Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 11.11.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191411113
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19141111
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19141111
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-11
- Tag 1914-11-11
-
Monat
1914-11
-
Jahr
1914
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 11.11.1914
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Auge um Auge. Verkettung gegen die Engländer. Seit geraumer Zeit schweben zwischen Deutschland und England Verhandlungen wegen Behandlung der beidersei tigen Staatsangehörigen, die sich bei Ausbruch des Krieges im Gebiete des anderen Teiles aushielten. Dabei stand die deutsche Regierung auf dem Standpunkt, daß nach völkerrechtlichen Grundsätzen diese Per sonen, soweit sie sich nicht verdächtig gemacht hätten, in Freiheit zu belassen seien, auch un gehindert in ihre Heimat abreisen dürften, daß jedoch den Engländern in Deutschland selbst verständlich keine bessere Behandlung zuteil werden könnte wie den in England befind lichen Deutschen. Ais daher die englische Regierung zunächst so gut wie sämtlichen Deutschen die Erlaubnis zur Abreise versagte, find die in Deutschland befindlichen Engländer in gleicher Weise be handelt worden. Den deutschen Vorschlag, die beiderseitigen unverdächtigen Staatsan gehörigen sämtlich abreisen zu lassen, lehnte die englische Regierung ab: doch wurde eine Vereinbarung dahin getroffen, daß alle Frauen und alle männlichen Personen bis zu 17 und über 56 Jahren, sowie ohne Rückficht auf ihr Alter alle Geistlichen und Ärzte unge hindert abreisen dürsten-, die männlichen Personen zwischen 17 und 55 Jahren wurden nicht in die Vereinbarung einbezogen, weil die englische Regierung alle Wehrfähigen zu rückhalten wollte und als solche auch die Männer zwischen 45 und 55 Jahren ansah. hnzwischen wurden die in England zurück gehaltenen Deutschen in nicht unerheblicher Anzahl sefigenommen und als Kriegsgefangene behandelt. Nach zuverlässigen Nachrichten ist diese Maßnahme in den letzten Tagen auf saft alle wehrfähigen Deutschen ausgedehnt wor den. während in Deutschland bisher nur ver dächtige Engländer festgenommrn worden find. Die völkerrechtswidrige Behandlung unserer Angehörigen hat der deutschen Regierung An laß gegeben, der englischen Regierung zu er klären, daß auch die wehrfähigen Engländer in Deutschland festgenommen werden würden, falls nicht unsere Angehörigen bis zum 5. No vember aus der englischen Gefangenschaft ent lassen werden sollten. Die englische Regierung hat diese Erklärung unbeantwortet gelassen, so' daß nunmehr die Festnahme der englischen Männer zwischen 17 und 45 Jahren angeordnet worden ist. Die An ordnung erstreckt sich vorläufig nur auf die Angehörigen Großbritanniens und Irlands, würde aber auch auf die Angehörigen der englischen Kolonien und Schutzgebiete aus gedehnt werden, falls die dort lebenden Deutschen nicht auf freien Fuß belassen werden sollten. Jeder Deutsche wird diese Maßnahmen mit großer Genugtuung begrüßen, schon des halb, weil durch sie allein die Hoffnung ge geben ist, daß das Los unserer Staats angehörigen sich nunmehr bessert. Es werden nun alle männlichen Engländer vom voll endeten 17. bis zum 55. Lebensjahre, die sich in den Grenzen des Deutschen Reiches be finden, nach einem Konzentrations lager in Ruhleben bei Berlin überführt. Gewiß, man wird sie dort nicht so schäbig be handeln wie die Deutschen in Englands Konzentrationslagern behandelt werden, aber sie werden doch inne werden, daß sie hier Rechte genossen, die man in England völker- rechtswidrigunserenVolksgenossen entzogenhat. England lernt so die Wiedervergeltung kennen, und seine Stimmung, die seit dem Be such der deutschen Kriegsschiffe an seiner Ost- küste nicht gerade rosig ist, wird sich noch mehr verschlechtern. Ja. es steht trübe um die Schreier an der Themse. Noch am 15. August wußte die Londoner Presse jubelnd zu ver sichern. daß in wenigen Tagen Deutschlands Flotte vernichtet sei und Deutschlands Handel eine Mär von gestern sein würde. Und heute? Mit Zittern und Zagen erzählt man sich im Jnselreiche von der unglaublichen Kühnheit der deutschen Schiffe, die gen Yarmouth steuerten und dort den Hafen beschossen. Das Gespenst eines deutschen Einfalls nimmt greif bare Gestalt an. Seit 850 Jahren, seit Wilhelm dem Eroberer, hat England keinen Feind auf seinem Boden gesehen. Mehrmals hat Frankreich eine Lan dung versucht, aber immer vergeblich. Die berühmte gewaltigespanischeArmadaPhilipp II. ging 1588 im Sturm unter, ebe sie die schwache Flotte Englands erreichte. Die Versuche der Franzosen während der Revolution nach Eng land zu gelangen, scheiterten gleichfalls im Sturm, und selbst Napoleon I., der unversöhnlichste Feind Englands, konnte seine Landungspläne nicht durchführen. So entstand in England die Legende von der Unangreifbarkeit zur See. Erst in neuester Zeit kam die Furcht vor Deutschland. Die deutsche Flotte und die deutschen Zeppeline — sie wurden das Schlagwort, unter dem die führenden Männer immer wieder neue gewaltige Schiffsbauten forderten und bewilligt erhielten. Und nun ist ein winziger Teil der deutschen Flotte, die Herr Churchill so schnell vernichten wollte, an Englands Ostküste zu Gast gewesen und hat den Hafen von Yarmouth mit eisernen Grüßen bedacht. Der Traum der Unüber windbarkeit ist dahin, und Schreckgespenster schlimmster Art scheuchen den behaglichen Schlaf der englischen Küstenbewohner. Viel leicht merken nun auch die Urheber dieses Krieges, daß es um alles geht; vielleicht be sinnen sie sich jetzt und behandeln unsere Landsleute so, wie sie es für die ihren wünschen. * * * verschiedene Uriegsnachrichten. Ein englisches Geschwader gegen die „Emden". Der in Neapel eingetroffene italienische Dampfer „Roma" begegnete bei Aden einem englischen Geschwader, das auf die „Emde n" Jagd machen soll. „Emden" habe eben wieder zwei Dampfer ver senkt, nachdem sie ihnen Lebensmittel und Kohlen entnommen hatte. Der deutsche Seesicg. Über das Seegefecht bei Coronel an der chilenischen Küste schreibt ,Asteriposteris' Korrespondent am 5. November aus London nach Christiania: Der englische Kreuzer „Monmouth" bekam in dem Kampfe seinen Schiffsrumpf von deutschen Kugeln durchlöchert, so daß das Wasser eindrang. Das Schiff kenterte und sank sofort, nur sehr wenige der Besatzung wurden gerettet. Als „Monmouth" verschwunden war, richteten die deutschen Kriegsschiffe ihren Angriff gegen den englischen Kreuzer „Good Hope". Die großen Kanonen der deutschen Schlachtschiffe sandten ihre Geschosse mit bewunderns werter Genauigkeit aus. Nachdem das Oberschlff der „Good Hope" weggefegt war und die Kanonen des Kreuzers kampfunfähig gemacht, mußte er nach der Küste flüchten. Das Wasser strömte durch die zahllosen Löcher in seinen Rumpf hinein. Die deutschen Kriegsschiffe verfolgten „Good Hope", bis er außer Schußweite war. Es war dunkel und regnete. An Morgenbladet' wird über die See schlacht gemeldet: Die deutschen Kreuzer warteten vor Coronel, wo die englischen Schiffe Kohlen einnahmen. Sie umringten die englischen Schiffe schnell und eröffneten aus 9000 Meter Abstand das Feuer. Die englischen Schiffe beantworteten es, als sie auf 6000 Meter herangekommen waren. * Englands Sorge um Frankreich. Die englischen Blätter äußern sich immer besorgter um den Ausgang des Kampfes in Westflandern. So schreibt die Londoner ,Morning-Post': Die Lage kann zugunsten Frankreichs nur durch starke englische Kräfte ausgeglichen werden, die nicht zu spät in die Wagschale geworfen werden dürfen. Das ist die Kardinalswahrheit über den Krieg. Die für Englands Vorbereitungen zur Verfügung stehende Zeit ist nicht unbe schränkt. Ein entscheidender deutscher Sieg auf dem westlichen Kriegsschauplatz würde Armeedreimachen, um den Einfall in Eng land Alkversuchen, der unausführbar ist. so lange dre englische Flotte die See beherrscht. Aber der Einfall in Deutschland würde den Plan sofort hinausschieben, und es muß Auf gabe der Verbündeten sein, diesen im ersten Augenblick zu unternehmen, wo die Stärke ihrer Streitmittel es gestattet. Vie Türkei und -er Dreiverband. Zum ersten Male gerät England in einen ernstlichen Krieg mit der Türkei, mit dem es jener gegen die mohammedanifche Welt ge richteten Politik die Krone auffetzt, die Eng land betreibt, seit es sich bemühte, den eisernen Ring gegen Deutschland zu schmieden. Die mohammedanische Währung war es, mit der die englische Regierung, insbesondere seit den letzten zehn Jahren, seine Helfershelfer ge dungen hat. Um diesen Preis erwarb König Eduard VH. die Freundschaft Frankreichs, das wenige Monate zuvor fast einen Krieg mit dem Jnselreich geführt hätte. Eduard bot Marokko, und der Sturm war besänftigt. Ebenso gab England Persien preis durch Vereinbarungen mit Rußland. Und endlich wurde in Reval zwischen Eduard und dem Zaren die Teilung der Türkei beschlossen. Marokko, Persien und die Türkei sollten somit der Kitt sein des neuerstandenen Bundes früher unversöhnlicher Feinde, wofür wieder Rußland und Frankreich ein anderes moham medanisches Land, nämlich Ägypten, an Eng land auslieferten. Gewiß, es ist anders ge kommen, als die hohen Herren in Reval in aller Heimlichkeit beschlossen hatten; denn die jungtürkische Bewegung, die die Revolution und damit ein Erwachen der Nation herbei führte, durchkreuzte die feinen Pläne des Dreiverbandes. Wenn jetzt England, vereint mit Rußland, seinen früheren Feind, die Türkei angreift, verleugnet es die uralten Grundsätze der eng lischen Politik. Freilich bedurfte es erst eines bewaffneten Angriffs, um die Türkei zu be stimmen, aus der neutralen Zurückhaltung herauszutreten. Was sich jetzt ereignet, ist nichts anderes als die Vollendung des Werkes König Eduards, mit den Trümmern des mohammedanischen Staates seine neu erworbenen Freunde zu bezahlen. Die Türkei aber wird wohl diesem hinterlistigen Ränke spiel einen tüchtigen Strich durch die Rechnung machen. Wie die Engländer den Krieg gegen die Türkei vorbereitet haben. Nach amtlichen Meldungen aus Bagdad haben die türkischen Behörden dort eine Kiste mit Waffen beschlagnahmt, die aus dem eng lischen Konsulat Herrühren. Man hatte ver sucht, die Kiste in den Tigris zu werfen. Mit zehn anderen Kisten, die alle für die englische Armee bestimmte Waffen und Munition ent hielten, war dies bereits geschehen. Die Blätter weisen darauf hin, daß diese Auf findung von aus dem englischen Konsulat stammenden Waffen einen neuerlichen Beweis für gewisse Pläne bilde, die England gegen die Türket genährt habe. Ein Gruss des Deutschen Kronprinzen. Der Deutsche Kronprinz hat an den türkischen Kriegsminister Enver-Pascha folgendes Telegramm gerichtet: „Die fünfte Armee und ihr Führer entbieten der türkischen Armee brüderliche Grüße."— Enver- Pascha beantwortete das Telegramm in den herzlichsten Worten. England nimmt sich Cttvern. In London wird amtlich bekannt ge macht, dass England die Insel Cvvern dem Reiche angegliedert habe. Die 9061 Quadratkilometer große Insel Cypern ist die drittgrößte und östlichste der Mittelmeerinseln. Sie hat dreh Jahrhunderte lang unter direkter türkischer Verwaltung ge standen. Im Jahre 1570 wurde sie durch den Sultan Selim II. den Venetianern entrissen und 1878 nach dem Türkisch-Russischen Krieg den Engländern übergeben. Diese ließen die in sechs Bezirke eingekeilte Insel durch einen Oberkommtssar verwalten, dem eine Polizei macht von 700 Mann zur Versügung stand, und gaben den Bewohnern 1882 eine Ver fassung. Die Bewohner sind meist griechische Christen, zu einem Viertel türkische Moham medaner. Das vereinsamte K-uManä. Rußland ist von aller Welt abgeschlossen. Das ist gegenwärtig die Stimmung in Petersburger Kreisen. Die überaus dürftigen und nichtssagenden amtlichen Nachrichten geben kein Bild von dem, was in der Welt draußen vorgeht. Die Verbündeten sind so fern, England ist so selbstsüchtig und Frank reich so klein und schwach. Das schreibt man zwar nicht, aber man fühlt es und denkt es, und es hat sich allmählich die Überzeugung gebildet, daß das große eigentliche Gewicht des Krieges ganz allein auf Rußland lastet, daß man von ihm den Sieg gegen Deutsch land und Österreich erwartet, und daß es, um zu siegen, auf seine eigenen Kräfte zählen, sich mit seinem ganzen Glauben wappnen und sich nicht auf die anderen verlassen müsse. Ein englisches Blatt, das früher immer die Ansicht vertrat, Deutschland müsse im Falle eines Krieges von aller Welt abgeschnitten werden, läßt sich jetzt von seinem Peters burger Mitarbeiter ein Stimmungsbild über die Vereinsamung Rußlands schreiben. Darin heißt es u. a.: „Rußland wird immer mehr von dem übrigen Europa abgeschlossen und ist ganz auf sich selbst angewiesen. Libau und Riga und die übrigen baltischen Häfen sind, was die Schiffahrt anbetrifjt, völlig tot. Das Schwarze Meer ist am Bosporus zugestopft worden, und die Häfen von Odessa, Sebasto- pol, Noworossisk und Batum sind durch die Türkei bedroht. Das Nördliche Eismeer hat infolge des Krieges an Handelsverkehr sehr gewonnen. Archangel ist ein bedeutender Hasen geworden, der amerikanische Schiffe aufnimmt, Passagierdampfer aus England und Lastschiffe in großer Zahl. Aber auch hier wird das Leben bald ersterben, denn der Hafen beginnt bereits zuzufrieren, und in wenigen Tagen wird er vereist sein. Das Eismeer ist dann dem Verkehr verschlossen, und nach Rußland führt kein anderer euro päischer Handelsweg mehr, als die mühselige und beschwerliche Straße vom Golf von Finn land und von Schweden. Doch zu Anfang Dezember friert auch der Golf von Finnland zu. Dann wird der russische Handel seinen Zustrom nur noch von Wladiwostok her er halten können. Die Folgen dieser Blockade machen mV schon jetzt in Rußland bemerkbar. I" Friedenszeiten führt das Zarenreich große Mengen von Nahrungsmitteln aus: Getreide, Butter, Zucker, Eier, Fleisch usw. Aus der Unmöglichkeit, diese Erzeugnisse während des Krieges weiterzugeben, hat sich ein unge heurer Überfluß an diesen Nahrungsmitteln in Rußland angesammelt. Schon gleich nach dem der Kampf begonnen hatte, konnte man in Sibirien ein plötzliches und unvermutetes Einsetzen der „Butterwoche" erleben, je^r Festzett voll Schlemmerei, die sonst nur ein mal im Jahre gefeiert wird. Jetzt aber muffe" infolge des mangelnden Absatzes alle Dinge verschleudert werden. Die Bauern sind ver zweifelt; denn ihnen fehlt trotz des Überflusses an Erzeugnissen vor allem Geld. Indes auch für die wohlhabenderen Klaffen bricht eine schwere Zeit an, denn viele Dings sind bereits fehr teuer geworden und werden immer teurer. Die Einfuhr von Manufaktur waren in Rußland hat vollständig aufgehorr, und die Vorräte, die die Geschäfte noch be saßen, schmelzen mehr und mehr zusammen, und eine immer zunehmende Teuerung setzr ein. Deutschland hat ja nach Rußland eine gewaltige Menge von Werkzeugen und Ge räten aller Art und besonders auch viele ckiemikalische Erzeugnisse eingeführt. Fast ave Medizinen kamen aus Deutschland, und nun haben die Apotheken in Rutland fast mM mehr. Dieser Mangel an Heilmitteln aller Art wird von den Kranken und Verwundeten fehr schwer empfunden, und der Heilung der Soldaten stellen sich allein dadurch schwere, fast unüberwindliche Hindernisse entgegen- Auch der Preis von Kleidern und Schuhen m bereits um 50 Prozent aufgeschlagen, und das ist sehr schwer zu ertragen. Vock glücklick geworäen. 23f Roman von Otto Elster. Franz hatte unrecht gehandelt, ihre Briefe zu unterschlagen, aber er hatte doch dadurch bewirkt, daß Herberts größere Schuld aus der Welt geschafft wurde. „Ich habe alles getan, was in meinen Kräften stand, dir zu helfen," sagte sie mit einem gewissen Trotz. Er sah sie erstaunt an. „Du hast mir geholfen?" -Ja" - „Du hast mir das Geld überweisen lassen?" „Du hast es getan? — Du, du — ? — Ah, daß ich nicht auf den Gedanken gekommen bin! Nun, ich danke dir von ganzem Herzen. Aber um so unbegreiflicher ist es mir, daß du mir niemals geschrieben hast." „Weißt du wirklich keinen Grund, der mich vielleicht hätte bestimmen können, der nicht zu schreiben?" „Nein . .." „Sollte es keinen Punkt, keine Tat in deinem Leben geben, die man gern mit Still schweigen übergeht?" „Ich verstehe dich nicht." „Ich habe deine Schulden bezahlt . . .' „Ach, Schwester — ich dante dir — ich werde es dir vergelten!" „Ich habe noch mehr getan, um dich vor Schande, vor entehrender Strafe zu beivahren, habe ich mich selbst geopfert — deiner Ehre habe ich mein Lebensglück geopfert . . ." Herbert starrte sie verständnislos an. „Sprichst du im Ernst, Trude?" „Ja, ich spreche im Ernst. Erinnerst du dich nicht des Wechsels, den du mit einem anderen Namen als dem deinigen unter zeichnet hast?" fuhr sie außer sich fort. „Trude?!" schrie er auf. „Du weißt nicht, was du sprichst!" „Ich weiß es sehr wohl. Ich habe den Wechsel mit diesen meinen eigenen Augen gesehen. Vater hat ihn selbst für falsch er klärt — um ihn zu vernichten, um deinen, unseren Namen vor Schande zu bewahren, reichte ich dem Manne, den ich nicht liebte, die Hand. Wenn ich dir nicht schrieb, so tat ich es, um jeder Erörterung aus dem Wege zu gehen." „Trude, du beschuldigst mich, einen Wechsel gefälscht zu haben?" „Ja .. ." „Auf wessen Namen. „Auf Vaters Namen." „So schwäre ich dir zu, bei allem, was dir heilig ist, bei dem Leben, bei der Zukunft deines Kindes, daß ich jene verbrecherische Tat nie getan, daß ich nie auch nur mit einem Gedanken an ein solches Verbrechen gedacht habe." Sie stierte ihn mit weitgeöffneten angst vollen Augen an, dann sank sie plötzlich mit einem wehen Aufschrei zusammen. Eine fürchterliche Erkenntnis war ihr gekommen, das Opfer ihres Lebens, ihres Glückes war vergebens gebracht worden. 18. Langsam und ganz allmählich besserte sich der Zustand Hammers. Gedächtnis und Be wußtsein kehrten zurück, wenn diese Seelen kräfte auch insofern gelitten hatten, als ein zelne Ereignisse namentlich der lebten Zeit seinem Gedächtnis entschwunden waren, und er sich hauptsächlich der früheren Zeiten seines Lebens erinnerte. Das konnte man freilich als ein relatives Glück bezeichnen, da die letzte Zeit ja nur wenige erfreuliche Ereignisse ge bracht hatte, und sich des Kranken Seele jetzt hauptsächlich mit den glücklicheren Jahren seines früheren Lebens beschäftigte, mit den ersten glücklichen Zeiten seiner Ehe, mit jener Zeit, wo sein Sohn und seine Tochter noch Kinder gewesen waren. Aber wenn des Erkrankten Seelentätigkeit im großen und ganzen wieder normal ward, so blieb sein Körper gebrechlich und kraftlos. Die linke Seite seines Körpers war fast ganz gelähmt. Schlaff hing der linke Arm herunter und das linke Bein vermochte die Last des Körpers nicht mehr zu tragen. Als zusammen gebrochener Invalide saß er in dem Rollstuhl, in dem er von einem Zimmer in das andere geschoben wurde, abgemagert zum Skelett, mit runzligem, gelbem Gesicht, das um so mehr auffiel, als es früher eine mehr als blühende Färbung besessen; Haar und Bart waren schneeweiß geworden, der Glanz der Augen war erloschen und ein nervöses Zucken verzerrte oftmals die Muskeln des entstellten Gesichts. Er war ein Wrack seines früheren Selbst geworden. Jeder Tag, jede Stunde konnte seine Auflösung bringen. Trude pflegte ihn mit einer rührenden Sorgfalt und Liebe, die der alte, gebrochene Mann jetzt dankbar anerkannte. Sie war mit' ihrem Gatten nicht nach Hammersau zuruck gekehrt, obgleich eine äußerliche Versöhnung stattgesunden hatte, namentlich auf Betreiben des alten Martini, der seinen Sohn dazu be wogen batte, Trude um Verzeihung zu bitte» und Besserung zu geloben. Um ihres Kindes willen hatte Trude ihrem Gatten verziehen. Auch Herbert blieb einige Wochen bei dem Vater. Endlich aber mußte er doch dgran denken, nach Hasenwinkel heimzukehren, da der Frühling nahte und die landwirtschaftliche" Arbeiten wieder ihren Anfang nahmen. „Zwischen der Heuernte und der Roggen ernte besuche ich dich wieder. Vater", sagte er. „Ich hoffe, dich dann wieber ganz wohlaui zu finden." „Wenn ich dann noch lebe, Herbert", ent gegnete der Alte mit zitternder Stimme. .D" solltest mich jetzt nicht mehr verlassen. Wir wollen wieder nach Hammersau ziehen und du sollst die Bewirtschaftung übernehmen. Was willst du dich in bem weltverlorenen Hasenwinkel abquälen?" . „Du vergißt, Vater, daß du Trude und ihrem Mann dein Gut übergeben hast, ily möchte sie nicht vertreiben." , . „Davon kann keine Rede sein", sagte der Vater mit einem Anflug seiner alten Heftigken. „Hammersau wird einmal dein Eigentum selM also hast du auch jetzt schon ein Recht, daraus zu wohnen und zu wirtschaften." „Laß uns jetzt nicht darüber spreche", Vater. Vorläufig List du «och der Besitzer und ich bin hier jetzt überflüssig. Wre 'M mich bei einem Besuch überzeugt habe, -mro Hammersau gut bewirtschaft; Inspektor
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)