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Allgemeiner Anzeiger : 09.11.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190111090
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19011109
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
-
Monat
1901-11
- Tag 1901-11-09
-
Monat
1901-11
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 09.11.1901
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KoMische Rundschau. Deutschland. *Der Kaiser hörte am Dienstag im Neuen Palais die Vorträge des Chefs des Mlitärkabinetts, Generalmajors Grafen von Hülsen-Haeseler, des Chefs des Ingenieur- und Pionier-Korps, Generals Frhrn. v. d. Goltz und des Chefs des Admiralfiabs der Marine, Vize-Admirals v. Diederichs. * Einheitliche Postwertzeichen werden vom 1. April 1902 ab für das Gesamt gebiet der Reichspostverwaltung und der württembergischen Postvcrwaltung zur Verwendung kommen. Nach dem ,Rcichs- anzeiger' tragen diese Postwertzeichen den Vor druck „Deutsches Reich". Die gegenwärtigen Marken der Reichspost tragen bekanntlich den Aufdruck „Reichspost". Die neue Einrichtung soll in allen Teilen derart durchgekührt werden, daß die reichsverfaffungSmäßig: Selbständigkeit der württembergischen Postverwaltung, ins besondere in finanzieller Beziehung, erhalten bleibt. * Die s äch s is ch e R e gieru ng wird sich in dem am 12. November zusammentretenden Landtag über ihre Stellung zum Zoll tarif interpellieren lassen. Die Politik der Regierung wird als eine „den Abschluß von Handelsverträgen anstrebende" bezeich net, „bei denen Industrie und Landwirtschaft gleichmäßigen Schutz finden". Sollte man, beißt es weiter, vergessen, daß Sachsen mit seiner Industrie steht und Mt, so ist „dies sehr wert voll für möglicherweise sich anbahnende partei politische Umwälzungen". Von Sachsen ist, wie weiter verlautet, eine Reihe von Abänderungs anträgen gestellt worden. *Die Einführung der neuen Recht schreibung dürfte noch längere Zeit auf sich warten lassen, da noch nicht alle beteiligten Regierungen ihre förmliche Zustimmung zur Einführung gegeben haben. Erst wenn diese Zustimmungen sämtlich vorliegen, kann das in Aussicht genommene Regelhuch veröffentlicht werden. Aber auch nach dem Erscheinen dieses Regelbuchs wird noch in einer ausgiebigen Ueber- gangsirist kein eingeiührtes Schulbuch um des willen zurückgewiesen werden, weil es in der bis herigen Rechtschreibung gedruckt ist. * Das preußische Finanzministerium hat die Regierungskassen anweisen lassen, die bei ihnen nach dem 1. Januar 1902 eingehenden Thaler aus den Jahren 1823 b i s 1856 nicht wieder zu verausgaben, sondern gegen Wertersatz an die Reichsbank abzuführen. * Der Gesamtvorstand der Darmstädter Kriegerkameradschast faßte einen Be schluß, in welchem die Beschuldigungen Chamberlains gegen das deutsche Heer im Kriege 1870/71 mittiefsterEntrüstung zurückgewiesen werden. Frankreich. * Bei einer Interpellation Wegendes Kon flikts mit der Türkei hat das Mini sterium Waldeck-Rousseau von der Deputiertenkammer mit 302 gegen 241 Stimmen ein Vertrauensvotum erhalten. England. "Bei der Krönung KönigEduards wird Indien durch fünf Maharadschas und eine Anzahl anderer Fürsten vertreten werden. Auch ein großes Kontingent der Eingeborrnen- Armee werde zu den Feierlichkeiten nach London kommen. Die Huldigungen der übrigen Fürsten und Stammesoberhäupter werde der Vizekönig von Indien am 1. Januar 1903 in Delhi in einem großen Durbar entgegennehmen. * Im Laute einer in Leeds gehaltenen Rede über den Krieg betonte der li b er a l e F ü h r er Asquith die Notwendigkeit, den Boeren un verzüglich vernünftige Friedens bedingungen zu stellen. Die Unabhängig keit, für die sic kämpfen, könne ihnen freilich, so bemerkte der Redner, nicht zugestanden werden. Italien. * Gegenüber den in jüngster Zeit verbreiteten Gerüchten über den ungünstigen Ge sundheitszustand des Papstes, ist der römische Korrespondent der ,Germ/ in der Lage, sestzustellen, daß in dem Befinden deS Papstes nicht die geringste Veränderung An getreten ist, welche zu Besorgnissen Anlaß geben könnte. Der Leibarzt, Prof. Lavponi, hat un längst noch versichert, daß der Organismus des Papstes in allen Teilen völlig ge sund sei. *Die Reise des italienischen Königspaares nach Rußland soll, trotz aller Dementis, beschlossene Sache sein. Die Zusammenkunft mit dem Zaren findet in Warschau statt, wo das Königspaar vier Tage Aufenthalt nehmen wird. Von dort wirk daS Königspaar die Reise nach Petersburg und Moskau fortsetzen. Holland. * Dem PräsidentenKrügerist seitens seiner Umgebung der Wunsch ausgesprochen wor den, daß er zur Schonung seiner Gesundheit den Winter in einem milderen Klima, vielleicht in Südfrankreich verbringe. Ein Beschluß sei noch nicht gefaßt, wenn aber der Präsident einwillige, werde er Hilversum noch im Novem ber verlassen. *Die holländische Regierung hat den ihr von der britischen in der Frage der Ent schädigungsansprüche der aus Süd afrika ausgewiesenen Personen angebotenen Betrag angenommen. Rußland. * Einer Warschauer Blättcrmeldung zufolge hat ein dortiges Handlunqshaus mit der engli schen Regierung einen Vertrag auf Liefe rung von 20 000 Pferden für die eng lische Kavallerie abgeschlossen. Einige Tausend seien bereits geliefert. (Die Groß mächte haben sonderbare Begriffe von der Neutralität!) Balkanstaaten. * Die I n s el L e sb o s ist als Faust pfand thaisächlich von dem Caillardschen Ge schwader okkupiert worden. Nach Privat- nachrichien eines Berliner Blattes hat die fran zösische Exvedition am Dienstag in aller Frühe dir drei Häfen der Insel, nämlich Myiilenr, Petra und einen dritten (Molynos?) ohne Widerstand besetzt. *E'wges Unbehagen verursachte die Mel dung aus Konstantinopel, Rußland wolle der Türkei die Zahlung der Schuld Lorando erleichtern, indem es auf die Garantie des Schaszolles in einer Provinz Kleinasiens ver zichten wolle, wenn es dafür eine andere Gs- rantie erhalte. Darin verbirgt sich offenbar der Plan Rußlands, die fran'öflsche Exvedition zu benutzen, um seinen eigenen Einklußin der Türkei auSzu dehnen und zu be festigen. *Bei dem Empfange der Deputation der Skupschtina, welche die Adresse dem König Alexander überreichte, sagte der selbe, die Debatte über die Thronfolge- Angelegenheit sei nach dem entschiedenen Dementi, welches er den betreffenden Gerüchten kürzlich in Nisch entgegengesetzt habe, überflüssig gewesen. Der König versicherte nochmals, die Angelegenheit werde völlig der Verfassung ent sprechend und im Einvernehmen mit der Volks vertretung geregelt werden. Amerika. *Die überraschende Kündigung des Ver trages, den Nikaragua mit den Ver. Staaten wegen des großen Kanals geschlossen hatte, findet nun ihre einfache Er klärung. Die Morning Post' erfährt aus Washington, Nikaragua habe den Schritt auf Veranlassung der Der. Staaten gethan. An gesichts des Umstandes, daß der Vertrag doch binnen Jahresfrist ablaufen würde, wurde es für das beste gehalten, ihn schon jetzt zu be seitigen, um den Abschluß eines neuen Vertrages zu erleichtern, welcher den Ver. Staaten eine längere Frist zum Bau des Kanals *Die englische Presse enthält eine Reihe von Meldungen, deren augenscheinlicher Zweck es ist, die empfindliche Niederlage der Engländer bei Bethel einigermaßen zu beschönigen und zu vertuschen. Indessen die Toten bleiben tot, die Verwundeten haben zu leiden und nur die Gefangenen find mit dem Verlust ihrer Waffen und ihrer Kleidung davon gekommen. * Botha richtete ein Schreiben an Kitchener, worin er diesem mitteilt, daß die kürzliche Er schießung eines englischen Offi ziers durch die Boeren als erste Re pressalie für die Hinrichtung der verschiedenen Boerensührer zu gelten habe. Weitere Re pressalien würden folgen. * Ein Vetter des Generals Botha, Christian Botha, ist nach dem.Reuter- schen Büreau' in Volksrust gefangen worden. Botha war früher bei der Verwaltung von Natal angestellt, und führte seit Beginn des Krieges ein Kommando. *Wie aus Djibuti mitgeteilt wird, ist der NegusMenelik entschlossen, nächstes Jahr eine längere Europareise zu unter nehmen und sämtliche Hauptstädte zu besuchen. Asien. * Ernsthaft bedenklich scheint diesmal die Krankheit Li-Hung-Tschangs zu sein. Seine fremden Aerzte erklären, sie bestehe in einer Geschwürbildung im Magen. Sonderzug von Wildpark nach dem Bahnhyf Jävenitz und von dort zu Wagen nach Setzlings begeben. Der neue Poststempel. Der neu, Stempel soll Vorteile in mehrfacher Beziehung bieten. Bisher wurde die Marke selber mit der Orts- und Zeitangabe gestempelt, und diese Angaben waren infolge der unter der Schrift befindlichen Zeichnung der Marke häufig schwer Weder MechselmMrauch unter ländlichen Kreisen veröffentlicht der württembergische ,Staatsanzeiger' eine Zuschrift aus dem Bezirk Gaildorf, welche im Interesse der Landbevölkerung weiter verbreitet zu werden verdient. „Auf einem Viehmarkt kaufte ein Bauer ein paar Ochsen, deren Barbezahlung ihm nicht gleich möglich war. Der Händler läßt sich einen Wechsel auf den und den Tag ausstellen, bis wohin der Bauer das Geld zu zusammengebracht haben könnte. Als nun einige Tage vor dem eigent'ichen Zahlungstage das übliche Mahnschreiben eintraf, schickte der Schuldner den Betrag an seinen Gläubiger ein. Anstatt nun, wie es seine Pflicht gewesen wäre, den Wechsel durch Zurücknahme sofort außer Kurs zu setzen, ließ der Handelsmann ibn ruhig weiter umlaufen, so daß er am Verfalltag dem Bauern präsentiert wurde. Dieser verlor dar über alle Besinnung, und anstatt mit dem Wechsel zu einem rechtskundigen Manne zu gehen und ihn — in diesem Falle gewiß mit Erfolg — protestieren zu lassen, ging er hin und erhängte sich in geist ger Verwirrung. Der andere Fall in demselben Bezirk ist in seinem Ende zwar nicht so traurig, zeigt aber durch seinen Verlauf noch größere Verschmitzt heit. Ein Viehzüchter hatte ebenfalls ein paar Ochsen für 740 Mark erstanden, wovon er 600 Mark bar erlegte, mit dem Versprechen, den Rest baldigst begleichen zn wollen. Für die geleistete Zahlung wurde ihm eine „Quittung" ausgestellt, auf welcher der Betrag eingesetzt war, die er aber merkwürdigerweise selbst unter schreiben mußte. Diese Quittung war nichts anderes als ein Wechsel, den der Unkundige durch seine Unterschuss anerkannte und welcher ihm denn auch zu seinem Schrecken nach kurzer Zeit vorgezeigt wurde. Da ein Protest in diesem Fall erfolglos gewesen wäre, muß der Mann die 600 Mark doppelt zahlen, und da inzwischen die Firma in Konkurs gerwen ist, so so wird von den erstberahlten 600 Mark wenig oder nichts gerettet w'rden können. Der Tod hat den Wechsessä scher der irdischen Gerechtig keit entzogen, es ist einer, der auch sonst — wie uns ein Pfarrer schreibt — viel Nnglück in Familien gebracht hat. Aber welche ernste Mahnung zur Vorsicht sind solche Fälle für alle, die nicht mit dieser Art G-ldverkehr ver traut sind. Sie mögen alle zur Volksbelehrung und -Unterstützung bestellten Personen darauf Hinweisen, diesem Gebiete eine besondere Auf merksamkeit zu widmen." Uon Nah und Fern. Die Letzlinger Hosjagd wird am 15. und 16. d. staltfiuden. Schon am Nachmittag des 14. November wird sich der Kaiser mit dem Kronprinzen und einem großen Gefolge mit zu entziffern. Jetzt steht der Datumstempel allein und wird, da er meistens auf weißes Papier trifft, leichter lesbar sein. Rechts davon steht der eigentliche Entwertungsstempel in Ge stalt einer Flagge, die das Posthorn und die Kaiserkrone zeigt. Die Flagge ist lang genug gezeichnet, um gleichzeitig mehrere Marken zu entwerten. Die Stempelung erfolgt mittels einer Maschine. Der Verband der deutschen Mieter vereine, der im vorigen Jahre begründet worden ist, trat am 2. d. in Erfurt zu seinem zweiten Verbandstage zusammen. Auf ein Schreiben an die Hausbesitzer-Vereine, die mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch überein stimmenden Verträge als die normalen anzu nehmen, hat der Vorstand der Hausbesitzer- Vereine ablehnend geantwortet. Die Miets verträge der Hausbesitzervereine würden im all gemeinen nicht lästig empfunden. Die Ver pflichtungen gegen die Hypothekengläubiger ge statteten keine Aenderung. Verhaftet wurde am Sonntag in Köln der Schriftsteller Lenzer-München, der wegen Wechsel- und Urkundenfälschung im Betrage von 50 000 Mk. sowie wegen Unterschlagung von 1000 Mk. Boerengeldern steckbrieflich ver folgt wurde. Der Verhaftete trieb sich seit April unter dem Namen Rolf umher. Ein Billard für gefangene Boeren. Die kriegsgefangenen Boeren auf Ceylon klagen über Langeweile. Ein früherer preußischer Offizier unter ihnen schrieb deshalb um ein Billard nach seiner ehemaligen Garnison Hannover. Der Billard-Fabrikant Lange daselbst hat nun prompt ein Billard als Geschenk nach Ceylon gesandt. Bon einer Brandstiftung im Stadt theater zu Kiel wird berichtet: Das F'uer brach nachmittags auf dem Kulissenboden aus und zerstörte zahlreiche Dekorationen, Kostüme und Requisiten. In dem brennenden Raum wurde der Requisiteur Kaehler mit durch schnittener Kehle durch Feuerwehrleute noch lebend amge'unden und in das Krankenhaus geschafft. Die Untersuchung stellte fest, daß er das Feuer gleichzeitig an iünf Stellen angelegt und dann versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Mit einem Revolver, der bei dem Schwerverletzten gesunden wurde, hatte er sich Vier Schußwunden am Kopie beigebracht. An scheinend hat Kaehler die That in einem Anfall geistiger Umnachtung verübt. Das Feuer wurde gegen Abend gelöscht. Verschwundenes Kind. Aufgeklärt dürfte eine Affäre werden, die vor etwa 6 Jahren die Bevölkening des Arnswalder Kreises außer ordentlich beunruhigt hatte. Damals verschwand aus dem Dorfe Mienken her dreijährige Sohn des Besitzers Fenske. Nachdem alles Nach suchen vergeblich gewesen, nabm ein Teil der Bevölkerung an, daß daS Kind von einer UM diese Zeit in der Gegend gesehenen Zigeuner bande entführt worden sei, anderseits ging daS Gerücht, daß der Kleine einem Ritualmorde zum Opfer gefallen. Jetzt verlautet, daß ein in jener Gegend wohnender Förster R. auf seinem Sterbebeile bekannt habe, daß er den Knaben versehentlich erschossen und dann aus Angst, bestraft zu werden, verscharrt hätte. Die Be hörde beschäftigt sich bereits mit dieser An ze« i legenden, und es dürüe so gelingen, Licht in i die mysteriöse Sache zu bringen. Die verlorene Hochter. 17' Roman von C. Wild. «Fortsetzung.) Waber traf nur Harry; dieser machte ihm sofort die MTeilung, daß Vater und Schwester ab- gereist seien und er ihnen zu folgen gedenke. Waller war bestürzt; wenn es so stand, so war es fast überflüssig, sein Anliegen vor zubringen, trotzdem versuchte er sein Heil. Harry Wilson hörte ihn verbindlich lächelnd an und sagte dann bedauernd: „Wie schade! Aber es ist mir beim besten Willen nicht mög lich, Ihnen zu helfen. Meine eigenen Mittel find nur gering, und da ich im Begriff stehe, ab zureisen, werden Sie einsehen, daß ich mich nicht entblößen kann. Ihre Tante ist doch so reich, Herr v. Carsten; wenn Sie ihr ein gutes Wort geben, wird sie Ihnen schon unter die Arme greifen." „Ich bin nicht mehr bei ihr," murmelte Walter, „wir haben uns überworfen. Sie zürnte mir." „O, sie wird sich schon erweichen lassen. Sie war Ihnen ja immer so geneigt. Versuchen Sie eS nur, ihre Gunst wieder zu gewinnen/ „Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben," versetzte Walter bitter; „wenn sie aber unerbittlich bleibt, dann ..." Er vollendete nicht. Zornig über sich selbst, daß er sich dieser Demütigung ausgesetzt, er hob er si». Harry gab ihm bis zur Treppe das Geleit, sich in Entschuldigungen und banalen Phrasen erschöpfend. In sein Zimmer zurück- gekehrt, brach er in ein lautes Lachen aus. abgereist. Van Beerbrouck befand sich in ziemlicher Aufregung. Nachdem Frieda das Haus ver lassen, wollte er Walter sprechen, aber der junge Mann war nicht da, und Stunde um Stunde verging, ohne daß er erschien. Beerbrouck ging zu seiner Tochter; sie lag auf einem Ruhebett, ein Buch in der Hand, das sie beim Eintritt des Vaters sofort weglegte. Sie wußte noch nichts von Friedas Entkernung, denn van Beerbrouck hatte allen Dienstboten die strenge Weisung erteilt, seiner Tochter nichts von derselben zu sagen. Als er in das süße, bleiche Gesicht des Mädchens blickte, da schwor er sich zu, nichts „Der Thor," rief er spottend, „der sitzt nun fest im Pech und ich aönne es ihm von Herzen. Von mir hat er sich Hilfe versprochen, von mir — da könnte er lange warten! Was ist denn das?" fuhr er sort, einen zierlichen Spazierstock ergreifend, der an einen Stuhl lehnte; „ein silberner Griff und drinnen kin graviert Walter von Carsten? Wahrscheinlich noch ein Geschenk aus der Zeit, da er der Günstling seiner Tante war. Den Stock bat er in seiner Bestürzung vergessen. Ich zweifle aber, daß er kommen wird ihn zu holen, und nachlaufen werde ich ihm auch nicht — das Ding soll bis auf weiteres da bleiben." Er lehnte den Stock in eine Ecke, vergnügt leise vor sich hinpfeifend. Selmas Glück ging dem zärtlichen Vater über alles. Er beugte sich über sie und drückte einen sanften Kuß auf ihre Stirn. „Wie geht es dir, mein Kind?" fragte er, seine rauhe Stimme zu weichen Tönen zwingend. Sie lächelte ihn an. „Etwas matt, Papa, doch das wird vorüber gehen. Aber sag' mir nur, was ist es mit Frieda? Um diese Zeit pflegte sie doch schon immer bei mir zu sein. Als ich nach ihr fragte, meinte die Kammerfrau, das Fräulein müsse ausgegangen sein, da ihr Zimmer leer stünde. Hast du ihr irgend einen Auftrag erteilt, Papa?" Van Beerbrouck mußte sich abwenden, um den offenen, klaren Blick seines Kindes zu ver meiden. „Nein. Selma, mein Liebling, du mußt mich ruhig anhören — Frieda ist abgereist!" „Abgereist, ohne mich zu sprechen? Was soll das heißen? Wann kommt sie wieder?" Van Beerbrouck hatte seine Verlegenheit glücklich bezwungen. Die zarte Hand seiner Tochter sanft streichelnd, sagte er in beruhigen dem Tone: „Reg' dich nicht auf. Es ist nichts von Bedeutung. Frieda hat von irgend einer Tante die Nachricht bekommen, daß die Dame schwer erkrankt sei und dringend ihrer jungen Verwandten bedürfe. In einem solchen Fall muß man doch Einsehen haben — ich gab ihr Urlaub für unbestimmte Zeit und sie ist sofort „Ich wollte, daß dir diese Aufregung erspart bliebe, liebes Kind." „Ja, aber wie kommt es denn —? Frieda sagte doch stets, daß Walter eigentlich ihr einzi ger näherer Verwandter sei?" „Die alte Dame ist auch ganz plötzlich und unvermutet aukgeiaucht — so etwas kommt häufig vor. Man kennt oft seine nächsten Ver wandten nicht. Ich hatte doch nicht das Recht, Frieda zurück zu halten, da sie mich bat, ihr Urlaub zu gewähren." „Nein, Papa, nein, das ist es nicht. Wo hin ist sie abgereist? Weiß Walter darum?" „Das weiß ich nicht, ich muß den Namen des Ortes überhört haben, vielleicht hat auch Frieda ihn gar nicht genannt — es ging alles in großer Eile," versetzte van Beerbrouck, die letzte Frage seiner Tochter absichtlich über hörend. Er brannte vor Verlangen, dieses Ge spräch zu enden, denn so schlau er sonst im ge wöhnlichen Leben war, seiner Tochter gegen über sühlte er sich gar oft seltsam besangen. Selma blickte nachdenkend vor sich hin; e« that ihr weh, daß Frieda es über sich gebracht, ohne Abschied von ihr zu gehen. Sie hatte sie lieb und in ihr mehr ihre Freundin als die be- zahlte Gesellschafterin gesehen. „Die Wilsons haben Hamburg verlassen," unterbrach der Holländer die eingetretene Pause; es lag ihm daran, das Gespräch von Frieda abzulenken. Selma richte sich lebhaft empor. „Ach, Papa, wie mich das freut 1 Hoffent lich find wir sie los, für immer!" „Hoffentlich," sagte van Beerbrouck leise bei unversucht zu lassen um ihr den Mann ihrer abgereist." Wahl zu verschaffen. Da sie ihn lieble, so „Seltsam! Ohne von mir Abschied zu sollte fie auch Walter von Carsten bekommen; nehmen."
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