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Allgemeiner Anzeiger : 13.11.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190111132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19011113
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19011113
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-11
- Tag 1901-11-13
-
Monat
1901-11
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 13.11.1901
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Politische Rundschau. Deutschlaud. *Die Zolltarifvorlage wird dem Vernehmen der ,Berl. Pol. Nachr/ nach am Dienstag (12. d.) im Plenum des Bundesrats zur Verhandlung kommen. *Die,Nordd. Allg. Ztg.' erklärt gegenüber der Behandlung Lissaboner Blätter, daß deutsch e Truppen ihre Fahnen in Quan- Lama in portugiesisch Angola au»- gepflanzt hätten. Quanhama falle teilweise in deutsches und teilweise in portugiesisches Gebiet. Doch sei in diesem entlegenen Teil des deutschen Gebietes ein Verwaltungsapparat bisher gar nicht eingerichtet, sondern nur Beobachtungs stationen errichtet worden, die 6 bis 8 Tages reisen von der portugiesischen Grenze entfernt find. Die eingelaufenen Berichte bieten nicht den mindesten Anbalt für die Annahme, daß eine Grenzüberschreitung durch Angehörige der deutschen Schutztruppe stattgefunden hat. *Der Bundesrat hat beschlossen, die Zu lassung derjenigen Realgymnasien- Abiturienten, die ihr medizinisches Studium vor dem 1. Oktober d. begonnen haben, zur Ablegung der ärztlichen Prüfungen nach den bisherigen Vorschriften nicht von der Ergänzung des Reifezeugnisses durch eine Nachprüfung im Lateinischen und Griechischen abhängig zu machen. * Für die Ausgabe der deutschen Ein heitsbriefmarke, wie sie von der Reichspostve^wrltung mit der königlich württem- bergischen Postverwaltung vereinbart worden ist — Bayern will bekanntlich an der „Ein heit" nickt teilnebmen — find von der Reichs- postverwallung bereits alle Vorbereitungen ge troffen. Für den Druck der Marken find schon alle Platten hergestellt, so daß jeden Augen blick mit der Anfertigung der Wertzeicken be gonnen werden kann. Es find etwa 800 bis 900 Millionen Wertzeichen in 25 verschiedenen Sorten rerügzustellen. ehe mit der Ausgabe der Wertzeichen begonnen werden kann. Die vor handenen Bestände an den jetzigen Wertzeichen der Reichspost sollen nach Möglichkeit aufge braucht werden. * lieber den Verkehr mit Arznei mitteln ist eine neue kaiserliche Verordnung ergangen. Sie enthält u. a. die folgende Be stimmung: „Der Reichskanzler ist ermächtigt, weitere, im einzelnen bestimmt zu bezeichnende Zubereitungen, Stoffe und Gegenstände von dem Feilhalten und Verkaufen außerhalb der Apotheken anszuschließen." *Zn der Frage einer süddeutschen Eisenbahngemeinschaft (Einigung in Tarifsragen) erfährt man, daß die Verhand lungen infolge des Zögerns von Boden und Elsaß-Lothringen ins Stocken geraten find, und daß auch Bayern nicht geneigt ist, den von Württemberg vorgeschlagenen 2 Pf.-Tarif ein- zuMren. *Wie in Preußen, so herrschen auch in den meisten übrigen Bundesstaaten schwere Defizitsorgen. In der Mittwochfitzung der Hamburger Bürgerschaft wurde das Hamburgische Staatsbudget für das Jahr 1902 vom Senate überreicht. Es schließt mit einem Fehlbeträge von nahezu sechs Millionen Mark unter Ansetzung von 7 Einheiten der Ein kommensteuer. Die Ueberschüsse der letzten Jahre haben sich jedoch durch den günstigen Ausfall der jüngsten Abrechnungen wieder etwas gehoben, so daß sich das Defizit auf etwa drei Millionen vermindert. Der Senat sieht des halb vorläufig davon ab, Maßnahmen zur Ver mehrung der Staatseinnahmen vorzuschlagen, betont jedoch, daß sich die größte Sparsamkeit in dem Staatshaushalt empfehle. Frankreich. *Der deutsche Botschafter in Paris Fürst Radolin sprach dem H an d el s mi n i st e r Millerand die Erkenntlichkeit des Kaisers aus für die künstlerisch vollendete, kostbare Er innerungsmedaille, die Millerand dem Kaiser hatte überreichen lassen, um seinen Dank ab- zustaitcn ür die besondere persönliche Förde rung, welche der Kaiser durch Uebersendung von Kunstwerken aus seinen Privatsamm'/.ngen der Pariser Weltausstellung, ngedeihen ließ. Millerand gab seiner Freudig über die kaiserliche Aufmerksamkeit herz lichsten Ausdruck. *Die konservative Presse Frankreichs weist darauf hin, welch sonderbares Schauspiel Frank reich der Welt bietet, indem es die Christen der Levante beschützen will, von dem Sultan gebieterisch verlangt, daß er die von französischen Kongreganisten geleiteten Lehr anstalten, Waisenhäuser, Hospitäler unbehelligt fortbestehen lasse, im eigenen Lande aber den gleichen Anstalten Unbill zufügen läßt und auf die Abschaffung desKultusbudgets lossteuert. England. *Der Herzog von Cornwall und Aork, der Thronfolger und älteste Sohn König Eduards, hat den traditionellen Titel „Prinz von Wales" erhalten. Li-H«ng-Tschang ch. * Der Staatssekretär des Kriegsamts Brodrick erklärt in einer Zuschrift an einen Korrespon denten, die Sterblichkeit in den Kon zentrationslagern sei in der Haupt sache auf Umstände zurück zwühren, wie der Krieg sie mit sich bringe. Viele der in den Lagern untergebrachten Personen wären schon vor ihrem Eintreffen in den Lagern schlecht ge kleidet und mangelhaft ernährt gewesen und seien deshalb nicht im stände, Krankheiten zu überwinden. Alles mögliche werde gethan, um die Zustände in den Lagern zu bessern, es sei aber unmöglich, Mängel zu verhindern, wenn „einige wenige Leute keine Mittel sparen, das Land unbewohnbar zu machen". Rustland. * Die Frauenbewegung in Rußland hat einen neuen Erfolg zu verzeichnen. Bisher waren Frauen als Lehrerinnen nur an Mädchen gymnasien thätig und nicht an Mittel schulen für Knaben. Nun bat der Kaiser auf Vortrag des Unterrichtsminsters die Anstellung einer Lehrerin der französischen Sprache an der zweiten Realschule in Jelaterinos- law genehmigt. Valkanstaaten. *Ein Telegramm aus Mytilene vom Don nerstag meldet, daß Admiral Caillard die Zollämter von Mytilene, ohne auf Widerstand zu stoßen, besetzt hat. * Ein erneutes Hilfegesuch bei Ruß land seitens der Pforte ist wiederum ge scheitert. Wie aus Konstantinopel das amtliche österreichische Telegraphenbüreau mitteilt, wandte sich nach Empfang der letzten Mitteilung des französischen Botschaftsrates Bapst, in welcher die Forderungen Frankreichs ausgestellt wurden, die Pforte an die russische Botschaft um Unter stützung. Die letztere wies jedoch in ihrer Ant wort auf die unbedingte No-Wendigkeit der Er füllung der französischen Ansprüche hin. Amerika. * Präsident Roosevelt hat an den neu gewählten Mayor von New Jork Low ein Telegramm gerichtet, in welchem er Low zu dem überwältigenden Triumphe der ehrlichen Elemente beglückwünscht. - Afrika. *Vom südafrikanischen Kriegs schauplatz werden in einer Depesche des General Kitchener aus Pretoria weitere Einzel heiten über das Gefecht bei Berkenslaagte ge meldet. Hiernach erreichte die Kolonne Bensons den Lagervlatz bei heftiaem Regen. Die Boeren erhielten Verstärkung durck Louis Botha, der mit 600 Mann im Eilmarsch bis dicht an die Nachhut Bensons heranrückte. Zuverlässigen Nachrichten zufolge wurden auf Seite der Boeren 44 Mann getötet und 100 verwundet. — Erst fabelten die englischen Berichte von einem Boerenverlust von 400 Mann. *Jm Haag tragen Berichte von Ende Sep tember ein, wonach deWet sich des besten Wohlseins erfreut. DeWet, Steijn und Botha hatten zu Ende September eine Zu sammenkunft. * Der Sultan Saturella aus dem mitt leren Sudan hat England ersucht, sein Gebiet unter englisches Protektorat zu stellen. Eine endgültige Antwort ist noch nicht erteilt worden. Asien. *Li-Hung-Tschang ist gestorben! Er hat ein Alter von nahezu 81 Jahren erreicht, er wurde am 14. Februar 1821 geboren. Klug heit List und Verschlagenheit sowie Skrupel losigkeit waren die hervorstechendsten Charakter züge dieses chinesischen Staatsmanns, der es meisterhaft verstand, nicht nur stets sich eine einflußreiche Stellung zu erhalten, sondern auch ein riesiges Vermögen zusammenzuscharren. Zu erst machte sich Li-Hung-Tschang in dem Taiping- Ausstand der fünfziger Jahre bemerkbar, der den Bestand der Mandschudynastie gefährlich be drohte. Der Engländer Gordon schlug be kanntlich diesen AuPand schließlich nieder. Li- Hung-Tschang war es, der entgegen dem Gordon gegebenen Wort die gefangenen Führer der Taipings hinrichten ließ. Die Mandsch idynastie lohnte Li-Hung-Tschang seine Dienste mit den höcksten Ehrenstellen, die sie zu vergeben hatte. 1896 hat der gerissene Chinese bekanut'-ck auch Europa besucht. * In Indien drohen dem englischen Regiment neue Grenzschwierigkeiten mit den Waziris. In einem am letzten Montag stattgehabten Kampf fielen auf englischer Seite 30 Mann; seck^ andere wurden verwundet. Wenn sich der Konflikt auswächst, könnte das für England sehr bedenklich werden. Uever die Insel Kesbos, die soeben von den Fran osen besetzt worden ist, um einen moralischen Druck auf den Sultan auszuüben, schreibt die .Köln. Ztg/: Die Stadt Mytilene, von den Genuesen Lier auch Castro genannt, liegt auf einer ins Meer vorspringenden schmalen Halbinsel, deren felsige U'er an der Svitze steiler ins Meer tauchen. Nördlich und südlich der Halbinsel waren einst brauckbare Häfen von den Genuesen angelegt, beute sind sie nur noch für kleinere Fahrzeuge zugänglich. Die Stadt liegt ireundlich im Gartengrün da; reckten sich nicht über die alte Genuesenburg keck einige weiße Minarets, so möchte man kaum an die Türkenherrschast glauben. Auch im Innern der Stadt herrscht etwas mehr Ordnung, als sonst in der Türkei üblich ist. Die Einwohnerzahl wird auf 20- bis 25 000 angegeben; die türkischen Behörden wissen es nicht, und der griechische Bischof kennt nur die Zahl seiner mtbodoxen Christen. Der Handel mit Oliven, Olivenöl und Feigen, Wein und Seife wirft nicht uubrdeu'ende Summen ab; gegenwärtig sollen gegen 25 Millionen Kilo gramm Oliven und IV2 Millionen Kilogramm Feigen geerntet werden. Den leichten Lesbier- Wein, den Horaz besingt, sucht man heute ver geblich; wie jeder Wein auenahmölos im Süd osten Europas ist auch der heutige Lesbier dick, herbe und nur zum Mischen mit anderen Sorten zu verwenden. In Bordeaux weiß man davon zu erzählen. Die Türkenherrschaft auf Mytilene ist wenig drückend; die ländliche Be völkerung hat sehr geringe Steuern zu ent richten, die Hauvtlast ruht auf den griechischen Kaufleuten, unter denen einige ganz bedeutende find. Die Ruhe auf der schönen Insel ist denn auch seit achtzig Jahren nicht gestört worden, woraus sich manches erklärt. Es fehlt an allen Svuren von Aufständen, wie sie Kretas Heitzer Boden zahllos in seinen grünumsvonnenen verbrannten Manern bietet; die Bevölkerung ist dichter, als auf einer anderen Insel des türkischen Arckivels, und die Döner ze'gen Spuren von Wohlstand und aussteigender Lebensführung. Fruchtbarer Boden, günfimes Mima, leichter Erwerb und geringe Bedürfnisse, dazu Ruhe vor politischen Stürmen, wie sollte sich da nickt ein so schöngestalteter, fröhlicher Menschenschlag herausb'lden. wie er uns in den Griechen der Jns-l überall überraschend entgegentritt. Männer und Frauen aui Mytilene gellen mit Recht als Träger des Typus der Jnselgriechen; grotz gewachsen, sonnaebrännt, muskelstark und behende schreiten sieleicht dahin, und die Anwesenheit der wenigen Moham medaner in den Städten stört ihre Lieder nicht. Der Olivenbaum erfordert wenig Pflege, so bleibt dem Jnsewölkchen noch Zeit genna. um durch Tabalschmuggel und Schwammfischerei sich einen Nebenverdienst zu machen und der griechischen Liebhaberei, aus dem Wasser zu liegen, zu leben. An industriellen Anstalten gibt es nur einige Seifenfabriken, die im Lande erzeugtes Oel verwenden. Aus alter Zeit ist wenig erhalten; was unter dem Boden ruht, interessiert Türken wie Griechen herzlich wenig. Unter den letzteren freilich beginnt ein Ver ständnis dafür zu dämmern, und man sucht Plätze, wo zahlreichere Bruchstücke alter Mauern svätere Fundorte verraten, in den Besitz von Kirchen und Klöster zu bringen, um sie für bessere Zeiten aufzusparen. Im Westen, fast an der Ecke der Insel, unweit des heutigen Dorfes Erissos, führt der Weg über das von Asphodelos durchwachsene Trümmerfeld der alten Stadt, Ws Sappho, die berühmteste Lesbierin, geboren wurde. Die beiden weit in die Insel eingreifenden Buchten von Kalloni und Olivieri sind heute für tiefgehende Schiffe schwer zugänglich; unbedeutende Arbeiten würden aber aus ihnen vortreffliche Häfen machen können. In der Nachbarschaft der Dardanellen gelegen, kann der Insel leicht eine hohe strategische Be deutung gegeben werden. Von der Stadt Mytilene erreicht man nordwärts die Dardanellen und südwärts Smyrna in etwa sechs Stunden Fahrt. Pon Pali und Fern. Gegen die elenden Verdächtigungen der deutschen Kriegführung von 1870 durch Cbamberlain hat am Mittwoch in Berlin eine btudeutenversammlung nach Vorträgen dec Prozessoren Adolf Wagner, Gierke und Kahl Protest erhüben. In Jena fordern Univer- fitätsvrofessoren. in Leipzig der Rektor der Uni versität zu ähnlichen Kundgebungen gegenChamber- lain aut. Wegen der Auflehnungen auf der „Gazelle" gelegentlich der letzten Flotten- übung vor Danzig wurden vom Kriegsgericht in Kiel der Obermatrose Weiß zu 3 Monat, Matrose Gruber zu 6 Monat, Obermatrose Ganz zu 3 Monat, Wachtmeistermaat Kunze zu 3 Monat Gefängnis und Degradation und Obermatrose Peile zu 3 Wochen Mittelarrest verurteilt. Ueber eine graste Boeren-Einwanbe- rung nach Deutsch-Südweftairika direkt aus der Kapkolonie wird der .Kolonialen Zeitschr ' aus Kubub geschrieben. Danach haben laut Mitteilung aus Warmbad „einige 40 Boeren- familien mit mehreren Hundert Köp'en den Oranjefluß überschritten, um sich in Deutsch- Südwestasrika anzusiedeln. Die englische Regie rung scheint dieser Auswanderung — die Familien bestehen fast ausschließlich aus Weibern und Kindern — nicht ungünstig gegenüber zu stehen, denn sonst wäre es ihnen wohl laum Schweigend entfernte er sich; er wutzte, daß er nun an dem Alien einen erbitterten Feind be saß, der alles aufbieten würde, um ihn zu Grunde zu richten. Kaum war er gegangen, als van Beerbrouck seine Heftigkeit bereute. Er sagte sich, daß, wenn er Geduld gehabt, dem jungen Maune scine Lage eindringlich vorgestellt häite, dieser sich am Ende doch wohl noch eines andern bedacht haben würde. Im ersten Momente der Erregung wollte er ihm nacheilen, aber er besann sich. Nein, Walter war ja doch in seiner Hand. Wenn er keinen anderen Ausweg vor sich sah, würde er doch einwilligen. Es war ja nicht denkbar, daß Luise sich herbeiließ, alle Schulden ihres Neffen zu zahlen, und andere Hilfe hatte dieser nicht zu erwarten. Wählend van Beerbrouck diesen Gedanken noch nachhing, wurde ihm Harry Wilson ge- meldet. Er traute seinen Ohren kaum. Harry noch hier? War denn das möglich? Mit finsterer Miene empfing er den Eintretenden. Harry lächelte spöttisch. Er hatte vorhergesehen, daß van Beerbroucks Empfang kein freundlicher sein werde. „Was thun Sie noch hier?" fuhr ihn der Holländer mürrisch an; „ich dachte, Sie hätten Hamburg schon verlassen? „Mein Vater wohl, doch mich hielten noch Geschäfte zurück," versetzte Harry, sich mit unverschämter Dreistigkeit auf einen Sch nieder lassend. „Diese Geschäfte führen Sie doch wohl nicht zu mir?" fragte van Beerbrouck mißtrauisch. „Sie haben es erraten." „Wie soll ich das verstehen?" „Kennen Sie einen gewissen Wilhelm Rasche?" entgegnete Ha-ry lauernd. Ein leichtes Zucken glitt über das Gesicht des Holländers. „Woher sollte ich einen Mann dieses Namens kennen?" fragte er gedämpften Tones. „Nun, aus dem Zuchthause. Der Mann behauptet, Sie von dort her zu kennen." „Der Mensch lügt," sagte Beerbrouck mit etwas unsicherer Stimme. „Der Mensch lügt keineswegs," bemerkte Hany Wilson gelassen. „Ich wenigstens habe durchaus keinen Grund, an der Wahrhaftigkeit seiner Aussage zu zweifeln. Ich habe mir immer gedacht, Herr van Beerbrouck, es müsse in Ihrem Leben noch einen dunklen Punkt geben. Ich gestehe auch zu, daß ich mir ein wenig Mühe gab, diesem dunklen Punkt nach- zuiorschew Der Zufall kam mir dabei zu H lse. In einer elenden Malrosenkneipe lernte ich einen verkommenen Menschen kennen, der mw er ählte, daß er einst bessere Tage gesehen. Einige Geldstücke machten ihn redselig, er er zählte mir verschiedenes aus seinem Leben, u. a. auch, daß er mit einem Herrn v. Tanueck im Zuch'hause gesessen. Beide büßten gleichzeitig ihre Strafe ab und verließen miteinander die Anstalt. Ein Jahr lang blieben sie beisammen, dann verschwand Herr von Tanneck Plötzlich und sein Geiährte sah ihn erst nach einem Jahrzehnt wieder. Da nannte er sich aber van Beerbrouck und schien ein reicher Mann geworden zu sein. Er war auch nicht geizig, denn er spendete dem ehemaligen Gefährten eine reichliche Unterstützung, natürlich unter der Bedingung, daß dieser reinen Mund halte. Und welche Fügung des Schick sals : abermals nach Jahren mußte er Sie hier wiederfinden." Beerbrouck war totenbleich geworden. Dicke Schweißtropfen perlten auf seiner Stirn. Er dachte an Selma. Sein sorgsam gehütetes Ge heimnis in der Hand diesem Wilson! Harry war erbärmlich genug, Selma alles zu ver raten! Sein Kind, sein armes, schönes Kind — das würde ihr Tod sein! Der junge Mann weidete sich mit einem boshaften Lächeln an der sichtlichen Bestürzung des Alten. Nun halte er ihn in seiner Gewalt und konnte Bedingungen stellen! „Ich will Sie beruhigen," sagte er nach einer Pause. „Wilhelm Rasche weiß nicht, daß Sie hier sind. Er würde sonst nicht verfehlen, Geld von Ihnen zu erpressen, denn er befindet sich in sehr bedrückter Lage. Von mir hängt cs ab, daß Ihre Anwesenheit hier ihm ver- borgen bleibt - doch — für mein Schwergen fordere ich einen Preis." ,Sie wollen Geld?" fragte van Beerbrouck, erleichtert aufatmend. „Nein, die Hand Ihrer Tochter Selma l" „Sind Sie verrückt? Selma verab scheut Sie!" „Das wird sich geben. Sie weiß eben noch nicht, daß ich eine gewisse Macht über ihre« Vater besitze. Erführe fie alles . - . f „Schweigen Sie, schweigen Sie! unte>x. brach ihn Beerbrouck angstvoll; es würde Selmas Tod sein, und auch Sie würden dadurch nicW gewinnen." Jie verlorene Tochter. 18^ Roman von C. Wild. (Fortsetzung.) Ein tiefer Atemzug, eine kurze Weile des Zögerns noch, dann sagte Walter ruhig und fefi: „Es wäre schlecht von mir, um ein Mädchen zu werben, dem ich die größte Achtung, aber keine Liebe entgegenbnnge. Ich bin leichtsinnig und wankelmütig gewesen, ich habe Friedas treue Liebe oft genug verkannt und gering geschätzt, ich habe viele Fehler an mir, aber falsch und hinterlistig bin nh me ge wesen. Sie selbst können nicht verlangen, daß ich Ihrer Tochter gegenüber zum Lügner werde. Dieses holde, reine Geschöpf, das meiner Braut so viel Güte erwiesen hat, soll durch meine Schuld nicht unglücklich werden. Und fie würde es werden, dessen bin ich sicher. Eines Tages würde sie doch zu der Er kenntnis kommen, daß mein Herz nicht ihr ge hört und . . „Halt, ich weiß nun schon genug!" unter brach ihn van Beerbrouck, dem die Zornesader auf der Stirn mächtig anschwoll. „Wozu so viele Worte machen? Sie verschmähen mein Kind, Sie wollen in Ihr Verderben rennen, so sei es denn! Aber ich sage Ihnen, junger Mensch, Sie sollen diese Stunde bitter büßen. Gehen Sie, sonst vergesse ich mich noch." Er wies mit einer brüsken Bewegung nach der Thür. Walter sah ein, daß es das beste sei, zu gehen; der wütende, aufgeregte Mann würde ihn doch nicht zu Worte kommen lassen.
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