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-4 Inmitten des Krieges. Ostpreußische Stimmungsbilder von Paul Lindenberg. (Nachdruck verboten.) Der Kirgise. Erbeutete Geschütze, die man den Russen bei Augustowo abge- nvmuien, hatte man eingebracht; sie standen jetzt, mit zotteligen, ab- gematleten Pferden bespannt, auf dein Marktplatz, nahe dem Nat- Hause. Auf einem strvhgefüllten Leiterwagen einige leichter Verletzte van uns, die, da alles überfüllt war, noch keine Unterkunft gefunden; auf einem zweiten mehrere russische Verwundete. Neben dein Wagen ein Kirgise, den Arm in der Binde. Er er regte am meisten das Inter esse der Soldaten, die herau- gekommen waren und sich von den Begleitmannschaften nähe res erzählen liehen über die letzten Kämpfe jenseits der nahen Grenze. Das Haupt des Kirgisen, der in einen schmudellgen, lchmgraueu Mantel gehüllt >var, bedeckte eine hohe Mütze ans blauem Tuch, nuten von breitem, grauem Pelzstrcifen umzogen. Alles an ihm drückte Teil nahmslosigkeit aus, er blickte starr vor sich hin, als ob ihm alles gleichgültig, alles fremd wäre. Und doch hatte er, als er vorhin auf den Markt einge bogen, die Stadt wiedererkannt, in der er noch vor wenigen Wochen geweilt; scheu hatten seine Augen die Brandstelle da drüben gestreift. Eine Frau näherte sich den Verwundeten, in einem Korb eine große Kanne dampfenden Kaffees und Butterbrote. Mit tröstenden Worten labte sie die Krieger, denen nach langen Stunden die Erquickung eine freudig will kommene war. Dann, als die Vorräte zu Ende, holte sie neue, sich zu den Begleit mannschaften und schließlich zu den Ge fangenen wendend. Da erst bemerkte sie den Kirgisen; ihr Fuß stockte, ihre Hand mit dem Becher beble. Das war doch der selbe Russe, der ihr Haus dort an der Ecke in Brand gesteckt hatte, nur weil man- einige von den ciuguartiert gewesenen preußischen Soldaten zurückgclassene Sachen gefunden? Ihr Haus, in dem sie so viele Jahre gewohnt, in dem sie das ihre Kinder- gut ernährende Geschäft betrieben, ihr Haus, aus dem fie nichts, rein gar nichts gerettet, nur Ivas sie und die Kinder auf dem Leibe gehabt. Und jener Kirgise war der wildeste gewesen! O, aufs deutlichste sah sic jetzt nochmals, Ivie gierig, nachdem alles ausgc- ranbt worden, die Flammen cmpvrzüngelten, sie hörte ihr Knistern und Knacken, das Her- abfallcn der glühenden Balken, sie dachte des Fluches, den sie damals den Zerstörern des nach dem Tode ihres Mannes mühselig aufgebanten bescheidenen Glückes zugeschlcu- dert. — Nun stand der Brandstifter vor ihr! Ein Wort von ihr, und er wäre dem Kriegsge richt überliefert worden, es hätte sein Ende bedeutet. Auch der Kirgise hatte die Frau, die da mals flehend seine Knie umschlungen und die er zurückgeschleudert, erkannt, auch er wußte, was diese Begegnung sür Folgen haben konnte; er sah das Erschrecken der Frau, ihr Zögern, fein Leben schien verwirkt. Ta trat die Frau zu ihm hin und bot ihm den gefüllten Becher dar, nebst Brot: „Bitte, nehmt, Ihr scheint müde zu sein, seid ver wundet!" — Der Krieger verstand nicht die Worte. Aus ihrem milden Klang aber wußte er, daß er gerettet war. Er nahm nichts von dem Gebotenen, obwohl er hungrig und durstig war, schüttelte den Kopf, in seinen grünlichen Augen leuchtete es feucht auf, er er griff leis den Arm der Frau und küßte das Gewand, machte das Zeichen des Kreuzes. — „Nun seht bloß den Kal mücken an," rief einer der be gleitenden Soldaten. „Die ganze Fahrt hindurch, wie'n Stück Holz, nun scheint's doch ein Mensch zu sein'" Niss. ' Die junge Fran des im Felde stehenden Kreisbau meisters war mit ihrem fünf jährigen Töchterchen nach der Stadt, in der die Russen ge haust uud aus der sie vvr zwci Wochen von den Unseren vertrieben worden waren, zu- rückgekehrl. In der Dämme rung war sie nach langer, langer Fahrt, während stick die Gedanken stets von neuem damit beschäftigten, wie sie ihr sorgsam und liebevoll ge hütetes Heim in der hübschen Villenstraßewiedersehenwürde, eingetroffen, immer schnelleren Schritttes dem Ziele zustrebend. Nun saß sie völlig ge brochen in der weinumrankten Laube hinter dem so schmuck gewesenen einstöckigen Häuschen, dessen inneres in furchtbarster Weise verwüstet worden war. Alles entzweigeschlagen, vernichtet und sort- geschleppt, Türen und Fenster zertrümmert, ein Bild grauenhafter Zerstörungswut. Tas seitlich etwas zurückgcbaule Hnus der be freundeten Doktvrfamilie war niedergebrannt, die aneinander grenzenden beiden Gärten mit Blumen-, Obst-, Gemüsebeeten teils zerstampft, teil mit Brandschutt bedeckt, ein paar Astern uud Sonnenblumen ließen all das Unheim liche und Gespenstische noch mehr hervor- treteu. Die junge Frau hatte das Gesicht in die Hände gestützt, nm vor Klein-Hannchen, die sich verschüchtert an sie geschmiegt, die so heiß hcrvorquekleuden Tränen zu verbergen. Da ließ sich ein klägliches Miauen ver nehmen, ein kleines, weißes, halbverhungertes Kätzchen raschelte heran. „Miß, Miß," rief freudig das Töchlerchen, löste sich hastig von der Mutter los und sprang von der Bank herab. „Da ist ja auch Miß, komm' her, Miß!" Tann besann sich das Kind. „Nein, nicht mehr Miß, nicht wahr, Mama? Wir sprechen nicht mehr englisch. Fräulein, Fräulein, komm' her, Fräulein!" Da huschte ein Lächeln über das bleiche Gesicht der jungen Mutter, ein Lächeln, wie der erste verheißungsvolle Sonnenstrahl eines unterdrückten, aber nicht vernichielen, bald wieder aufsprießenden zarten Glückes! Sie drückte daS Kind innig an ihr bebendes Herz. Und das Mädchen schlang die Arme um den Hals der Mutter, sie immer uud immer wieder küssend. Prof. vr. MI. Fritz Nau sende ogcr. Prinz Joachim Albrecht v. Preußen. Der hochverdiente Konstrukteur der deutschen 42-cm-Mörser Prof. Or. phil. Or. Ing. In e. Fritz Nausenberger, ist Hauptmann der sächsischen Land lvehrartillerie und Mitglied des Direktoriums der Kruppschen Werke in - Essen. Fritz Rausenberger erhielt kürzlich das Eiserne Kreuz und wurde von der Technischen Hochschule in Karlsruhe und der philosophischen Fa kultät der Universität Bonn zum Ehrendoktor ernannt. — Prinz Joachim Albrecht von Preußen, der als Major an den Kämpfen im Westen teil nahm, wurde durch ein Schuß in den Fuß verletzt. Er ist der zweite Sohu des verstorbenen Prinzen Albrecht und weilt, mit dein Eisernen Kreuz ausgezeichnet, auf seinem Besitz im Salzkammergut. Feldwebel Mazur ist der erste Unteroffizier des Gardekorps, der mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse ausgezeichnet wurde. Er gehört der 3. Kom panie des 1. Gardcregiments z. F. an. Der Regimentskommandeur,PrinzEiteIFriedrich, hat ihm die Auszeichnung selbst überreicht.