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Allgemeiner Anzeiger : 12.12.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1914
-
Monat
1914-12
- Tag 1914-12-12
-
Monat
1914-12
-
Jahr
1914
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.12.1914
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Sm neuer Lalkankrieg? In den letzten Tagen sind die Österreicher tn Serbien mit ungeheurer Stoßkraft ein gedrungen, haben das serbische Heer mehrfach geschlagen und im Verfolg dieser Siege die serbische Hauptstadt besetzt. Noch immer leistet das serbische Heer heldenmütigen Widerstand, aber man darf wohl behaupten, daß mit dem Fall der Hauptstadt das Schicksal Serbiens in diesem Kriege entschieden ist. Das Land ist wirtschaftlich fast aufgerieben, die Armee stark zusammengeichmolzen, da sie ungeheure Verluste an Toten, Verwundeten und Gefangenen hatte, und die Hoffnung auf irgendwelche Hilfe hat sich längst ats eitel er wiesen. Anfangs durfte Serbien auf den Zaren hoffen, dessen mitleidlose Regierung, um ihre dunklen Zwecke zu erreichen, das Land zum Verbrechen versührt und zum Kriege ge zwungen hat. Serbien muß jetzt dafür bluten, daß es sich dem von Rußland genährten all slawischen Gedanken mit Heib und Seele ver schrieben hat. Als Väterchens Horden sengend, raubend und mordend in Ostpreußen einfielen und die Petersburger Regierung glaubte, ihre »glorreiche" Armee werde diesen »Siegeszug" bis nach Berlin sortsetzen, da kam nach Nisch, Valjevo und Kragujevac noch ab und zu ein Munitionstransport nebst Geld und Lebens mitteln. Jetzt aber ist Rußland selber am Ende. Nack der Schlacht bei Tannenberg, deren Menschenverlust die russischen Machthaber weniger schmerzte als die verlorenen Geschütze und Muniiionsvorräte, stand das Zarenreich bereits vor der Frage, woher bei langdauern- dem Kriege Ersatz genommen werden solle. So mußte Serbiens Hiberuf, der Menschen, Geld, Lebensmittel und Munition heischte, in Petersburg ungehört verhallen. Die Bel grader Regierung suchte nach einem anderen Retter und wandte sich an Bulgarien. Man tonnte annehmen, daß dieser Gedanke schon deshalb töricht gewesen sei. weil Bulgarien niemals den Verrat vergessen, den Serbien nach dem ersten Baikankrieg an dem Nachbar staat beging, als es zur Verteilung der Beute kam. Indessen die große Politik darf nicht nach Neigungen und Abneigungen fragen. Es kam darauf an. was Serbien zu bieten hatte. Wenn man in Sofia ohne Krieg haben konnte, wonach man sich seit dem Bukarester Frieden sehnte, so war man möglicherweise zur Neutralität entschlossen. Aber Serbien hat anscheinend "ich, olle Wünsche Bulgariens .»rfüllt. Es heißt, Rußland und seine Ver bündeten hätten Bulgarien nur die Erlangung nnes Teiles von Mazedonien in Aussicht ge stellt, jedoch eine sofortige Besetzung durch Bulgarien abgelehnt. Bulgarien will aber die sofortige Erlangung von ganz Mazedonien, einschließlich der strittigen klone. (Das heißt, es sordert das ganze, von Serbien annektierte Mazedonien, wovon ihm ein großer Teil im Vertrag mit Serbien vor den Balkankriegen zugesprochen war, während über den anderen Teil, die strittige Zone, der Zar als Schiedsrichter hätte bestimmen sollen.) In Sofia wird damit gerechnet, daß, falls Bulgarien zur Besetzung schreitet, dies als eine Handlung nicht nur gegen Serbien, sondern auch gegen Rußland, bezw. den Dreiverband gutgefaßt wird. Bulgarien stößt aber nicht nur auf den Widerstand des Dreiverbandes, sondern auch auf den Griechenlands; denn in Athen fürchtet man, von Bulgarien umklammert zu werden, «alls Serbien sich zu der verlangten Gebiets abtretung verstünde. So ist es verständlich, daß die ohnehin gespannten Beziehungen zwischen Griechenland und Bulgarien nun noch ernster geworden sind und bereits zu einem blutigen Zusammenstoß an der Grenze geführt haben. Immerhin bleibt noch ab zuwarten, ob Griechenland zu einem Eingriff entschlossen ist, dessen Erfolg sehr fraglich ist. Im Bunde mit den niedergeschlagenen Serben hätte es kaum Aussicht auf einen Sieg gegen Bulgaren und Türken. Aber auch für den Fall, daß Griechenland sich nicht einmischt, wird Bulgarien — das zeigen alle Pressestimmen — in den Krieg ein greifen, um ein sür allemal das Recht auf den Besitz Mazedoniens auch gegen Rußland zu erkämpfen. Wie die Dinge sich dann weiter gestalten, ist noch nicht zu übersehen. Ihre Entwicklung wird abhängen von der Haltung Rumäniens, dessen Stellungnahme wiederum nicht ohne Einfluß auf die Ent scheidungen Griechenlands bleiben wird. In jedem Falle muß mit einer Erweiterung des europäischen Kriegsschauplatzes gerechnet werden. V/sstmauu. V * * verschiedene Nriegsnachrichten. Die Kriegslage. Im Westen wird der Stellungskampf an der Küste mit Energie fortgesetzt. Aus den Berichten der Gegner und der Neutralen geht hervor, daß die deutschen Truppen, wenn auch unter Schwierigkeiten, Forttchritte machen. Im Osten wird nach unserem großen Siege bei Lodz unaufhaltsam weiter um die endgültige Entscheidung gerungen, der wir mit Zuversicht entgegensehen dürfen. Gegen über diesem großen Kampf sind die Vorgänge in den Karpathen und in Galizien nur von untergeordneter Bedeutung. Friedenssehnsucht in Frankreich. Bei einem Besuch, den der französische Minister des Innern, Malvy, in verschiedenen Gemeinden in der Nähe der Kampffront machte, wurde ihm von den Gemeindever tretern erklärt, daß die Bevölkerung einen baldigen Frieden ersehne, da niemand mehrhoffe, daß dieDeutschen aus Frankreich zurückgeschlagen werden könnten. Der Minister soll geantwortet haben, man müsse sich gedulden, bis die Deutschen sich nach Belgien zurückgezogen hätten. Zuverlässige Nachrichten aus Marokko bestätigen die schwere Niederlage derFranzosc » beiKenifra. Die Verluste der Franzosen betrugen 30 Offiziere und 80V Mann; ferner er beuteten die Berber acht Geschütze. Die Nachricht hat in ganz Marokko grofie Bewegung hervorgerufen: besonders hat die Eroberung der Geschütze Eindruck ge macht. Die Franzosen bringen jetzt alle, aus Marokko hcrausgezogeneTrupven über Marseille wieder zurück. Offiziersmangel in Rufiland. Ein schwedischer Reserveoffizier tn Upsala erhielt, dem ,Aftonblad' zufolge, durch einen Beamten des finnischen Patzbureaus in Peters burg das Anerbieten, in Rußland als In strukteur von Depottruppen in Dienst zu treten. Ihm wurde ein hoher mili tärischer Rang und bei Ende der Dienstzeit eine hohe Auszeichnung zugesichert. Für den Fall, daß Schw eden wider Erwarten mit Rußland in Krieg geriete, wurde ihm Rückreise nach Schweden gewähr leistet. Gleichzeitig wurde der Reserveoffizier ersucht, auch unter seinen Kameraden für An nahme eines Dienstes in Rußland zu wirten. Er gab jedoch eine entschieden ablehnende Antwort. Es läßt tief blicken, wenn Rußland schon im Auslande Osfiziermaterial suchen muß. Die Schwierigkeiten der englischen Rekrutierung. Kitchener hat, nach übereinstimmenden Be richten, ungeheure Schwierigkeiten mit der Ausbildung eines neuen Heeres sür die Verbündeten. Während Deutschland seine junge Mannschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt mit asten Hilfsmitteln, wie Kasernen und alter Mannschait, zu systematischem Unter richt einberuft, ist der Militärdienst in Eng land ein Erwerbszweig mit hohen Löhnen und bedeutenden Pensionen sür die Hinterbliebenen der Gefallenen und Ver wundeten; die Kasernen sind nur tür eine geringe Anzahl berechnet. Neue Rekruten treten täglich ein und erschweren somit den Unterricht. Offiziere und Unteroffiziere fehlen. Es ist schwierig, denSoldaten mili tärische Disziplin beiz »bringen, da diese darin keine Vorschule haben. * Vorläufig keine Hilfe für die Verbündeten. In Kopenhagen ist auf dem Wege über Petersburg eine Meldung aus Tokio einge gangen, aus der die Stellungnahme der japa nischen Regierung zur Frage der Trup penentsendung nach dem europäischen Kriegsschauplatz ersichtlich zu sein scheint. Das in Tokio erscheinende halbamtliche Blatt .Hockst Sbimbun' schreibt danach: „In Europa laufen Gerüchte um, daß japanische Truppen nach dem dortigen Kriegs schauplätze entsandt werden sollen. Zu einer solchen Expedition liegt vorderhand weder ein Grund, noch eine direkte Aufforderung vor. Eine Truppenentsendung käme nur in Frage, wenn die Streitkräfte der Verbündeten denen der Gegner an Zahl unterlegen wären. Die Streitkräfte Frankreichs und Englands aber sind den deutschen an Zahl gleich und Rußlands denen Deutschlands und Österreichs sogar stark überlegen. Eine japanische Hilse ist demnach zurzeit nicht erforderlich. Wenn der unwahr scheinliche (?) Fall einträte, daß die Verbün deten eine Niederlage erleiden sollten, dann würde Japan es sür seine Ehrenpflicht halten, Hilfstruppen nach Europa zu entsenden. Diese Möglichkeit erscheint aber gegenwärtig nicht derartig, daß eine japanische Expedition zu erwägen wäre." Diese mit echt orientalischer Höflichkeit verbrämte Absage wird bei der französischen Regierung in Bordeaux lebhaftes Mißvergnügen wachgeruien haben. bnglanäs Tcdwäcbe. Eine neutrale Stimme. Das norwegische Blatt .Verdens Gang' in Christiania schreibt, daß die Gründe sür die englische Behauptung, die ganze Nordsee müsse gesperrt werden, außerordentlich gesucht seien. Man würde aus diese Weise, soweit es in Englands Macht steht, den skandinavischen Ländern ohne Kriegserklärung dieZusuhrvonLebens- mitteln und anderen Bedarfsartikeln ab schneiden, um sicher zu sein, daß nichts nach Deutschland eingesührt werde. Die Nord see würde also als ein englischer Binnensee betrachtet werden, und England könnte ver bieten, daß dieser von Lastschiffen unter neu traler Flagge befahren würde, gleichviel, ob die Lasten Konterbande seien oder nicht. Da nicht nachgewieien werden kann, daß Norwegen Konterbande nach Deutschland ausgesührt hat, ist der sür die Sperrung der Nordsee angeführte Grund, daß die Stellung Schwedens die gleiche ist wie die Norwegens, nicht stichhaltig. Aus Schweden kann kaum Konterbande in solchem Umfang ausgeführt werden, daß es für Deutickstands Versorgung mit Lebensbedürfnissen auf irgend einem Gebiet eine Rolle «vielen könnte. Wenn England unter diesen Umständen dennoch die Nordsee sperrt, io ist das ein äußerst ungewöhnliches und rücksichtsloses Auftreten gegen die skandinavischen Länder. Es wäre auch ein Beweis von Schwäche, wenn England sich genötigt sähe, zu solchen Mitteln zu greifen. Es ist kein Neutralitäts bruch. Konterbande zu verkaufen. Wenn wir es bisher nicht getan haben, so geschah es. weit wir Sympath en sür alle kriegführenden Mächte hegen und uns auf nichts einlassen wollten, was sie mit unfreundlichen Augen be trachten könnten. Aber die Bestimmungen über die Dinge, die als Kriegskonterbande zu betrachten sind, können so unvernünftig sein, daß wir die Gefahr auf uns nehmen und den Verkauf versuchen müssen, selbst wenn wir uns dadurch der Möglichkeit aussetzen, daß unsere Schiffe mit ihren Lasten vor das Prisengericht kommen. Wie schwierig unsere Stellung ist, wenn Deutschland versucht, unsere Holzausfuhr nach England zu sperren, während England unsere Einfuhr lähmen will, indem es die Nordsee sperrt, das wird jeder verstehen. Politische KuncUckau. Deutschland. * Einen Antrag auf umfassende Elek trisierung in der Provinz Ostpreußen aus Staatsmitteln hat Gral v. Mirbach-Sor- guilten dem Königlichen Staatsministerium und dem Oberpräsidenten der Provinz über reicht. Der Antrag lautet: „Dem Königlichen Staatsministerium unterbreite ich den nach stehenden Antrag: Das Königliche Staats ministerium wolle eine umfassende Elektri sierung von Ostpreußen aus Staatsmitteln als besondere Dotation sür die so überaus schwer geschädigte Provinz in Aussicht nehmen." Be gründet wird der Antrag mit dem Mangel an Arbeitskräften, der nur durch die elektrische Kraft einigermaßen ausgeglichen werden tönne. Der Antragsteller verlangt kostenlose Über lassung der elektrischen Kraft für die besonders schwer geschädigten Teile O Preußens sür einige Jahre, da oie schnelle wirtschaftliche Wiederbelebung von Ostpreußen im allge meinen Staatsinteresse liegt. " Die Ersatz ivahl im bayrischen Reichstagswahlkreise Weißenburg- Eichstätt, die erforderlich ist wegen der Beförderung des Abgeordneten Speck zum Re gierungsdirektor, wurde auf den ö. Februar anberaumt. Luxemburg. ' Der luxemburgische Staatsminisier Enschen hat eins Reise nach der Schweiz und Italien unternommen, um mit den dortigen Staats männern die schwierige Frage der Lebens mittelversorgung Luxemburgs während des Krieges zu besprechen. Italic«. "Der König empfing den türkischen Bot schafter. der ihm versicherte, daß Italien vom Heiligen Krieg ausgeschlossen und die Einwohner Libyens von der Türkei als italienische Untertanen betrachtet werden. * Die ,Tribuna' bemerkt zu der Er nennung des Fürsten Bülow: Einer seiner intimen Freunde habe vor wenigen Tagen erklärt, der Fürst habe ernste Bedenken, nach Rom zu kommen. Diese Bedenken scheinen nun überwunden. Der Fürst habe die ihm vom Kaiser übertragene Vertrauens- Mission angenommen in der Hoffnung, dank seiner reichen Erfahrung und den großen Sympathien, die er in Italien genießt, seinem Lande nützlich zu sein. Der Fürst sei aber ein viel zu feiner Diplomat, als daß er sich der ernsten Schwierigkeiten des gegenwärtigen Augenblicks nicht bewußt wäre und die Grenzen einer diplomatischen Aktion in einem Lande nicht zu ermessen vermöchte, das in seinem Tun und Lassen nach jeder Richtung unabhängig bleiben wolle. Portugal. "Das ganze portugiesische Kabinett ist zurückgetreten. Es soll ein National- kabineit aus Mitgliedern aller Parteien ge bildet werden. Amerika. "Wie der .Franisurier Zeitung' gemeldet wird, kündigt das Organ des Ministeriums des Äu-ern an, es würden neue Gesetz entwürfe des Staates Kaliforniengegen den Erwerb von Landbesitz durch Japaner veröffentlicht. Die japanischen Diplomaten seien dadurch sehr beunrubigt. Neer unci flotte. — Das Kriegsministerium hat über den Kantinenbetrieb in Len Gefangenenlagern un längst neue Bestimmungen erlassen. Danach soll den Gefangenen jede Gelegenheit, ihre Neigung zu verfeinerter Lebensweise zu befriedigen, scharf unterbunden werden. Deshalb ist nur der Vertrieb einfacher Nahrungsmittel und von Der- brauchsgegenständen zugelassen, die zur not wendigen Körperpflege, zur Reinigung und Instandhaltung sowie Ergänzung der Bekleidung und Wäsche dienen. Genußmittel, wozu auch feinere Brotsorten gehören, Kuchen, Zuckerwerk, Schokolade und Kakao, Marmeladen, Früchte und dergleichen sind unbedingt auszuschalten; denn es soll vermieden werden, daß die Kriegsgesangenen Vorräte verzehren, die für unser Volk und Heer notwendig und wertvoll sind. Auch in der Zulassung von Tabak und anderm Rauchwerk soll nicht zu weit gegangen werden. Jeder Luxus soll also den Gefangenenlagern jernbleiben. Die Gefangenen sollen alles erhalten, was sie zu ihrem Lebensunterhalt benötigen — aber nicht mehr! Damit wird dem angesichts der menschenunwürdigen Behandlung, die unsere in feindliche Gefangenschaft geratenen Heeresan gehörigen zum Teil zu erdulden haben, durchaus berechtigten Empfinden weiter Volkskreife Rech nung getragen. 6s braust ein Kuf. 2s Erzählung von Max Arendt-Denart. sFortsttzung.) „Das ist nicht wahr!" schrie Edwin außer sich. Aber mit unerschütterlicher Ruhe fuhr Karl fort: „Es ist wahr! Denn dieses dämonische Weib kennt keine Liebe, sie kennt nur ihr Vatersand und dient nur dem heimlichen Kampf um die Wiedererlangung der verlorenen Provinzen." „Ich verbiete dir, so von meiner Verlobten zu sprechen." „Kinder," siel Herr von Carsten ein, „ich denke, wir beenden diese Unterredung, indem wir noch einmal ihre praktischen Ergebnisse zusammenfassen. Edwin schreibt noch in dieser Stunde sein Abschiedsgesuch und wird bis zu seiner Genehmigung hier im Hause bleiben: da er vorläufig doch Urlaub erbeten hat. Ist das Abschiedsgesuch genehmigt, werden wir über seine Zukunft reden können." Er winkte seinen beiden Ältesten, die sich siill entfernten. Dann trat Herr von Carsten auf Edwin zu, der wieder auf einen Sessel gesunken war, der seiner Jugend geheime Schmerzen so oft gesehen hatte. „Edwin," sagte er, „es muß sein. Glaub mir, es ist das beste für uns alle, und dir selber erspart es großes Leid. Vor dir liegt mit deinen dreiundzwanzig Jahren noch die ganze Welt. Du kannst, wenn dein Herz so unauflöslich an dem jungen Mädchen hängt, ein neues Leben beginnen, wenn du nickt mehr Offizier bist." Der junge Carsten richtete sich auf. Müh sam brachte er die Worte hervor: „Kann ich nicht wenigstens eine Frist er bitten? Ein einziges Vierteljahr. Bis nach Beendigung des Manövers. Ich möchte einen Abschied mit allen Ehren!" „Ader Junge!" rief der alte Mann, „das ist doch selbstverständlich. Einen Abschied mit allen Ehren, den müssen wir haben!" Und Edwin Carsten setzte sich an den Schreibtisch. 2. Vom Schlosse Hohenlindow führt eine vielfach gewundene Landstraße zu den Dörfern, die zum Gutsbezirk gehören. An einer Brennerei vorüber führt der Weg über den stolzen Fluß, der kurz vorher schiffbar wird, zunächst zur weltberühmten Schneide mühle, um dann hinter dem stattlichen Forst haus in dem ersten Dorfe Schiffmoor zu münden. Dahinter liegen Grabow, Alttornei und Neuendorf. Auf der holprigen Dorfstraße schritt eine lange breitschultrige Gestalt, ein Mann in den besten Jahren, den Blick finster zur Erde gesenkt, als drücke ihr eine schwere Last und als beherrsche ihn eine ohnmächtige Wut. Und hinter ihm drein lugten die Dorfbe wohner durch die dicht verhangenen Fenster, während ein paar Jungen riefen: „Macht Platz, der Einöddauer kommt!" Anton Ferchhammer fah nicht auf, er ver folgte seinen Weg, bis er ziemlich am Ende von Schiffmoor vom Dorfschulzen angesprochen wurde. Aus dem Fenster seines niedrigen Hauses sah das kleine spitze Gesicht Siewerts. „Einödbauer, geht's net durchs Dorf! Gelt, ihr wißt's warum ich euch's rate!" Das Fenster flog wieder zu. Anton Ferch hammer aber tat, als habe er die Beleidigung nicht vernommen. Er setzte seinen Weg fort. Endlich war er an das letzte Haus in Neuenhagen gekommen. An Ler Hoftür lehnte ein hagerer, sehnig gebauter Mann, dessen unstete Augen unter den haarlosen Lidern neugierig die Landstraße beobachteten. Als er den Kommenden erblickte, reckte er sich auf; ein seltsames Leuchten glitt über seine Züge, und mit verbissenem Groll murmelte er vor sich bin: „Wie, der Anton Ferchhammer vom Einödhofe? Was hat denn den heute zum Sonntag aus seiner Einsiedelei Heraus getrieben? Wenn der sich sehen läßt, an dessen Händen ungesühnt vergossenes Blut klebt, gibt's sicher ein Unglück im Dorfe. Aber ich fürchte mich nicht vor ihm und vor den Blitzen seiner Satansaugen. Ich will ihm zeigen, daß ich noch der Alte bin." Er trat einige Schritte vor, stellte sich breitspurig dem einsamen Wanderer in den Weg und schlug die Arme herausfordernd über der Brust zusammen. „Du lebst also noch, Anton Ferchhammer?" fragte er mit erhobener Stimme, damit ihn auch die Nachbarschaft hören könne. „Ich glaubte, du wärest längst mit dem Leib haftigen daoongefahren. Sag' doch noch ein mal, wie war die Geschichte damals mit meinem Bruder? Du wmj) net dabei, wie? So hast' ja wohl damals gesagt, und man hat dir mit deinen Teufelskünsten ge glaubt." ' Änlon Ferchhammer antwortete auch dies mal nicht. Er senkte den Kopf noch tiefer und ging fürbaß. Als aber hinter ihm drein das Höhnische Lachen des Buchwaldbauern erscholl, ward sein Gesicht, in das zwar Leid seine Runen gegraben hatte, das aber immer noch von edler Männlichkeit und einstiger Schönheit zeugte, um einen Schatten bleicher. Die Lippen zogen sich in herbem Schmers zu sammen, und aus dem großen dunklen Auge fuhr ein Blitz zur Erde nieder, in dem Ver achtung und Bitterkeit leuchteten. „Gut'n Tag, Lerr Ferchhammer!' hörte er in diesem Augenblick eine weiche melodisch« Stimme. Verwundert blieb Anlon Ferch hammer stehen und hob den gesenkten Kopf. An dem Zaune des Gartens, dec zu des Buch waldbauern Besitzung gehörte, stand mit ver legenem Gesichtchen ein etwa achtzehnjähriges Mädchen, das unter dem ernsten forschenden Blicke des Mannes die Augen niederschlug, als habe es eine Sünde begangen. „Grüß Gott, mein Kind! Wer bist du. daß du dem Verfemten den Gruß nicht ver sagst ?" „Ich bin Antonie Wehrlin, die Tochier des Buchwaldbauern, der jetzt zu euch gered't hat," antwortete sie zögernd. „Des Buchwaldbauern Tochter? Du bist seine Tochter und magst mich dennoch grüßen?" .Ick grüß euch gern." Das junge Mädchen blickte auf und ihr Auge suchte wie bittend das seine. „Ich hab' alles gehört, was der Vater Schlimmes zu euch gesagt hat, und — und —" „Und wolltest wieder gulmachen, was er mir wehe getan hat?"
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