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Allgemeiner Anzeiger : 26.07.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190207266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19020726
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19020726
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-07
- Tag 1902-07-26
-
Monat
1902-07
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 26.07.1902
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Unverstanden. 1 z Roman von Marie Weber.*) Die immer höher steigende Septembersonne warf ihre milden Strahlen aus das rol- und weißgestreifte Zeltdach einer hübsch angelegten Terrasse, unter dessen Schutz zwei Damen satzen. Die eine derselben war schon über das Mittelalter hinaus, aber trotz ihrer sechzig Jahre hatte sie sich vorzüglich erhalten. Das weiße Haar legte sich in vollen, dichten Wellen auf eine hohe Stirn, auf der sich nur wenige feine Fältchen zeigten, und die großen, blauen Augen bllckien noch fest und klar unier den dichien Wimpern hervor. Das blaffe Gesicht der Dame zeigte edle, aber strenge Züge; das scharf aus» geprägte, etwas heroorlretende Sinn deutete auf einen festen, energischen Charakter, der sich sogar in der ganzen Haltung der hochgewachsenen Gestalt ausprägte. Den vollkommensten Gegensatz zu dieser imposanten Erscheinung bildete die jüngere Dame, die, sich bequem in ihren Gartenstuhl zurücklehnend, mit gelangweilter Miene in einem Journal blätterte. Hellblondes, üppiges Haar umgab ihr Gesicht, das vollkommen schön zn nennen gewesen wäre ohne den Ausdruck von Phlegma, der den reizenden Zügen einen Stempel von Geistlosigkeit aufdrückte, dem die großen rehbraunen Augen allerdings wider sprachen. Aber man hatte selten Gelegenheit, einen Blick in diese Augen zu thun, denn die Besitzerin derselben hielt die Wimpern meist ge- *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. senkt, als sei sie zu müde zu einem offenen Bi ck, und wenn der kleine Mund sich zum Sprechen öffnete, dann geschah es so langsam, daß man die Geduld darüber verlieren konnte. Trotz dieser großen Verschiedenheit in dem Aeußeren der beiden Damen war eine gewisse Aehnlichkeit zwischen ihnen nicht zu verkennen. Ein scharier Beobachter sah auf den ersten Blick, daß er Mutter und Tochter vor sich hatte. Die Baronin von Dahlen stand im Anfang der Dreißiger und war bekannt als eine äußerst phlegmatische, ruhige Dame; ihrer Mutter, der verwitweten Frau Landrat von Hohenzil, sagte man nach, daß sie Thatkraft, Energie und eine an Eigensinn grenzende Zähigkeit be saß, Eigenschaften, die man ihrer Tochter nicht nachrühmen konnte. Landrat von Hohen«!, ein guter, weich- mütiger Mann, hatte seiner Gattin in allen Dingen ihren freien Willen gelassen. Die Dame hatte immer nach ihrem Gutdünken ge schaltet, ohne sich um die Meinung ihres Gatten zu kümmern, und als er nach zehn jähriger Ehe die Augen schloß, da gab es eigentlich niemand, der den guten Landrat sehr vermißt hätte. Ein Lohn und eine Tochter waren dieser Verbindung entsprossen. Edgar von Hohenzil wurde kurzweg dazu bestimmt, Landwirt zu werden, um daS ihm zuiallende Majorat einst selbständig verwalten zu können. Elise, die um ein Jahr jüngere Tochter, mußte auf Befehl der Muiter mit sechzehn Jahren einen drei mal so alten Mann heiraten, den Baron von Dahlen, da allgemein als ein Krösus bekannt war. Politische Pundlchau. Deutschland. *Der Kaiser ist nm Diens-ag früh in Drontheim (dem diesjährigen Endziel der Nordlandsfabri) eingetroffen. *Der Berliner Berichterstatter des ,Daily Telsgravh' stellt auf das bestimmteste eine B e - gegnung des Kaisers mit König Eduard in Aussicht. Der Kaiser habe König Eduard den Wnwck ausgedr"'^ ihm auf der Rückreise von Norwegen in Cowes einen nicht- s^rmlichen Besuch abzustati-n, nm ihn zu seiner Wedergenesung zn beglückwünschen. Der Tag der Begegnung sei noch unbekannt, aber es siebe lest, daß sie stattfinden werde, da der Kaiser sich sehr sehne, den König persönlich zu begrüßen. *Der B-such des Königs von Italien in Berlin findet zwischen dem 25. und 28. August statt. Der Minister des Aeußeren, Baron Prinstfi, wird den König abermals begleiten. Bei dieser Gelegenheit wird in den Kieler Hafen das Schulschiff „Amerigo Vespucci" ewsandt, wahrschrinlich auch das Pamerschiff „Liguria" unter Befehl des Herzogs der Abruzzen. *Das unter dem Befehl des Prinzen Heinrich stehende erste Geschwader ist von seiner Uebungsreis; in die Nordsee, durib den Kaiser Wilhelm-Kanal kommend, wieder nach Kiel zurückgekehri. * In der Zolltarifkommission ging es am Dienstag sehr lebhaft -u. Staats sekretär Gras Posadowsky warnte vor Ueberspannvnz der Tarifsätze und sprach seine Anschauung dahin aus, daß der Zolltarif nicht Zustandekommen werde. Dessen« unbeachtet nahm die Kommisfiommehrheit einige Erhöhungen vor. * Das Darmstädter .Amtsblatt' veröffentlicht das Gesetz über die Regentschaft des Großherz oglumSHessen, dessen erster Artikel wie folgt lautet: „Da der zur Z it unserem Throne am nächsten stehende Agnat des Gesamthauses Hessens dauernd verhindert ist, die Regierung des Großherzogtums persön lich zu führen, so findet, im Falle sie aus ihn übergehen sollte, eine Regentschaft statt." — Damit ist die eventuelle Thronfolge des Land grafen Alexander Friedrich von Hessen, der im Jahre 1863 als Sohn des Landgrafen Friedrich in Kopenhagen geboren wurde, und seiner Agnaten festgestellt. Den Regierungen der Bundesstaaten ist vom Reich 'anzler der Entwurf eines Gesetzes betr. das Urheberrecht an Werken der Photographie, mit dem Ersuchen um Prüfung mitgeteilt worden. Gleichzeitig wird der Entwurf nebst erläuternden Bemerkungen im.Reichsanzeiger' zum Abdruck gebracht, um auch weiteren Kreisen zur Meinungsäußerung Gelegenheit zu geben. *Der Staatssekretär des Reichsmarineamts Hut dem Deutschen Nautischen Verein aus eine Eingabe betreffend die Vermehrung der Sturmwarnungsstellen und die Aus gestaltung des Sturmwarnung^ wesens bei Nacht die Mitteilung zugehen lassen, daß die Ver mehrung der Stellen und die weitere Ans biloung des Sturmwarnungswesens bei Nacht dauernd im Reichmarineamt im Auge behalten werden wird. Desgleichen ist bereits eine Prüfung der in Frage kommenden Rachtfignal- methode mit drei gleichfarbigen Weißen Lichtern angeordnet. *Der Bundesrat bat eine Kebühren- ordnung für die Untersu chung des in das Zollinland eingehenden Fleisches fest gesetzt. Danach betragen die Gebühren bei frssLem Fleisch für ein Stück Rindvieh oder ein Rtnntier 2,50 Mk., für ein Kalb 0.75 Mk., sü. ein Schwein oder Wildschwein 0,75 Mk., für ein Schaf oder eine Ziege 0,60 Ml., für ein Pferd oder ein anderes Tier oeS Ein u'er- grschlechts 3 Mark, bei zubereitetem Fleisch von Därmen für jedes Kilogramm OM Mk., von Speck für jedes Kilogramm 0,02 Mk. und von sonstigem zubereileten Fleisch füc jedes Kilogramm 0,25 Mk. ! * Die Erhebung erAk.rdcmieMünster zur Un i v e r s i t ä t ist durch königliche Urkunde erfolgt. * Einer Meldung der ,Greizer Ztg.' zufolge find in Reuß ä. L. Bestrebungen eingeleitet zwecks Herbeiführung eines Anschlusses von Neuß ä. L. an das preußische Eisen bahnnetz. Bisher gehörten die Bahnen von Reuß ä. L. zu Sachsen. Frankreich. * DerErzbifchos von Paris, Richard, bat an den Präsidenten Loubet einen Bries gerichtet, worin er als Embischof und französischer Bürger, wie er sagt, dem Präsi denten seinen Schmerz über die Schließung der geistlichen Schulen ausspricht. * Im allgemeinen vollzieht sich die Schließung dergeistlichenSchnlen ziemlich ruhia; nur in Roanne empfing vor 18 dort von frommen Schwestern gehaltenen Schulen die Menge die Pslizeikommissare mit den Rufen: „Ins Wasser! Es lebe die Frei heit!" und verhinderte sie, die Gebäude der Schulen zu betreten. * Der Marineminister Pelletan hielt am Sonntag in Qniberon bei der Einweihung eines Denkmals zum Gedächtnis des Generals Hoche eine Rede, in der er dis cepublika - nische Armee feierte, deren strenge Mannszncht sich aus alle ausdehnen und den Gesetzen und der Zivilgewalt unterworfen bleiben müsse. Die revublikanische Armee müsse in weitem Umfange die Kontrolle >mrch Parlament, Presse und öffentliche Meinung hinnehmen. Ohne diese Kontrolle verfalle das Land in den Zäsarismus, der tür die nationale Wohlfahrt unheilvoll sein würde. *G euer al Gallifet sch'ckt der im .Gaulois' beginnenden Veröffentlichung seiner Erinnerungen folgende Widmung voraus: „Mr die Armen, die noch gestern von den heute verjagten Schwestern ernährt wurden! Dringende Bitte! Der Teufel hole die ganze Schweinebande!" (GaMets französischer Ausdruck ist noch stärker.) England. * Für die Feier der Krönung König Eduards enthält ein am Montag dem Parlament zugegangener Nachtragsetat die Forderung von einer halben Million Mark. *Der zurückgetretene Premierminister Lord Salisbury gab im Hatfield eine Garten- gesellschast, an der über 4000 Personen teil- nahmen. Unter den Gästen bemerkte man mehrere indischePrinzen.diePremier- Minister der Kolonien, viele Mitglieder des diplomatischen Korps, sowie beider Häuser des Parlaments. Malten. * Kardinal Graf Ledochowskiist am Dienstag früh in Rom im Atter von 80 Jahren gestorben. Am Montag abend mach's er seine gewöhnliche Spa, erfahrt und legte sich nach dem Abendessen um 9 Uhr schla en. Dienstag früh erlitt er einen Schlaganfall, dem er alsbald erlag. Balkan staaten. *Dcr König und die Königin von Griechenland haben Athen verlassen; der König begibt sich nach Aix-les-Bains, die Königin nach Petersburg. *Das serbische Königspaar wird seine Reise nach Rußland Meldungen Belgraoer Blätter zufolge am 15. Okiober an treten. "Die Nachrichten von der montene grinischen Grenze lauten immer bedroh licher. Der tückische Minister des Aeußern Tewfik Pascha teilte dem montenegrinischen Ge< sanolcu Bakitsch mit, daß 2000 Montenegriner die Gr nze überschritten, t. rkische Truppen um zingelt uns ihnen die Wasserzufuhr abge- schuuten hätten. Die Piorte verlange, daß die Montenegriner sich zurückziehen, und verspreche Maßnahmen, um weitere Konflute zu ver hindern. Der Sultan drückte sein tiefes Be- dauern über die letzten GrenzvorMe aus, da er die besten Gesinnungen gegenüber dem Fürsten Nikolaus hege uns stellte die Abberufung des Grenzkomm ssars Hamdi Pascha in Aussicht. ' SErika *Dem neuen Sultan von Sansi bar, der erst im vorigen Jahre seine Studien in England beendet hat, wird von dort aus nachgesagt, er habe sich a s Schüler weder durch besondere Begabung, noch durch großen Fleiß ausgezeichnet, sondern sei immer der Letzte in der Klasse gewesen. (Der Sultan spielt in Sansibar eigentlich kaum mehr als die Rolle des reichsten Mannes der Ins l, und die kann selbst ein ehemaliger „Klassenktzter" ohne be sonderen Anwand von Fleiß oder Intelligenz durchführen.) *Es ist eine der großen Schwierigkeiten, die der britischen Regierung zur Bewäitiqung gegenüberstehen, darin zu suchen, daß in Südafrika die Frauen so wenig zahlreich find und daß es vor allem an englischen Frauen und Mädchen mangelt. Chamberlain hat deshalb den guten Gedanken gehabt, sich mit der „Auswandeuingsliga für Frauen" in Verbindung zu setzen, und diese wird jetzt einen Strom von Mädchen und Frauen nach dem er oberten Gebiete lenken. Zur Schiffskataftrophe bei Hamburg. Der ganze Umfang des durch den Unter gang des „Primus" ungerichteten Unglücks läßt sich noch immer nicht feststellen, da eine genaue Angabe der Toten am Dienstag noch nicht mög lich war. Wie der .Hamb. Korr.' meldet, ist die Zahl der Vermißten vom Vorstand des Gesangvereins „Treue" jetzt auf 104 ssstgestellt. Der Taucher Beckedorf, dem die Bergung des Dampfers „Primus" übertragen worden ist, hatte Montag abend bereits zwei Ketten unter dem Schiff durchgezopen. Voraussichtlich werden die Arbeiten bis Dienstag abend so weit ge fördert sein, daß die Hebung erfolgen kann. Dann werden jedenfalls noch zahlreiche Leichen gefunden wertem Bei dem Zusammenstoß drängte naturgemäß alles nach der Seite, wo die „Hansa" lag, weil dort Aussicht auf Rettung zu wirken schien. Dadurch wurde das Sinken des Schiffes bc- sckleunigt und das Umk ppen vorbereitrt. Per- svnen, die beim Zusammenstoß am die andere Seite nach dem Lande xn hinausgeschleudert wurden, kamen in ganz seichtes Wasser. Da die „Hansa" als Seeschiff registriert ist, wird da - Hamburger Seeamt sich mit dem Zusammen stoß zu befassen haben und als sachverständige Behörde die Ursache des Unfalls feststellen, wo rauf sie die Angelegenheit der Staatsanwalt- schafi überweisen wird. Ans diesem Anlaß hat das Seeamt von dem mit Hebung des „Primus" betrauten Taucher Beckedorf einen Bericht über die Lage des gesunkenen Schiffes, die Be schaffenheit der Selle, an welcher der Zusammn- stoß erfolgte, u. s. w. eingefordert. Im Laufe des Montags hat eine wahre Völkerwanderung nach Nienstedten staiigefunden. Der Strand war an der Unfallstelle dicht von Menschen belagert. Leute, welche in der Nacht vorher von Nienstedten aus den Zusammenstoß beobachtet haben, berieten, daß an Bord des „Primus" von der Musikkapelle gerade fröhliche Weisen gespielt wurden. Im Augenblick des Zusammenpralles loderte eine Fcuersäule aus dem Schornstein des „Primus" cmpor und herzzerreißende Schreie tönten über das Wasser herüber. Wie der.Hamburgische Korrespondent' er fährt, ist die Reederei des „Primus" gegen Haftpflicht mit 81000 Mk. bei der Versiche rungsgesellschaft Zürich versichert. Der Betrag dürfte freilich nur einen geringen Teil der aus der Katastrophe erwachsenden Beipflichtungen decken. — Der verletzte Maschinist Heinrich Prigge ist seinen Verletzungen nicht erlegen, sondern geht ebenso wie der Matrose Olden burg der Besserung entgegen. Die übrigen zunächst im Hafen-Krankenhause untergebrachten Personen, Frau Bostelt und Tochter aus Dresden und Frau Claudine Eggers, find bereits aus dem Krankenhause entlassen. Der Schilderung von Augenzeugen über die Schiffskatastiophe entnehmen wir nach dem ,Hnmb. Fremdenbl.' noch folgende Einzelheiten: An Widerspruch hatte wohl keines der Knder gedacht. Edgar war Lan-Wirt geworden und befand sich ganz wohl in dieser Stellung. Elise war überhaupt noch viel zu sehr Kind, um die Wichtigkeit des gethanen Schrittes zu ermessen. Herr von Dahlen besaß in Berlin ein Palais, in das nun die junge Frau ein zog. Ob sie in ihrer Hä islichke t glücklich war, danach fragte die Mutter nicht; fie hatte ihrer Tochter ein glänzendes Los verschafft, was konnte diese also noch mehr verlangen? Der Baron führte ein sehr luxuriöses Leben; er gab glänzende Feste, von denen ganz Berlin sprach, und die Frau hatte so viel zu thun, um die Honneurs zu machen, daß fie kaum Zeit fand, sich mit ihrem Töchterchen zu beschäftigen, das ihr der Himmel geschenkt hatte. Nach zwölf Jahren einer sehr kühlen, gleich gültigen Ehe starb der Baron, und nun zeigte es sich, daß er doch nicht ganz der KrösuS ge wesen wir, für den man ihn gehalten hatte. Die fürstliche Einrichtung, die wertvollen Ge mälde, alles mußte helgegeben werden, um die Schuldenlast zu decken, die auf den Schultern der jungen Frau ruhte. Nichts als die vier kahlen Wände des Palais blieben übrig. DaS war alles, was gerettet worden war. Die Frau Landrat, die auch hier thätig ein- gegriffen hatte, brachte eS dahin, daß das Palais verkauft wurde; die Zinsen dieser Summe warfen jährlich eine Rente ab und da Frau von Hohenzil Mutter und Kind »u sich nahm, so war der Baronin wenigstens eine an ständige Existenz gesichert. Die Frau Landrat Bei dem Zusammenstoß der beiden Schiffe bohrte sich der Steven des bedeutend größere« und stärker gebauten Schleppdampfers „Hansa" tief in die Seite des „Primus" ein, diesen fast bis zur Mitte des Decks durchschneidend. Das Krachen des berstsnden Eisens vermischte sich mit dem Ar.gstgeschrei der auf dem „Primus" befindlichen Personen, von denen einig' beim Zusammenstoß verletzt wurden. Von den Personen, welche die Reeling der „Hansa" er soffen konnten, kletterten mehrere, den Unter ganz des „Primus" voraussehend, auf die „Hansa" über. Kapitän Peters von dem „Primus" war bei der Rettung der Leute auf die „Hansa" mit thätig. Letzter: ging bald nach dem Zusamm nstoß rückwärts, wodurch fie von dem „Primus" frei kam. Hierdurch erfolgte die schreck!'che Kata strophe schneller als es sonst der Fall gewesen wäre. Sobald die Schiffskörper vo-emen^r frei waren, füllte sich der „Primus" mit Wasser und legte sich ganz nach Steuerbordseite über. Einigen Leuten gelang es hierbei, sich, über die Reeling kletternd, auf die Außenseite des „Primus" zu bergen, während die große Mehrzahl ins Wasser stürzte und mit d?m Tode ringen mußte. Das Wasser war gleich darauf mit schwimmenden K'avpstüölen, Bänken und anderen schwimmenden Gegenständen bedeck', an die sich die im Wasser befindlichen Personen, soweit fie das Schw-mmende evassen konnten, Aamm'rten. Das laute Hilsegeschrei der Unglück lichen schallte schauerlich durch die stille, nur schwach von dem verdeckten Monde erhellte Nacht. An Bord der „Hat sa" blieb man nicht müßig. Die Boote wurden ausgesetzt und nun begann das Werk der Rettung. Aber ebe sich die Boote dem versinkenden „Primus" nähern konnten, erfolgte eine heftige Detonation, der Dampfkessel war exvlodiert, und schnell ver schwand der Rumpf de« „Primus" im Wasser, alle noch auf der Außenwand des DampierS befindlichen Personen mit sich in die Tiefe ziehend. Viele und besonders Kinder, von denen nach der Schätzung etwa 25 in den Kajütten sich befanden, sanken mit dem Dampfer inS kühle Wellengrab hinab. Am Strande spielten sich schreckliche Szenen ab. Jammernd suchten Eltern ihre Kinder, Männer ihre Frauen. Als die Kaiastrophe eimrat, spielte die Musikkapelle auf dem „Primus" gerade „Nach Hause geh'n wir nicht, nach Sause geh'« wir lange nicht." Ein Musiker, der später im Wasser trieb, gab mit der Trompete HW- fignale — bis er untersank. Uan Unls imd Fer«. Der auf der Nordlandreise befindliche Schnellvampier „Prinzessin Viktoria Luise" be gegnete vor Molde der kaiserlichen Jacht „Hohenzollern". Die „Prinzessin Viktoria Luise" legte Flaggenschmuck an, die Kapelle spielte die Nationalhymne und unter begeisterten Hurras der Passagiere umfuhr der Dampfer die „Hohenzollern". Der Kaiser besuchte die „Prinzessin Viktoria Luise", besichtigte daS Schiff, drückte seine volle Zufriedenheit ans und verweilte über eine halbe Stunde an Bord. Den Passagieren des Schnelldampfers wurde von dem Kaiser die Erlaubnis erteilt, die „Hohenzollern" besichtigen zu dürfen, wo von die Passagiere reichlich und dankend Gebrauch machten. Der Kaiserbesuch in Posen «nd die Polen. Den polnischen Mitgliedern des Provinziailandtages find die Posener Stadt verordneten gefolgt. In der letzten Sitzung der Stadtverordneten-Versammlung wurde über Bewilligung von Mitteln für Veranstaltungen anläßlich der Anwesenheit des Kaiserpaares be raten. Da die polnischen Mitglieder der Ver sammlung hierbei nicht mehr anwesend waren, veröffentlichen fie nachträglich eine Erklärung, die sie dem stellvertretenden Stadtverordneten- Vorsteher zugesandt haben und in der sie sagen, die polnischen Stadtverordneten würden sich an der Beratung der Vorlage nicht be teiligt haben, da mit Rücksicht auf die Rede des Kaisers in Marienburg die Beteiligung der polwschen Bevölkerung an dem Empfange des Kaisers in Posen nicht erwünscht sein könne. hatte ihrem Gatten als Morgengabe cin kleines Gut mitgebracht, das sie, seit ihr Sohn mündig geworden war, als Witwenfitz benutzte. Klein-Hohenzil war ein hübscher Besitz und zum ständigen Aufenthalt für zwei Damen ganz geeignet. Das Schlößchen lag nicht allzuwest von dem großen Majoratsgut entfernt, und die nahegelegene Stadt, so unbedeutend sie auch war, bot doch für den Winter mancherlei An nehmlichkeiten. Die junge Witwe empfand durchaus kein Verlangen, sich in das bunte Treiben einer Großstadt zu stürzen; fie mochte wohl an den gemachten Erfahrungen genug haben und war es daher ganz zufrieden, auf dem Lande zu leben und sich ihrem Töchterchen zu widmen, dessen Lebhaftigkeit der strengen Großmama oft Anlaß zu ernsten Rügen gab. Während die junge Frau in den Zeitungen blätterte, hatte sich ihre Multer mit den ange kommenen Briefen beschäftigt, die fie mit ihrer gewohnten Würde Wort für Wort durchlas. Die ersten beiden mochten nur Unbedeutendes enthalten, denn fie wurden gleichgültig bei seite gelegt; aber das dritte Schreiben schien die Aufmerksamkeit der alten Dame in hohe» Grade zu erregen, fie las es zweimal durch und sagte dann in befriedigtem Tone: „Endlich! So ist mein Wunsch doch in Erüllung ge gangen !' Die Baronin blickte von ihren Zeitun gen auf. „Du hast angenehme Nachrichten erhalten, Mama?" „Sehr angenehme! Lies selbst, mein Sind!'
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