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Politische Knndschon. Deutschland. * Der Reichskanzler hat sich am Frei- taq zum Vortrag beim Kaiser nach Hubertusstock begeben. Bekanntlich batte Graf Bülow wegen der DanzigerKaisenusammen- kunst seinen Urlaub unterbrochen. Seit seiner Abreise aus Danzig am 13. Sevtember, also seit genau vier Wochen, haben sich der Kaiser und der Reichskanzler nicht gesprochen. »Die in Plön ihren Studien obliegenden kaiserlichen Prinzen werden zu den Herbstferien nach dem Neuen Palais ab reisen. Am 23. d. werden sie wieder nach Plön zurückkehren. *Die Post-Personalreiormen find noch nicht abgeschlossen. Sie zollen sich nicht nur auf PersonaUragen erstrecken, sie betreffen auch die technische Oraanisation des Dienstes und der Verwaltung. So sollen z. B. für be stimmt abgegrenzte Gebiete Bezirkspostämier organisiert werden. Was die Titesirage betr fft, so wird die Einführung der Titel „Postce'erendar" und „Postassessor" geplant, indessen liegt die Entscheidung hierüber N'cht bei der Postver- waltung allein, auch andere Ressorts haben dabei mitzusprechen. *Mit der demnächst auf Grund des neuen Unsallverficherungsgesetzes einzurichtenden neuen Schmiede-Bernlsgenossenschaft werden die ge werblichen Bernisgenossenscha^ten die Zahl 66 erreicht haben. Da aui Grund des Unsallnerffcherungsgesetz-s für die Land- und Forstwirtschait 48 Berufsgenossenschaften in Funktion find, so werden nach der Er richtung der neuen Schmiede - Berufsaenoffen- schast insgesamt 114 berussgenofsenschastliche Träger der Unfallversicherung thätig sein. Neben den BerMgenofsenscha ten funktio nieren als Organe dieser Verficherungsart be kanntlich noch die Anssührungsbehörden der Reichs-, Staats-, Provinzial- und Kommunal betriebe, die in ihrer Zahl wechseln, die jedoch in letzterer Zeit schon die Zahl von 400 über schritten halten. *Dem sächsischen Landtage soll, wie amtlich gemeldet wird, sofort nach der Er öffnung ein Gesetz über die Einführung einer allgemeinen Vermögenssteuer in Sachsen zugehen. »Zum Ausbau der bayrischen Staatsbahnen fordert eine dem bayrischen Landtage soeben zugegangene Regierungsvorlage L6,7 Mill. Mk., zur Beschaffung von Fahr material 15,45 Mill. Mk. Oesterreich-Ungarn. »Kronprinzessin Stephanie, die jetzige Gräfin Lonyay, und ihr Gatte haben seit ihrer Vermählung die verschiedensten Länder bereist, ohne irgendwo einen dauernden Aufent halt zu nehmen. Wie englische Zeitungen melden, hat das gräfliche Paar nunmehr den Entschluß gefaßt, Englanddauernd zum Wohnsitz zu wählen. »Der österreichische Zolltarif ist, wie verlautet, bereits sertiggestellt. Der selbe soll dem deutschen Zolltarif-Entwurf in bezug aus Hochschutzzölle nichts nachgeben und werde nach seiner Veröffentlichung in Deutsch land dasselbe Aufsehen erregen, wie der deutsche in Oesterreich. England. » König Eduard hat bereits wieder eine Ausfahrt gemacht und auch die Kirche besucht, muß allerdings für die nächste Zeit von allen Jagdpartien und Spaziergängen absehen. Eigen tümlicherweise jedoch ist otfiziell, bezw. von den Leibärzten nichts über die thatsäch- liche Krankheitsursache bekannt ge geben worden, und in eingeweihten Londoner Kreisen ist man weit davon entfernt zu glauben, daß wirklich nur eine Art Hexenschuß oder etwas Rheumatismus vorliege. Es verlautet sogar bestimmt, daß häufigere Wiederholungen derartiger Erkrankungen des Königs für den Winter zu erwarten find, und zwar soll es sich dabei um ganz etwas anderes als Hexenschuß handeln. »Laut amtlichem Ausweise betrugen die Staatsschulden am 31. März 1901 705 723 878 Pfund (über 1180 Mill. Mk.); das bedeutet eine Zunahme von 6d 558 613 gegen den 31. März 1900; hiervon sind 59 Millionen Kriegsanleihen. Dänemark. * Der Folkething nahm einstimmig eine Adresse an den König an, in welcher d e m König der Dank für den von ihm voll- zogenenMinisterwechsel ausgesprochen wird. Der Folkething schließt sich dem Inhalt der Thronrede an und ist willens, die Regie rung in ihrem Bestreben für ein Zusammen arbeiten mit dem Reichstage zu unterstützen. Die Adresse wird dem Könige von dem Präsi denten und den beiden Vizepräsidenten des Folkethings überreicht werden. hüten, etwa in einer großen Feldschlacht alles zu riskieren, er setzt mit Erfolg diebisherige Kleinkriegtaktik fort. *53 Aufständische aus der Kap- kolonie, welche mit Lotters Kommando ge fangen genommen waren, wurden am Mittwoch in Gegenwart von Truppen auf dem Markt platz in Cradock aufgestellt, um den Urteils- sprnch, der sie zum Tode durch Erhängen verurteilt, anzuhören. Diese Strafe wurde je doch von Kitchener in lebenslängliche Zuchthaus st rafe umgewandelt. »Dem Sultan von Marokko hat Spanien bekanntlich eine fünftägige Frist be willigt, um die von den Kabylen geraubten beiden spanischen Kinder herbeizuschaffen. Jetzt Jagdschloß Hubertus stock, jüngster Aufenthalt Kaiser Wilhelms. Balkan staaten. »In Konstantinopel gilt es für völlig aus geschlossen, daß sich das Gerücht, die Türkei wolle bezüglich der Affäre Koweit an das Haager Schiedsgericht appellieren, be stätigen werde. Abgesehen davon, daß der gegenwärtige Stand dieser Angelegenheit der Worte keinerlei Handhabe dazu biete, sei ein solcher, wegen der in türkischen Kreisen herr schenden Besorgnis, daß dadurch für die macedonische, armenische und andere offene Fragen ein Vorbild geschaffen werden könnte, nicht zu erwarten. Das Haager Schiedsgericht entpuppt sich, wie vorauszusehen war, immer mehr als Humbug. Amerika. »Zu den kolumbisch-venezolani- schen Streitigkeiten meldet die,New Jork Tribune' aus La Guayra, daß Venezuela einen neuen Einfall in Kolumbien plane. Truppen werden bei Maracaibo zu sammengezogen, offenbar in der Absicht. 3000 Mann auf der Insel Pajaro (in der Nähe von Riohacha) zu landen, welche Präsident Castro nehmen will, damit fie ihm als Operationsbafis an der kolumbischen Küste diene. Aus ver- chiedenen Orten werden Aufstände gegen Castro gemeldet. Man glaubt, daß Castro genötigt sein wird, seine Angriffspolitik aufzu geben. Afrika. *,Times' erhalten folgende seltsame Depesche: „Obgleich General Botha sich durchaus nicht in Sicherheit befindet, scheint es, daß er aus der inneren Trupp rnkette, die sofort ge bildet wurde, um seinen Rückgang abzuschneiden, entkommen wird. Botha bewegt stch längs der Grenze des Zululandes nach Norden zu, und am Sonntag ist es ihm gelungen, die Linie der englischen Truppen mit nngeiähr der Hälfte seiner Mannschaften zu passieren." Mit anderen Worten heißt das, Botha ist rurch aus in Sicherheit, und das Be treben der Engländer, Bothas Hauptmacht zu engagieren, ist vereitelt. Botha wird sich schön wird aus Tanger gemeldet, daß in allen Moscheen für die Befreiung der gefangenen Spanier Gebete abgehalten werden. (Da sieht man doch mindestens den guten Willen!) »Mehrere Congogesellschasten haben vor geschlagen, daß den cubanischen Negern erlaubt werde, sich !m Congostaat niederzu lassen. In der nächsten Woche werden bereits über 1000 cubanische Neger zu Arbeiten im Congostaat herangezogen werden. Affen. »Der europafromme Prinz Tschina hat bei den Gesandten die Forderung gestellt, die europäischen Kaufleute möchten Peking verla ff en, da Peking kein „Ver tragshafen" sei. An eine Erfüllung dieser Forderung ist natürlich nicht zu denken; China soll ja gerade „erschlossen" werden — das war wesentlich mit der Zweck der gemeinsamen Ex pedition der Mächte. * Der Petersburger Berichterstatter des .Daily Telegraph' übermittelt Berichte von den russischen Grenzposten in Mittelasien, wonach kriege rische Rüstungen in Afghanistan in großem Maßstabe stattfinden. Die Truppen find aus allen Testen de? Innern in der Richtung auf Kabul zusammengezogen. Mehrere afghanische Grenzposten wurden wesentlich ver stärkt und Kanonen aufgefahren. (Der Angstruf des englischen Blattes ist wohl verfrüht, wenn auch erklärlich.) »Wiederum haben Zusammenstöße amerika nischer Truppen mitFilivino 8 stattgesunden. Eine Abteilung amerikanischer Infanterie stieß mit einer 300 Mann starken Schar von Auf ständischen zusammen, welche in der Nähe von Lipa stark verschanzt war. Auf amerikanischer Seite fiel ein Leutnant; ein Mann wurde ver wundet. Nach einem zweistündigen Gefecht zogen sich die Amerikaner zurück, „um Ver stärkungen zu erwarten". — Eine Polizeitruppe in der Provinz Tayabas, 11 Mann stark, wurde von Insurgenten aufgehoben. Don Ilnli im- Fern. Die Berliner Hoffestlichkeiten in diesem Winter dürsten auf das geringste Maß be schränkt werden, da die kaiserliche Familie die Trauer um die Kaiserin Friedrich, die für den Hof im November beendet ist, aus ein volles Jahr ausdehnen wird. Außer dem Ordensiest und der großen Kour wird wohl kein Empfang stattfinden. Für die Berliner Geschäftswelt gibt das schlechte Ansfichten. Ans Kosten des Kaisers einer Berliner Klinik zugeführt wurde der Schreiber Joachim Sasse aus Schwedt a. O. Der junge Mann hatte in seiner Jugend stch mit einem Beil das rechte Knie verletzt und behielt ein steiles Bein. Nach Beendigung der Schulzeit wurde er Schreiber und sein Brotherr entdeckte in ibm einen hervorragenden Zeichner. Eine gelegent lich von ihm angeiertigte Zeichnung wurde dem Kaiser vorgelegt, der sich nun über den Lieb haber-Künstler Vortrag halten ließ. Das Er gebnis war, daß S. aus Kosten des Kaisers in eine Klinik ausgenommen wurde, wo sein Bein nochmals behandelt wurde. Der Eingriff ist so glücklich verlaufen, daß der junge Mann vor- ausfichtlich wieder fast gleichmäßig wird gehen können. Waldersees Krankheit nimmt nach Privatmeldungen aus Neckarsulm einen be friedigenden Verlauf, doch ist absolute Rube und Wärme noch erforderlich. Das Bett konnte der Patient noch nicht verlassen. Den Vor- scblag des behandelnden Arztes, vor der Ab reise einen zweiten Arzt zu Rate zu ziehen, lehnte der Fsldmarschall ab, da die Gefahr be seitigt und das sonstige Befinden ein günstiges sei. Die Abreise nach Hannover wird in der nächsten Woche erfolgen. Chinafonds des deutschen Flotten vereins. Am Mittwoch trat in Berlin das Kuratorium iür den Chinasonds des deutschen Flottenvereins zu einer Sitzung zusammen. Nach Feststellung der Satzung und Geschäfts ordnung wurde der Haushaltsplan entworfen und Beschluß über die Anlegung des Fonds, der inzwischen aus 155 339 Mk. angewachsen ist, zu welcher Summe noch die Kapitalzinsen hinzutreten, in mündelficheren Papieren gefaßt. Anrecht auf Unterstützung aus diesem Fonds haben alle Andehörigen der Kriegs-Marine, die in den chinefischen Wirren dienst- oder erwerbs unfähig geworden find, sowie deren Familien mitglieder und die Hinterbliebenen von Ver storbenen. Anträge auf-Unterstützung find an die Orts- bezw. Landes- und Provinzial-Ver- bände des deutschen Flottenvereins zu richten. Im Zuchthaus gestorben. Der Raub mörder Reuß, der im Jahre 1873 seine Pflege eltern in Tegel ermordete, um fie ihrer, nur aus einigen Mork bestehenden Barschaft zu be rauben, ist, nachdem er 27 Jahre seiner Straf zeit in Brandenburg verbüßt hat, im Alter von 49 Jahren gestorben. Er war seiner Zeit zu« Tode verurteilt und später zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt worden. Diebstahl von Eisenbahngütern. Der Teilhaber einer Speditionsfirma in München- Gladbach, dessen Frau und Sohn sowie ein Fuhrknecht wurden wegen fortgesetzter großer Diebstähle von Eisenbahngütern verhaftet. Ehrlichkeit lebt noch. Eine Dame in München wollte zu einem Bankier gehen und trug ihr Geld in Scheinen in einem Leder- täschchen. Dieses öffnete fie unvorstchtigerwem auf einem freien Platz, auf dem immer starke Zugluft zu herrschen pflegt. Ein Windstoß entführte der Unvorsichtigen den wertvollen In halt und im Nu flatterte eine Zahl blauer Scheine in die Lust. Ein Teil davon wirbelte am Boden herum, andere erhoben sich haushoch nach oben. Einige Passanten kamen der Er schrocken zu Hilfe; man stellte den Flüchtlingen nach und konnte sie auch wieder dingfest machen. Im Hausflur des Pfarrhauses wurde das ver lorene Gut nachgezählt und siehe da — uuo das ist das Merkwürdigste an der Sache — die Dame hatte ihr ganzes Geld wieder erhalten und zwar nicht weniger als vierundzwanzis Einhundert-Mark-Scheine, mit denen der Wind sein loses Spiel getrieben hatte. Die verlorene Tochter. lOj Roman von C. Wild. (Fortsetzung.: Luise von Carsten errötete wie ein junges Mädchen. Sie stellte einige vorsichtige Fragen und erfuhr alles, was sie vorläusig wissen wollte. Eine eigentümliche Empfindung durch zuckte die schöne Frau; fie harte nie daran gedacht, eine zweite Ehe einzugehen, aber jetzt fragte sie sich, ob fie denn schon zu alt sei, um an eine nochmalige Verbindung zu denken. Die erste Ehe hatte ihr nur Kummer und Leid gebracht — das Schicksal war ihr für viele verlorene Jahre eine Entschädigung schuldig. O, wenn sie diese unselige Zeit aus rhrem Leben, ihrer Erinnerung hätte vertilgen können, wie viel, wie viel würde sie darum gegeben haben! Sie blieb tief aufatmend stehen und preßte die schmalen, feinen Hände gegen ihre Stirn. „Das soll mein Geheimnis für ewig bleiben," sagte fie entschlossen, „kein Mensch dar? erfahren, daß ..." fie brach ab, als fürchte fie fich. schon zu viel gesagt zu haben. Eine ziemliche Weile blieb fie mit halb ge schlossenen Augen stehen, um fich zu beruhigen, denn fie fühlte fich zu erregt, um fich so vor ihrer Zofe zu zeigen. Als sie wieder die Macht über sich gewonnen hatte, machte fie noch schnell einen Gang durch das Zimmer, noch einen Blick in den Spiegel, dann wurde die Zo e gerufen. F au von Carsten machte stets sehr sorg fältig. Toilette, heute aber wollte sie besonders geschmackvoll erscheinen. Sie wählte gelben Sam! mit schwarzen Spitzen, im Haar und an der mädchenhaft zarten Büste funkelten Brillanten. Sie bot in diesem Anzuge eine wahrhaft königliche Erscheinung, ihre Haltung schien stolzer geworden, ihre dunklen Augen glänzten wie Sterne. Als Luise in Begleitung ihres Neffen das Haus des Bankiers Normann betrat, klop'te ihr trotz aller Selbstbeherrschung doch das Herz. In ihrem schönen, stolzen Gesicht veränderte fich aber kein Zug, das konventionelle verbind liche Lächeln umschwebte ihre Lippen, als fie die Begrüßung der Hausfrau erwiderte, doch heimlich flogen ihre Augen suchend umher. Sie zuckte plötzlich zusammen und senkte die Wimpern. Sie hatte ihn erkannt. Dort in der Ecke stand er im Gespräch mit dem Hausherrn. Er hatte fich nicht viel verändert, schön und stattlich war er geblieben. Und dann — dann stand er vor ihr und fie ernenne lachend die, wie fie sagte, „alte Bekanntschaft". Sie merkte wohl, daß seine Blicke bewundernd auf ihrer schönen Erscheinung ruhten, fie sah das Auf leuchten seiner Augen und spürte den warmen Druck seiner Hand. Baron Max von Bohlen mochte ungefähr breiundfünfzig Jahre zählen. Die stramme Haltung, das nur wenig ergraute Haar, ließen ihn jünger erscheinen. Man sah, dieser Mann konnte hart sein wie Stahl und Eisen, auf Schonung und Rücksicht war bei ihm nicht zu rechnen. Und doch — wie er nun das einst so heiß geliebte Weib so schön, so stolz, und noch so jugendfrisch vor fich stehen sah, da flog es weich und mild um seinen herbgeschwungenen Mund. Die Erinnerung mit ihrem ganzen Blüten kranze stieg wieder vor ihm auf — versunken waren die Jahre der Enttäuschung, der Bitter keit, er sah fich wieder in die Zeit zurückversetzt, da fie beide noch jung waren und einander siebten, so ungestüm, so fragelos um die Zu kunft, wie es eben nur die Jugend zu thun vermag. Luise fand schneller den Ton der Unbe fangenheit wieder. Sie nahm den Arm des Barons und ließ fich von ihm zu einem Sitze führen. Dann begann fie zu erzählen von ihren Reisen, von ihrem Neffen; über ihre Ehe, die mit einer Scheidung endigte, glitt fie nur flüchtig hinweg. Der Baron berichtete dann seinerseits von dem zurückgezogenen Leben, das er seither auf dem Lande geführt, auch er erwähnte nur flüchtig seiner toten Gattin — Luise hörte aus jedem seiner Worte heraus, daß er nicht glück lich gewesen war. „Mein Sohn ist nun auch vermählt," schloß er, „ich stehe eigentlich allein da. Manchmal empfinde ich es doch bitter, daß ich ganz ver einsamt bin." Die schöne Frau spielte eifrig mit ihrem Fächer. „Ein Mann kann Vereinsamuna nie so schmerzlich empfinden wie eine Frau/ be merkte fie dann leise. „Je nachdem," versetzte Baron Bohlen, Luise zärtlich anblickend; „wenn ich so allein bin, dann bestürmen mich die Erinnerungen an die Vergangenheit. Ich sage mir, wie alle» hätte anders sein können, wenn ich mich nW der Familie wegen hätte lügen müssen. JÜ hatte kein Glück; meine Frau und ich, wir ver standen uns nicht, und mit meinem Sohn ist es dasselbe. Kein innigeres Band umschling» uns beide, mein Sohn ähnelt mir in nichts und ich selbst kann ihn nicht so sieben, wie ich ihn lieben sollte. Für mich bleibt er immer das Kind einer ungeliebten Frau, darüber kann ich nun einmal nicht hinauskommen." Frau v. Carsten legte ihre Hand leicht aus seinen Arm. „Armer Freund," sprach fie teil nehmend, „so ist das Glück der Häuslichkeit auch Ihnen nicht zu test geworden." „Glück?" rief er bitter. „Ich hätte nicht einmal so viel verlangt. Aber Ruhe und den Anstand vor der Wett gewahrt, das hätte ich doch beanspruchen können. Allein nicht einmal das ward mir zu teil. Meine Frau war eine Verschwenderin, fie verstand es nicht, fich nach unseren Einkünften zu richten. Sie machte Schulden, es gab Auftritte, Aergernisse, alle Welt erfuhr davon, man sprach darüber, zeigte förmlich mit den Fingern nach uns, alle diese widerlichen Dinge kamen in die Oeffentlichkeit, und das war ärger für mich als der Tod. Ich habe von jeher getrachtet, unseren Namen rein und makellos zu erhalten, diese Frau hat ihn befleckt, in den Staub gezogen!" Der ganze Jahre hindurch in ihm aufge- speicherte Groll kam jetzt zum Ausbruch. Baron Bohlen hatte seine Frau gehaßt, nicht nur weil er ihretwegen seinem Jugendtraume hatte ent-