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Allgemeiner Anzeiger : 08.02.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190202089
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19020208
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- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1902
-
Monat
1902-02
- Tag 1902-02-08
-
Monat
1902-02
-
Jahr
1902
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.02.1902
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Politische Utmdschan. Deutschland. * Am Dienstag vormittag sprach derKaiser beim Staatssekretär des Auswärtigen Amts und beim Reichskanzler vor. Nachmittags stattete der Kaiser dem russischen Botschafter einen Gratulationsbe such ab. * Kaiser Wilhelm hat, wie man aus Konstantinopel berichtet, in seiner anläßlich der Konzessionsverleihung für die Bagdadbahn aw den Sultan gerichteten Depesche betont, daß der Tag dieser Konzessionsverleihung in der Geschichte des Fortschritts der Türkei denk würdig bleiben werde. Die Konzession bilde auch einen Beweis des Vertrauens in die Macht und Industrie Deutschlands. Kaiser Wilhelm gab der Hoffnung Ausdruck, daß der Sultan das Werk nicht nur vollenden, sondern auch lange dessen Früchte genießen werde. *Dem Grafen Walders ee hat der Kaiser an seinem Geburtstag, wie mehrere Blätter berichten, eins der in China erbeuteten Bronzegeschütze überweisen lassen. — Von einem derartigen Geschenk war bereits vor mehreren Monaten die Rede. * Der russische Botschafter in Berlin, Gress Osten-Sacken feierte am Dienstag sein 50 jähriges Dienstiubiläum. Ein offiziöser Artikel der ,Nordd. Allg. Ztg/ rübmt dem Grafen nach, daß er als russischer Bot schafter in Berlin „mit Eiter und Einsicht den Intentionen seines Souveräns gedient und sich als bereitw'lliger Mitarbeiter an der Pflege nach barlichen Einvernehmens zwischen Deutschland und Rußland hohe Verdienste erworben hat/ "Dem Vernehmen nach find Schritte zur weiteren Förderung der Herstellung von Klein wohnungen für niedere Beamte und Arbeiter der Reichseisenbahnen eingeleitet. * DieBudgetkommission des Preuß. Abgeordnetenhauses gedenkt die ihr überwiesenen Etat? bis Ende des Monats durch uiberaten, so daß die Möglichkeit vorliegt, die Etatsberatung im Plenum um die Mitte des März zum Abschluß zu bringen. "Die Nachricht der ,Pos. Ztg/, daß der Wreschener Schulgemeinde die jähr liche Staatsbeihilfe entzogen werden soll, wird vom ,Pos. Tagebl/ dementiert. *Vor der Elberfelder Straf- > a mm e r begann am Montag die durch Reichs« gerichtsbeschluß angeordnete nochmalige Ver handlung des Militärbefreiungspro zesses gegen 13 Angeklagte. *Eine in Braunschweig abgehaltene Versammlung von Vertretern deutscher Handelskammern beschloß, den Bundes rat zu ersuchen, die viel bestrittene Frage des Wurstfärbens baldigst zu entscheiden. Sollte das Färben verboten werden, so müsse der Industrie Zeit zur Räumung der vorhandenen Vorräte gelassen werden. Frankreich. "Wie dem,Echo de Paris' aus Peters burg gemeldet wird, ist der Termin der Reise des Präsidenten Loubet nunmehr entgültig festgesetzt. DaS den Präsidenten gelefiende Geschwader wird inKronstadt am 15. Juni eintreffen. Loubet wird von einem oder zwei Ministern begleitet sein. Während des Besuches in Petersburg wird der Präsident eine Brücke über die Newa einweiben, die von französischen Ingenieuren und Arbeitern erbaut wurde. *Zur Anbahnung einer kolonialen Verständigung zwischen England und Frankreich werden zwischen London und Paris Fäden gesponnen. Es handelt sich dabei um die Neuiund land - und die Marokko« fra ge. England. "Die Antwort Englands auf die holländische Friedensanregung ist so ausgefallen, wie zu erwarten war — nämlich ablehnend, aber doch die Möglich keit weiterer Verhandlungen eröffnend. Das englische Kabinett meint, daß alle Regierung?« gewalten sich in den Händen Steijns und Schalk Burgers befinden. Das schnellste und wirksamste M.ttel, zu einem Uebereinkommen zu gelangen, sei, sich in direkten Verehr mit den Führern der Buren in Afrika une- mit Kitchener zu setzm, welcher schon Befehl erhalten habe, jeden Vorschlag, der ihm gemacht werde, so ort nach London zu berichten. Wenn die Burensührer unterhandeln wollten, um dem Krieg ein Ende zu machen, so habe die Re gierung dahin entschieden, daß die Ver handlungen in Afrika stallfinden müßten, nicht in Eurova. Italien. * Die Herabsetzung der Zivilliste König Viktor Emanuels und zwar die frei willige, scheint nur mehr eine Fraae der Zeit. Der König hat bereits in seinem Militär- kabinett eine erhebliche Verminderung des Personals eintreten lassen und nun mehr wird auch das Budget des Haus- ministeriums gleich alls stark entlastet. Der Marstall wurde verringert und außer dem eine bedeutende Zahl Hofbeamter aller Chargen, darunter 145 Lakaien, Reitknechte nnd dergleichen, entlassen, sämtlich unter Aus bezahlung eines zweifachen Jahresgehaltes als Entschädigung. Alle diese Vor'ehrungen, heißt es, soll der einfach und volkstümlich gesinnte Fürst in der Absicht treffen, um aus freien Stücken aus einen Teil der Zivilliste verzichten zu können. Balkanstaaten. * Ueber die Beratungen des neuen ser bischen Gemeindegesetzes war es zwischen der Regierung und der Mehrheit der Skupschtina zu Meinungsverschiedenheiten ge kommen, die eine Ministerkrisis herbeiz-führen drohten. Nunmebr ist es aber, wie aus Belgrad gemeldet wird, gelungen, die Kr-fis benuleg-n. ES ist ein Kompromiß zu stände gekommen, wonach das in der Vorlage vorgesehene Aui- sichtsrechtderStaatsbehörden über die Gemeinden gemäß den Wünschen der Slupschtina-Mehrheit thunlichst eingeschränkt wird. Amerika. * Der panamerikanische Kongreß in Mexiko ist geschlossen worden. Der Minister des Aeußern beglückwünschte die Teil nehmer zu dem erzielten Ergebnis, das in einer Förderung des SSiebs« gerichtsprinzips bestehe. Die öffentliche Meinung wird aber dahin laut, daß der Kongreß nichts geleistet habe. — Die selbe Komödie wie die Haager Friedens konferenz. * Die Lage aufCnba wird kritisch. New Aorker Blätter betrachten denAusbruch einer Revolution auf Cuba als bevorstehend, falls die Ver. Staaten sich weigerten, die Forderungen der Eibauer zu genehmigen. Die letzten Meldungen der amerikanischen Beamten find in äußerst pessimistischem Tone gehalten. Die Blätter fordern den Senat aut, die Initiative zu ergreifen, um die Forderungen bei der Re gierung durchzusetzen. Afrika. * Auf dem s ü d a f r i k a n i s ch e n K r i e g s- schauvlatz find nach der am Montag ver öffentlichten amtlichen englischen Verlustliste bei einem am 31. Januar bei Burghersdorp eBolgten Zusammenstoß von Panzer zügen fünf Soldaten getötet und fünf ver wundet worden. Affen. "Aus China liegen verschiedene Nach- richten vor, die von dem Reformeifer der Kaiserin-Witwe Z'ngnis ablegen. Ein Edikt der Kaiserin-Regentin gestattet für dis Kaiserin- Regentin gestattet für die Zukunft die Heirat zwischen Mandschus und Chinesen und empfiehlt, das Fußbinden bei den Frauen ab »»s S a f s e n. Nach einem Edikt des Kaisers sollen Mitglieder deS kaiser lichen Hauses und vornehmer Familien Reisen insAusland unternehmen um sichfremde Bildung anzueignen. "In P-kmg beabsichtigt man, eine be sondere Mission nach Washington zu senden, um dem Präsidenten Roosevelt zu danken für die ausnehmend freundliche Politik, welche die Ver. Staaten während der Wirren und Friedensunlerhandlungen gegen China beobachtet hätten. Die Regierung der Ver. Staaten soll daraufhin sondiert werden, ob ihr eine solche Mission genehm ist. * Zwischen China und Koren ist ein Grenzkonilikt ausgebrochen. In West korea find 2000 chinefische irreguläre Trupven einoebrochen, welche die Städte plündern. Die Einwohner fliehen. Die Gouverneure erbitten mil tärische Hisse. Ans dem Reichstage. Der Reichstag erledigte am Montag vom Etat d'S ReichSomt« des Innern nur das Kapitel „RelckiSgelundbeltSamt". Einen breiten Raum in der Debatte nabmen wiederum Beschwerden sozial demokratischer Redner, die darin »um Teil von den Nbgg. Gras Oriola und Prinz S^önnick-Carolath (nat.-liß.) sowie Gröber (Zewr.) unterstützt wurden, über Mißstände in den Krankenhäusern ein. Die Relolution Lenzmann über das Irren wesen wurde einstimmig angenommen. Am 4. d. wird die zweite Letang des Etats beim Etat des Reichsamts desJnnern fo-t- gesetzt. Die Beratung beginnt mit dem Kapitel „Statistisches Amt/ Abg. Pachnicke sfr. Vgg.) steht der neu zu errichtenden arbeiierstatistischen Ab'eilunq des Statistischen Amtes mit gemilchten Empfindungen gegenüber. Man kenne weder die Zahl der Mit glieder, noch die Zuständigkeit. Immerhin erkenne er eine Verbesserung gegenüber dem bestehenden Zu stande an. Doch wünsche er einen Beirat, bestehend aus Arbeitern, A-beitaebern und neuiralen Sach verständigen. die Veröffentlichung regelmähiger Be richte, die Gewährung des Rechtes. Erhebungen über bestimmte Gewerbebetriebe zu veranstalten, Dor'chläge zu Gesetzesänderungen zu machen nnd die Wirkungen bestehender Goetze sestzustellcn. Der Staatssekretär habe das zugekagt. Abg. Bebel (wr.) wünsch' gleichfalls kür die neue Abteilung daS Recht, Geletzesvorschläge zu machen. Auch er verlangt einen Beirat, dem in erster Reihe Gewerbe-Inspektoren angehören solssen. Die Abteilung solle nur ein UebergangSstadium bilden zu einem selbständigen Reichsarbei samt. Abg. Hasse (nat.-lib.) hält den gegenwärtigen Augenblick für geeignet, eine grundsätzliche Aende- rung in den Wertteil stellungen der Ein- und Aus fuhr durch daS Statistische Amt vorzunehmen. Man möge nach ausländisvem Muster den DeklarationS- zwang einiühren. Ferner wünscht Redner, daß einige Stellen der Statistischen Amtes durch National- ökonomcn besetzt würben. Abg. Spahn (Zentr.) begrüßt die neue Ab teilung al« einen Fortschritt. Staatssekretär Gras Posadowsky hält eS für bester, kür jede Frage besondere Arbeitgeber und Arbeitnehmer zuzuztchen, statt der neuen Abteilung eine ständige Kommission beizugesellen. National ökonomen gehörten schon jetzt dem Statistischen Amte an. Ministerialdirektor Wermuth teilt mit, daß über die Einführung von Wertdeklaration über Ein- und Ausfuhr eine Umfrage bei den Handelskammern stattgejunden habe. Die Antworten seien ver schieden ausgefallen. Sollte eS nicht möglich sein, eine Wertdeklaration durchzulühren, so werde man sich bemühen, den Weit der Ein- und Ausfuhr durch Ausdehnung der jetzigen Einrichtungen genauer fcst- zustellen. Die geforderten Mehrausgaben werden darauf bewilligt. Beim Kapital „Patentamt" bittet Abg. Kam» (freit.), nickt eher in Handelsvertragsverhandlungen mit der Schweiz einzutreten, als bis durch dal Schweizer PNentgesetz die Ausbeutung unserer Er finder, namentlich auf dem Gebiete der chemische« Industrie, verhindert werde. Abg. Paasche (nat.-lib.) empfiehlt, de« Schweizern zu zeigen, daß wir uns die jetzige Be handlung nicht weiter gefallen lasten. Staatssekretär Graf Posadowsky bemerkt, daß in der Schweiz Erfindungen, die nicht durch Modelle darstellbar sind, nicht patentiert werde« können. Dadurch leide namentlich die deutsch« chemische und pharmazeutische Industrie. Die Gesetzes änderung könne nur durch ein Referendum erfolgen. Beim Abschluß eines Handelsvertrages werde ma« auf Erfüllung der berechtigten Ansprüche dringen. Abg. Müller-Meiningen (frs. Vp.) bezeichnet das Verfahren der Schweizer als Raublystem. Staatssekretär Graf Posadowsky erwidert, bei einer großen Behörde fehle er natürlich nicht a« Beschwerden. Abg. Schrader (frs. Vgg.) weist darauf hin, daß der Staatssekretär eine unmittelbare Einwirkung aus das Patentamt gar nicht auSüben könne. Abg. Stadthagen (soz.) meint, die Aus beutung liege nicht auf schweizerischer, sonder« auf deutscher Seite. Geheimrat Hauß tritt dem entschieden ent^ge«. Das Kapitel wird bewilligt. Beim Kapitel „ReichSversickcrungSomt" bemerkt Abg. Stadthagen: ES ist mir mitgeteilt worden, daß !n Hessen die Beiträge zur land- und forstwirtschaftlichen Versicherung nicht auf Grund der Grundsteuer, sondern der direk'en Staatssteuern um gelegt werden. DaS ist unacsetzlich, denn eS be« bedeutet eine Abwälzung der Kosten auf die Arbeiter, während sie nach dem Gesetz von den Unternehmer« zu tragen find. Redner führt dann lebhaft Be schwerde über die Passivität des ReichS-VersicherungS- amt« gegenüber den Rücksichtslosigkeiten der Berufs« genostenichaften gegen die Arbeiter bei der Erledigung der Unfälle und bei der Renten- bemestung und gegenüber den Auswüchsen, welche das VertrauenSarztsystem der Berufsgenostenschafte« gezeitigt habe. Er führt dabei in eingehender Dar legung einen Fall vor, wo der Vertrauensarzt über einen Ziegeleiarbeiter, dessen Erwerbsfähigkeit durch den Unfall um 40 Prozent geschädigt war, ohne ihn untersucht zu haben, das Gutachten abgab, daß eine Rente von 20 bis 25 Prozent genüge. Da muß die Regierung Abhilfe schaffen, diese BerufSgenossen- schasten und ihre Organe wirken geradezu aemein- gesährlich. Die Unfallstatistik ist unzuverlässig und auf tendenziösen Gnmdlagen ausge^aut. Die Frage, wen di« Schuld des Unfalls treffe, wird von den BerufSgen ostenschasten in einseitiger, wahrheits widriger Weise, um dem Unrecht zum Reckt zu ver helfen, beantwortet. (Präsident Graf Ballestrem: Sie dürfen die Bernssgenostenschasten nicht mit solchen Ausdrücken kritisieren, daS verstößt gegen di« Ordnung des Hauses!) Die Arbeiter müssen heran- gezogen werden zur Anordnung von Sicherheits maßregeln, um die Zahl der Unfälle zu vermindern. Ich fraae den StaatSsekretür, ob er von den flagranten Gesetzesverletzungen Kenntnis hat, und welche Maßregeln er dagegen ergriffen hat. S'aatSlekretär Graf Posadowsky: ES ist in diesem Hause mit Recht gerügt worden, daß di« NissallversickerungSrenten auf die Gemeinden gelegt werden. Dies Verfahren ist verboten worden. Ich habe daS ReickS-VersicherungSamt wissen lassen, daß nicht« auf diesem Gebiet gefährlicher sei als eine schematische Behandlung; jeder Fall müsse physio logisch unterßlcht und gründlich vertieft werden. Wenn in einzelnen Fällen eine schematische Behänd« lang stattgeiunden hat, so bedauere ich daS. Ich kann das nur rügen; ich werde mich über den Fall informieren und werde das Versickerungsamt an weisen, d ifür zu sorgen, daß die Fälle konkret be handelt werden. - z-ndtag. Am Montag erledigt- daS Abgeordnetenhaus die Beratung des Landwirsschaftsetats. Eine längere Debatte entspann sich über die Gewährung eines Darlebn« von 1400'00 Mk. an die Genossenschaft für Viehverwertung zur Gründung eines Mager- biehhosS in Friedricks leide bei Berlin. Der Titel wurde mit knapper Mehrheit bewilligt. Im Abgeordnetenhaus« begann am Dienstag die Beratung des Etat- deS Handelsministeriums. Zum Titel „Ministergehalt", der noch nickt erledigt wurde, lagen Anträge des Zentrums und der Konservativen vor betr. Einführung des Belähigungsnackweiles im Baugewerbe und betr. das Verbot des Aus'ildenS von Lehrlingen seitens solcher Handwerker welche nicht die Meisterprüfung abgelegt haben. Minister Möller bat, der Regierung Zeit zu lasten, bi« ge nügende Erfahrungen mit der Handwerkcrgejetzgebung gesammelt seien. Zwei Faare. 41 Roman von E. Köhler. kForN-tzxng.) Dora lachte hell aus und drückte einen flüch tigen Kaß aus Frau von Rosens Stirn. Die Dame schob ihre Tochter san t von sich. „Mutwilliges Ding," sagte sie mit einem halben Lächeln, „weißt du schon, Fritz kommt morgen von Bresiau zurück — er schreibt, die Landi ätin von Strebten mit ihrer Tochter Emmy kommt in unsere Gegend. Sie wird im Edelhos für einige Wochen Wohnung nehmen." „Ich dachte doch, Graf Hohenstein würde auf dem Edelhof bleiben," waif Alice ein. „Ja, es war auch ursprünglich seine Absicht," verfitzte Frau von Rosen, „aber schließlich mag es ihm zu pe nl ch geworden sein, zusehen zu müssen, wie Fremde sich auf Schloß Hohenstein breit machen. Er hat den Ecelhof vermietet und soll in eine kleine Provinzstadt gezogen sein." „Auf welche Weise ist denn der Graf um sein V rmög n gekommen?" fragte Dora. „Wer kann das eigentlich sagen! Schulden waren von jeher da — die Hohensteins haben immer sehr nobel gelebt, weit über ihr Ein kommen, wie eS heißt — so kam es denn, daß von dem ganzen großen Besitz dem Grasen nur der Edelhof geblieben ist." „Das ist doch sehr traurig," meinte Dora nachdenklich; „es mutz schreckt ch sein, wenn man einmal sehr reich gewesen ist, in bescheidene Verhältnisse zurückrreten zu müssen." „Gewiß," pflichtete Tante Alice mit feinem Lächeln bei, „aber wenn man wenig besessen hat und dann zu großem Reichtum gelangt, muß dafür die Freude um so größer sein." „Ja, wie dieser Bering," bemerkte Frau von Rosen nicht ohne Bitterkeit, „dieser Empor kömmling, sich jetzt auf Schloß Hohenstein breit machen wird." „Nicht doch," wendete Alice ein, „der junge Bering soll sehr bescheiden leben und eine sehr rührige Thatigkeit entwickeln." „Nun ja, arbeiten, das find diese Leute ja gewöhnt," meinte Frau von Rosen hoch mütig, „ich bin nur neugierig, ob dieser Bering Besuch bei uns macht — jedenfalls wird er sich die Gelegenheit nicht entgehen laßen, mit einer adligen Familie Umgang haben zu dürfen." Ueber Alices Gesicht flog ein eigentümliches Zucken — sie sah in diesem Augenblick frisch und verjüngt aus. Frau von Rosen fuhr fort: „Ich kenne die LandräiM von Strehlen zu lange und zu gut, um nicht zu vermuten, daß hinter ihrem Hier- Herkommen ein P an steckt. Sollte sie etwa die Absicht haben, ihre Tochter Emmy an den jungen Bering zu verheiraten? Das sähe ihr fast ähnlich, denn Geld war ja immer bei ihr die Hauptsache. Nun, wir werden sehen. Jedenfalls bringt ihr Kommen ein wenig mehr Leben in die Gegend. Ob die Landrätin noch immer so auffallend gekleidet geht und ob ihre Tochter sich hübscher ausgewachsen hat? — Bor sechs Jahren war sie ein wildes Ding, braun wie eine Mulattin und ganz unzivilistert." Dora langweilte sich bei diesem Gespräch. Sie hätte lieber erfahren, wer der vornehme Radfahrer gewesen war, aber so unvermittelt zu fragen, scheute sie sich, auch Mama mochte wahr scheinlich nichts ürer ihn wissen, sonst hätte sie gewiß seiner Erwähnung gethan. Das junge Mädchen ging also wieder in den Garten, aber es begann kühl zu werden und die Dämmerung brach herein. Sie kehrte deshalb ins Haus zurück und setzte sich ans Klavier; aber sie war nicht bei der Sache und schließlich froh, als der Tag zu Ende und die Schlafenszeit da war. Bis in ihre Träume hinein verfolgte sie das Bild des hübschen Radfahrers und selbst im Schlaf fragte sie sich: „Wer er wohl sein mag? Einer der Unsrigen sicherlich." Der nächste Tag brachte den Besuch der Lanvrätin von Strehlen. Die Dame mochte einige Jahre mehr zählen als die Baronin Rosen, aber sie hatte sich vor züglich gehalten. Ihre Kleidung war geschmackvoll, in Hellen Farbeniönen gehalten, die ihr ein jugendliches Aussehen verliehen, ihr Benehmen war lebhaft, mitunter vielleicht etwas gar zu gesucht, und obgleich die Landrätin keine eigentliche Schönheit war, nahm sie sich neben der matten, verblühten Baronin sehr vorteilhaft aus. Emmy von Suchten ähnelte in vielem ihrer Mutter: auch sie war nicht schön, aber immer- lin eine anziehende Erscheinung. Das Hübscheste an ihr waren die großen dunklen Augen, die sie auch entsprechend zu gebrauchen verstand. Dora er annte in Mutter und Tochter sofort die beiden Damen von gestern, sie hütete sich aber zu verraten, daß sie Zeugin des A r tritt- gewesen, von dem Frau von Strehlen mit Leb haftigkeit zu erzädlen begann. „Und wissen Sie, wer unser Retter war, liebe Baro in?" schloß sie ihren dramatisch bewegten Vortrag. „Heinrich Behring war es, der jetzige Besitzer von Schloß Hohenstein." Dora unterdrückte mit Mühe einen Ausruf. Also der plumpe Mensch war der Emporkö > m- ling! Daß sie auch nicht gleich daran gedacht halte! Frau von Rosen lächelte fast unmerklich. „Es kann für den jungen Mann nur «ine Ehre sein, Ihnen diesen Rio «dienst erwiesen zu haben," bemerkte sie verbindlich. Emmy lachte laut auf. „Ich weiß nicht, ob er diese Ehre so hoch schätzt," spottete sie, „wenigstens sah er m r gar nicht danach aus. Er sagte sogar in z enu ch herrischem Ton: Schreien Sie doch nicht so sehr, meine Damen — die Pferde werden da« durch noch mehr scheu." „Ah, das hat sich dieser Mensch wirklich er laubt?" rief Doras Mutter entrüstet. . Ta tst doch stark." „Aber er hatte recht," meinte die Landrätin lebhafi, „jedenfalls benahm er sich ritterlicher als der junge Möller, der wie toll auf semew Rive an uns vorüberschoß und der eigentliche Urheber des Unfalls war." „Möller?" sagte Frau von Rosen nach« denkend. „Von Adel? — Hier aus del Gegend?"
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