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Allgemeiner Anzeiger : 08.02.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190202089
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- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1902
-
Monat
1902-02
- Tag 1902-02-08
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Monat
1902-02
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.02.1902
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Uon Uah und Fern. Eine hervorragende Ehrung ist dem vormaligen Felswebel Kesting von der groß- herzoglich hessischen Gardeunleroifizierskompanie zu teil geworoen, indem ihm vom Kaiser der Charakter als Offizier verliehen wurde. K., welcher unter drei Großherzögen diente und am 1. Januar d. in den Ruhestand trat, war seit April 1850 aktiver Soldat und der Senior der hessischen Untero'fi fiere; er gehörte zuletzt etwa dreißig Jahre hindurch der großherzog lichen Untero'fizierskompame an. Der alte Veteran hat an den Feldzügen von 1866 und 1870/71 teilgenommen und ist Inhaber ver schiedener Orden und Ehrenzeichen, unter denen sich auch das Eiserne Kreuz befindet. Als Feld webel der dritten Kompanie des Gardejäger- Lataillons führte Kesting am 18. August 1870, nachdem bereits sämtliche Offiziere teils ge fallen, teils verwundet waren, seine Kompanie vom Vormittag bis zum späten Abend in schwerem Kampfe. Zu der Katastrophe des Ballon „Berson". Der Bruder des verunglückien Hauptmanns v. Sigsseld, Oberstleutnant v. S!gsield, ist Montag früh in Antwerpen emgetroffen. Er hat bereits alle Vorbereitungen für die Ueberführung der Leiche nach Berlin getroffen. Die Haltung der belgischen Gen darmen bei dem Luftballon-Unglück ruft dort allgemeine Entrüstung hervor. Der Kriegs- Minister hat sofort eine Untersuchung über die Angelegenheit eingeleitet. Der Generalleutnant Rahier, Befehlshaber des Militärbezirks von Antwerpen, und mehrere andere Generale, so wie der Bürgermeister, der Gouverneur rc. statteten dem deutschen Generalkonsul Kondolenz besuche ab. Zahlreiche deutsche Geschäftshäuser und deutsche, im Hafen ankernde Schiffe haben halbmast geflaggt. Der teuerste Bahnhof der Welt. Die Gesamtkosten für den Bau des Leipziger Zentral bahnhofes belaufen sich auf 100 Mill. Mk. Damit ist der Leipziger Bahnhof der teuerste der Welt. Grast» Buttler-Haimhausen. Die durch ihre im großen Stile betriebene Wohlthätigkeit bekannte Gräfin Buttler-Haimhausen ist in München gestorben. Sie war am 8. Dezember, als sie ihren 90. Geburtstag feierte, der Gegen stand allgemeiner Ovationen und hat bis zum letzten Augenblicke den von ihr ins Leben ge rufenen Anstalten ihre Kraft zugewandt. Be sonders die Münchener Armenpflege verdankt der Verstorbenen vieles. Begnadigt. Der bei der Aachener Sternbergaffäre beteiligte, zu halbjährigem Ge fängnis verurteilte Student Kremer wurde, auf ein Gnadengesuch des Rektors und des Senats der technischen Hochschule, vom Kaiser völlig begnadigt. Ein Kind ohne Augen ist vor kurzem in Solmulhshof, Kreis Bernburg, geboren worden. Sonst ist das Kind kräftig und wohlgebaut. Die Augenhöhlen und Lider find ausgebildet, so daß, wenn das Kind im Bett liegt, man annehmen könne, es schläft. Ei« ansehnlicher Miinzenfund ist in der Domlirche zu Königsberg gemacht worden. Zwischen dem Gewölbe der Vorhalle und der die Orgelempore tragenden Dielung fand man bei den Ambesserungsarbeiten eine ungefähr 3V Zentimeter hohe, schlanke Urne, die bis oben mit Münzen gefüllt war. Es wurden zwei Sorten von Münzen festgestellt, in Summa 1152 Stück, die etwa aus dem 16. Jahrhundert herrühren. Eine aufregende Szene spielte sich in Königsberg i. Pr. im Tiergarten ab. An der Kra tzuleitung der elektrischen Straßenbahn war etwas in Unordnung geraten. Der technische Leiter der Straßenbahngesellschaft, Direktor Grmdler, war selbst hinzugeeilt, um die Sache m Ordnung zu bringen. Er hielt die Leitung für stromlos und faßte sie mit beiden Händen an. Augenblicklich aber brach er mit einem Aufschrei zusammen. Seine Hände krampften Sch an dem Drahte fest und waren nicht zu entfernen. Mit großer Geistesgegenwart ver suchte em Angestellter der Straßenbahn, ver ¬ mittelst seiner Gummischuhe den Draht anzu fassen und zu isolieren. Grindlers Befreiung gelang indessen noch nicht. Nur einem glück lichen Umstand ist sie zu danken. Der Draht riß nämlich bei den Bemühungen zu seiner Befreiung, und dies rettete ihm das Leben. Er kam sowrt wieder zu Bewußtsein und hat außer argen Brandwunden an den Händen sonst keinen Schaden genommen. Das Haupt jener Schmngglerbande, die auf sehr schlaue Weise Rinder aus Oester reich nach Bayern führte und die Zollwachen lange hinterging, der Schuhmacher Joseph Neumüller, ist in Wegscheid (Bayern) verhaftet worden. Er war zu Thalberg in Bayern an sässig und flüchtete, als der Schleichhandel ruchbar wurde, Haus nvd Hof, Familie und Gewerbe im Stiche lassend, nach Ober österreich. Hier glaubte er sich sicher und ließ sein Weib uns seine Kinder nach Heinrichsberg im oberen Mühlviertel kommen. Dort wurde er auf Anordnung der Staatsanwaltschaft in Passau festgenommen und nach dem baycisch- österreichischen Zollkartell ausgeliefert. Jetzt ist der Schmuggler, dessen Genossen noch un bekannt find, im Wegscheider Amtsgerichts- gesängnis festgesetzt. Ergriffener Mörder. Unter dem Ver dacht der Ermordung der Rentiere Hegerhorst in der Augartenstruße in Wien wurde der ehe malige Motorführer der Straßenbahn Johann Frauscher verhaftet. Er gibt an, er habe nur stehlen wollen, die Frau aber aus Furcht vor Entdeckung, als sie erwacht sei, getötet. Seine Geliebte, Katharine Höflinger, die bei der Er mordeten wohnte, wurde wegen Verdachts der Mitwisserschaft gleichfalls verhaftet. Lawinensturz. Der alte Bergwerks- und Jndustrieort Bleiberg in Kärnten wurde am Sonntag zum großen Teile durch eine Lawine, die vom Dobralsch niederging, vernichtet. Viele Tote liegen unter der Lawine. Weitere Stürze stehen bevor. Auf andere Teile des Ortes drohen noch zwei überhängende Lawinen nieder zugehen. Bleiberg, welches etwa 1000 Ein wohner zählt, wurde bereits im Jahre 1879 durch Lawinen schwer heimgesucht. Sturm und Kälte in Frankreich. Aus Paris wird berichtet: Aus fast sämtlichen Städten und Provinzen laufen Meldungen über große Kälte u d vom Sturm angerichieten Schaden ein. In der Montag-Nacht wurden dort allein sechs Personen erfroren aufgesunden. Gin Doppelmord in Neapel. Die Tochter des reichen deutschen Villenbesitzers Schwathal (?) auf Posillipo, ein 20jähriges bildschönes Mädchen, namens Luise, unterhielt ein Verhältnis mit dem Sohne des Gärtners. Herr Schwathal jagte die Gärtnerlamilie fort, aber der Gärtuersohn, ein wegen Roheit mehr fach bestrafter Bursche, drang abends in die Villa, erschoß die Tochter Schwathals und streckte die Mutter durch Schläge mit dem Flintenkolben tot nieder. Dem Mörder gelang es, zu entfliehen. Die Familie Schwathal stammt aus Magdeburg. Grostfeuer in Waterbury. Aus New Jork wird vom Montag gemeldet: Im Ge schäftsviertel der Stadt Waterbury in Connecticut brach am Sonntag abend Feuer aus, das sich bei dem herrschenden Sturme bald über ein Dutzend Häuserblocks ausgedehnt hatte. Um 10V- Uhr abends war das Feuer zum großen Teil gelöscht, es brach aber am Montag früh von neuem aus. Der Schaden beträgt mehrere Millionen Dollar. Aus dem Zuchthause von Pittsburg waren zwei zum Tode verurteilte Zuchthäusler, die Brüder Biddl, unter Mithilfe der Frau des Gefängniswärters Stoffel entwichen. Sie hatten dabei drei Wächter überwältigt. Die ent sprungenen Zuchthäusler sind nun in der Nähe von Butler gefangen worden. Die beiden Ver brecher wurden im Kampf mit ihren Verfolgern durch Schüsse verwundet und liegen im Sterben. Frau Stoffel wurde im Kampf erschossen. Einer der verfolgenden Polizisten ist schwer verwundet. Eine Bergwerksexplofio«. Aus Eagle- Paß in Texas wird gemeldet: In einem 85 englische Meilen südlich von dort gelegenen Bergwerk bei Coahuila in Mexiko erfolgte eine, Fugstaub-Explosion, während 165 Arbeiter unter Tag waren. 75 Leichen find bereits ge borgen.^ Di« belohnten Fluhgötter. Aus Schangl-Ä, Ende Dezember, wird der .Franks. Ztg.' berichtet: Die Flußgötter des Hoangho haben sich, während der kaiserliche Zug den Strom überschritt, sehr gut betragen, weshalb sie vom Sohne des Himmels belohnt Wersen sollen, wie das in China üblich ist. Ein hierauf bezüglicher kaiserlicher Erlaß vom 19. Dezember hat folgenden Wortlaut: „Am 14. Dezember verließen wir Kaifeng!» und gingen bei Liuyuenkao über den Gelben Fluß. Während dessen war das Wetter sehr schön und klar und das Wasser war so glatt wie ein Spiegel. Der kaiserliche Zug konnte deshalb in vollständiger Sicherheit über den Strom gehen, worüber allgemeine Freude herrschte. Dies ist der vortrefflichen Umsicht der Fluß- götter zu verdanken. Der Taiwans und andere Götter sollen deshalb besondere Ehrentitel er halten. Wir beauftragen also das Staats sekretariat für Zeremonien, die Angelegenheit näher zu untersuchen und dem Throne dann Vorschläge wegen der zu verleibenden Titel zu unterbreiten. Den Provinzial-Mandarinen, die bei dem Uebergange zugegen waren, find auf eine Eingabe hin, die der Gouverneur der Provinz Honan machen soll, Belohnungen zu geben. Die Mannschaft der kaiserlichen Barke soll 2500 Taels in Silber (mehr als 6000 Mk.) als besonderes Geschenk erhalten." Die Freude über den glücklich er»olgten Uebergang ist durch aus gerechtfertigt, denn der sehr breite, aber seichte und reißende Hoangho kann bei stürmischem Winterwetter höchst ungemütlich werden! Gerichts Halle. Kiel. Eine Diebesbande, welche die Leder-, Textil- und Emaillewarenfabriken in Neumünster im vergangenen Jahre hcimgesucht und in erheb licher Weile bestohlen bat, wurde von der htestgen Strafkanmer abgeurteilt. Zwei Mit angeklagte Hehler müßen freigesprochen werden, während die Diebe folgende Strafen erhielten: Tuchmacher Denker 2'/- Jahre Zuchthaus, 5 Jahre Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht, Arbeiter Wacker zu 1Vr Jahre Gefängnis. Tuchmacher Wacker 2'/, Gefängnis, Bürstenmacher Schultze b Monate Gefängnis. Die gestohlenen Waren hatten die Diebe in der Umgegend von Neumünster verkauft. Thorn. DaS Schwurgericht verurteilte den Telegraphen - Assistenten Scharlee hier, der bis zum Februar 1901 in Berlin angestellt war, wegen Unter- jchlagung im Amte und Beisetleschaffung von Ui künden zu einem Jahre Gesärgnis. Derielbe hat in siebzehn Fällen während des Nachtdienstes Depeschen, die er angenommen, zwar ablelegraphiert, aber nicht ins Annahweregister eingetragen und die vereinnahmten Beträge sür sich behalten. UedermMrlung va« Telegrammen durch den Fernsprecher ist eine Einrichtung, die offenbar sehr wenig bekannt bei den Teilnehmern an der Fernspcech- einrichtung ist. Die Postoerwallung läßt des halb wieder darauf Hinweisen, daß sowohl ein gehende als aufzuliesernde Telegramme durch den Fernsprecher befördert werden. Die Ueber- miltelung ankommender Telegramme, welche in Berlin durch das HaupUelegraphenamt, in den Vororten durch das zuständige Fernsprech Ver- mitlelungsamt zu geschehen hat, erfo.gt nur auf den Antrag des Teilnehmers. Indes werden die Telegramme auch in diesem Falle durch Boten abgetragen, wenn anzunehmen ist, daß sie auf diese Weise schneller und sicherer zuge stellt werden, z. B. Telegramme von sehr großer Länge, oder daß die Zustellung durch Bolen der Absicht des Absenders mehr entspricht, als Glückwünsche zu Familienfesten rc. Die Gebühr für das Zusprechen eines angekommenen Tele gramms an den Teilnehmer beträgt ohne Rück sicht auf die Zahl der Worte 10 Pfennig. Die zugesprochenen Telegramme werden dem Em- vfänger in einem verschlossenen Umschlag durch die Post gegen Einziehung der Zuschlaggebüyr übersandt. Die von den Teilnehmern amzu- kiesernden Telegramme find in Berlin der Tele gramm-Annahmestelle deS Haupt-Telegravhen- amts, in den Vororten dem Vermiltelungsamt zuzusorechen. Die Au nahmegebühr beträgt 1 Pfennig für das Wort, mindestens aber 20 Pfennig. Uebelschießende Beträge werden auf 10 abgerundet. Für die Weiterbeförderung des Telegramms find außerdem die tarif mäßigen Telegrammgebühren zu entrichten. Der Gesamtbetrag an Telegramm- und Aufnahme gebühren wird monatlich durch den Briefträger eingezogen. »Zu herabgesetzte« Preise«!" Das ist augenblicklich die Devise fast aller Konfektionsgeschäfte und Modewarcn-Magazme. Die zu Ende vorigen oder Anfang dieses Jahres aufgenommene Inventur hat ergeben, wie viel Sachen unverkauft geblieben sind, und nun gilt es, da die Frühjahrs ausstellungen drängen, damit zu räumen und das Lager möglichst zu leeren. Und dabei ist das Lager in vielen Fällen diesmal sehr gerillt geblieben! Namentlich die Mäntel-Konsekiion dürfte davon ein Lied zu sinren wissen. Die allgemeine un günstige wirtschaftliche Lage hat doch so manche Frau veranlaßt, ihr Cape, ihren Paletot ernst haft daraufhin anzusehen, ob sie trotz einiger kleiner Schäden und trotz der unmodernen Fayon nicht noch einen Winter hindurch aus hallen, und der Entschluß in bejahendem Linne ist noch durch die ungewöhnliche Mi.de des Vorwinters erleichtert woroen. ES ist eine alte Erfahrung, daß, wer sich nicht zu Weihnachten Wintersachen kauft, dies nachher nur unter ganz besonderen Umständen thut. Der warme Januar konnte das Geschält daher eigentlich auch nicht viel mehr verderben, als es der warme Dezember schon gethan hatte. So ist es in diesem Jahre noch mehr als sonst ge kommen, daß viele Kaufleute noch größere Posten Waren auf dem Halse haben, die sie unbedingt los werden möchten und für die sie durch ein ungemein günstiges Angebot um Käufer werben. Denn einmal fehlt es an Raum, um sie bis zum nächsten Winter aufzu bewahren, zweitens erleiden die Sachen dasurch einen Wertverlust, daß sie unmodern werden, und drittens wäre es ganz unökonomisch, soviel totes Kapital beinahe ein ganzes Jahr unver zinst daliegen zu lassen. Dieser letztere Punkt spielt Nun besonders bei den großen Waren häusern eine Nolle, die bei der großen Mannigfaltigkeit der zum Verkauf aus stehenden Gegenstände nicht zwei oder drei Saffons, sondern gewissermaßen fünf oder sechs haben und demgemäß bestrebt sein müssen, ihr Kapital fünf- oder sechsmal im Jahre umzu setzen. Darum ist es oft kaufmännisch ange- zetgt, heute mit Verlust zu liquidieren, wenn morgen mit dem flüssig gemachten Gelde ein desto größerer Gewinn in Aussicht steht. Wenn also bei den jetzt beliebten Teil Ausverläufen eine Abgabe der Waren zum Fabrikpreis oder gar unter dem Einkaufspreis angezeigt wird, so braucht das durchaus leine falsche, nur auf Anlockung des Publikums berechnete Vorspiege lung zu sem. Sparsame Hausväter und Haus frauen, die nicht nötig haben, nach den Launeu der Mode zu tragen, wissen die Zeit nach herabgesetztem Preise sehr wohl zu schätzen und lachen heimlich über die Thoren, die denselben Hut oder denselben Paletot vor acht Wochen um 50 bis 100 Prozent teurer gekauft haben, als sie ihn jetzt bezahlen. Bunte» Allerlei. Das Telephon in Abessinien. König Menelik ist ei rig oaram bedacht, das Telcp-on- netz seines Landes auszugeftalten, und die Ver bindung der Hauptstadt mit anderen Orien wird jetzt durchgeführt. Um das neue Verkehrs mittel gegen die verschiedenen Siämme zu schützen, die allen neuen Einrichtungen semo- selig gegenüberstehen, wird Menelik em Edikt erlassen, in dem er bekannt gibt, daß jedem, der es wagen sollte, einen Telegraphendraht zu durchschneiden, die rechte Hand aogehauen und außerdem eine hohe Geldstrafe a»! erlegt werden wird. „Ach bewahre," mischte sich Emmy ein, „der alte Möller besaß ein großes Hotel in Berlin, daS er im vorigen Jahr verlauste; nun privati siert die ganze Familie — der junge Müller treibt allerhand Sport, um zu zeigen, daß er Geld hat und eS auf noble Art auszugeben versteht." Dora war bei Emmys Worten blutrot ge worden. Der vornehme Kavalier ihrer Träume war also bloß ein Hoielierssohn l Sie empfand eS als eine tiefe Demütigung, überhaupt nur an ihn gedacht zu haben. „Was sich heutzutage diese Leute alles er lauben, das ist doch wirklich unerhört," rief Frau von Rosen mit ungeheuche'ter Entrüstung; .man sollte aum glauben, baß sie den Mut «ud das Verständnis dazu haben." Frau von Strehlen legte ihre hübsche kleine Hand auf dre Schulter der Bronin. „Geld," sprach sie mit Nachdruck, „Geld macht heutzutage alles, liebe Freu din. Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich die alt hergebrachten Ansichten sehr geändert haben, durch die ganze Welt geht ein Umschwung der Anschauungen auf allen Seilen, und da bleibt uns eben n chtS anderes übrig, als mit den Wölfen zu heulen. — Glauben Sie mir, wenn heut ein solcher Mensch käme und meiner Emmy alle Annehmlichkeiten deS Leben zu bieten im stände wäre, ich würde mich keinen Augenblick besinnen, ibm meine Tochter zur Frau zu geben und Emmy würde gewiß nicht nein sagen." „Gewiß nicht, Mama!" rief Emmy fast überlaut. Durch die Glieder der Baronin ging ein leichter Schauer. Welche Ansichten, welche Moral! Und die Tochter war ganz auf den Ton der Mutter gestimmt! Die gute Dame vergaß, daß sie selbst für Dora in einem fort eine „gute Partie" im Auge hatte, selbstverständlich zwar nur mit einem Ebenbürtigen, aber schließlich lag bei ihr die Sache doch anders — sie rechnete mit Anstand und Würde, während die Landrätin jede Rücksicht beiseite setzte — nein, nein, eS war zu entsetzlich! „Sie haben immer sehr — na, wie soll ich sagen? — nachgiebig gedacht," erwiderte Frau von Rosen etwas steif, „ich kann eben Ihre Ansichten nicht so ganz teilen. Mein Gott, was hätte man denn, wenn man nicht ein wenig auf seine Vorfahren hielte! Ich muß Ihnen ge stehen, ich bin eine eingefleischte Aristokratin und kann mich nicht mehr ändern." Sie glaubte, damit etwas sehr geistreich Boshaftes gesagt zu haben, aber der Hieb verfing nicht, Frau von Strehlen lächelte bloß überlegen. „Darüber läßt sich nicht streiten," meinte sie achselzuckend, „jeder nach seinem Geschmack! — Und was ich sagen wollte . . . werden Sie di sen Winter nicht nach Breslau kommen? Fräulein Dora ist doch schon ballfäksg, und ich bin überzeugt, sie wird sehr gefeiert werden." „Ach, die Residenz ist Breslau doch nicht," seuf-te Frau von Rosen. „Wenn es meine Gesundheit erlaubt, möchte ich wohl meiner Tochter etwas Vergnügen gönnen, eS ist manch mal recht einsam hier." „Eigentlich immer," schaltete Dora in Ge danken ein — ihr war noch sehr unbehaglich zu Mute — denn in diesem Punkt war sie die echte Tochter ihrer Mutter — an solch einen Menschen hätte sie nie so lange gedacht, nie! nie! Frau von Strehlen blieb noch eine gute Weile; sie war mit Emmy im vergangenen Monat in Wiesbaden gewesen und wußte eine Menge von dort zu erzählen. Als sie gegangen war, seufzte Frau von Rosen tief auf. „Diese Frau versteht das Leben zu genießen " murmelte sie mehr für sich; freilich, mit so alltäglichen Ansichten unteihält man sich bald." Gegen Abend kam Fritz aus Breslau; er war ungewöhnlich ernst und schweigsam. Frau von Rosen in ihrem Gleichmut bemerkte kaum die Veränderung an ihm, welche auch später anhielt. Fritz zeigte sich ungemein fleißig, stunden lang saß er bei seinen Büchern und Rechnungen — ein neuer Geist schien sich seiner bemächtigt zu haben, denn noch nie hatte er sich so eifrig der Verwaltung des Gutes gewidmet. — — Der Besuch der Frau von Strehlen war von Mutter und Tochter erwidert worden. Es entspann sich ein lebhafter Verkehr zwischen den Damen. Frau von Rosen verab scheute die Grünt sätze der Landrätin, aber sie vergnügte sich doch bei dem Geplauder der leb haften Frau, deren Besuche eme angenehme Abwechslung in dem ewigen Einerlei bildeten. Fräulein Emmy hatte Dora daS Du an getragen und die jungen Damen waren jetzt Freundinnen. Bon ihr erfuhr auch Dora, daß Heinrich Bering wohl ein bißchen ungehobelt, aber sonst „ein sehr netter Mann" sei. Die Damen hatten schon mehrere Male mit ihm gesprochen und die Landrätin wollte ihn auch zu einer kleinen Gesellschaft laden, die sie demnächst zu geben beabsichtigte. „Natürlich wird sich deine Mama an seiner Gegenwart etwas stoßen," fügte Emmy lachend hinzu, „aber sie soll einmal Gnad: für Recht ergehen lassen. Er ist ja doch Gut?Nachbar und mit der Zeit wird sie ihn selbst einladen müssei." „Wenn Fritz mit ihm verkehren will, warum nicht," versetzte Dora hochmütig, „für mich find solche Leute Luit" „Nun, dazu ist der gute Bering ein wenig zu schwerfällig," spöttelte Emmy, „übrigens Dora, man soll nichts verredea — ich hätte auch nicht geglaubt, daß ich mich mit dem jungen Möller so gut unterhalten würde." „Du, du hast mit diesem Menschen gesprochen ?" „Ja, und noch recht lange dazu. Du weißt doch, vorige Woche wurde im Städtchen daS Schützenfest abgehalten. Deine Mama wollte nicht mit uns, sie meinte, die Gesellscha t sei zu gemischt — nun, ich habe mich piächtig dabei unterhalten. Bering war da und auch der junge Moller. Er ließ sich uns vo st llen und entschuldigte sich wegen der Radfahrgeschichte — er hatte nicht bemerkt, das unsere Prerde durch sein Verschulden scheu wurden, erst unser Ge schrei machte ihn aufmerksam, und a s er ab- fpringen wollte, um zurückzueilen, war ihm schon Bering zuvor gekommen." Zp. (Eorh-suuz folgt.-
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