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Allgemeiner Anzeiger : 16.11.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190111160
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- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19011116
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19011116
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
-
Monat
1901-11
- Tag 1901-11-16
-
Monat
1901-11
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.11.1901
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Politische Pnudscho«. Deutschland. *Die Ehescheidung des Groß- Herzogs von Hessen soll nach dem,Bsrl. Tagebl.' bevorstshen. Die Großherzogin weilt seit dem 16. Oktober bei ihrer Mutter in Kobmg-Gotha. In den letzten Tagen hat der R^gem von Sacksen-Kobura-Gotha nach einer Rücksprache in München mit dem soeben aus Italien zmückgekehrten Großherzog sich nach Berlin mm Kaiser begeben. Gleichzeitig ist Prim Heinrich nach Darmstadt gefahren. *Der Bundesrat hat dem .Wölfischen Bureau' zufolge in seiner Sitzung am Dienstag dem Zolltarisentwnrf entsprechend dem Ausschußantrag die Zustimmung erteilt. *Die auf die Haager Friedens konferenz bezüglichen Konventionen und Erklärungen werden jetzt im,Reichsgesetzbl.' veröffentlicht. An erster Stelle steht das Ab kommen zur friedlichen Erledigung der internationalen Streitfälle. (Diese Veröffentlichung ist gerade im gegen wärtigen Augenblick äußerst zeitgemäß I) * Der Reichstag wird nach der Wieder aufnahme der Plenarsitzungen noch manches bei der Vertagung am 15. Mai liegen gebliebene Arbeitsmaterial zu erledigen haben. Aus den Kommissionen waren herausgekommen die Seemannsordnung mit den Neben gesetzen, die Strandungsordnung, das Schaumwein st euergesetz, der Entwurf eines Süßstoffgesetzes, der Entwurf eines Gesetzes betr. die Uebernahme einer Garantie des Reiches in bezug auf die Eis en- bahn vonDar-es-Salaam (sog. ost afrikanische Zentralbahn), sowie von wichtigen Initiativanträgen, die vom Zentrum gestellten Anträge betr. die Freiheit der ReligiouSübung lsog. Tolcranzanträge) und die Anträge Munckel- v. Salisch - Rintelen auf Revision des Gerichts- ver assungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung und de? Strafgesetzbuches. Die meisten Jniiativ- awräge haben kaum das Plenum beschäftigt, geschweige denn zu greifbaren Ergebnissen ge führt. Außerdem sind noch Berichte der Peti- tions - und der Wahlprüfungs - Kommission zu verbandeln. * Die Einberufung desKolonial- rates, der nun bestimmt in der Zeit vom 21. bis 23. d. tagen wird, erfolgt in den nächsten Tagen: zugleich wird auch die Lifte der Mitglieder für die nun dreijährige Sitzungs periode veröffentlicht werden. * Das Re'Ksversicherungsamthat die Vorstände der sämtlichen Lebensver- sicherungsansialten und der auf Grund des Jnvalidenversichcrungsgesetzes bestehenden Kasseneinrichtungen auf den 15. November zu einer Konferenz nach Berlin eingeladen. Den Gegenstand der Beratungen bildet eine Anzahl von Fragen aus dem Gebiete der Praxis der Invalidenversicherung. * Auch sämtliche thüringis che Staats- Regierungen haben amtliche Erhebungen über die industrielle Lage Thüringens und die Arbeitslosigkeit angeordnel. * Der Deutsche Handelstag hat in der Aich- srage eine neue Eingabe an den Reichskanzler gerichtet, in welcher er zur Herstellung voller Einheitlichkeit im Aichwesen für das ganze Deutsche Reich um Festlegung der Aichgebühren auf den niedrigeren bayrischen Satz bittet. England. * Von einem neuen Friedensange bot ist in der englischen Presse die Rede. .Daily Mail' veröffentlich! eine auaeblick authentische Mitteilung aus dem Präsidenten Krüger nahestehenden Kreisen, in der es heißt, daß Krüger die Eröffnung von Friedensunter- handlnngen ernstlich in Erwägung ziehen werde, wenn dieselbe ihm direkt von einem annehmbaren Vertreter Englands angeboten werde und auf folgenden Bedingungen beruhe: Amnestie für die A u f st Ln d i s ch en, so fortiger Rücktransport der Ge fangenen und der übrigen in den Lagern oder an anderen Orten festgehaltenen Personen, Zurückziehung aller britischen Truppen aus dem Gebiete der Republiken, Wiederaufbau aller zerstörten Farmen oder Zahlung einer Entschädfqung für alle materiellen Verluste und schließlich Abschluß eines von Frankreich und Rußland garantierten Ver trages, welcher den Boeren unmittel bare Autonomie und alle Rechte der Selbstverwaltung unter der Afrikander-Flagge gewährt, wogegen die Boeren als Gesamt kriegsentschädigung den Witwaters- rand und die Goldfelder an England abtreten. *Die englischen Torpedoboots- zerstörer find bekanntlich in letzter Zeit vom Unglück verfolgt worden. Es hat sich gezeigt, daß sie viel zu schwach gebaut waren. Trotz dem hat der erste Lord beim Lordmayor-Bankett in London am 9. d. kühn behauptet, die eng lischen Torpedobootszerstörer hätten sich als ein triumphierender Erfolg erwiesen. Holland. *Der Verwaltungsrat des Haager Schiedsgerichtshofes ist für den 20. November einberu?en worden, um über den Antrag der Boeren auf Entscheidung der südafrikanischen Frage Beschluß zu fassen. (Wozu bloß diese Komödie?) Svanien. *Bei den spanischen Gemeinderats wahlen hat es am Sonntag blutige Köpfe gegeben. Am ärgsten ging es in dem ewig unruhigen Barcelona her. Dort kam es in einer großen Anzahl Wahlversammlungen zu heftigen Zusammenstößen zwischen Katalanen und Republikanern. Beide Parteien schossen mit Revolvern aufeinander. Gegen 6 Uhr abends schätzte man die Zahl der Verwundeten auf vierzig. Rußland. * Gerüchtweise verlautet, die Petersburger Polizei habe eine nihilistische Ver schwörung entdeckt, die bezwecke, den Zug desZarenbei dessen Rück, ehr von Spala nach Petersburg in die Luft zu sprengen. Der Minister des Innern und der Chef der Polizei reisten deshalb nach Warschau ab. Balkanstaaten. *Jn aller Stille, ohne Salutschüsse, hat Admiral Caillard mit seiner Flotten abteilung Mytilene verlassen. Der Operettenkrieg ist zu Ende, ehe er begonnen hat. *An den vollständigen „Sieg" Frankreichs im türkischen Streit knüpfen sich bereits hoch fliegende Pläne über die Ausnutzung des neu gekräftigten russisch-französischen Einflusses im Orient. Es heißt, Rußland und Frankreich würden nunmehr die Verleihung der Kon zession der B a g d ad b ah n, die dem deutschen Syndikate versprochen wurde, an ein ru s s i s ch - französisches Syndikat betreiben und dafür der stets geldbedürftigen Pforte eine größere Summe vorstrecken. Man svricht in Paris auch bereits von der Möglichkeit der Verdrängung Englands aus Aegypten. *An Stelle des verstorbenen Maat Pascha ist Abdurrahman Pascha zum Groß wesir ernannt worden, der einzige Ratgeber des Sultans, der gegen das Abkommen mit Frankreich gestimmt und dasselbe auch nicht mit unterzeichnet hat. Abdurrahman gilt für eine ehrliche, aber ziemlich fanatische Persönlichkeit. Er war schon früher Großwefir und hat sich, als geschulter Diplomat, im Verkehr mit den Mächten bewährt. Slber gerade mit Constans ist er in der kritischen Zeit, die der Abreise des irauzösischen Botschafters vorausging, in überaus heftiger Weise zusammengestoßen. Amerika. * Der .New Jork Herald' entdeckt eine aber malige Bedrohung der Monroe- Doktrin durch Deutschland, weil die Atlas-Linie eine Kohlenstation in Cartagena (Kolumbien) anlegen wolle. Diese Gesellschaft sei vom Deutschen Reich subventioniert. Deren Hilfskreuzer könnten die Station als strategische Basis ausnützen, um das Karaibische Meer zu beherrschen: das sei gefährlich für den Jstbmus- Kanal; Kolumbien solle deshalb das Gesuch der Atlas-Linie abweisen. Afrika. *Jn Südafrika ist wiederum eme jener Pausen eingetreten, die die dortige Guerilla- .diegsführung zu unterbrechen Pflegen und die vor allem zeigen, daß die englische Armee mit den Boerenkorps nie dauernd Fühlung hat. Alle». *Das chinesische Auswärtige Amt Kist mit, der kaiserliche Hof werde etwa in einem Monat in Peking eintreffen. Die deutsche Ueichspost von 1896-1900. Gleich anderen Verwaltungen hat auch die Reichspost dem Kaiser einen zusammenfassenden Bericht über ihre Thät'gkeit während eine? längeren Zeitraums vorgelegt. Der Bericht umfaßt mit den Etatsjahren 1896—1900 eine besonders wichtige Epoche in der Entwickelung der deutschen Reichspost. Zweimal ist ein Wechsel in der Leitung eingetreten, eine Reihe von wichtigen Gesetzen ist verabschiedet worden, die Psrsonalverbältnisse sind zum Teil bereits umgestaltet, zum Teil in der Neubildung be griffen. In den fünf Jahren sind 22 896 etatsmäßige Stellen für Beamte und Unterbeamte neu in den Etat eingestellt worden. Das gesamte Per sonal ist von 161000 im Jahre 1896 auf 191256 im Jahre 1900 angewachsen. Davon find Beamte 79 875, Unterbeamte 86 208, regel mäßig beschäftigte andere Personen 23 891, Posthalter 900 rc. Die Gesamtzahl der Bost anstalten ist aus 32 045, die der Reichs-Tele graphenanstalten auf 16 419 angewachsen. 1896 hatte die Zahl der Postanstalten 28 683, die der Telegraphenanstalten 13 729 betragen. Postämter gibt es jetzt 1. Klasse 662, 2. Klasse 688, 3. Klasse 2960, Zweigpostanstalten 528, Bahnpostämter 32, Postagenturen 9050, Post hilfsstellen 18125. Bei selbständigen Telegraphenämtern und Stadtiernsprechämtern waren insgesamt 113 541 Beamte, 2050 Unterbeamte und 2736 außer halb des Beamtenverhältnisses stehende, dauernd oder in regelmäßiger Wiederkehr beschäftigte Personen. Die Post- und Telegraphenschule ist durch Vermehrung und bessere Einrichtung der Räume derart vergrößert worden, daß nun mehr in den beiden Abteilungen je 100 Beamte unterrichtet werden können. Der Lehrplan ist durch Aufnahme von englischem und fran zösischem Sprachunterricht erweitert worden. Die Bewilligung eines vierzehntägigen bis dreiwöchigen Erholungsurlaubs an die etats mäßig angestellten Beamten und eines Erholungs urlaubs bis zu zehn Tagen an nicht etais- mäßig angestellte Beamte und an Unterbeamte hat günstige Erfolge für das Wohlsein des einzelnen gezeitigt: die dadurch erzielte höhere Leistungsfähigkeit und Bernfsfreudigkeit ist dem Dienst zugute gekommen. In erfreulichem Umfang hat sich in den letzten Jahren ins besondere auch der Erholungsurlaub für die Unterbeamten weiter durchführen lassen, so daß im Jahre 1900 75,7 Prozent aller etatsmäßig an gestellten Unterbeamten durchschnittlich 7,6 Tage und 30,4 Prozent aller nicht etatsmäßig an gestellten Unterbeamten durchschnittlich 5 Tage Urlaub erhalten konnten. Die Sonntagsruhe auszudehnen hat tfich die Verwaltung stets angelegen sein lassen. Während früher die Beamten und Unterbsamten des Betriebsdienstes innerhalb eines drei wöchigen Zeitraums für einen Sonntag — sei es für einen ganzen oder für zwei halbe Tage — dienstfrei waren, gilt jetzt als Regel, daß das Betriebspersonal in einem zweiwöchigen Zeit raum mindestens für einen Sonntag — sei es für einen ganzen oder für zwei halbe Tage — vom Dienste frei ist. Seit 1896 find Versuche mit einer Sommer kleidung gemacht worden. Am zweckmäßigsten erwies fich ein Rock aus leichtem dunkelblauen Wollstoff in Litewkensorm, der nunmehr den Unterbeamten allgemein geliefert wird. Der neue Sommsnock ist leicht und beguem, aber doch widerstandsfähig genug, bei plötzlichem Witterungswechsel vor Erkältung zu schützen. Den 41 Post Krankenkassen gehörten Ende 1900 24844 Mitglieder an. Die Gesamtein nahme der Kassen an Beiträgen belief fich 1900 auf 563 369 Mk. Die Gesamtausgabe hat 1900 379 016 Mk. betragen. Das Vermögm d-r Krankenkassen betrua Ende 1900 378161 Mark, wovon 368 342 Mk. dem Reservefonds anaehörten. Die Dostoertrauensärzte find ver- mebr> worden: Ende 1900 waren au 52 Orten 70 Vertrauensärzte. Die Zabl der täglich zur Postbeförderung benutzten Eisenbahnzüae betrug Ende 1895 8275, Ende 1900 11005. Die Gesamt-Post- kurslänge auf Eisenbahnen bezifferte fick Ende 1895 auf 37105 Kilometer, Ende 1900 auf 43 087 Kilometer. Die Bahnposten, die am 1. Mai 1899 fünfzig Jahre bestanden hatten, legten 1895 159 Millionen Kilometer, Ende 1900 190 Millionen Kilometer zurück. Die Zahl der Postkurse auf Landstraßen ist natur gemäß zurückgegangen. Sie betrug Ende 1895 10 385, Ende 1900 nur noch 10 026, darunter waren Personenposten Ende 1895 758, Ende 1900 5l0. Die Zahl der mit den Pe>sonen- posten gereisten Personen betrug 1895 1767 800, im Jahre 1900 1 364 482. Von sämtlichen Post-n wurden zusammen im Jahre 1895 236 067 540 Kilometer, im Jahre 1900 dagegen 261084 829 Kilometer zurückgelegt. Um den Betrieb in den Bahnposten des Kurses Köln- Verviers, denen der größte Teil des Verkehrs m>t Westeuropa und den überseeischen Ländern zusällt, weiter zu erleichtern, werden anstatt wie früher zwei — jetzt vier deutsche Bahnposten bis Ostende Kai. durchgeführt und daselbst die zahlreichen Briefbeutel unmittelbar mit den Postdampfern ausgetauscht. Die vom Reich unterstützten Postdampfer linien nach Ostafien und Australien entsprachen, namentlich in bezug auf die Zahl der Fahrten, den Bedürfnissen des Verkehrs nicht mehr; die Reichsregierung war daher schon seit Jahren bemüht, die hervorgetretenen Mängel zu be seitigen und für die Reichs-Postdampferlinien eine neue Grundlage zu schaffen. 1898 wurde ein Gesetz verabschiedet, nach dessen Bestimmungen die vierwöchentlichen Fahrten nach und von Ost- Asien verdoppelt und mit erhöhter Geschwindig keit ausgeführt werden sollten. Damit war die deutsche Linie den englischen und französischen Linien, deren Dampfer in 14tägigen Zwischen räumen verkehrten, in jeder Beziehung gleich wertig gemacht. Während bis dahin die Reichs- Postdampfer sich alle vier Wochen nur einmal zwischen diese Fahrten geschoben hatten, so daß auf sie naturgemäß nur ein sehr geringer Anteil an dem Verkehr zwischen Europa und Ostafien entfallen war, konnten sie fich nunmehr an den Fahrten in der Weise beteiligen, daß in vier zehn Tagen je eine Fahrt durch englische, französische und deutsche Schiffe ausgesührt wird. Die Einstellung mehrerer neuen sehr leistungsfähigen Dampfer sowie die Ausdehnung der Fahrten, unter Fortfall der Zweiglinie Honkong - Jokohama, über Schanghai und Japan haben namentlich dazu beigetragen, den Anteil der deutschen Postdampfer am astatischen Verkehr zu heben; sie hat zugleich bewirkt, daß die nach Japan bestimmten Waren in Honkong nicht mehr umgeladen zu werden brauchen. Die Zahl der Posthaltereien betrug 1900 969, die der Postillione 4391, der Posthalterei pferde 6983, und die Pierde der fahrenden Landbriesträger 2381. Die Ausgaben für das Postfuhrwesen find auf 15 Mill. Mk. ange wachsen. Die Ausgaben für das Postfuhrwesen werden durch die Eröffnung neuer Eisenbahnen nur wenig beeinflußt; im allgemeinen fallen dadurch zwar Landpostkurse fort, anderseits machen aber die Vermehrung der Postanstalten auf dem platten Laude, das Anwachsen der größeren Städte sowie die unausgesetzte Zu nahme des Postpaketverkehrs neue Postüesörde- rungs-Einrichtungen erforderlich. Die Fortschritte des Fernsprechwesens be stehen hauptsächlich in der in keiner früheren Periode erreichten Verdichtung des Fernsprech netzes, sowie darin, daß der Fernsprecher nicht mehr vorzugsweise den großen und mittleren Orten zu gute kommt, sondern fich überraschend schnell auf die kleinen Städte und das flache Land ausgedehnt hat. Orte mit Fernsprech- Vermittelungsanstalten wurden Ende 1900 Jie verlorene Tochter. 49; Roman von C. Wild. (Fortsetzung.) Nachdem Harry Wilson das Beerbroucksche Ham- verlassen, beeilte er sieh, Wilhelm Rasche aufzusucheu. Er fand den Manu nicht daheim; das kam ihm ungelegen. Er hatte ihn be stimmen wollen, Hamburg sofort zu verlassen. Unwillig schl.uderte er durch die Straßen, bis er wieder in den eleganten Stadtteil gelangte. Gleichgültigen Blickes musterte er die Passanten, da blieb sein Auge aus einer Frauen- geslatt gatten, die ziemlich raschen Schrittes an ibm vorbeiging. Dieses feine, scharfgeschnittene Profi! mit oen großen dunklen Augen, die zier liche, kokett in den Hüsten fich wiegende Gestalt sollte er kennen. Aber die Frau vor ihm war bescheiden ge kleidet, und diejenige, die er einst gekannt, Halle er nur in Samt und Seide gehüllr gesehen. Neugierig gemacht, folgte er ihr. An einer Struß:necke gelang es UM, ihr voll ins Gesicht zu senen. „Gealtert, verblüht, aber sie ist's," sagte Harry leise für sich, „die schöne Marion, die Nichte des Monsieur Morin, der damals die Spielhölle in Paris hatte. Es scheint bergab um rhr gegangen zu sein, obschon sie jetzt einen anständigeren Eindruck macht als früher." Er folgte ihr unauffällig, war aber sehr er staunt, als er sah, daß sie im Begriffe stand, in Frau non Carstens Haus zu treten. Als Marion die Gurmtzür des Vorgartens öffnen wollte. legte er seine Hand auf ihre Schulter und nannte sie beim Namen. Das Mädchen fuhr heftig erschrocken zu sammen und starrte den Engländer be troffen an. „Kennen Sie mich nicht mehr?" fragte Wil son lächelnd. „Ich .... ich wüßte wirklich nicht woher, stammelte sie verlegen, mit einem schwachen Ver suche zu leugnen, aber Harry merkte doch, daß sie ihn erkannt hatte. „Sie brauchen keine Angst zu haben," sagte er beruhigend, „ich werde Ihnen gewiß nichts in den Weg legen oder Ihre Vergangenheit verraten. Sie haben wohl eine Stellung hier im Hause?" Das Mädchen zögerte noch immer. Mit scheuen Blicken sah es umher — aber es war niemand in der Nähe, und so entgegnete sie nach kurzer Ueberlegung: „Ja, ich bin es. Ich wundere mich nur, daß Sie mich erkannt haben, ich habe mich doch sehr verändert." „Das ist doch nicht so sehr der Fall," be- merkle Wilson galant, „ich wenigstens habe die schöne Marion sofort wieder erkannt." Sie lächelte geschmeichelt und seufzte. „Ach ja, die Zeiten ändern fich," klagte sie, „früher war ich selbst eine Dame und jetzt muß ich andere bedienen." „Sie find hier bei Frau von Carsten?" Marion fuhr ängstlich zusammen. „Sie find im Hause bekannt?" fragte sie. „Ich kenne die Dame nur vom Sehen; doch seien Sie ruhig, Marion, von mir soll kein Mensch ein Wort über Sie erfahren." Sie warf ihm einen dankbaren Blick zu. „Es ist nur " sagte sie verlegen, „die Dame des Hauses ist so eigen — wenn sie eine Ahnung hätte, ich müßte augenblicklich fort — gern bin ich ohnehin nicht da — aber in der Not —" fie seufzte abermals schmerz lich auf. „Nun, vielleicht kann ich Ihnen noch zu einer besseren Stellung behilflich sein," tröstete sie Wilson, „zu welcher Zeit machen Sie denn Ihre Besorgungen, daß ich Sie einmal unauf fällig treffen kann?" Marion dachte nach. „An der Rückseite der Gartenmauer ist eine kleine Thür angebracht," sagte fie, „den Schlüssel zu derselben kann ich mir verschaffen. Ich werde jeden Abend um sechs Uhr da sein und eine halbe Stunde warten. Aber nun muß ich wirklich gehen, ich bin schon zu lange ansge blieben." Sie nickte ihm zu und ries noch ein leises „Auf Wiedersehen", dann öffnete fie das Gitter und schlüpfte hinein. Wilson ging langsam weiter. Er dachte nach, wie ihm dieses Mädchen eigentlich nützlich sein könnte. Vielleicht gelang es ihm, fie bei Beerbroucks unterzubringen — findig und schlau war Marion, fie hätte »ine prächtige Spionin abgegeben. » Hany suchte Wilhelm Rasche noch einmal aus, der Mann war noch immer nicht da. Der Engländer begab fich in ein Cafä und las dort Zeitungen, um fich das Warten abzukürzen. Dann fragte er zum dritten Male nach Rasche, abermals vergeblich! Nachdem Harry in dem kleinen, elenden Gasthose, dem Absteigequartier Rasches, die Botschaft hinterlassen, dieser möge ihn bestimmt am nächsten Morgen erwarten, ging er lang sam heim. Er kam wieder an Frau von Carstens Haus vorbei und erinnerte fich an Marion. „Ich will mir doch einmal das kleine Hinter pförtchen betrachten," dachte er, seine Schritte nach der Rückseite des Hauses lenkend. Es war im Monat März. Der Tag war kühl aber nicht unangenehm gewesen, mit dem Anbruch der Dämmerung war das Wetter rauh und stürmisch geworden. Wilson schlug den Rockkragen in die Höhe und beschleunigte seine Schritte. Die Gasse war verödet, nur in ein ger Entfernung vor sich bemerkte Harry eine Gestalt. So viel er wabrnehmen konnte, war es ein Mann, der fich vorsichtig längs der Gartenmauer des Carstenschen Hauses hinschlich. Harry stutzte. Gang und Haltung des Fuß gängers kamen ihm bekannt vor; das war ja Wilhelm Rasche, den er heute so oft vergeblich aufgesucht hatte! Wilson war zu schlau, um den Mann anzurufen; erst wollte er sehen, was dieser hier vorhatte. Als er sah, daß Rasche stehen blieb, that er desgleichen. Er hatte nicht lange zu warten, bald öffnete fich die kleine Thür und eine Frau schlüpfte heraus. Harry Wilson drückte sich s-st an die Mauer, so daß er mit dieser förmlich eins war, und lauschte gespannt. , . Marions Stimme klang an sem Ohr: „Komm, Wilhelm," sagte sie, „es trifft fich günstig. Die Dienstleute find alle im Souterrain — es wird
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