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Der Zar, bei den französischen Manöver» die neuen Feldgeschütze besichtigend. unter meinem Dache da» Tastrecht genießen; aber daß ich nicht wider meinen Willen gezwungen werde, cs zu vergessen, ist es besser, daß ich Sie jetzt verlasse. Be dürfen Sie vor Ihrer Abreise noch nach irgend einer Richtung hin meiner Dienste, so bitte ich Sie, ganz über mich zu befehlen." Ihre Antwort bestand nur aus einem kurzen, stummen Neigen deS Hauptes, und Eberhard ging. So bald er sein Arbeitszimmer erreicht harte, klingelte er nach dem Kammerdiener. »Ist es richtig, daß Sie dies Armband gefunden haben?" fragte er, ihm den silbernen Schmuckgegcnstand entgegenhaltend. »Zu Befehl, Herr Baron! Ich fand es am Morgen nach dem Feste hier vor dem Schreibtisch des gnädigen Herrn." »Und Sie überbrachten es dem Fräulein von Totfalush, weil Sie cs für das Eigentum dieser Dame hielten? — Nun, ich will Ihnen keinen Vorwurf daraus machen, obwohl Sie sich in Zukunft besser damit be gnügen, Gegenstände, die Sic in meinem Ziminer am Boden finden, aufzuheben und an einen passenden Platz zu legen, wo sie von mir bemerkt werden können. Fräulein von Rochlitz muß das Armband hier verloren haben, als sie am Vormittag auf meinen Wunsch einiges in meinem Zimmer ordnete!" „Ich bitte um Verzeihung, Herr Baron; aber ich weiß bestimmt, daß der Reif noch nicht dort auf dem „Verzeihen Sie, wenn ich mich ungeschickt ausgedrückt habe," sagte sie mit einer Sanftheit, die ihn mehr empörte, als ihre vorige höhnische Schärfe, weil er gut genug wußte, daß ihn der Stoß, zu dem sie ausholte, nur um so tiefer treffen sollte. „Und denunzieren Sie mich, bitte, dem Fräulein von Rochlitz nicht wegen Fundunter schlagung, weil ich es thörichterweise für besser hielt, mich dieses Ver gehens schuldig zu machen als gewisse diskrete Vorkommnisse dem Gerede der Dienerschaft Preiszugeben." „Bei Gott, Ilona, Sie machen es mir schwer, Ihnen ruhig zu antworten. Was für ein abscheulicher Verdacht ist es denn eigentlich, den Sie an diesen harmlosen Fund meines Dieners knüpfen?" „Kein abscheulicherer als der, den wahrscheinlich auch jeder andere hegen würde, wenn er unter so besonderen Umstünden ein Stück von der Toilette einer Dame im Zimmer eines Mannes fände, der weder ihr Gatte noch ihr Bruder ist. Ich hätte ja allerdings nicht die geringste Ursache gehabt, ausnehmend zarte Rücksichten auf den Ruf des Fräulein von Rochlitz zu nehmen; aber um meiner unglücklichen Schwester willen, deren irdische Hülle —" Eberhard ließ sie nicht ausreden. Er war mit seiner Fassung zu Ende und nur mit äußerster Anstrengung noch hielt er den Ausbruch seines Unwillens zurück, dessen drohende Anzeichen sie deutlich genug in dem Ausblitzen seiner Augen und in dem Beben seiner Lippen hatte wahr nehmen können. Hastig griff er nach dem Armreif, den sie vor ihn auf den Tisch gelegt hatte, und mit gebiete rischer Ent schiedenheit fiel er ihr ins Wort: „Lassen Sie es genug sein,Ilona! Auch ich bin nur ein Mensch und meine Ge duld ist die eines Men schen. Ich null nicht vergessen, daß Sie Gabrielens Schwester sind, und daß Sie Teppich lag, als ich am späten Nachmittag des Festtages die Lampen anzündele." Auch Eberhard wußte, daß dies nicht der Fall gewesen sein konnte, denn eine jener zufälligen Fügungen, die ost so bedeutsam in ein Menschenleben eingrcisen, wollte, daß er sich mit voller Ge wißheit erinnerte, den glatten, silbernen Reif noch an Hildens Arm gesehen zu haben, als er seine letzte, inhaltsschwere Unterredung mit ihr geführt. „Es ist gut — das ist ja ganz nebensächlich," schnitt er alle etwa beabsichtigten Darlegungen des Dieners ab, und dann, nach kurzem Zaudern wie nach innerem Kampfe, fügte er hinzu: „Ist Ihnen etwas davon bekannt, daß während der letzten zwei Stunden vor dem Aus bruch der Gäste irgend jemand in meinem Zim mer gewesen sei?" „Nein, Herr Baron, da von weiß ich nichts! Ich war ja auch unten beim Servieren be schäftigt. Aber wenn der Herr Ba- ron befehlen, werde ich mich bei den Mäd- chen, die sich während der Tafel hier im oberen Stock werk befan den, erkundi gen, ob —" — „Nein, nein!" wehrte Eberhard mit einer entschie denen Hand, bewegung. „Es war nur Bedeutung." Der Kammerdiener verbeugte sich und ging, um die Befehle des gnädigen Fräulein für ihre morgen bevorstehende Abreise zu empfangen. Daß Hilde vor ihrer Abreise noch einmal in seinem Zimmer gewesen war, durfte Eberhard kaum bezweifeln; aber sie konnte dafür hundert naheliegende Beweggründe gehabt haben, und es hätte für ihn kaum einen Anlaß gegeben, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wenn er selbst nicht schon vor mehreren Tagen eine Entdeckung ge macht hätte, die ihm unter anderen Umständen sicherlich Anlaß zu einer umfassenden und gründlichen Untersuchung gegeben haben würde. lForgetzung solzt.! Dberlehrer Da. Heinrich Schröder. eine beiläufige Frage, und die Sache ist ohne alle