er klärt hatte, daß die Regierung bereit sei, die Inter pellation zu beantworten, sobald die von ihr ver anstalteten Erhebungen abgeschlossen seien. Es folgt die zweite Lesung der Zolltarif- Vorlage. Präsident Graf Ballestrem schlägt vor, zu nächst mit § 1 der Tarifgesetzt» zu beginnen. Abg. Singer (soz.) widerspricht, da dies unlogisch sein würde. Zuerst müsse der Zolltarif beraten werden. Abg. Barth (fr. Vgg.) schlägt vor, nur über das Brotgetreide, Weizen und Roggen, zu diskutieren. Dieser Antrag wird angenommen. Reichskanzler Graf Bülow: Die verbündeten Regierungen seien überzeugt, daß dieser Tarif einen gerechten Ausgleich zwischen den verschiedenen Inter- essen darstelle. Die Regierungen hegen die be stimmte Zuversicht, daß auf Grund dieser Zollsätze eine Verständigung herbeigefühlt werden könne. Für eine ersprießliche Lage der Industrie sind andere Umstände maßgebend, wie die Höhe der Getreide zölle. Bei hohen Zöllen hat sich unsere Industrie entwickelt. Wir wollen jedes Erwerbsgebiet schützen, die Landwirtschaft wie die Industrie, deren Absatz gebiete wir erhalten und mehren und vor jähen Preis- und Exvortschwankungen schützen wollen und müssen. Eine Fortentwickelung der Industrie nützt auch der Landwirtschaft, sie schafft ihr gute, kauf kräftige Abnehmer. Wir müssen sie aber auch gegen allzu starke Auslandskonkurrenz schützen, al o uns auf der mittleren Linie halten. Auf eine Erhöhung der Mindestzölle und der Getreidesätze sowie auf die Ausdehnung derselben auf andere Artikel werde die Regierung nicht eingehen. ES herrsche hierüber unter den verbündeten Regierungen volle Einmütigkeit. Diejenigen, die sich in den Wirren des Tages und! in dem Hader der Parteien den klaren Blick be-! andern im Herzen -- diese Entdeckung bereitete der Professorin mehr Qual als alles andere, wie Fieberfrost durchrieselte es ihre Adern, sie wagte nicht aufzusehen, aus Furcht, jenem dämonischen Gesichte wieder zu begegnen, vor dem sie nie etwas anderes als Abneigung empfunden hatte. Glücklicherweise achtete niemand auf die erregte alle Dame. Die Handarbeiten waren nun doch zusammengelegt worden, und Anni fand ihren Uebermut bereits wieder. „Scherben bedeuten Glück und Verlobung!" rief sie neckend Lisa zu, „entschieden hast du heute abend eine Eroberung gemacht, gönne dem alten Großpapa doch einen freundlichen Blick! Vielleicht ist es ein Erbonkel, dessen Interesse du in so hohem Grade erregst, und du sicherst dir durch ein Lächeln ein Vermögen. So etwas soll schon vorgekommen sein!" Lisa schüttelte sanft verweisend den blonden Kopf, Ewald aber war aufmerksam geworden; er fixierte den Baron, welcher inzwischen wieder auf seinen Platz zurückgekehrt war, und dann trafen sich die Blicke von Mutter und Sohn in stummem, trostlosen Verstehen. Ewald vermochte sein Erschrecken kaum zu verbergen. Er erhob sich, um sich an der Seite seiner Mutter niederzutaffen. Bcschwicht - gend streichelte er unter dem Tische ihre Hand. Zu einem vertraulich gesprochenen Worte jedoch fanden sie keine Zeit mehr, der Baron kam jetzt geradeswegs herüber, respektvoll näherte er sich der. Professorin, um sie dann mit wellmänaischer Gewandtheit und vollendeter Riüc! i ch eit zu begrüßen. wahren, sollLn doch bedenken, daß durch die Sätze des Entwurfs die Zölle für die Hauptgetreidearten auf die Tonne um 10 bis 20 Mk. erhöht werden. DaS fällt doch ins Gewicht. Würde der Tarif ab gelehnt, so müßten wir entweder bemüht sein, die alten Handelsverträge fortbestehen zu lassen oder neue abzuschließen auf Grund des alten Tarifes. Dabei würden wtr natürlich auch bemüht sein, die Interessen der Landwirtschaft möglichst wahrzu nehmen; aber zweifellos würde das nicht in dem Maße gelingen wie auf Grund des neuen Tarifes. Darum bitte ich die Vertreter der Landwirtschaft, den Tarif nicht abzulehnen. Zugleich aber richte ich an die Parteien die Bitte, nicht durch künstliche Mittel die Verabschiedung der Vorlage zu verzögern. Ich kenne kein Beispiel in der Geschichte, wo nicht eine Obstruktion den Parlamentarismus und dessen Ansehen schwer geschädigt hätte Es ist hohe Zeit, allen ErwerbSständen Sicherheit und Ruhe zu geben. Die Regierungen rufen die oft bewährte Vaterlands liebe aller Parteien an. Sie hoffen, daß wir so zu einer Verständigung gelangen werden, die den Ge samtinteressen entspricht. Der Referent Abg. Speck beschränkt sich auf eine kurze Empfehlung der Kommisssonsbeschlüsse, nach denen die Mindestzölle für Roggen und Weizen gegen die Vorlage von 5 und 5,50 Mk. auf 5,50 und 6 Mk. erhöht worden sind. Die Zölle des autonomen Tarifs von 5 Mk. für Roggen und Weizen sind in der Vorlage auf 6 bezw. 6,50 Mk. erhöht. Die Kommission hat eine Er- böhung auf 7 bezw. 7,50 Mk. beschlossen. Von den Abgg. v. Wangenheim, Röficke und Hahn liegt der Antrag vor, auch die Mindestzölle für Roggen und Weizen aus 7,50 Mk. festzusetzen. Abg. Gothein (fr. Vgg.) bekämpft lebhaft die landwirtschaftlichen Förderungen, die alles Maß überschritten, und hält die Bezugnahme deS Reichs kanzlers auf Oesterreich und die Schweiz nicht für glücklich, da diese Länder erst unserem Beispiel in bezug auf den Schutzzoll gefolgt seien. Von der Not der Landwirtschaft werde immer gesprochen, wenn man die schwierige Lage einiger Großgrundbesitzer meint. Jedenfalls ist die Behaupiung, der intensive landwirtschaftliche Betrieb sei zurückgegangen, ganz unhaltbar, und das Gegenteil richtig. Redner be- leuchtet eingehend den Nachteil hoher Getreidezölle für die Volksernährung. Abg. v. Kardorff (freikons.): Meine Partei wird auf den KommissionSvorschlägen stehen bleiben. Auf der Linie, welche der Reichskanzler als Mittellinie bezeichnet, liegt schon eine bedeutende Erhöhung, aber man muß auch der Kommission zugeben, daß sie sich auch auf einer mittleren Linie bewegt. Eine Eini gung unter den Parteien ist ja bis jetzt nicht er reicht. Tie agrarischen Interessenten wünschen, daß die Zölle auf Roggen und Weizen noch etwas höher als in der Vorlage normiert werden, wir wollen gleichwohl auf Anträge verzichten, da wir eine bloße Demonstration nicht machen wollen. Ich hoffe, daß cs doch noch möglich sein wird, wenn auch in einem späteren Stadium, eine Verständigung in die Wege zu leiten. Am 17. d. wird die zweite Beratung des Zoll tarifs fortgesetzt bei den Positionen Roggen und Weizen. Eingegangen find Anträge der Sozialdemokraten, für sämtliche Getreidearten Zollfreiheit zu beschließen, und des Abg. Heim (Zentr.), die Mindestzollsätze für sämtliche Hauptgetrcidrarten auf 6 Mk. zu nor mieren. Abg. Antrick (soz.): Herr Graf PosadowSkh Habs den Zolltarisentwurf mit einer schönen Bild- säule verglichen, den Sozialdemokraten erscheine er vielmehr als eine Mißgeburt, aus der nichts Brauch bares zu stände komme. Der Reichskanzler habe dem Reichstage eine Belebrung gegeben, wie er seine Würde wahren solle. Er hätte seine Belehrung über Würde lieber an eine andere Stelle richten sollen die durch ihre Haltung den Burenueneralen gegenüber alles gethan habe, um das Ansehen des Reiches geradezu zum Spott ter ganzen gebildeten Welt zu machen. Auch die Heranziehung Frank reichs und England« als Beispiele für Kornzölle durch den Reichskanzler sei keine glückliche gewesen. Sie hätten dort nur die Bedeutung von Finanz- zöllen, weil der Weizenpreis in keinem Verhältnis zum Zoll stehe, während man bei uns eine exorbi- tante Höhe wünsche. Natürlich gingen die Herren vom Bunde der Landwirte, die nie genug kriegen könnten, noch darüber hinaus. Der Bund der Land wirte wolle für seine Mitglieder eben ihre Rente gesichert wissen, obwohl dafür schon die Herren v. Rheinbabm und Podbielski sorgen. Die Minimal- sätze seien nicht geeignet, Deutschland gute Handels- t vrrträge zu bringen, zumal unsere Unterhändler mit i völlig offenen Karten spielen müßten. Dtcse Vor lage führe nicht zu Handelsverträgen, sondern zu i Handelskriegen, im Interesse des arbeitenden dcut- ! „Vielleicht, meine gnädigste Frau, gestatten Sie einem einsamen, ruhelosen Wanderer einen bescheidenen Platz in Ihrem fröhlichen Kreise, Sie würden mich dnrch ein wenig Güte zu unsagbarem Danke verpflichten." Die Professorin hatte widerstrebend ihre feine, zitternde Hand in die von tadellosem Glaceehandschuh umschlossene Rechte des alten Aristokraten gelegt. Ewald aber war aufgestanden. Seine hohe, elegante Gestalt schien selbst dem blasierten Baron zu imponieren, er verlor einen Moment die Haltung, um sreilich nur schnell sein boshaft überlegenes Lächeln wiederzufinden. „Vermutlich Ihr Sohn, teuerste Freundin," bemerkte er, sich der Professorin mit der hoch achtungsvollen Vertraulichkeit eines alten Be kannten wieder zuwendend, „der berühmte Sohn eines berühmten Vaters! Wollen Sie einen intimen Freund Ihres leider viel zu früh Heimgegangenen Vaters uicht in der Heimat willkommen heißen, lieber Doktor?" Er sah mit seinen dun! len Augen, die den Frauen einst nicht ungefährlich gewesen sein mochten, heraus fordernd den jungen Gelehrten an, wodurch dessen Haltung noch abweisender und eisiger wurde. „Sobald meine Mutter Gelegenheit gefunden hat, mich über Ihre Beziehungen zu unserer Familie zu informieren, werde ich mir erlauben, Sie auszusüchen und in gebührender Weise zu begrüßen, mein Herr Baron. Einstweilen bitte ich um Ihre gütige Nachsicht, meine Mutter ist leidend, und es war soeben unsere Absicht, das Konzert zu verlassen." Uon Ualf und Fer«. Die Tchlutzfeier der Düsseldorfer Aus stellung sowie die Preisverteilung finden am 20. Oktober statt. Die Ausstellung, die noch in den letzten Tagen ihres Bestehens einen außerordentlich starken Besuch gehabt hat, MM mit einem erheblichen Ueberschuß ab, über dessen Verwendung bereits Vorschläge laut werden. So hat der Magistrat in Dortmund der Aus- stellunasleitung bereits den Wunsch ausgedrückt, einen Tei! der Ueberschüsse zur Errichtung eines Gewerbe-Museums in Dortmund zu bewilligen. Der Baron erblaßte vor tiesinnerem G-iE über die erlittene Niederlage, aber er war viel zu sehr Formenmensch, um sich nicht voll ständig zu beherrschen und sich der Notwendig« leit zu fügen. „Ich wünsche aufrichtig, Gnädigste, Sie morgen bei allerbestem Wohlsein anzutreffen, raunte er ihr zu, „und werde mir gestalten durch einen Boten anfragen zu lassen, wann «Y Ihnen meine Aufwartung machen darf." Die alte Dame nickte wie geistesabwesend, im stillen außer sich vor Angst, ihr Sohn könne den Baron so tief beleidigen, daß eine Ver söhnung für alle Zeit ausgeschlossen bliebe. „Ihr Bote wird mir — wird mir — sie wollte sagen: „willkommen sein." doch sie brachte das Wort nicht hervor. Hilflos sah sie M-m alten Feinde ins Gesicht, die zitternde Hanv krampfte sich an der Tischkante fest, als bedürfe sie eines Stützpunktes. Der Baron k^n ihr zu Hilfe. „Ihres Em« gegenkommens bm ich sicher, meine gnädige Frau," ergänzte er leise, mit unnachahmliches» Hohne, „unsere Beziehungen find, wie Sie wissen, unlösbare!" Er verneigte sich tief, wie in unbedingter Ergebenheit, streifte Ewald mit flüchtigem Blicke und ging. Die Professorin war außer staube, sich länger aufrecht zu halten. Sie sank förmlich in si« zusammen. . Ewald flüsterte seiner Schwester zu, daß er die Mutter nach Hause führen werde, doch schon hatte Tante Guste sich erhoben, Käthe Winkler folgte ihrem Beispiele,, unb^'"si Hein- schen Volkes müsse sie aufs allerschärsste bekämpft werden, denn nur der Großgrundbesitz, nicht einmal der kleine Landwirt, hätte Vorteil davon. Abg. Paasche (nat.-lib.) wendet sich lebhaft dagegen, daß der Vorredner bei der gegenwärtigen Situation das Haus mit einer dreieinhalbstündigen Rede aufgehalten habe. Nachdem die Kommission in 40 Sitzungen so gründliche Beratung gepflogen, müsse man sich fragen: wozu dann noch eine so lange Rede? Die Linke wolle ja doch nicht be kehren und auch nicht bekehrt werden. Die Herren links wollten mit ihren Reden nur zum Fenster hinaus die Magenfrage anregen. Nach den Er klärungen, die gestern der Reichskanzler abgegeben, kann man nicht mehr erwarten, daß die verbündeten Regierungen noch über den Entwurf hinnusgeben werben. Wer es ernst nimmt mit dem Wunsche, der Landwirtschaft zu helfen, der muß also jetzt, gern oder ungern, das Opfer bringen und auf weitergehende Forderungen verzichten. Abg. Graf Kanitz (kons.): Der Herr Reichskanzler hat darin recht, daß wir durch eine Obstruktion unser Ansehen schädigen würden. Aber dann kann ich auch dem Reichskanzler den Vorwurf nicht er sparen, daß er uns, wenn die Regierungen über den Entwurf absolut nicht hinausgehen wollen, jede Möglichkeit abschneidet, diejenigen Aenderungen daran vorzunehmen, die wir für unbedingt nötig halten. Mit der Brotverteuerung sehe es nicht so schlimm aus, wie die sozialdemokratischen Redner meinten. Herr Bebel, der ihm zurufe, die Brotverteuerung sei gerade schon groß genug, vergesse ganz, daß in den letzten Jahren auch die Arbeitslöhne gestiegen seien. Und durch die Vorlage gerade werde wieder den Arbeitern ein sicherer Verdienst gewährleistet. Redner gibt die Erklärung ab, daß die große Mehr zahl der konservaiiven Fraktion für die Minimal zölle des Antrags Wangenheim bezüglich des Brot getreides stimmen werden. Event, kündigt Redner konservative Anträge auf Herabsetzung gewisser Jn- dustriezölle an. Abg. Herold (Zentr.) polemisiert gegen den Abg. Gothein und wendet sich dann zum Anträge Wangenheim. Die Verwirklichung der Forderungen dieses Antrages sind in diesem und jedem künftigen Reichstage aussichtslos, sie können also nur dienen für Zwecke der Demonstration. Eine solche machen wir nicht mit. Ueber die Erklärung des Grafen Kanitz namens der Konservativen kann ich nur mein außerordentliches Befremden ausdrücken. Im Gegen satz zu den konservativen Herren hier Hai die konser vativ: Fraktion des Abgeordnetenhauses sich ein stimmig für den Kompromißbeschluß der Kommission ausgesprochen. Es ist nun heute noch ein Antrag Heim eingegangen, der mich völlig überrascht bat- Ich kann aber nur die Hoffnung aussprechen, daß auch diese Antragsteller schließlich an den Kow- promißbeschlüssen der Kommission festhalten werden. Wenn jetzt die Parteien sich verständigen auf einer mittleren Linie, so dürfen wir doch hoffen, daß das ebenso und noch mehr ins Gewicht fallen wird wie die Anschauungen der verbündeten Regierungen- Wir halten jedenfalls an dem Kompromiß fest und glauben damit den Regierungen auf das atterweiteste entgegengekommen zu sein. Abg. Fischbeck (frs. Vp.) führt aus, die Regie rung habe sich ein unlösbares Problem gestellt. Auf der einen Seite wolle sie gut« Handelsverträge, auf der andern Seite wolle sie die Begehrlichkeit der Agrarier befriedigen. Das lasse sich aber nicht ver einigen. Schon in der Kommiision Hobe die Regit- rung eine Unannehmbar-Erklärung nach der anderen ausgesprochen, erst Graf PosadowSkv, dann Herr v. Thielmann. Herr Möller, und auch der Herr Landwirtschaftsminister habe den Herrn damit vor den Bauch gestoßen. Und nun habe auch der Reichs kanzler den Herren erklärt, daß über den Entwurf nicht hinauSgegangm werden könne, und doch fänden olle diese Erklärungen bei den Agrariern noch keinen Glauben. Für seine Freunde sei eS schließlich ganz gleichgültig, ob 5 Mk. oder 7-/2 Mk. oder 6 Mk. wie jetzt Herr Heim Vorschläge, für seine Part« sei dar alles unannehmbar, denn durch alle diese Zölle entstehe eine Belastung der Volke», der sie unmöglich zustimmen könnte. Hierauf vertagt sich da» Haus.
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