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Allgemeiner Anzeiger : 04.12.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190112043
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19011204
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-12
- Tag 1901-12-04
-
Monat
1901-12
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 04.12.1901
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Kleidung aus dem Bahnhof in Thorn beobachtet, ohne daß man etwas von ihrer beabsichtigten Flucht ahnte. Es ist ermittelt, daß die Dame, die offenbar schwermütig geworden ist, sich ein Billet nach Leipzig üoer Posen gelöst hat. Aus« fünfte über ihren Verbleib, für welche von den Eltern Belohnungen ausgesetzt find, find an die Polizeibehörden zu richten. Der Unhold, der seit einigen Abenden in Kiel mehreren Personen auf offener Straße Stiche mit einem Stilet beibrachte, ist noch nicht geiaht. Mittwoch abend erfolgten wiederum Verwundungen auf offener Straße. Ein Herr und eine Dame erhielten Stilelstiche. Der ver haftete dänische Maler ist unschuldig. Er wurde aus der Haft entlassen. Ein fürsorglicher Mann ist der Rentier Diemer in Salzwedel. Er hat sich schon vor einer Reihe von Jahren seinen eigenen Grab stein auf dem Friedhöfe gesetzt. Dort befindet sich eine mit einem Eisengitter eingefriedigte leere Grabstätte mit einem Gedenkstein, welcher folgende Inschrift aufweist: „Hier ruhet Fried rich Gottfried Diemer, geb. den 26. Januar 1828, gcst Ruhe sanft/ — Der alte, noch sehr lebensfrohe Herr, der noch gar nicht ans Sterben denkt, hat sich schon mal genötigt gesehen, das im Lauft der Jahre verwitterte Eisengitter seiner Grabstätte mit einem — neuen Anstrich versehen zu lassen. Dreißig Millionen Gold. Der Schnell dampfer „Kaiser Wilhelm der Große" hat in Cherbourg eine Goldladung von 30 Millionen Frank ausgeschifft. Während der Ueberfahrt von New Jork nach Cherbourg war diese kostbare Ware in einem plombierten Raume untergebracht, der von acht Geheimpolizisten bewacht wurde. Die 30 Millionen in Goldbarren waren in 88 Fässern verpackt. In Cherbourg wurden die Fässer in besonders dazu eingerichtete Eisen bahnwagen geladen und unter Amficht höherer Bahnpolizeibeamten nach Paris befördert. Die Eisenbahn erhielt für die Verfrachtung 7000 Frank, die französische Zollbehörde 200 000 Frank. Die Plünderungen in Peking. Der frühere französische Gesandte in Peking, Pichon, erklärt im ,Temps^, daß keine einzige, den Ge sandtschaften angehörende Dame an den Plün derungen in Peking teilgenommen habe. Dieser Vorwurf könne nur zwei Ausländerinnen treffen, welche in Neking wohnten, aber nichts mit den Gesandtschaften zu thun hatten. Den Ver steigerungen erbeuteter Gegenstände stehe die französische Gesandtschaft vollständig fern. Diese Versteigerungen hätten allerdings Monate hin durch stattgefunden, aber in einer anderen Ge sandtschaft und unter Leitung eines Offiziers dieser Gesandtschaft. Pichon deutet an, daß dieser Vorwurf die englische oder die amerika nische Gesandtschaft treffen soll. Er selbst ließ das Gepäck aller Mitglieder seiner Gesandtschaft öffnen und untersuchen und duldete niemals, daß Beutestücke zurückbehalten wurden. Der Wasserausfluß aus dem Südstollen des Simplon-Tunnels ist nun bewältigt. Die Bohrarbeiten find wieder ausgenommen worden, und da man in weiches Gestein geraten ist, so glaubt man, ohne große Mühe die verlorene Zeit wieder einholen zu können. Der gewaltige Wassersprudel wurde dadurch gebändigt, daß vor dem Ausflutzloch eine Mauer quer durch den Tunnel gelegt wurde; es entstand dadurch eine Art Reservoir mit einem ruhigen Ausfluß, den man in einen Kanal leiten konnte. Der Neapeler Appellhof wird sich binnen kurzem mit einer komischen Angelegenheit zu befassen haben. Wie männiglich bekannt, pflegt Baedecker in seinen Reisebüchern Hotels, in denen der Familienkomfort einiges zu wünschen übrig läßt, mft der Anmerkung „für allein- reisende Herren" zu versehen; eine Notiz, die nichts auf sich hat und ebeu wie erwähnt, lediglich darauf aufmerlsam machen will, daß reisende Familien mit mehr oder minder großen Ansprüchen sich besser in einem Familien- als in einem Passanlengasthof einquartieren. Der Wirt des Albergo dell'Allegria (Unioers) in Neapel war nun der Anficht, in der Anmerkung des roten Buches liege eine schwere Kränlung für ihn und sein keusches Haus und verklagte die Firma Baedecker auf Schadenersatz. Nach dem diese Klage in erster Instanz zurück- gewiesen worden, hat der Wirt appelliert, und wird der Appelhof also zwischen der gekränkten Unschuld im Kellnersrack und dem roten Buch zu entscheiden haben. Eine steinreiche Dame in Madrid, die jüngst verstorben ist, hinterließ den Armen der spanischen Hauptstadt beinahe eine halbe Million Pesetas. Diese sollten am Donnerstag zur Verteilung gelangen. Tausende und Aber tausende stellten sich in der Arrietastraße ein, vor dem Gebäude, in welchem die Verteilung sein sollte. Ganze Scharen stürzten ins Ge bäude hin und zerbrachen Thüren und Treppen geländer. In der furchtbaren Unordnung er litten viele Rippenbrüche und Quetschungen. Das weithin hörbare Geschrei ließ einen Augen blick glauben, ein Aufruhr sei ausgebrochen. 60 Schutzleute hatten mit blanker Klinge Mühe, den Platz zu säubern. Unzählige Kleidungs stücke rc. bedeckten die Wahlstatt. Die Ver teilung soll nun praktischer organisiert werden. Ei« schreckliches Eisenbahnunglück wird aus Nordamerika gemeldet: Auf der Wabash, St. Louis and Pacific-Bahn stieß in der Mittwoch-Nacht in der Nähe von Seneca ein mit Einwanderern besetzter Zug mit einem anderen Zug zusammen. Die Wagen des Einwandererzuges wurden zertrümmert und ge rieten in Brand. 80 Personen sollen ums Leben gekommen und 150 verletzt sein, davon 25 schwer. Der andere Zug wurde ebenfalls schwer beschädigt. Die Schuld an dem E.sen« bahnunglück bei Seneca trifft den Einwanderer zug, der von der Station Seneca weiter uhr, während er auf das Eintreffen des anderen Zuges hätte warten müssen. Zwei tragische Frauenschicksale bilden in New Jork das Gefpräch des Tages: das eine hat noch keinen Abschluß gefunden, und man sieht demselben mit größter Spannung entgegen. Fräulein Emma H. Kmg aus Brooklyn hat sich nämlich durch Dr. George D. Barney Tuberkelbazillen von einer perl- süchtigen Kuh einimpfen lassen. Dr. Barney bestreitet Prof. Kochs neuere Anschauung, daß die Tuberkulose der Kühe Menschen nicht schädigen könne, und wollte gern den Beweis dafür liefern. Miß King, die er gerade wegen geschwollener Mandeln behandelt hatte, erklärte, sie wolle gern der Menschheit einen Dienst er weisen, fie habe noch nie wirklich Gutes zu thun Gelegenheit gehabt. Freiwillig erbot fie sich als Versuchs-Kaninchen. Trotzdem will aber die Brooklyner Gesundheitsbehörde jeyt Schritte gegen Dr. Barney einleiten. Dieser erklärt, sowie die ersten Anzeichen der Schwind sucht fich zeigten, wolle er Vorkehrungen zu Miß Kings Heilung einleiten, und hoffe aus deren Gelingen, und fie verlraut ihm, ist aber mit Ruhe auf das Schlimmste gefaßt, denn fie ist sich voll ständig der Ge'ahr bewußt, in die fie fich be geben hat. — Das Mädchen, das schön sein soll und aus guter Familie stammt, besäße in der That einen gewissen Heldenmut, wenn sie nicht wüßte, daß das bloße Einspritzen von Tuberkelbazillen unter die Haut nicht sonderlich gefährlich ist; es bildet fich ein örtlich be grenztes tuberkulöses Geschwür, das mit Erfolg behandelt werden kann. Darum ist vielleicht ihr Handeln, gar nicht zu reden von dem des Arztes, nicht ganz frei von der Sucht nach Berühmtheit. Bei der zweite« tragische« Geschichte handelt es sich um den Selbstmord einer jungen Dame, der die Pflege des Millionärssöhnchens Reginald Wilcox anvertraut war. Bor einem Jahre starb dessen Vater, und der sechsjährige Kleine blieb ganz der Erzieherin, die mit hin gehendster Liebe für ihn sorgte, anvertraut. Die Verwandten wußten auch nichts Passenderes für das Kind, als daß es so bleiben solle. Die Mutter des Kindes war schon früher gestorben, unk Miß Ellis pflegte und unterrichtete es aufs beste. Die Vormünder beschlossen, daß sie fich ein kleines Heim aussuchen und eiurichten solle, wo fie mit dem Kinde einstweilen leben würde. Sie that dies mit liebender Sorgfalt. Da plötzlich erhoben einige Verwandte Einwand, und das Kind ward ihr genommen und aufs Land zu den Verwandten gebracht. Sie ließ ruhig geschehen, was fie nicht ändern konnte, aber ihr Leben war ihr unerträglich ge worden. Vor wenig Tagen atmete fie Chloro form ein und starb. Di?"Liebe zu dem Kinde, das fie von klein an bemuttert hat, war viel leicht eine noch edlere als Muiterliebe, denn kein natürliches Band kettete fie an dasselbe. Sie war ausgebildete Krankenpflegerin und kam zuerst als solche ins Haus, aber ibre Bildung und Liebe zu dem kleinen Reginald führen dazu, daß fie als Erzieherin blieb, die schließlich Vater- und Mutterstelle vertrat. GerichtsflaUe. Benthe«. DaS hiesige Schwurgericht verur teilte dm 24 jährigen Bergarbeiter Franz Mazur aus Alt-Revten, der seine Ehe'rau erschaffen und seine Schwiegereltern durch Revolverschüsse schwer verletzt hat, zu 15 Jahr Zuchihaus. Genf. Der hiesige Museumsdirekter Jacques Mayor wurde vom Schwurgericht wegen Betruges in der Höhe von 359 000 Frank und Betrugsver suchs (85 000 Frank) und einer Diebstahls von Münzen im Betrage von 17 000 Frank zu 5 Jahr Zuchthaus verurteilt. Zu der Haftpflicht der Gemeinde«. In einer Stadt wurden die Kanäle gereinigt, wodurch fich auch die zeitweilige Entfernung des Kanaldeckels an dem Einsteigeschacht nötig machte. Um Passanten und Geschirrführer zu warnen, wurde neben die Oeffnung eine rot weiße Signolschecke gestellt. Außerdem war auch am Einsteigeschacht ein Arbeiter beschäftigt. Während dieser aber gerade durch seine Thällg- keit gezwungen war, sich auf kurze Zeit von der Schichtöffnung wsgzuwenden, war ein kurz sichtiger Mann, der einem Wagen hatte aus weichen wollen, in den offenen Schacht ge stürzt und hatte eine schwere Verletzung des Rückenmarkes erlitten, die allmählich völlige Er blindung und Erwerbsunfähigkeit nach sich zog. Der Betreffende, ein Klempnermecher, stellte Schadenersatzansprüche an die Gemeinde. Ob gleich nun die bei solchen Arbeiten üblichen Vorkehrungen getroffen waren, fiel doch die Entscheidung der Gerichte in allen drei In stanzen zu Ungunsten der Stadtgemeinde aus. Im Reichsgerichtsurteil heißt es: „Zweifellos ist, daß unter die Vorschrift des 8 367 Nr. 12 Str.-G.-B. auch die Fälle zu subsummieren find, wo eine gewöhnlich bedeckte Oeffnung vor übergehend behufs Vornahme einer nur auf diese Weise ausführbaren Verrichtung aufge deckt worden ist, sofern hierbei die Orffnung zeitweilig derart unverdeckt oder unverwahrt ge lassen wurde, daß daraus für andere Gefahr entstehen konnte. Ist in einem solchen Falle während der Dauer der vorzunehmenden Ar beiten ein Verdecken der Oeff mng unlhunlich, so ist dieselbe eben insolange entsprechend zu verwahren. Auf welche Weise und bis zu welchem Maße die Verwahrung zu bemerk- stelligen ist, bestimmt fich wesentlich nach der konkreten Sachlage. Der Vorderrichter habe mit Recht angenommen, daß die getroffenen Vorkehrungen (S gnalscheibe, Umstellen eines Arbeiter ) zur Verhütung der den Passanten drohenden Gefahr nicht aus gereicht hätten, es wäre nötig gewesen, daß in unmittelbarster Nähe des Schachtes stets ein städtischer Ar beiter gestanden hätte, der den Fall des Ver unglückten durch .einen warnenden Zurm hätte verhindern können. Die neben der Kanal öffnung stehende Signalscheibe, als ein für die Ferne wirkendes Warnungszeichen, falle gegen über der Nichtbefolgung der Vorschrift des ß 367 Nr. 12 R.-Str.-G.-B. nicht ins Gewicht. Die Stadtgemeinde wurde daramhin von dem Gericht erster Instanz zur Zahlung der ein geklagten jährlichen Rente von 2250 Mk. und Tragung der Kosten des Rechtsstreites, die fich auf rund 4000 Btt. belaufen, verurteilt. Ballonfahrten. Die letzte Versammlung des deutschen Vereins für Luftschistahrt in Berlin brachte die Berichte über drei Ballonfahrt«*, die am 7. November, dem Tage der im voraus vereinbarten inter nationalen Fabrten, gleichzeitig staftsanden. Die erste unternahmen die Herren Berson und Elias um 7V- Uhr morgens vom Uebungsplatz des Luftschiffer-Bataillons in Tegel aus. Der Ballon „Süring" hatte bei böigem, fast stürmischem Wetter anfangs Wind von hinten, paßte fich aber, bald auf 1200 Meter steigend, schnell dem starken Winde an und war in drei Minuten bereits über dem Schlesischen Bahn hof, in 20 Minuten über dem Müggelsee. Es war also vorauszusehen, daß er feinen Weg in der Längsachse von Schlesien nehmen werde. Da man, bis auf 1800 Meter über die Wolken decke hinausgestiegen, die Erde bloß ab und zu durch den Wolkenschleier erblickte, so gaben nur die von unten heraufdringenden Tagesgeräusche ungefähr Kunde von der Richtung des Fluges. So hörte man Sagan oder Glogau, dann Liegn'tz und sehr anhaltend den Lärm von Breslau. Der fernere W g muß auf der linken Oder-Seite enilag gegangen sein, denn es blieb bis etwa über Troppau von unten her still. Dafür erfreute man fich bei schönstem Sonnenschein an dem Anblick der Ballon- Aureole. Gerade um 12 Uhr mittags vernahm man bei 3000 Meter Glockengeläut, um 2 Uhr mußte Elias bei 4200 Meter zum Sauerstoff- scktauch greisen. Bald nach 3 Uhr war mit 5100 Meter die größte Höhe erreicht, man sah fich aber durch einen Defe't am Sauerstostge'äß genötigt, bis auf 2000 Meter hinabzugehen. Hier erblickte man links von der Ballonrichtung die Kar- athen, wurde aber durch das von unten herauidringende Rauschen des Waides vor dem Landen in diesem ausgedehnten Waldgebiet gewarnt. Gleich nach Sonnenuntergang er blickten die Lu tschiffer die Lichter einer großen Stadt — Stanislaz am Dnjeftr in Ostgal zien, wie sich später herausstrllte, das man jedoch reckts liegen ließ, weil die Landung erst bei zu hoffendem Abflauen des Windes bewerkstelligt w-rden sollte. Endlich um 6 Uhr 35 Min. glückte die Landung, nicht ohne einige Fährlich- leiten, auf einem Gutshofe. Man hatte in den 11 Stunden 1010 Kilometer zurückgelegt, erst in südöstlicher, dann dem Lauf der Isobare iolgend in fast östlicher Ricklung. Die Fort setzung der Fahrt würoe den Ballon wahrschein lich in der Nacht bis jenseits der Wolga, viel leicht auch ü »er das Schwarze Meer bis zum Kaukasus gebracht haben. Rußland mußte nach den neuen drakonischen Bestimmungen gegen die ausländischen Luftschiffer jedoch unter allen Um ständen gemieden werden. — Die zweite Fahrt unternahm mit einem halb so großen Ballon eine Stunde später von Tezel aus Hauptmann v. Tschudi mit zwei Begleitern. Sie war wesentlich gegen die erste begünstigt, weil der Himmel sich inzwischen aufgeklärt hatte. Auch dieser Ballon nahm den Weg nach Schlesien, seine Insassen sahen fich aber, da man fich der russischen Grenze bedenklich näherte, schon um 12 Uhr 45 Mm. zur Landung nördlich von Breslau genötigt. — Von einem dritten, von Straßburg aus am gleichen Vormittag ausge- fü Wien Aufstieg berichtete Professor Hergesell, der Leiter dieser Fahrt. Dort im südwestlichsten Viertel Deutsch ands war das Wetter ganz be sonders schön, statt der 80—90 Kilometer Wind geschwindigkeit aber nur eine solche von 20 Kilo- meier, so daß die Fahrt, welche über den Schwarzwald ging, um 5 Uhr nachmittags am Hohentwiel abgebrochen werden mußte, zumal sich Bodennebel einstellte. Buntes Allerlei. Vom schönen Sänger Rizzio, dem er mordeten Freunde der Königin Maria Stuart, follen fich, dec ,Frkf. Ztg.' zufolge, im Archive des Vatikans Briefe gefunden haben, die er weisen, daß R'zzio kein Sänger von Beruf ge wesen sei. Vielmehr war er ein Priester, der die Verkleidung des fahrenden Sänger mannes nur angenommen habe, um der schottischen Königin in Sicherheit die Messe lesen zu können. * * Splitter. Es gibt zwei Menschenklaffeu die eine, deren einziges Geschäft das Vergnügen, die andere, deren einziges Vergnügen das Ge schäft ist! . „Besten Appetit, Herr Finkler!" erklang da Plötz ich eine weibliche Stimme, und ein hübscher Kopf beugte fich aus der halb geöffneten Thüre des anstoßenden Gemaches hervor. Der Angeredete richtete fich beinah erschrocken auf und erwiderte zunächst nur mit einem schwer- verständlichen : „Danke!" Der eifrige Gebrauch seiner Kinnladen hinderte rhn sür den Augenblick, weiteres hinzu- zufügen. „Ist denn Emmy noch immer nicht zurück- gekehrt?" fragte diejenige, welche die Ursache der Störung war. Nun erst wandte fich der Gestrenge der Eintrelenden zu, und angesichts des wirklich reizenden Mädchens, dessen seines, blosses Ge sicht und dessen zartgesormft Gestalt im Hinter gründe des Zimmers erschien, klärte sich die vorher etwas finstere Miene des Mannes zu sehends auf. „Bitte tausendmal um Entschuldigung, liebes Fräulein l" sagte er. „W e ich nur so vergeß lich sein konnte! Sie müssen ja bereits stunden lang auf meine kleine Stromerin vergeblich ge wartet haben. Aber Spaß beiseite! Wie Sie wissen, ist es sonst nicht die Art des rührigen Mädels, so ungebührlich auszubleiben. Ich selbst hatte unterdessen den Kopf so voll, daß ich an Sie, bestes Fräulein Gertrud, gar Vicht mehr dachte." „Hat nichts zu sagen, Herr Finkler", ver setzte jene. „Wenn ich frei! ch gewußt hätte, daß Emmy diesmal so spät wiederkommt, würde Ich darauf verzichtet haben, fie heute zu sehen. Nu« muß ich mich aber selbst auf den Weg machen, denn so viel ich weiß, hat es schon acht Uhr geschlagen." „Ei, da hätte ich ja bereits die letzte Runde zu unternehmen!" bemerkte Finkler, fich nach einem Blicke auf das Zifferblatt der Wanduhr erhebend. „Fällt es nicht einem Tolpatsch von W uhtposten da draußen am Brückenköpfe gar noch ein, mir nichts dir nichts einen Heiden lärm zu schlagen, als ob ihn der leibhaftige Gottseibeiuns schon beim Kragen hätte! Nun, den Alarmschuß werden Sie ja gehört haben!" „Allerdings habe ich den Knall eines Ge wehres vernommen, und es war mir sogar einen Augenblick ganz schaurig zu Mute, weil ich an das Entspringen eines Sträflings denken mußte. Ich beruhigte mich aber bald, indem ich mich in der Wohnung des Herrn Oberamsehers am sichersten vor dem Eindringen eines flüchtigen Verbrechers verwahrt glaubte." „Da haben Sie sehr richtig kalkuliert, Ver ehrteste," schmunzelte Finkler, fich im Vollbe wußtsein seiner gefürchteten Stellung brüstend. „Aber zum Glück hieß es da: Viel Lärm um nichts. Wahrscheinlich hat der Sturm einen Dachziegel herabgeworfen, und als dieser in den Fluß fiel, bildete fich der Mann am Schilder hause ein, es plätscherte jemand da unten yerum, um möglichst bald aus dem frostigen Bade an das andere Ufer zu gelangen. Nachdem dritten Anruf schoß er blindlings darauf los, hat aber seine Kugel natürlich nur verpufft, um uns eine Stunde lang herumzujagen; denn droben war alles in bester Ordnung, und auch am Rande des Wassers zeigten fich keine verdächtigen Spuren." „Es ist mir lieb, dies zu erfahren, Herr Finkler," erwiderte Gertrud, den Schleier über das Gesicht ziehend und ihren Regenschirm lockernd. „Ich finde eS eigentlich doch recht grausam, daß man einen Unglücklichen, der fich vielleicht mit äußerster Lebensgefahr das kost barste Gut, die Freiheit erretten will, gleich den vogelfreien Tieren des Waldes zur Zielscheibe des totbringenden Geschosses macht." Dem Gesängnisbeamten nötigte diese mit leidige Regung nur ein spöttisches Lächeln ab, denn bei den Härten seines langjährigen Be wies war es ihm nicht möglich, fich auf den gleichen Standpunkt zu stellen. Gertrud verabschiedete fich von Emmys Vater und wurde von diesem gebeten, die ihr etwa auf dem Wege Begegnende nicht mehr lange awzuhalten. Ueber die Brücke schreitend, ward fie durch das nächtliche Dunkel alsbald den Blicken des Nachschauenden entzogen. Gertrud Müller war eine Waise, die erst seit einigen Monaten in der Hauptstadt lebte, um fich ihren Unterhalt durch Erteilung von Mufikstunden zu erwerben. Ihre gediegenen Kenntnisse und persönliche Liebenswürdigkeit verschafften ihr rasch eine erkleckliche Anzahl von Schülerinnen, zu welchen auch die nur um wenige Jahre jüngere Emmy Finkler zählte. Zwischen den beiden Mädchen entspann fich ein freundschaftliches Verhältnis, und die junge Klavierlehrerin that in diesem Falle weit mehr, als ihr bezahlt wurde. Sie brachte auch außer dem Unterricht gar manche freie Stunde bei Emmy zu, die ein vortreffliches Instrument be ¬ saß und auf deren über das Niveau ihres Standes gehende Ausbildung der Vater alles verwendete. Mit seinem Hilfspersonal machte Finkler die Runde bei den Gefangenen, und hierbei wurde er sehr unangenehm durch die Meldung über rascht, daß die Zelle Nummer 28 im zweiten Stockwerk leer sei. Es war dies dieselbe, deren Bewohner mau nach dem Alarmzeichen anscheinend im festesten Schlafe angetroffen hatte. Der dorthin geruftne Oberaufseher wollte deshalb an die Möglichkeit seines plötzlichen Verschwindens nicht glauben, bevor er fich mit eigenen Augen vom That- bestand überzeugte. Auf dem Strohpolster findet fich außer der zurückgelassenen Züchtlingsjacke eine dem Haar- wuchse des Entsorungenen genau gleichende Verrücke vor. Nun konnte zwar diese die Visitatoren getäuscht haben, aber man hatte ja deutlich schnarchende Laute vernommen, und somit mußte doch ein lebendes Wesen unt-r ihr gesteckt haben. Wo war dieser Stellvertreter? Halt! Hier liegt ein zusammengerolltes Seil neben einem angebrannten Streichhölzchen. Also hätte fich der Wachtposten doch nicht geii rt, und die Flucht wäre nicht durch die wohloerschlcssene Thür, sondern auf der Flußsefte durch oas Fenster bewerkstelligt worden! In der That geben auch drei Stäbe des Gitters bei der Be rührung sofort nach, und die Lücke bietet reich lich Raum, um den Körper eines geschmeidigen Mannes durchschiüpfen zu lassen. kc i ' Gorticzunz falzt.»
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