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einen Auftrag, oamit sie sich als Hausgenossin fühle. Aber eine I Gestalt des Doktors Bewegung. Er streckte die Arme aus, als Frag sie doch noch einmal, ob sie nicht bleiben will, Friedrich, > durch die Ebene zischte, bis sie spurlos in der trüben Ferne vertauchte. sie ist hier schon wie zu Hause — und was Labac et Lher, der schwarze RaxeUmrister. lch hätte Ihnen gern noch eine !. Aber als der Zug zu rollen begann, um immer I den Tadel hin. Sie empfand, daß die weise Sybille rec u gierten, unaufhaltsam schnell, da kam in die große I ihr wenig an einer zweiten, angefaulten Orange lag. IS*ns- Und Ulrike mußte trotz des Kummers lachen, denn sie dachte, daß hienieden endlich jedes Ding seine Bestimmung erfülle, und daß nian schließlich auch einen Giraffenhals hübsch finden könne, wenn er dafür sorgte, daß ein gutes altes Gesicht mit zwinkernden Augen noch so lange erkenntlich blieb. Wie der Zug sie immer weiter trug, an fremden Stationen hallend, Unbekannte auf nehmend und entlassend, die sich hastig und rücksichtslos vorivärtsdrängten, jeder nur für sich und das Seine besorgt, da ergriff eine große Unruhe Ulrikes Herz, eine Furcht vor der erbarmungslosen, gleichgiltigen Fremde, vor dem regen, hochentwickelten Leben ringsum, das so geschäftig seinen Gang sortsetzte, un bekümmert um ihre Gegenwart und ihr Dasein. Es schien ihr eine ungeheure Kühnheit, sich in dieses Gewirre hineinzuwagen, einen Platz für sich zu beanspruche» in dem großen Gewese, das bis dahin sie so wenig entbehrt hatte. Ihr wurde zum erstenmal das Verhältnis des ein zelnen zum großen Ganzen klar, und sie kam sich so unnötig und überflüssig vor, daß sie in zager Reue daran dachte, umzukehren und lieber still in dem Schatten der kleinen Stadt zu verschwinden. Aber dann sprach sie sich wortlos hinnahm. — Aber als der Zug zu rollen begann, um immer schneller davon zu / ' " " ... Der mit dem ersten Oreise gekrönte Entwurf eines Wagner-Denkmals. Unterhaltung mit ihr war schwierig und ihr selbst lästig, da sie säst gar nicht hörte und sich das Wenige nur durch ein Hörrohr zu esgen machte. selbst Mut ein, stellte sich vor, daß eine Umkehr Fahnenflucht be deute und sie voraussichtlich sür immer an den Doktor fesseln — und für einen Notbehelf war er zu schade! Und war die starke Dame, die sich bequem mit vielen Kiffen und Decken ihr gegenüber niederließ, nicht auch nur im Augenblick wollte er sie einfangc» und sesthalte», dann schwenkte er Hut und Tuch und sah der langen, dunklen Schlange nach, die so eilfertig sür den Schaffner wichtig, der ihr Billet kontrollierte und gefällig all ihre Fragen über Ankunft, Ver bindung und Aufenthalt beantwortele? Sonst bedeutete auch sie vielleicht ein Nichts wie Ulrike und spielte in der Weltordnung und deren Kreislauf dieselbe Nebenrolle. Sich selbst kam sie allerdings sehr groß vor; in aus reichendster Weise sorgte sie sür ihre Bequemlichkeit und betrachtete es als etwas Selbstverständliches, daß Ulrike ihr half, wenn sich ihre Plaids ver schoben oder ihren dick behandschuhten Fingern etwas entfiel. Sie bereitete sich ein hübsches Frühstück, dessen Bestandteile sie verschiedenen Körben und Taschen entnahm, dann schien sie eine Weile etwas zu überlegen und endlich sagte sie zu Ulrike: „Hier ist eine Apfelsine — bitte, nehmen Sie doch! Ich esse doch keine Apfel sinen — die angestoßene Stelle müssen Sie ausfchneiden!" Ulrike dankte lächelnd für dieses Opfer und die alte Dame sah sie mißtrauisch an. „Wohin wollen Sie denn, mein Kind?" Ulrike nannte ihr die Stadt. „Ach, so weit fort? Weshalb denn? Nur zum Vergnügen?" Ulrike gab ihr kurz Bescheid und sah dann zum Fenster hinaus. Die alte Dame schwieg. Aber als sie sich bald darauf bei einem Wagenwechsel trennten, sagte sie zu Ulrike, die ihr das Gepäck hinaus reichte: „Nehmen Sie einen Rat an von mir, mein Kind: Seien Sie immer zuvorkommend und höflich gegen alte Leute, selbst wenn deren Fragen Sie belästigen. Sonst über sehen Sie einmal Ihren Vorteil — zweite Apfelsine geschenkt, wenn Sie — Ulrike nahm errötend und verlegen Epheupflanzen, die sich noch spärlich über die dunkle Erde des Hügels hinzogen. „Verlaß Du mich nicht und laß mich einst zu Dir zurück kommen, mehr will ich nicht von der Zukunft." Sie ging traurig fort, ohne kühne, welterobern de Pläne wie Ernst. Sie hatte trotz allem Heimweh nach dem alten Hause, nach den lieben, vertrauten Zimmern — ihr war, als hätte sie mehr als einen Toten zu klagen. — Wortlos reichte sie soll das Kind in der weiten Welt," sagte sie eines Abends eindringlich, als sie dem Sohn allein gegenüber saß. Aber er schüttelte nur verneinend das Haupt. Junge und Alte — das bleibt immer ein gefährlicher Versuch und führt nicht innige Liebe von beiden Seiten ihn herbei, so ist der Erfolg meistens traurig. Und jetzt besonders mochte er Ulrike nicht von seinen früheren Wünschen reden, es wäre ihm wie ein Ver trauensbruch erschienen, auch unritterlich, aus ihrer Not Vorteil ziehen zu wollen. Die alte Frau sah ihn immer noch bittend an und legte ihm die Hand auf den Arm. Er war ihr eine Antwort schuldig. „ES ist vorüber, Mutter," sagte er lang sam und machte eine fortweisende Bewegung. Sie nickte, sie verstand ihn und leise seufzend strikte sie weiter. Endlich, endlich, nachdem ihr die Zeit schon säst verpaßt schien, traf auch ihn die Liebe — zu solch einem jungen Kind, das gar keinen Begriff davon hatte, welch ein goldenes Herz, welch eine warme, schöne Zu kunft an der Brust des guten Mannes es von sich wies. So blieb nur von ihr allein sein Wert erkannt und schloß sie die Augen, so war mich besser unterhalten hätten. den Tadel hin. Sie empfand, daß die weise Sybille recht habe, obgleich er der häßliche, alte, einsame Doktor, um dessen Wohl und Wehe niemandes Puls einen schnelleren Schlag that. Manchen Menschen scheint das Glück ganz zu vergessen, oder zu ahnen, daß er mit seinem selbstlosen, großmütigen Herzen doch nie den Mut fände, im rechten Augenblick zuzugreifen; und so kehrt es ihm nach einmal gegebener Chance unwillig den Rücken. Ulrike begriff nicht, wie sie je mals den Doktor häßlich oder un schön habe finden können: aus seine« Augen leuchtete die Güte, die einst den Blick ihrer Mutter verklärt hatte und ihr war, als sei der alte Freund von jeher ihr Berater, ihr Schutz gewesen. Gewissenhaft erwog er alle Pläne mit ihr und hörte geduldig zu, wenn sie ihr kleines Kapital be rechnete und einen Ueberschlag machte, wie lange sie leben könne, wenn sie einst Plötzlich entlassen und brotlos würde. — Auch hatte er die nötigen Briese sür sie geschrieben und Er kundigungen eingezogen und nun endlich hatten sie eine Familie und ein Haus gefunden, das dem ent sprach, was der Doktor sür seinen Schützling wünschte. Ulrikes Hausst- bedmgung war gewesen, in ein fremdes Land oder eine andere Pro vinz zu kommen, jedenfalls weit fort von hier, wo die alten Erinnerungen sie quälten und die unerquicklichen Vorgänge auf sie lasteten. „Morgen gehts fort, Mutter," sagte sie und strich über die jungen am andern Morgen dem Doktor die Hand aus dem Kupee, das Herz war ihnen beiden schwer und es blieb bei dem Dank, den sie noch einmal stammelte und den er