Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 25.11.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191411254
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19141125
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19141125
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-25
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.11.1914
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
jVur nock zoo Kilometer! Endlich ist Väterchen Zar in der Lage ge wesen, seinen Bundesgenossen eine erfreuliche Nachricht zu übermitteln. Am Tage vor der Schlacht bei Wloc awec, ehe Hindenburgs glänzender Sieg alle Hoffnungen der Russen auf eine Beietzung Oo- und Westprewens, wie Polens und Schlesiens zunichte machte, telegravbierte der Zar an König Georg und an Präsident PoincarS, daß sein siegreiches Heer jetzt »nur noch" 800 Kilometer von Berlin entfernt siebe und seinen Vormarsch langsam aber entschlossen fortsetze. Ach, wie sind sie bescheiden geworden! Mitte August stand schon in der Erklärung, mit der die französische Regierung ibre Flucht nach Bordeaux vor dem enttäuschten Volke zu rechtfertigen versuchte, zu lesen, daß die verbündeten Russen in das Herz des Feindes vorstoben, wäbretrd die Engländer sich an- schicken. seine Hälen zu bombardieren. Und seitdem ist kein Tag vergangen, an dem die drei edlen Verbündeten einander nicht mit einem anderen Schwindel zu trösten vermcht hätten. Nun endlich hat Nikolaus das Lügen satt, und unbekümmert um das Hohnlachen der ganzen Welt verkündet er triumphierend, dasi seine.siegreiche Armes" nur noch 300 Kilo meter von Berlin entfernt steht. Und das amtliche Blatt der russischen Heeresverwaltung stimmt einen Siegessang an, in dem allem russischen Volke zugeiudelt wird, daß nunmehr der Weg nach Berlin offenstünde. Das Blatt hebt das ruhige systematische Vorgehen des russischen General- siabs gegenüber dem .impulsiven Abenteurer sinn", wie er der deutschen Kriegführung in folge des Charakters des obersten Kriegsherrn anhafte, hervor. Nur einmal sei dagegen ver stoßen, als ein untergeordneter General, Sam sonow, allzu rasch einen Vorstoß gegen Ost preußen unternahm und von den Deutschen überrascht wurde. Mit solchen Redensarten gleitet man geschickt über die schweren Nieder lagen bei Tannenberg und den Masurischen Seen hinweg. Man darf gespannt sein, wie der Zar den Aufenthalt erklären wird, den sein .siegreiches Vordringen" neuerdings er litten hat. Denn bei Villkallen. Soldau, Koni» und Kutno ist das siegreiche russische Heer nicht nur geschlagen, sondern mit schweren Ver lusten viele Kilometer von der Grenze zurück- geworsen worden, und bei Wloclawec erlitt es eine Niederlage, die den Versuch, die Grenze an einer Stelle zu überschreiten, von wo noch 300 Kilometer dis Berlin zurückzulegen sind, sür immer vereitelt hat. Das war 400 Kilo meter von Berlin, 50 Kilometer von der deutschen Grenze! Väterchen Zar aber ist im Geiste bei seinen Truppen, die er — dank der Lügenberichte, die man ihm unterbreitet — auf Berlin marschieren sieht. Aber der Zar mag sich trösten. Seine Busenfreunds, der König von England und Präsident Poincar6. müßen ja auch aus ähn lichen .Siegesnachrichten" Hoffnung sür die Zukunft schöpfen. ,.W r sind auf dem besten Wege zum Sieoe," telepraphiert Generalissimus Joffre nach Bordeaux, tust an dem Tage, da ihm von den Deutschen DixmuiSen entrissen wird, der Schlüffe! zur französischen Stellung an der Dser. Auch er sah sich ja schon, als er im Elsaß leine famosen Prok amationen erließ, auf dem Vormarsch nach Berlin, auch er be rechnete, daß er noch 300 Kilometer unter Schwierigkeiten zurücklegen müsse, um den Weg frei zu haben. Wie im Osten, so ist es auch im Westen ganz anders gekommen, und beide Siegesver künder — Herr Joßre und der Zar — können einander nichts vorwenen, als daß sie einen Augenblickserfolg, den ihnen die Deutschen aus strategischen und taktischen Rücksichten über ließen, als Vorbedeutung sür den unaufhalt samen Vorstoß gehalten haben. Und auch in England wird man gegen die allzu leicht mit Hoffnung erfüllten Bundesgenoffen keinen Vor wurf erheben können: denn Herr Churchill hat weder Lis deutsche Flotte aus ihren Rattenlöchern ausgraben können, noch hat er die deutschen Häfen bombardieren können; denn er muß sich voller Angst der eigenen Haut, d. h. an der eigenen Küste wehren. Wie Joffre seinen Vormarsch durch das Elsaß, und Nikola Nikolajewitsch seinen Ein bruch in Deutschland durch Ost- und *West- vreußen, durch Vosen und Schlesien bat auf geben müssen, so mußte auch Herr Churchill auf seinen Plan verzichten, die deutsche Flotte im Handumdrehen zu zerstören. Die deutschen Unterleevoote baden seine Schiffe sogar aus dem Kanal verjagt, und die Truppentrans porte nach Frankreich werden über Irland geleitet, mit einem Umwege von nur 300 Kilo metern! La, es ist anders geworden, als man bei Wein und Braten in Petersburg. London und Paris beschloß, und man must sich getrösten, daß man bis auf „nur noch" 300 Kilometer an die deutsche Hauptstadt herangekommen ist. Es war das Höchste, was man erreichen konnte. U. v. V * * verschiedene Uriegsnachrichten. Generalquartiermeister v. Boigts-Rhetz Der Generalquartiermeisier der deutschen Armee Generalmajor von Voigts-Rhetz ist in der Nacht vom 18. zum 19. Nooembex unerwartet einem Herzschlag erlegen. — Über die Kämvre in Westflandern schreiben holländische Zeitungen, daß die deutschen Truppen mit jedem Tage mehr an Boden gewinnen. Die französischen Truppen sind nahezu erschöpft, und nur der englische Zuspruch hält sie noch in ihren Stellungen. — Nach denselben Quellen sind dieüberreste desbelaischenHeeres in den Kämpfen an der Mer völlig zu- sam m eng ebr o ch en. In den letzten Tagen sind wiederholt Meutereien vorgekommen. Die erschöpften Soldaten verließen nachts die Schützengräben und er gaben sich den deutschen Truppen. Ein Hauptmann, der seine Truppen zum Sturme nach vorwärts trieb, wurde durch einen Bajonettstich in den Nacken getö et. Köniq Albert vermag es nicht mehr, seinen Truppen Mut zuzusprechen. Seine Besuche in der Kampslinie werden im Gegenteil von den Offizieren sehr unangenehm empfunden, weil bis zum letzten Monn die Überzeugung herrscht, daß die Anstrengungen des Königs erfolglos sind. * Englands Flottenverlustc. Tie,Frkkt. Zitg.' erfährt aus London: Nm Unterbauie teilte Marincminister Churchill die Verluste der englischen Marine bis zum 17. November mit. Sie beliefen sich an Offizieren: 222 Tote, 37 Verwundete und 3 Vermisste; Ma trosen: 3433 Tote, 428 Verwundete und 1 Vermisster. Nicht mitgerechnet sind IVO« Vermisste der Flottendivision von Antwerpen, 873 Mann ans dem Kriegsschiff „Good Hove" und eine in Holland gefangen gehaltene Flotten- divifio». — Der Londoner Korrespondent der römischen .Ga'eita del Popolo' schreibt, Ler Zufluß der Rekruten in England gehe jetzt !o zurück, daß eine Reihe Werbebureaus über flüssig oeworden ist. Die Gründe hierfür seien Unrufrie enbeit mit der Bezahlung und mangelhafte Unlerstützung der Familien, vielfach auch schlechte Behandlung der Rekruten, vor allem aber dis anhaltende Gleichgültigkeit der öffentlichen Meinung. Die russische Niederlage. Londoner Blätter melden über Kopen hagen, daß die runbchen Verluste bei dem letzten Sieg Hindenburgs au, 40 000 dis SO 000 Mann geichätzt werden. — Wenn schon eine bundesgevössilche Quelle derartige Ziffern angibt, so kann man bestimmt damit rechnen, daß in Wahrheit die Verluste noch viel größer sind. — In Petersburg verlautet, daß ein hoch stehender Vertreter der Ver. Staaten der russischen Regierung und dem Ho e einen Besuch abgestattet hätte, um im Namen des Präsidenten Wilson sich nach den Mög lichkeiten einer amerlkanischen Ver mittelung zu erkundigen. * Neue Erfolge der Türke». Die türkischen Heere machen sowohl im Kaukasus wie an der ägyptischen Grenze vor treffliche Fortschritte. Die Russen mußten ihre Stellungen aus dem Wege nach Batum räumen, und auf der Sinai-Halbinsel gelangte die türkische Vorhut dis auf 80 Kilometer an den Sue-kanal. ?)mterbliebenenfürforge. Ein Merkblatt für die Hinterbliebenen der ge fallenen oder an Wunden und sonstigen Kriegs- dienstbeschädigungen gestorbenen Teilnehmer am Kriege 1914. Die Unterstützung der Hinterbliebenen unserer im Felde gefallenen oder an den Folgen des Krieges gestorbenen Krieger zer- sällt ist die Gnadengebührnisse, die Versor gungsgebührnisse und das Kriegselterngeld. Für alle drei Arten von Hinlerbliebenemür- sorge sind besondere Be limmunren erlassen, deren hauptsächliche nachstehend wiedergegeoen werden: Hinierläßt ein gefallener usw. Kriegsteil nehmer eine Witwe oder eheliche oder legiti mierte Abkömmlinge, fo werden für einen ge wissen Zeitraum nach dem Tode des Kriegs teilnehmers Gnadengebührnisse gewährt. — Gnadengebührniffe können auch gewährt werden, wenn der Verstorbene Verwandte der aufsteigenöen Linie. Geschwister, Geschwier- tin^er oder Pflegekinder, deren Ernährer er ganz oder üb-rmiegend gewesen t', in Be dürftigkeit hinlerlä t. oder wenn und soweit der Nachlaß nicht ausreicht, um die Kosten c>er letzlen Krankheit und der Beerdigung zu decken. — Ler Antrag vm Zahlung der Gnaden- gedührniffe ist entweder an diejenige stell vertretende Korpsiniendaniur, zu deren Ge- schästsbereich der Truppenteil Mw. des Ver storbenen gehört, oder an das sür den Wohn- oder Aulenthalisort zuständige Be- zirkskommanüo zu richten. Letzteres sorgt dann für die Weitergabe. Nach Ablauf der Gnadenzeit erhalten die Witwe und die Kinder — letztere bis zu 18 Jahren — Witwen- und Waisengeld, sowie Kriegswitwen- und Kriegswaisengeld. — Der Antrag aut Bewilligung dieser Äersorgungs- gebührniffe ist an ie Ortsvolizeibehörde des Wohnorts oder des anläßlich des Krieges ge wählten Au'enthaltsorts zu richten. Den Verwandten der auisieigenden Linie lVater und leder Großvater. Mutter und jede Großmutter) kann sür die Dauer der Bs° düritigteit ein Kiiegselternge d gewährt wer den, wenn der verstorbene Kriegsteilnehmer vor Eintritt in das Fe dheer oder nach seiner Entlassung aus diesem zur Zeit seines Todes oder bis zu seiner letzten Krankheit ihren Lebensunterhalt ganz oder überwiegend bestritten hat. Der Antrag ist eben'alls an die Ortspolizeiverwaltung des Wohnorts oder des anläßlich des Krieges gewählten vorüber gehenden Aufenthaltsorts zu richten. Ihm ist eine standesamtliche Sterbeurkunde über den Gefallenen mw. beizmügen. Sämtliche Anträge auf Gewährung einer dieser drei Unterstützungen und mit Belegen zu versehen, und zwar für Erlangung der Gnadengedührnifle eine Bescheinigung des Truppenteils usw. über die Höhe des Gnaden- geha is oder der Gnadenlöhnung des Ver storbenen und über die Dauer der Empsangs- berechtigung, eine militärdienstlich beglaubigte Beicheinigung über den Tod des Kriegsteil, nehmers. und eine amtliche Bescheinigung über den Verwandtschaftsgrad und üas Verhältnis zu dem Verstoibenen. Für die Gewährung der Versorgungsgebührnisse ist die Beibringung von Geburtsurkunden der Eheleute (können wegfallen, wenn die Geburtstage aus der Heiratsur unde ersichtlich sind oder wenn nur Waisen- und Kriegswaifengeld beansprucht wird oder wenn die Ehe über 9 Jahre bestanden Hai) notwendig; ierner wird verlangt die Hei ratsurkunde oder, wenn Wassen aus mehreren Ehen versorgungsberechtigt nd. die betreffen den Heiratsurkunden, die standesamtliche Ur kunde über das Ableben des Ehemanns und, falls die oersorgungsberechtigtenKlnder auch ihreleib- liche Mutter venoren haben, noch die stand s- amtliche Urkunde über das Ableben der Ehefrau, die vanoesamtliche Ge rurlsurkunüe für jedes oersorgungsberechtigte Kind unter 18 Jahren: amtliche Bescheinigung darüber, daß dre Ehe nicht rechtskräftig geschieden oder die eheliche Gemeinschaft nicht rechtskrästia aufgehoben war, die Mädchen im Alter von 16 Jahren und darüber nicht verheiratet loderoerheiratet gewesen) sind, keins der Kinder oder wer von ihnen in die Anstalten des Potsdamfchen Großen Militärwaisenhauses ausgenommen ist: gerichtliche Bestallung des Vormundes oder Pflegers; außerdem ist in dem Antrag amu- geben, ob und wo der Verstorbene als Be amter im Reichs-, Staats- oder Kommunal dienste, bei den VersicherungSan alten sür die Invalidenversicherung oder bei ständischen oder solchen Instituten angestellt war, die ganz oder zum Teil aus Mitteln des Reiches, Staates oder der Gemeinden unterhalten werden, der zukünftige Wohnsitz der Wi'w-. Politische KunMcbau. Deutschland. * In der letzten Sitzung des Bundesrats gelangten zur Annahme: der Entwurf emer Bekanntmachung üoer das Verbot des Han dels mit in England obgestempelten Wertpapieren, der Entwurf einer Ver ordnung betreffend Tagegelder und Fuhrkosten für Sachverständige der nach dem Gesetz über die Kriegsleistunaen am 13. Juni 1873 ?u bildenden Schäßungskommission und die Vor lage. betreffend Änderung der Bestimmungen zur Ausführung des Weingesetzes. Österreich-Ungarn. *Das K. K. Telegraphen-Korrelpondenz- Bureau teilt mit: Mit Rücksicht aut die traurige Lage, in der sich unsere Staats angehörigen namentlich in England befinden sollen, wurden in der letzten Zeit die Maß nahmen bei uns be anders gegen die Engländer verschärft, indem außer weiteren Verhaftungen insbesondere auch ver fügt wurde, da«; englische Staatsangehörige ohne Unterschied des Alters und Geschlechts in der Zeit von 8 Uhr abends bis 6 Ubr früh die Wohnung nicht verlassen, öffentliche Lokale aber überhaupt nicht besuchen dürfen. Diese Verschärfungen bleiben solange amreibt. wie nicht die Gewißheit besteht, daß auch untern Staatsangehörigen in England eine andere Behandlung zuteil wird. Italien. * Die italienische Regierung hat beschlossen, zum Schutze ihrer Untertanen tm Einver nehmen mit der engliichen Regierung ita- lienrscheKriegsschiffe nach Alexan drien zu senden. Holland. * Der Londoner .Times' zufolge hat Ler chilenische Gesandte im Haag enlärt, daß am leine Veranlassung ein Übereinkommen luc die Wiederaufnahme desSalpeter- Handels zwischen Chile und Holland zu stande gekommen fei. Die holländische Regie rung, die die Ausfuhr von Salpeter RE verboten hat, ist danach allein berechtigt, o>e sür Holland bestimmten Frachten zu emp' fangen. Balkanstaaten. * Das halbamtliche Regierungsorgan „Kambana" in Sofia beschäftigt sich mit der Lage und schreibt: „Bulgarien kann von der Türkei nur freundschaftliche Ge ühle erwarten. Ru lanüs Interesse ist es, daß wir mit allen unteren Nachbarn in Zwistigkeiten leben solle", damit er diele, wenn es notwendig fein sollte, gegen uns Hetzen kann. Wir wollen aber wenig ens mit der Türkei in Ein tracht leben. Wir haben von Konstanti nopel nichts zu fordern, im Gegenteil: viele gemeinsame politische und wirtschaftliche Interessen verbinden uns. Es ist auch inäft notwendig, daß wir uns mit Rumänien streiten. Unsers Ziele müssen sich gegen Serbien und Griechenland richten. Das heutige Serbien war bulgarisches Gebiet. Wir müßen trachten, Serbien zu mrnichten und die Macht Griechenlands bedeutend eln- zuichränken." Asten. * Nach einer Meldung aus London hat die japanische Regierung den Genera! Kamio zum G ouo erneu r von Tsingtau und dem Kriegs gebiet von Kiautschou ernannt. Oock Mcklick geworden. 27^ Roman von Otto Elster. sFortletzunz.) 21. „Was geht hier vor?" rief Herbert er- il«unt. „Else — Sie hier?!" „Ja," entgegnete diese. „Ich bin heute Abend angekommen — gerade zur rechten Zeit, um Unheil zu verhüten." „Nehmt ihm das Gewehr fort!" kreischte plötzlich der alte Martini. „Er will mich tölen!" Herbert griff nach der Flinte, die Franz noch immer in der Hand hielt. „Was willst du mit dem Gewehr, Franz?" „Beruhigt euch," entgegnete dieser mit finsterem Hohn, indem er die Flinte in einen Winkel stellte. „Ich tue euch nichts — wäret Ihr fünf Minuten später gekommen, hättet Ihr mich als Leiche angetroffen . . ." „Unglücklicher, du wolltest dich töten?" .Ja —" „Es wäre das Beste sür uns alle ge- wesen, wenn du es ausgeführt hättest," sagte der alte Martini, indem er einen Blick des Haffes und der Verachtung aus seinen Sohn schleuderte. „Du hast uns alle zugrunde ge richtet." „So weißt du schon, was geschehen ist?" frag!? Franz finstex. „Ich weiß alles, schrie der Alte. „Du bist ein Lügner, ein Betrüger, ein Dieb, ein Fälscher .. ." „Ruhig, ruhig, Herr Martini," unterbrach ihn Herbert. „Lassen Sie mich mit Ihrem Sohn sprechen." „Ja, tagen Sie ihm, daß er ein Lump, ein Verbrecher ist, der in das Zuchthaus gehört. Ah, ich kann nicht mehr — mir brechen die Knie . . ." Er sank auf das schwarze Ledersofa nieder und starrte verzweiflungsvoll vor sich nieder, zuweilen laut ausstöhnend. „Was ich getan habe, tat ich, um mein Recht zu wahren", trotzte Franz. „Ihr habt ja den Wisch jetzt wiever, so laßt mich denn gehen — und seit alle verdammt . . „Wovon sprichst du, Franz ?" fragte Herbert erstaunt. „Wende dich an die da" — er zeigte mit verächtlicher Gebärde auf Else — „sie wird dir alles erklären. Ick habe keine Lust mehr zu sprechen — laßt mich gehen." „Halt!" rief Herbert, die Hand ausstreckend. „Du bleibst hier! Ich habe noch mit dir zu sprechen „So sprich," knurrte Franz, setzte sich in trotziger Haltung auf einen Stuhl, verschränkte die Arme über die Brust und blickte Herbert finster an. „Erklären Sie mir -uerst, Else, was zwischen Ihnen vorgeiallen ist," wandle sich Herbert an das iunge Mädchen, das mit bleichem, aber entschlossenem Gesicht dastand. Sie reichte ihm das Schriftstück, das sie ihrem Bruder entrissen. „Nehmen Sie," iprach sie mit bebender Stimme. „Es ist Ihr Eigentum — und lassen Sie Gnade walten . .." „Was ist das?" „Das Testament Ihres Vaters ..." „Wie kommen Sie in seinen Besitz?" „Es war gestohlen worden -- ich rettete es, als der Dieb es in das Feuer werfen wollte. . ." „Der Dieb?! — Wer ist der Dieb?" „Mein Bruder . . ." Franz fprang wüiend auf. „Ich bin kein Dieb," ries er. „Ich nahm den Wisch, den der Alte in unzurechnungsfähigem Zustande geschrieben halte - ich wahrte nur meine und meiner Frau ältere Rechte... ich werde das Testament anlechten. . „Er ist ein Dieb — ein Betrüger —" kreischte der alte Martini. „Ins Zuchthaus mit ihm . . ." „Still!" gebot Herbert mit ernster Stimme. „Wenn dieses Schriftstück, dessen Inhalt ich nicht kenne und nicht kennen will, wirklich meines Vaters letzter Wille ist, so hattest du kein Recht, Franz Martini, es zu nehmen und zu vernichten. Wenn du das Testament an- lechten willst, so war nach dem Tode meines Vaters die Zeit dazu, nicht aber >etzt, wo mein Vater noch lebt. Du warst auch nicht besugt, dir dein Recht, wie du es nennst, selbst zu nehmen. . „Hör' auf mit deinem Gewäsch!" „Ich rate dir, deine Worte zu mäßigen, Franz Martini," sprach Herbert in ernstem, fast drohendem Tone. „Ich könnte sonst auch eine andere Sprache mit dir reden. Was dieses Schristßück anbelangt, so lege ich es wieder in Ihre Hänoe. Else, — es gehört mir nicht, ich habe kein Recht, darüber zu ver fügen, geben Sie es dem Eigentümer zurück." „Las hieße meinen Bruder in das Ver derben stürzen," entgegnete diese traurig. „Ich müßte Ihrem Vater erklären, wie das Schrift stück in meine Hände gekommen ist, ich müßte lagen, daß es mein Bruder aus dem Schreibtisch Ihres Vaters genommen hat — aber es fei! Ich habe kein Recht, Erbarmen und Mitleid für meinen Bruder von Ihnen »u erbitten — ich habe es nicht um Sie ver dient. Sie sind sein Richter — geben Sie mir das Schriftstück." Sie streckte die Hand aus, aber Herbert zog die Schrift, die er ihr schon hatte geben wollen, wieder zurück. Sein Herz erbebte bei ihrem Anblick, die so ernst, so stolz und doch so traurig vor ihm sland. Sie bat nicht um Gnade und Milleid, auch jetzt war sie noch M stolz dam — aber in ihrem dunklen Auge ruhte eine lolche Traurigkeit, ein solcher Schmerz, daß es Herbert fast das Herz zerriß. Er steckte das Schriftstück in die Brusstasche seines Rockes. „Wir wollen später darüber sprechen. Ms," sagte er bewegt. „Aber leider kann ich Ihnen den Kummer nicht ersparen, über eine andere leicht nnige Tat Ihres Bruders zu sprechen, die wir — Ihr Vater und ich — in Berlin entdeckt haben .. ." „Was isi es? — Mich kann nichts mehr überraschen." „Nun denn — so schwer es mir wird, es auszusprechen — er hat sich verleiten lassen, einen fremden Namen unter einen Wechsel zu setzen. . ." „O mein Gott!" , - , „ Las ist eine infame Luge!'- schrie Franz auf. Doch da erhob sich der alte Martini. Seine Augen glühten vor Haß und Wut; er deckte drohend seine krallenartigen Hände aus, daß sein Sohn erschreckt zurückwich.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)