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Nach Unterschlagungen von mehr als WO 000 Mk. ist aus Leipzig der Kaufmann Friedrich Wohlers, Prokurist einer Großstrma, flüchtig geworden. Bo» schimpflustigen Leuten meldet der Münchener Polizeibericht vom Dienstag fol gendes niedliche Stückchen: In einem Hause m der Plinganserstraße verübten eine Frau, deren Köchin und ein Mann durch Schreien und Schimpfen einen derartigen Skandal, daß eine größere Menschenansammlung entstand. Um die Schimpfereien, die sich gegen eine im fraglichen Hause wohnende Frau richteten, noch Wiger zu gestalten, verteilten sie Geld an Straßenjungen, welche hierdurch bewogen wurden, riitzuschreien. lich einen englischen Dampfer und warfen einen Arbeiter, der sich dem Ausstande nicht ange- schlcssen hatte, ins Meer. Es mußten Truppen aufgeboten werden, um die Ruhe wieder herzu stellen. Drei aus Südafrika zurückgekehrte Sol daten gerieten am Mittwoch während der Fahrt nach London in einem Eisenbahnabteil mit einem Zivilisten in Streit und warfen ihn durch das Fenster auf das Gleis, wo er sterbend aufgefunden wurde. Die Weltloge des Guttempler-Ordens findet gegenwärtig in Stockholm statt. Die Be teiligung ist ungemein stark. Hauptzweck des Ordens ist die Agitation gegen den Mißbrauch des Alkohols. Am Sonntag fand seitens der einer hauptsächlich von Prostituierten bewohnten Straße waren wegen Kuppelei angeklagt, weil sie Wohnungen an Dirnen vermietet hatten. Die Straf kammer hatte sie freigesprochen, weil sie Eigennutz und Gewerbsmäßigkeit nicht für vorliegend erachtete. Das Reichsgericht hielt diesen Eigennutz wohl für vorliegend und wies die Sache an die Vorinstanz zurück. Am Dienstag sprach das Gericht die Ange klagten wiederum frei, weil sie sich auf eine Notlage beriefen. Sie könnten die mit Hypotheken belasteten Häuser nicht anderweitig vermieten und sie nur mit großen Verlusten verkaufen. Das Gericht nahm das Vorhandensein des Notstandes an. Aus Ueuedig. Unter den Beiträgen für den Wieder-Aufbau des Glcckenturmes von San Marco, die dem Dir Trummer des Mockrnturmrs vs« Sa« Mareo i« Ueuedig. Der anscheinend wildernde Gemeinde- Mer Wintrath wurde im Forste Schwarzbruch Saarburg durch den königl. Förster König schossen. Eine peinliche Strahenszene in Paris. Gemeinderatsmitglied BarMer in Paris geriet am Donnerstag mit einem Polizisten und einem in Zivil gekleideten Geheimagenten in einen Wortwechsel, weil Barillier vermutete, baß er von den beiden Agenten überwacht ^erde. Er erklärte denselben, er wolle nicht "erfolgt werden und gab seine Personalien an. Dem Polizisten, welcher über diese Erklärung !e>ne Verwunderung ausdrückte, schlug Barillier Gesicht, worauf ein Protokoll gegen ihn Genommen wurde. Die Angelegenheit wird Mrscheinlich vor dem Schwurgericht zur Ver- bnndiung kommen. Tetbstentladung einer Mitrailleuse. Als A Donnerstag vormittag Schüler der Militär- Mle von Saint-Cyr die Artillenewerkstätten M Puteaux besichtigten, entlud sich durch einen Mall das Geschoß einer Mitrailleuse. Zwei Schüler wurden am Schenkel getroffen. .. Ein peinlicher Vorfall, der leicht zu Momatischen Verwickelungen Anlaß geben M, hat sich am Donnerstag in Rochefort er- Met. Ausständige Kaiarbeiter stürmten näm- „Weltloge" eine öffentliche Kundaebung (Aus zug) statt, an der sich etwa 25 000 Personen beteiligten. In Athen ist der Bischof ProcopioS, der infolge der Unruhen, welche seiner Zeit seine Uebersetzungen der Bibel in der Universität hervorriefen, seine Entlassung genommen hatte, gestorben. Cholera. Eine neue Anzahl Cholerasälle find in der verbotenen Stadt in Peking ausge treten, mehrere Soldaten sind gestorben. Die Epidemie greift weiter um sich. Gerichtslmlle. Breslau. Das Kriegsgericht der 12. Division verhandelte in mehrtägiger Sitzung gegen den Ge freiten Albert Hirth und den Musketier Paul Kuntze, beide aus Berlin, sowie gegen weitere acht Musketiere, sämtlich vom 62. Jnfanierie-Regiment, wegen lhät- lichen Angriffs gegen einen Vorgesetzten, Nötigung, Ungehorsams und Meuterei. Der Gefreite Hirth und der Musketier SchuchalSki erhielten je 5 Jahr, Musketier Kupczik 3 Jahr und Musketier Kuntze 11 Monat Gefängnis. Die übrigen sechs Ange klagten wurden freigesprochen. Krefeld. Zu bemerkenswertem, wiederholtem Freispruch gelangte die hiesige Strafkammer in fol gender Sache: Die Besitzerinnen einiger Häuser in Bürgermeister unausgesetzt ouS allen Teilen Italiens und des Auslandes zugehen, befindet sich ein solcher des Senators Breda aus Padua in. Höhe von 100 000 Lira. Unterrichtsminister Nast hat dem Stadtrat und dem Provinzialrat einen Besuch abgestattet und die Teilnahme der Regierung bei dem Unglück, das Venedig be troffen, ausgesprochen. Der Provinzialrat hat beschlossen, zu dem Wiederaufbau des Glocken turmes 200 000 Lira beizusteuern. Die Geld spenden zu diesem Zweck fließen weiter und er reichen bereits die Summe von 1 Million Lira. — Der deutsche Jtalienfahrer, der neben den üblichen Führern, auch seinen Goethe als besten Begleiter für die Reise durch das herrliche Land in der Tasche hatte und der einen be sonderen Reiz darin fand, den Spuren des Dichters zu folgen, fühlte sich auch gerade durch den jetzt in Trümmern liegenden, ehemals so stolzen Campanile von San Marco an Goethe erinnert. Wenn er von der oberen Galerie die vielbewunderte Aussicht auf das Häuser gewirr zu seinen Füßen genoß und den Blick hinüberschweiien ließ zu dem die Stadt rin- schließenden Meere, so dachte er daran, wie vor ihm Goethe von derselben Stelle aus sich die eigenartige Lage der Stadt klar zu machen suchte, aus der sich das »reiche, sonderbare, Als die biedere Frau Greisler, welche ihrem Aisherrn täglich die Zeitung hinanizutragen Akte, mit der betreffenden Nummer bei ihm schien, deutete fie auf den erwähnten Artikel M sagte dabei: »Das wird den Herrn Baron vielleicht inter- Men. Die Flausen aber von der plötzlich Metcetenen Unpäßlichkeit der Sängerin läßt Mdie alte Greißler nicht oormachen und der M Baron wohl auch nicht. Daß dem Wnen Fräulein die Lust gründlich vergangen den Leuten hier noch etwas vorzufingen, Men wir zwei auch gern glauben. Nun, die Michie mit dem Medaillon kann ein ver- Astiger Mensch ihr selbst nicht übel an- ^nen, und daß das erste Verhältnis ein Ende Kommen hat, will ich ihr auch verzeihen, weil Mn herziges Gabrielchen — bitte um Ent- Mdigung, die liebe Braut des gnädigen Mg — sonst nicht so glücklich hätte werden Men. Daß fie sich aber mit dem abscheu- Mn Menschen, dem Dillheim, zu guterletzt V au* ein paar Tage verlobt hat, wie man H allgemein erzählt, das hat die Suppe eben W? versalzen, und bloß darum gönne ich's ..^ Wissen Sie, Herr Baron, da kann man M den Unterschied sehen. Wie der gnädige M Baron meine Kleine da droben — ja so, zukünftige Frau Baronin muß ich jetzt Sen — kennen gelernt hat, auf dem Heim- Ms, in der Anlage, das war damals eine Quiche Unpäßlichkeit, weil sich das arme Kind .erarbeitet hatte; bei so einer Dame, wie bei Mr, da kommen die Unpäßlichkeiten, wenn "N sie g-rade bin-h on kann. Doch — was plaudere ich da so lange und halte Sie am, bester Herr! — Eigentlich wollte ich ja weiter nichts sagen, als daß ich alte Person halb närrisch geworden bin vor Frende, wie sich die Sache zwischen Ihnen und meinem Herzblatt so prächtig angebandelt hat. Sie verzeihen doch, wenn ich mitunter ein bißchen zu despektierlich von dem Fräulein Braut rede und fie mein Gabrielchen, oder so was heiße?" »Versteht sich, liebe Frau Greißler," sagte Oswald lächelnd, indem er der gutmütigen Alten die Hand schüttelte. »Wir beide werden es nie vergessen, wie gut Sie es stets mit uns gemeint haben." »Es freut mich von Herzen, daß der Herr Baron dies anerkennen," versicherte die Haus frau. „Mein Gott, wie sich ost alles so seit- sam fügt; denken Sie nur daran, wie un gehalten Sie gleich nach Ihrem Einzuge über die Nähmaschine da droben waren, so daß ich glaubte, Gabrielchen müsse schnurstracks uuS dem Hause. Und jetzt, kaum ein Vierteljahr danach, haben Sie sich so gründlich mit der kleinen Störerin ausgesöhnt I Nun braucht fie freilich auch nicht mehr zu rumoren, aber, Herr Baron, darauf machen Sie sich gefaßt, Lärm gibt's künftig doch vielleicht wieder. Nur find es dann keine Maschinen, sondern ganz kleine Spektakelmacher von Fleisch und Bein. Da werden dem Herrn Baron manchmal die Ohren gellen, und das Ausfinnen von einem Trauer spiel oder einem Schauspiel wird Ihnen etwas sauer werden." „Nun, dann machen wir vielleicht ein Lustspiel daraus," sagte der junge Schrift- Keller lachend. »Aber lassen Sie nur Gabriele von den kleinen Poltergeistern vorläufig noch nichts hören." „Beileibe nicht! Wo denken Sie hin?" versetzte Frau Greißler und trollte sich zur Thüre hinaus. Ende. Gin Wettweiser. Von Ed. Jürgense n.*) Dem alten Major von W. waren im letzten Feldzuge beide Beine durch eine Granate weg gerissen worden und zwar bis dicht unters Knie. Es war daher natürlich, daß er den Dienst quittieren mußte, aber seine gute Laune hatte gottlob darunter in keiner Weise gelitten. Er ließ sich ein Paar hölzerne Stelzen ansertigen und, da er ein sehr muskulöser Mann war. so humpelte er seelenvergnügt und verhältnismäßig rasch durch die Welt; sein übriger Organismus war gesund, sein Humor sehr gesund. Kam er z. B. zu dem Stellmacher des kleinen Ortes, in welchem er vergnügt und friedlich wohnte, um sich „neues Fußzeug" zu bestellen, wie er sich auszudrücken pflegte, so that er dies mit den Worten: „Ich möchte wohl ein Paar neue Stiefel haben, mein lieber Meister, aber machen Sie mir dieselben etwas bequemer, nur die letzten. Sie wissen ja, englischer Schnitt mit niedrigen Hacken u. s. w. Glauben Sie, daß Sie mir die alten noch 'mal vorschuhen könne», oder lohnt es sich nicht der Mühe?" u. s. w, u. s. w. *) Unberechtigter Nachdruck wird verfolgt. einzige Bild", das er von Venedig forttrug, ergeben hat. Schon von Padua aus grüßte Goethe das ehrwürdige Wahrzeichen von Venedig. Von dem Rundblick, den er sich vom Observatorium über die Lage dieser Stadt ver schaffte, berichtet er zum Schluß: „Am Horizont sah ich ganz deutlich den Markustmm zu Venedig und andere geringere Türme." Goethe liebte es, auf seiner Reise Türme zu besteigen, um sich die Aussicht der Umgegend zu ver schaffen, und so eilte er denn auch in Venedig gleich in den ersten Tagen auf den Campanile. Ueber seine ersten Eindrücke berichtet er: „Heute habe ich abermals meinen Begriff von Venedig erweitert, indem ich mir den Plan verschaffte. Als ich ihn einigermaßen studiert, bestieg ich den Markusturm, wo sich dem Auge ein einziges Schauspiel darstellt. Es war um Mittag und Heller Sonnenschein, so daß ich ohne Perspektiv Nähen und Fernen genau erkennen konnte. Die Flut bedeckte die Lagunen, und als ich den Blick nach dem sogenannten Lido wandte (es ist ein schmaler Erdstreif, der die Lagunen schließt), sah ich zum ersten Mal das Meer und einige Segel darauf. In den Lagunen selbst liegen Galeeren und Fregatten, die zum Ritter Emo stoßen sollten, der den Algierern den Krieg macht, die aber wegen ungünstiger Winde liegen blieben. Die Paduanischen in-d vicentinischen Berge und das Tiroler Gebirge schließen, zwischen Abend und Mitternacht, das Bild ganz trefflich schön." Mit diesem einen Besuch des Turmes war Goethe aber nicht befriedigt; in seinem Drange, die geographische Struktur des Landes, mit der er sich angelegentlich beschäftigt, auch anschaulich zu erfassen, stieg er wieder auf den Cruwanile, und sein Bericht gibt einen neuen Anlaß, den Blick Goethes für das Wesentliche einer Natur zu bewundern. „Heute abend ging ich auf den Marlusturm: denn da ich neulich die Lagunen in ihrer Herrlichkeit, zur Zeit der Flut, von oben gesehen, wollt' ich fie auch zur Zeit der Ebbe, in ihrer Demut, schauen, und es ist notwendig, diese beiden Bilder zu verbinden, wenn man einen richtigen Begriff haben will. Es sieht sonderbar aus, ringsum überall Land erscheinen zu sehen, wo vorher Wasserspiegel war. Die Inseln find nicht mehr Inseln, nur höher gebaute Flecke eines großen, grauarünlichen Morastes, den schöne Kanäle durchschneiden. Der sumpfige Teil ist mit Wasserpflanzen bewachsen und muß sich auch dadurch nach und nach erheben, obgleich Ebbe und Flut beständig daran rupfen und wühlen und der Vegetation leine Ruhe lassen." Buttles Allerlei. „Rede« wir vernünftig!" Der kürzlich in Mainz verstorbene Rechtsanwalt Dr. Lam- binet war längere Zeit Mitglied des dortigen Stadtverordnetenkollegiums. Bei Gelegenheit einer Beratung über die Führung einer Neben bahnlinie durch eine Hauptstraße der Stadt kam es in der Stadverordnetenversammlung zu einer lebbasten Diskussion und zu den wider sprechendsten juristischen Anschauungen über die Frage, ob man berechtigt sei, das Bahngleise über die Straße zu führen. Unwillig über die nutzlosen langen Debatten ergriff nun auch Dr. Lambinet das Wort und bemerkte zur größten Heiterkeit des Kollegiums: „Meine Herren, lassen wir einmal die Juristen beiseite und reden wir vernünftig I" * Dasselbe. „Entbehren Sie Ihren Gatten nicht, wenn er so lange verreist ist?" — „O nein, beim Frühstück stelle ich einfach eine Zeitung aufrecht gegen einen Teller, und meistens fällt es mir garnicht ein. daß er nicht dahinter ist." — Ausrede. Förster: „Aber Sie haben den Hasen ja wieder gefehlt, Herr Assessor." — Assessor: „Absichtlich; möchte die Viecher, ka mst 's Fell nicht beschädigt wird, durch einen Schreck töten." Modern. „Gnädige Frau . . .! ? Bei der Wäsche?!" — „Ja, mein Hausmädchen hat Kmvierstunden l" Wm.') Immer war er jovial, der alte brave Herr^ und wenn einmal eine plötzliche Aenderung i» der Witterung eintrat, so konnte man sicher von ihm die Aeußerung hören: „Das habe ich schon längst mit meinen Hühneraugen voraus« gesehen!" — ein doppelter Kraft-Kalauer, der unter allen Umständen jedesmal ein schallendes Gelächter zur Folge hatte. Außer diesen vortrefflichen Eigenschaften be saß der alte gute Herr Major aber auch noch einen Vorzug, ein ebenso leidenschaftlicher wie angenehmer Skatspieler zu sein! Nicht etwa, daß er gerade gut spielte, bewahre! Aber er spielte anständig, und das ist schon eine große Hauptsache. Er verlor mit Anstand und daS machte ibn zu einem sympathischen Skatteilnehmer. So saßen wir denn auch vor kurzem mal wieder zu dreien friedlich beisammen und der Alte war unerschöpflich, wie immer, in seinen selbstironischen Redensarten. »Immer den besten Fuß vor!" scherzte er, wenn er ein Daus auf den Tisch legte, oder: »Das ist ja um auf die Akazien zu klettern! Da möchte man sich ja doch ein Bein aus reißen!" und was der drolligen Aussprüche mehr waren. Wir kamen aus dem Lachen gar nicht heraus. Geradezu homerisch wurde aber das Gelächter, alL der alte beinlose Major, der ausnahmsweise heute einmal gewonnen hatte, zum Schluß in die ewig denkwürdigen Worte ausbrach: „Meine Herren, eS lhut mir wahrhaft leid, aber rch bin jetzt gezwungen, die drei letzten Ronden anzusagen, ich kriege nämlich - kalte Füße!!!" Ende.