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Allgemeiner Anzeiger : 17.09.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190209171
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19020917
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19020917
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-09
- Tag 1902-09-17
-
Monat
1902-09
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.09.1902
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V-Mische Rundschau. Deutschland. * Das Kaiserpaar 'st nach Besndiguna der Manöver noch dem Neuen Palais zurückgekehrt, woselbst am 13. d. König Georg von Sachsen zum Besuch eintraf. * Der Kaiser hat, wie man aus Posen be richtet, der dortigen gemeinnützigen Baugenossenschaft ein Geschenk von 2000 Mk. überwiesen. * Wie der ,Rhein. Kour.' aus zuverlässiger Quelle erfährt, schweben zwischen Deutsch land und China Verhandlungen betreffend den Abschluß eines ähnlichen Handels vertrages, wie er zwischen England und China seiner Zeit abgeschlossen wurde. *Zn der bevorstehenden Weit erb er a- jung des Zolltarifs in der Reichs tags-Kommission werden auch von feiten der verbündeten Regierungen eifrige Vorbereitungen getroffen. Es soll schon in der am 18. d. zusammentretenden Unter- kommission seitens dieser, hauptsächlich seitens des Reichsschatzamts und Reichsamts des Innern, offiziell über die Art und Weise der Fortsetzung der Arbeit eine offizielle Kund gebung erlassen werden. Regierungsseitig scheint man noch immer zu wünschen, daß diezwei 1 e Lesung in der Zolltarif-Kommission mög lichst abgekürzt werde und nur die strittigen Hauptpunkte einer nochmaligen Beratung unterzogen werden. * Durch die Rückkehr des Staatssekretärs des Reichsschatzamts Frhrn. v. Thielmann aus dem Ferienurlaub haben die Vorarbeiten für die Ausstellung des nächsten Reichshaus- baltsplanes alsbald eine wesentliche Förde rung erfahren. Es steht zu erwarten, daß die kommissarischen Beratungen zwischen Vertretern des Reichsschatzamtes und solcher der einzelnen für die Gestaltung des ReichLhaushalts-Vor- anschlages hauptsächlich in Betracht kommenden Refforts demnächst werden beginnen können. *Die bayrische Regierung veranstaltet eine Enquete über die jetzigen Fleisch preise, über ihre Erhöhung während der letzten Monate, sowie über den Rückgang der Schlachtungen, deren Ergebnisse innerhalb fünf Tagen ihr mstzuteilen find. Eine zweite Enquete soll den F.eischbedarf der einzelnen Orte, die Herkunft des zugeiührten Viehes und die Ein richtungen von Viehhöfen und Schlachthäusern ermitteln. Oesterreich-Ungarn. "Wie aus Sasvar berichtet wird, find dort am Donnerstag nachmittag Kaiser Franz Joseph und bald nach ihm der deutsche Kronprinz tingetroffen. Der Kaiser begab sich bis zum Salonwagen des Prinzen; der Kronprinz grüßte zuerst militärisch und küßte dann Kem Kaiser die Hand. Hierauf küßte Ker Monarch den Kronprinzen auf beide Wangen. Der Kronprinz übermittelte die herzlichen Grüße seines kaiserlichen Vaters, die der Kaiser dankend entgegennahm. Nach der Vorstellung der Ge folge bestiegen der Kaiser und der Kronprinz den Hofwagen und fuhren, gefolgt von den Erzherzogen und der Suite, unter den Elfen- Rufen der Spalier bildenden Bevölkerung ins Schloß. *Die Agramer Kroatenkrawalle haben in Serbien arg verschnupft. Wie aus Belgrad gemeldet wird, erhob die serbische Regierung durch ihren Wiener Gesandten freundschaftliche Vorstellungen beim Wiener Auswärtigen Amte wegen der beleidigenden Aeußerungen, welche gegen den König Alexander bei den Agramer Straßenkund gebungen gefallen sind. Der den serbischen Kaufleuten in Agram zugefügte Schaden wird auf eine Million Kronen geschätzt. Frankreich. * Zu den Maßregeln in der Schulfrage wird von mehreren oppositionellen Pariser Blättern gemeldet, der Staatsrat habe entschieden, daß ihm die Regierung nur die Gesuche solcher Kongregationen vorzulegen habe, denen sie die Genehmigung zu er teilen beabsichtige. Ferner habe der Staats rat in betreff der aufgelösten Nouneuschulen beschlossen, daß die Behörden selbst dar^, wenn die Schulleiterinnen und Lehrerinnen weltliche sein sollten, die Art des Unterrichts zu kontrollieren hätten, um sestzustellen, ob die Lehrkräfte nicht lediglich Stellvertreterinnen der Klosterschwestern seien. *Die Maßregelung des Oberstleutnants Remy stellt die schwerste disziplinarische Strafe vor, die der Kricgsmimster verhängen konnte. Der Betroffene wird dadurch außer Dienst gestellt, be zieht bloß Vr seines Gehaltes, bleibt jedoch voll ständig den Regeln der allgemeinen Disziplin unter worfen. Der Kriegsminister kann ihm den Auf enthaltsort vorschreibcn und durch eine spezielle Untersuchungskommission die völlige Entlastung zu jeder Zeit in Erwägung ziehen lasten. * Die Reform der Kriegsgerichte soll nunmehr beschlossene Sache sein. Die Regierung wird der Kammer sofort nach ihrem Zusammentritt einen Entwurf hierüber vorlegen. Anderseits werden die Sozialisten und Radi kalen einen Antrag auf vollständige Aushebung der Kriegsgerichte in Friedenszeit stellen. Die Regierung soll gewillt fein, gegebenen Falls auch die völlige Beseitigung der Kriegs gerichte anzunehmen. Italien. * Wie nunmehr feststeht, wird der König von Italien in Begleitung der Königin im nächsten Frühjahr Paris besuchen. Holland. * Brüsseler Depeschen melden, der Miß erfolg der Konferenz Chamberlains mit den Burengeneralen werde eine völlige Aendernng deZ Verhaltens der letzteren erzeugen. Weder Botha noch de Wet und Delorey würden die Ernennung zu britischen Beamten oder zu Mitgliedern des Staatsraies der neuen südafrikanischen Kolonien annehmen, sondern die englandfeindliche Afri kanderpartei verstärken. Das ist nach dem unerhörten Betrüge Englands nur natürlich. Rußland. *Die offiziöse .Russische Telegraphen- Agentur' steht fick veranlaßt, zu der Anwesenheit der russischen Offiziere in Pofen folgende Aus lassung zu verbreiten: „Gewisse ausländische Zeitungen haben sich in Irrigen Erörterungen über die Anwesenheit der russischen Offiziersabordnungen mit dem General Tschertkow an der Spitze bei der Pos-ner Truppen schau gefallen. Sie haben sich bemüht, dieser An wesenheit eine politische und sogar militärische Be deutung beizumessen. Wir halten es daher für an« gemessen, die Umstände zu bezeichnen, die den Osfiziersbesuch herbeigeföhrt haben. Bei der Revaler Zusammenkunft drückte Kaiser Wilhelm den leb haften Wunsch aus, bei der Posener Truppenschau eine Abteilung jener beiden russischen Regimenter zu sehen. Wie leicht verständlich, hat Zar Nikolaus dieser Anregung Folge geleistet. Da die beiden Regimenter unter dem Befehl des Generals Tschert kow stehen, hat Kaiser Wilhelm den Zaren noch er sucht, den General gleichfalls etnzuladen. ES braucht nicht hinzugefügt zu werden, daß unter solchen Verhältnissen die Anwesenheit russischer Offiziere in Posen jeder politischen und militärischen Bedeutung entbehrte.* (Diese Auslassung wirkt geradezu wie eine direkte, ausgesucht unhöfliche Ablehnung der Liebenswürdigkeiten, mit denen der Kaiser seine russischen Gäste überhäufte. Die Fassung der russifchen Note ist so wohl erwogen, daß offen bar jedes Wort mit Ueberlegung niederge schrieben ist.) *Der Schah von Persien wird am Montag zur Teilnahme an den russischen Manövern in Warschau eintreffen. Balkanstaaten. *,Daily Telegraph behauptet, der Gouver neur von Kreta, Prinz Georg von Griechen land, habe auf der Rundreise, auf der er be griffen ist, die Zustimmung der Mächte zur Angliederung Kretas an Griechen land erlangt. *Wie verlautet, steht angesichts der neuer lichen Ausschreitungen der Albanesen in Alts erbten eine gemeinschaftliche diplo matische Aktion der beteiligten Mächte in Kon stantinopel bevor. Anderseits soll auch die Pforte in Sachen der Durchfahrt nicht armierter russischer Torpedos durch die Dar danellen an die Mächte appeileri haben. «Die bulgarische Regierung Ha ie kürz lich in einer an die diplomatische Vertretung Ru mäniens in Sofia gerichteten Note die Forderung erhoben, daß die Leitung der rumänischen Schule in der bulgarischen Hauptstadt sich, ent sprechend dem bestehenden Unterrichtsgesetze, der Aufsicht der bulgarischen Schulbehörde unter werfe. Für den Fall fortgesetzter Weigerung wurde in der Note die Schließung der Schule angedroht. Wie man aus Sofia schreibt, soll nun die rumänische Regierung selbst die Schließung der erwähnten Lehr anstalt angeordnet und dadurch das Verlangen der bulgarischen Negierung gegenstandslos gemacht haben. Diese Nachricht entbehrt jedoch bisher einer authentischen Bestätigung. Wenn sie sich bewahr heitet, so wäre damit der Waffe, welche man bul garischerseits gegenüber dem Vorgehen der rumäni schen Regierung bezüglich der bulgarischen Schulen in der (zu Rumänien gehörigen) Dobrudscha anwenden wollte, die Spitze abge brochen. Die rumänische Regierung will nicht länger zulassen, daß diese Unterrichtsanstalten, im Widerspruch mit dem Gesetze, der Zuständigkeit der staatlichen Behörden entzogen bleiben, und es soll für den Fall, daß die Unterwerfung unter diese Forderung nicht in nächster Zeit erfolgt, zur Schließung der bulgarischen Schulen geschritten werden. Asten. «Der vertraglich bestimmte Termin zur Räumung der Mandschurei naht für die Russen heran, aber weder in diplomatischen Kreisen noch sonst in der Welt glaubt man daran, daß diese Räumung erfolgt, um so weniger, als die Russen Anstalten machen, die chinesischen Beamten englischer Nationalität aus der Mandschurei auszuweisen. Nachträgliches a«s Vase«. Das .Posener Tageblatt' bringt folgenden Artikel: Als Generalgouvernsur Tscherkow in Ker Oeffeutlichkeit sich zeigte, brachte ibm das Publikum durch sympathische Zurufe freund lichen Gruß dar, und seine Augen leuchteten vor Genugthuung über den ihm bereiteten warmen Empfang. Den Personen, die mit ihm in Berührung kamen, konnte er nicht genug rühmen, wie hoch ihn und seine Begleiter die außerordentliche Gnade und Huld geehrt und geradezu gerührt Wien, mit der er und seine Offiziere vom Kaiservaar ausgezeichnet worden seien. Die Kourtoisie des Kaisers, bei dem Empfange der russischen Deputationen die russische Uniform mit denjenigen Fangschnüren an'ulegen, welche er in Reval gegen die seinigen von Kaiser Nikolaus eingetaufcht hatte, die denkwürdige Ansprache des Kaisers mit der Betonung der russisch deutschen Waffenbrüder schaft hätten ihn besonders ergriffen. Auch über das selten glänzende militärische Schau spiel, welches die Parade bei Lawica geboten, und seine tiefen Eindrücke von ihr äußerte sich Exzellenz Tscherkow in anerkennendster unk bewundernder Weise. Nach auf dem Bahnhöfe gab er den Umstehenden gegenüber seiner Hohen Dankbarkeit über den unvergeßlichen Tag Ausdruck, den hier zu verleben ihm und seinen Kameraden vergönnt war, und als bei der Abfahrt des Sonderzuges, der ihn und seine Begleiter der russischen Heimat zuführen sollte, die dicht um feinen Salonwagen gescharte Menge in stürmische Hurrarufe ausbrach, ver neigte er sich in sichtlicher Bewegung salutierend und dankend wiederholt. In gleich freundlicher, ja geradezu begeisterter Weise äußerten sich die in Begleitung des Generalgouverneurs er schienenen russischen Offiziere. Sie waren von der Liebenswürdigkeit ves Kaisers geradezu entzückt und sehr angenehm berührt durch die warme Aufnahme, die sie bei der Bevölkerung infolge ihres scharmanten Auftretens gefunden hatten. Von zuständiger Seite erhalten die .Berliner Neuesten Nachrichter/ folgende Mitteilung: Das Basarhotel in Posen, wo die russischen Herren in Ermangelung einer andern geeigneten Unter kunst Quartier genommen hatten, war aller dings nicht illuminiert, aber nicht weil die Offiziere dies, wie erdichtet wird, entgegen einem in Petersburg gehegten Wunsch ver hindert hätten, sondern weil der Wirt des Hoiels, Ler alles für eine Illumination vor bereitet halte, im letzten Augenblick ein tele graphisches Verbot der polnischen Aktionäre des Hotels erhielt. Usn Uall «nd Fern. Der Hofwagen mit der Prinzessin Heinrich überfuhr, wie dem ,B. T.' aus Kiel gemeldet wird, emen elfjährigen Kieler Ge meindeschüler und verletzte ihn schwer. Der Knabe war infolge eigener Unachtsamen unter die Räder geraten. Die Prinzessin ließ len Schwerverletzten ins Krankenhaus überfMen, wo er auf ihre Kosten behandelt wird. Deutsche Burenkämpfer. Das Aus wärtige Amt ließ dem Senat von Bremen mitteilen, daß in den ersten Tagen der nächsten Woche 23 deutsche Burenkämpfer mit einem Lloyddampfer von Colombo in Bremen ein- treffen. Als dies in Bremen bekannt wurde, haben der Kriegerverein und der Alldeutsche Verein beschaffen, die Ankommenden zu empfangen und zu bewirten. Hoffentlich wird sich auch eine Möglichkeit finden, die so Ge ehrten durch Arbeitsnachweis vor Nahrung?» sorgen zu schützen. Die erste« WeihnachtSanzeichen. Noch liegt Weihnachten ziemlich fern — die ersten Meihnachtsanzeichcn aber stellen sich schon ein. Die Reedereien der Reichspostdampser machen nämlich bekannt, daß sie sich bereit erklärt haben, Weihnachtspakete an Angehörige der Ostafiatischen Besatzungs-Brigade frachtfrei von Hamburg nach Schanghai und Tientsin zu be fördern. Die Beerdigung als Lustbarkeit. Dit Polizei in Lüneburg erteilte die Genehmigung zu einem Leichenzuge in folgender Form: „Ge nehmigung zur Veranstaltung einer Lustbarkeit. Dem Gesangverein Liederhain wird hiermit die Erlaubnis erieilt, sich mit der Vereinsfahne an der Beerdigung seines früheren Dirigenten, des Musikers Eckert, von dem Sterbehause nach dem Zentralfriedhofe zu beteiligen. Ein gemeinschaft licher Hinmarsch zum Sterbehause ist nicht ge stattet. Auch der Rückweg vom Friedhof darf nicht in geschlossenem Zuge erfolgen. Lüne burg, den 5. September 1902. Die Polizei direktion." Stürmische Damen. Auf einer dieser Tage in Leipzig abgehaltenen Versammlung von 400 Handlungs-Gehilfinnen ging es derart stürmisch her, daß sie polizeilich geschloffen werden mußte. Bom Blitz getötet wurden nach dem ,Fränk. Kur/ auf der Feldmark zwischen Wanniriek und Leineielde bei Eisenach während eines schweren Gewitters 4 Arbeiter. Eine seit sechs Jahre« steckbrieflich ver- folgte Diebin ist endlich in Rostock von ihrem Geschick ereilt worden. Es handelt sich um die unverehelichte Anna Fischer aus Gr.-Lichter- felde, die seit dem Jahre 1896 von der Ber liner Staatsanwaltschaft wegen Diebstahls zur Verhattung gesucht wird. Sie hatte jetzt ge legentlich der Nachfrage nach einer Stellung bei einer Rostocker Gefindevermieterm eine silberne Taschenuhr milgehen heißen. Ihre Festnahme erfolgte nach längerer Verfolgung in der Nähe drs dortigen Zentralbahnhofes. Ergriffener Mörder. Dem in Vieselbach stationierten Gendarmen ist es, w'e man ans Erfurt schreibt, gelungen, den Mörder des Sol daten des 94. Regiments, Kämpfer aus Apolda, in Vieselbach am Montag nachmittag sestzu« nehmen. Es ist der 20jährige, auf dem Güter bahnhofe zu Erfurt beschädigte Eisenbahnarbeiter Otto Frobenius. Mittwoch mußte er der Ob duktion der Leiche im Lazarett zu Erfurt bei wohnen. Die That ist mit einem dolchartigen Messer ausgeführt worden. Beide Lungenflügel find durchbohrt. Der Mörder trägt ein ver stocktes Wesen zur Schau. Wie gewonnen, so zerronnen. Vor Jahresfrist gewann ein Pforzheimer Handwerker m der Lotterie etwa 120 000 Mk. Das Geld verschwendete er aufs leichtfinnigste, so daß nun seine Frau von der Stadt Armenuuterstützung bezieht; er selbst ist verschwunden. Der erste Fehle!, den der „Glückliche" machte, war, wie Lie ,Konst. Ztg/ schreibt, daß er das Los Unverstanden. 16) Roman von Marie Weber. (Fortfktzimsa Jenny zwang sich, ruhig auf ihrem Sitz zu bleiben; sie griff sogar vach einem Buch, aber sie lauschte doch mit gespannter Aufmerksamkeit auf das Geräusch der Schritte, die sich ihrer Thür näherten. Jetzt hörte sie draußen seine Stimme und dann — qualvoll verstrichen die Sekunden — ward die Thür geöffnet und Waldeck trat ein. Er war es, ja, aber das war nicht der Waldeck von früher, der ihr da kalt, steif und förmlich gegenüber stand, das war nicht der stürmische Liebhaber, den sie kannte, das war ein anderer — ein Fremder! Mit einem halberstickten Ausruf erhob sich Jenny von ihrem Sitz. „Ach, Robert," rief sie, sich zu einem heiteren Tone zwingend, „das ist früher, als ich gehofft hatte!" Der Doktor trat langsam auf sie zu. Er schloß sie nicht in seine Arme, wie er dies sonst zu thun pflegte ; er berührte nicht einmal ihre Hand mit seinen Lippen; eine leichte Ver neigung war sein ganzer Gruß. Jenny betrachtete ihn erstaunt; er schien so ruhig und doch trat er ihr als ein völlig anderer gegenüber. „Als ich deinen Brief erhielt, rüstete ich mich gerade zur Abreise," gab er in klanglosem Tone Zur Antwort; er schien es gar nicht zu bemerken, daß sie ihm die Rechte erttgegen- gchreckt halte. Jennys kleine, juwilenfunkelnde Hand sank langsam herab; eine drückende Panse entstand. „Ich bin bei Lucie gewesen," hob der Doktor dann wieder an, „sie hat hier un vermutet Bekannte getroffen, — die Familie Hohenzil. Ist dir der Name bekannt?" Er sah sie mit forschenden Blicken an; es konnte ihm nicht entgehen, daß sie sich verfärbte und ihre stolze Haltung ein wenig von ihrer Sicherheit verlor. „Wie sonderbar du heute bist, Robert," sprach sie, ein Lächeln auf ihre Lippen zwingend. „Du hast mich kaum begrüßt und fragst mich nach Leuten, die uns beiden vollständig gleich gültig sein können!" „Mir nicht," sagte ec mit Nachdruck, „und vielleicht auch dir nicht ganz," setzte er langsam hinzu. Sie betrachtete ihn unter den gesenkten Lidern hervor mit forschenden Blicken. Was wußte er? Hatte er mit Edgar gesprochen? „Wie meinst du das?" frag'e sie trotzig. „Wie ich das meine? Und du kannst noch fragen!" rief er mit jäh überwallender Heftig keit. „Jenny, Jenny, wie sehr habe ich mich in dir geräuscht! Sage die Wahrheit. Du bist die Braut Edgar von Hohenzils gewesen!" Erschreckt durch die Erregtheit seines Tones, durch seinen herausfordernden Blick, trat sie un willkürlich einige Schlitte zurück. „Und wenn es so wäre?" kam es über ihre Lippen. Er sah sie einen Moment lang sprachlos an, dann rief er mit schmerzdurchbebter Stinimc: „Du begreifst nicht, daß uns dies für ewig trennen müßte? Glaubst du, ich würde noch Verlangen danach trogen, ein Weib mein eigen zu nennen, das sein Wort nimmt und gibt, wie man ein Kleid wechselt? Jenny, wenn du das glaubst, dann hast du die Heiligkeit einer reinen, treuen Liebe nie begriffen! Ich könnte dir nie mehr mein Vertrauen schenken und was ist Liebe ohne Glauben? Das Band, das uns umschlungen hielt, ist zerrissen — wir find ge schieden für immer!" Ein dumpfer Schrei rang sich von ihren Lippen. Sie, die stolze Jenny Howard, ward ver schmäht von dem Manne, dem sie unter so vielen den Vorzug gegeben hatte? War das möglich? Gab es kein Erwachen aus diesem grausamen Traume? Sie betastete ihr Kleid, sic befühlte ihr Haar um sich zu überzeugen, daß fie nicht träume, sondern wache. Ja, es war kein Traum! Vor ihr stand Waldeck, ernst, finster, hoch aufgerichtet und in den Blicken, mit denen er fie betrachtete, war keine Spur der Zärtlichkeit zu lesen, mit der er fie einst angesehen hatte. Sie strich mit der Hand über ihre Stirn und sagte mit matter, klangloser Stimme: „Du willst also unsere Verlobung lösen?" „Soll ich vielleicht noch einem dritten weichen?" Der herbe Spott, der in seinem Ton lag, brachte fie zu sich selbst. „Wenn du mich so leicht aufgeben kannst, dann mag es sein!" sprach fie kalt, seinen Ring von ihrem Finger ziehend. „Leicht ausgeben? O, Jenny!" ries er schmerzlich, und aus seinen Blicken leuchtete etwas von der alten Zärtlichkeit. „Sprich! Kannst du deine Handlungsweise vor mir reH- fertigen?" Sie schüttelte stolz das Haupt. „Wenn du keine Rechtfertigung findest, dann weiß ich keine!" gab fie ihm kalt zur Antwort, ihm den Ring überreichend. Beide zuckten zusammen, als ihre HLnde sich berührten, — zum letzten Mal, — aber sie blieben beide fest. Mit der Miene einer Königin machte Jenntz ein entlassendes Zeichen; fie hatte jetzt nur den einen Gedanken, sich nicht schwach zu zeigen, ihm nicht zu verraten, was sie in dieser Stunde litt, aber in ihrer Seele tönten die Worte Edgars wieder: „Das Weh könnte auf Sie selbst zurück fallen !" Sie wandte sich ab, um nicht seinem letzte« Blick begegnen zu müssen. Kein Lebewohl, kein Abschiedswort hatte er für fie. Zwei, drei Schritte, — fie hörte die Thür öffnen, fie hörte fie ins Schloß fallen, dann war alles vorbei . . . In vorgebeugter Haltung, beide Hände fest auf das wildschlagende Herz gepreßt, stand Jenny lauschend da. Es war ja nicht möglich, daß er so von ihr ging; er mußte wiederkommen, fie um Verzeihung bitten, und alles konnte noch gut werden. Allein sein fester Schritt verhallte, er kam nicht wieder; — fie waren geschieden für immer!
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