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Allgemeiner Anzeiger : 18.09.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190109185
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010918
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
-
Monat
1901-09
- Tag 1901-09-18
-
Monat
1901-09
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 18.09.1901
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Zum Gumbinner Mordprozeff. Der Aufruf des Rechtsanwalts Horn, des Ver- seidigers des Sergeanten Hickel, bezüglich Spen dung von Geldmitteln zur Unterstützung der Opfer des Gumbinuer Mordprozesses hat bis jetzt zur Folge gehabt, daß an 2000 Mk. ein- Segangen sind; jede Post bringt neue Beträge. 3n der Mordangelegenheit selbst werden die Maßnahmen der Militärbehörde mit strengster Verschwiegenheit gehandhabt. Wieder einer! Der Direktor Schostag don der Breslauer „Reederei vereinigter Schiffer" m sich vergiftet. Ob und inwieweit die Reederei finanziell in Mitleidenschaft gezogen ist, sollte in Mr diesen Freitag nachmittag stattfindenden Aufsichtsratssitzung festgestellt werden. Nach dem Aresl. Gen. - Anz/ haben die angestellten Recherchen ergeben, daß Schostag Waren- «onnossemente auf den Namen obiger Gesell schaft gefälscht und bei einem Hamburger Bank- Mise lombardiert hat. Eine im Grauen-Zuchthaus in Delitzsch fitzende Strafgefangene erhielt vor einigen Tagen eine Ansichtspostkarte mit folgendem Wortlaut: „Olle! Nächsten Freitag komme ich "ach Delitzsch und werde Dir ein Ständchen bringen. Wenn Du einen Leierkasten hörst, so senke daran, daß es Dein Dich liebender Mann 'n." Der musikalische galante Ehemann erschien auch pünktlich, die Anstaltsverwaltung ließ ihn jedoch alsbald entfernen. Geständiger Mörder. Ein österreichischer Deserteur namens Herrmann aus Kratzau, der «or etwa zwei Monaten in einer Ortschaft bei Mau verhaftet wurde und seit einiger Zeit sich '" Zittau in Untersuchungshaft befindet, hat ein Mnes Geständnis dahin abgelegt, einen vor "irzem in der Nähe der Stadt tot ^gefundenen ""bekannten Reisenden (Handwerker) ermordet ö" Haven. . Ein Doppelmörder wurde am Freitag in dkr Person des Dienstknechtes Karl Herberger ""s Rheinsheim durch Kriminalbeamte auf M Scharshof bei Mannheim verhaftet. Er M am 2ö. August bei Wiesenthal den Bier- Muer Steiner aus Württemberg und im Mai tboo einen Unbekannten im Neckarauerwald bei Mannheim ermordet und beraubt. Der Thäter Wand beide Mordthaten ein. Bon einem Blitzschlag wurden in Corrano Corsica zwei Personen getötet und vier ver wundet. . Eine reizende Aufmerksamkeit erwies "önigin Wilhelmina an ihrem Geburtstage den M Glückwunschtelegrammen überhäuften Tele- ^uphenbeamten; sie schickte den Herren zum Ahstück einen Korb Champagner und die "öligen Butterbrote. Der Geburtstag der Königin wurde im ganzen Lande in einer Weise Weiert, die der Feier des Krönnngs'eües bei- "uhe gleichkam. Selbst in den kleinsten Flecken "Em sich Festkomitees gebildet, die im vollsten binne des Wortes für Volksvergnügungen lurgten. H Auf der Jagd nms Leben gekommen, ^f Charette, ein Neffe des Generals Charette, ^maligen Kommandanten der päpstlichen Waden, ist auf der Jagd ums Leben gekommen, ^ei einem Sturze entlud sich sein Gewehr und KW ihm die Schlagader. . Ein amerikanischer Menschenfrefser- Wmm. Der Forschungsreisende N. Payer ist " Amerika auf einen bisher so gut wie unbe- ^nnten Menschenfresserstamm gestoßen. Payer Lachte im vergangenen Februar von Monsa bei Manaos einen mehrtägigen Ausflug den Janapery Mtvärts und kam dabei mit den Menschen- Wern in Berührung. Eine Aufnahme des Fusses und sprachliche Notizen waren die Er- Me dieses Zuges, während die angesertigten Mographischen Zeichnungen von den Wilden vernichtet wurden. Lynchjustiz. In den Ver. Staaten find Mrend der letzten Wochen vier Neger öffent- U verbrannt worden; der erste in Tennessee, E" zweite in Texas, der dritte in Missouri der vierte in Alabama. In allen Fällen Welte eS sich um die üblich gewordene Be- Mung der Vergewaltigung weißer Frauen, -^unzweifelhaft sichere Beweise für dieThäter- schaft kümmert man sich nicht. Der Verdacht genügt, den eingefangenen Neger auf den Scheiterhaufen zu schleppen. In Alabama wohnten sogar viele Neger dem gräßlichen Schauspiel des langsamen Verbrennens ihres Rassegenossen bei und schrieen mit den Weißen beifällig um die Wette. JreiwMqe Opfer des gelben Fiebers. Von acht Personen, die sich in Havana gegen Bezahlung zu den von amtlicher amerikanischer Seite dort mit Gelbfieberkeimen vorgenommenen Versuchen hergegeben haben, das heißt, sich von Moskitos, die nachweislich angesteckt waren, stechen ließen, find zwei gestorben, drei liegen im Sterben, zwei befinden sich nach schwerer Erkrankung auf dem Wege der Besserung und eine blieb gesund. Damit scheint die Annahme, daß das gelbe Fieber durch Moskitos auf Menschen übertragen wird oder wenigstens über tragen werden kann, eine Bestätigung gefunden zu haben. Zu den Opfern, welche die Ver suche der amerikanischen Aerzte gefordert haben, gehört auch eine junge deutsch amerikanische Krankenpflegerin namens Klara Maas. Sie hatte als Wärterin der Roten Kreuz-Gesellschaft im spanischen Kriege tüchtige Dienste geleistet. Aus Manila nach Havana zurückgekehrt, stellte sie sich gegen eine Ent schädigung von 100 Dollar den Aerzten zur Verfügung. Sechs verschiedene Male ließ sie sich von mit Gelbfieber angesteckten Moskitos in den Arm stechen, ohne daß sie erkrankte. Als sie dann aber bei einem mit einer andern Person vorgenommenen Versuch zugegen war, wurde sie zufällig von einem Moskito gebissen, worauf sie am gelben Fieber erkrankte, dem sie erlag. GerichtshaNe. Düsseldorf. Das hiesige Landgericht verhandelte am Freitag gegen 17 Personen wegen gewerbs mäßigen Glücksspiels und verurteilte sechs von den Angeklagten zu Gefängnisstrafen von 2 Wochen bis 3 Monat. Neun Personen wurden freigesprochen, während zwei Wirte wegen Duldung gewerbsmäßigen Glücksspiels zu 50 bezw. 200 Mk. Geldstrafe ver urteilt wurden. Frankenthal. Die hiesige Strafkammer hat den Vorarbeiter Ludwig Graf zu Mundenheim, den „Ludwigshafener Jack," zu neun Jahr Gefängnis verurteilt. Die Anklage lautete auf schwere Körper verletzung in zehn Fällen. Die Verhaftung des Verbrechers war im April erfolgt. Er legte ein umfassendes Geständnis ab. 13 Zeugen und drei Sachverständige wurden vernommen. Die Verhand lung dauerte drei Stunden. Stuttgart. Eine sehr milde Strafe hat ein Fabrikant höchst unnützer und gefährlicher Zigarretten erhalten. Die Pyrotechniker Fischer in Cleebronn, Oberamt Brackenheim, brachte eine Art Zigarretten in den Handel, welche an ihrem Hinteren Ende eine mit Explosivstoff angefüllte Patrone enthielten und kurze Zeit nach Jnbrandsetzen Plötzlich nach vorn explodierten. Diese unter dem Namen „Pfeifen- zigarrette" als „Scherzartikel" verkaufte Zigarrette verursachte einem ahnungslos Rauchenden eine unbe- deutende Brandwunde an den Lippen und lenkte so die Aufmerksamkeit des Gerichts auf sich. Die Ferienstrafkammer verurteilte den Verfertiger dieses Artikels wegen Vergehens — gegen das NahrungS- mittelgesetz zu einer Geldstrafe von fünfzig Mark. Das Pfandrecht des Vermieters an den eingedrachten Sachen «ach dem B. G.-B. (Schluß.) Z 56H Der Vermieter darf die Entfernung der seinem Pfandrecht unterliegenden Sachen, soweit er ihr zu widersprechen berechtigt ist, auch ohne Anrufen des Gerichtes verhindern und, wenn der Mieter auszieht, die Sachen in seinen Besitz nehmen. Hierdurch ist dem Vermieter als wichtigstes Schutzmittel ein Selbsthilferecht gewährt, welches nicht an die nach § 229 für die Zulässigkeit der Selbsthilfe sonst geltenden Voraussetzungen geknüpft ist. Der Vermieter darf schlechthin die Entfernung derjenigen Sachen verhindern, deren Entfernung er widersprechen kann und darf, wenn der Mieter aus zieht, diese Sachen ihm weg- und selbst m Besitz nehmen. Soweit er sich in den Grenzen dieser Be- fugniS hält, handelt er nicht widerrechtlich. Falls er die Grenzen überschreitet, wird er nach allge meinen Grundsätzen schadensersatzpflichtig. Inwieweit der Vermieter berechtigt ist, die ohne sein Wissen oder unter seinem Widerspruch entfernten Sachen im Wege der Selbsthilfe wieder auf das Grundstück zurückzuschaffen oder in Besitz zu nehmen, bestimmt sich dagegen ausschließlich nach den allge meinen Vorschriften der §8 229—231 B. G.-B. Sind die Sachen ohne wissen oder unter Widerspruch des Vermieters entfernt worden, so kann er die Herausgabe zum Zwecke der Zurückschaffung in das Grundstück und, wenn der Mieter ausgezogen ist, die Ueberlassung des Besitzes verlangen. Das Pfandrecht er lischt mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Vermieter von der Entfernung der Sachen Kenntnis erlangt hat, wenn nicht der Ver mieter diesen Anspruch vorher gerichtlich gel tend gemacht hat. Demnach ist der Anspruch des Vermieters, im Falle einer das Pfandrecht nicht aufhebenden Ent fernung von Sachen auf Herausgabe zum Zwecke der Zurückschaffung in das Grundstück und wenn der Mieter ausgezogen ist, auf Ueberlassung des Besitzes gerichtet. Der Anspruch gründet sich auf das Pfandrecht und steht dem Vermieter gegen den Meter und gegen den dritten Besitzer zu, sofern letzterer nicht als gutgläubiger Besitzer geschützt ist. Für die Geltendmachung des Anspruchs ist im Interesse der Verkehrssicherheit eine kurze Frist mit der Wirkung bestimmt, daß mit deren Ablauf daS Pfandrecht selbst erlischt. Hat der Vermieter im Wege der Selbsthilfe oder im gerichtlichen Wege Sachen des Mieters nach dessen Auszuge in Besitz genommen, so kommen die jenigen für das durch Rechtsgeschäft begründete Pfandrecht geltenden Vorschriften zur Anwendung, welche den Besitz des Pfandes auf fetten des Pfandgläubigers voraussetzen. Während es sich bei der Selbstverteidigung (88 227, 228) um die Abwendung einer drohenden Beschädigung handelt, geht bei der Selbsthilfe der jenige, welchem ein Anspruch zusteht, angriffs weise vor, um die Verwirklichung seines Anspruchs zu sichern. Nach der Natur des prozessualischen Verfahrens dauert es immer längere Zeit, bis die Befriedigung eines Anspruchs durch gerichtliche Zwangsvoll streckung erwirkt werden kann. Gegen die daraus entstehende Gefahr bietet die Z.-P.-O. das Mittel des Arrestes (88 796 ff. der Z.-P.-O.) und der einstweiligen Verfügungen (88 814 ff. der Z.-P.-O.) Aber auch die Anwendung dieser Mittel nimmt häufig io lange Zeit in Anspruch, baß dadurch die Verwirklichung eines Anspruchs nicht immer genügend gesichert wird. Für solche Fälle gestattet der § 229 die Selbsthilfe von feiten des Berechtigten. Voraus setzungen der Zulässigkeit sind: s) daß obrigkeitliche Hilfe, d. h. also die Hilfe des Gerichts oder eines anderen zuständigen Organs, nicht rechtzeitig zu erlangen ist und b) daß ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr be steht, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Nicht erforderlich ist, wie nach dem bisherigen Rechte bisweilen angenommen wird, daß der An spruch ohne das sofortige Eingreifen unwiederbring lich verloren sein würde. Es genügt, daß die Ver wirklichung des Anspruchs wesentlich erschwert wird. Nicht ausgeschlossen ist die Selbsthilfe dadurch, daß der Berechtigte für den Fall, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt wird, Aussicht hat, Schaden ersatz zu erlangen. Der Berechtigte kann die Er füllung seines Anspruchs fordern und braucht sich, solange diese möglich ist, nicht mit Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu begnügen. Die zulässigen Mittel der Selbsthilfe sind: 1) Wegnahme einer Sache. Diese ist nur dann stattbaft, wenn entweder die Zwangsvoll streckung in die Sache oder der dringliche Arrest zulässig ist. Dieser findet nur statt zur Sicherung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen wegen einer Geld forderung oder eines Anspruches, der in eine Geldforderung übergehen kann. Die Wegnahme aus einem anderen Grunde ist unzulässig. Ebenso unzulässig ist die Weg nahme von Sachen, welche der Pfändung nicht unterworfen sind, sofern der Anspruch nicht auf diese Sachen geht. 2) Die Festnahme des Verpflichteten. Diese kann als zulässig nur erachtet werden, wmn der persönliche Sicherheitsarrest zulässig ist. Dieser findet nach 8 918 d. Z. P.-O. statt, wenn er erforderlich ist, um die gefährdete Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu sichern. Daraus folgt insbe sondere, daß die Festnahme nicht zulässig ist, um den Verpflichteten zu einer Handlung und Unterlassung zu zwingen. Dieser Punkt der Selbsthilfe ist demnach bei Ausübung des Pfandrechts des Vermieters dem Meter gegen über nicht anwendbar. 3) Beseitigung des von dem Verpflichteten gegen eine Handlung, die er zu dulden verpflichtet ist, geleisteten Widerstandes. Dem Berechtigten steht, wenn die Voraussetzung der Selbsthilfe vorliegt, diejenige Befugnis zu, welche im Falle der Zwangsvollstreckung dem Gerichts vollzieher nach der Z. P.-O. zustehen würde. Er ist also z. B. den Widerstand, welchen der Verpflichtete der von ihm zu duldenden Wegnahme der Sachen entgegensetzt, mit Ge walt zu beseitigen befugt. 8 562. Der Mieter kann dis Geltend machung des Pfandrechts des Vermieters durch Sicherheitsleistung abwenden; er kann jede einzelne Sache dadurch von dem Pfand recht befreien, daß er in Höhe ihres wertes Sicherheit leistet. Der Mieter kann 1) die Geltendmachung des Pfandrechts im Wege der Selbsthilfe oder der Klage (gemäß 8 561) dadurch im ganzen abwenden, daß er in Höhe der Gesamtforderung, wegen deren dem Ver mieter das Pfandrecht jeweilig zusteht, dem Vermieter Sicherheit leistet; 2) jede einzelne Sache von dem Pfandrecht be freien, indem er in Höhe ihres Wertes dem Vermieter Sicherheit leistet. Die Art und die Wirkung der Sicherheitsleistung bestimmen sich in beiden Fällen nach den 8? 232-240. Nach Maßgabe des 8 232 Absatz 2 genügt also auch die Stellung eines tauglichen Bürgen. 8 563. wird eine dem Pfandrecht des Vermieters unterliegende Sache für einen anderen Gläubiger gepfändet, so kann diesem gegenüber das Pfandrecht nicht wegen des Mietzinses für eine frühere Zeit als das letzte Jahr vor der Pfändung geltend gemacht werden. Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Ueberlassung, Benutzung oder Räumung, sowie wegen Zurück haltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mietsräume eingebrachten Sachen sind Feriensachen. — 8 202 zu 4. d. G. V. G. vom 17. 5. 98. — Buntes Allerlei. Grofffürst Alexander. Kürzlich erhielt ein Nürnberger Gasthofsbefitzer ein Telegramm folgenden Inhalts: „Reservieren Sie für Mon tag abend drei große Zimmer erste Etage. Großfürst Alexander." Er geriet in nicht ge ringe Aufregung und ließ die Zimmer auf das schönste Herrichten, war aber nicht wenig er staunt, als statt des erwarteten Großfürsten drei Konfektionsreisende ankamen, welche Groß, Fürst und Alexander hießen und auf ihren „Witz" nicht wenig stolz waren. Welche Miene der Gasthofsbefitzer dazu gemacht hat, darüber schweigt die Geschichte. Es kommt auf den Geschmack an. Eine hübsche Anekdote erzählt der ,Gaulois' vom König Christian von Dänemark. Der König wohnte eines Tages der Eröffnung einer Eisenbahnlinie im Norden Jütlands bei. Da trat ein Bäuerlein mit der Frage auf ihn zu: „Sind Sie der König?" Der Monarch ant wortete: „Ja, haben Sie mir etwas zu sagen?" Hierauf entgegnete der Bauer: „Sie find ein guter König, einer der besten, den wir je gehabt haben." „Das kommt ganz auf den Geschmack an," meinte der König lachend, „übrigens bin ich in derlei Angelegenheiten ein schlechter Richter." Beim Wortwechsel. „Ich begreife nicht, daß Sie immer noch streiten. Einen an ständigen Menschen erkennt man doch daran, daß er ein Unrecht einfieht!" — „Gewiß, das thue ich ja auch. Ich sehe Ihr Unrecht voll ständig ein!" Ein Wiedersehen. „Also Sie find Baronesse von Prillwitz; wir waren nämlich vor achtzehn Jahren zu Ihrer Taufe auf Schloß Hochburg. Nein, wie Sie sich verändert ^»Wie du nur sprichst!" rief er gekränkt. VWirn ich sage, daß Tante Carsten mit Freuden O>ne Bitte erfüllen wird, so mußt du das nicht als die Wohlthat einer Fremden auf- Uvlen. Du wirst die Tante kennen und lieben 'Wen und . . e. .Nein, Walter "unterbrach sie ihn mit fester , «Mme, „deine Absicht ist gut, aber es liegt !° viel Demütigendes für mich darin, daß ich L" auf einen solchen Vorschlag eingehen werde. Brechen wir nicht mehr über diese Sache!" ., „Aber Frieda, wie soll ich dir denn sonst Men?" rief er unwillig. „Ich bin nicht selbst- Mig und kann so gar nichts für dich thun I "vd doch möchte ich so gern etwas zur Siche- Mg deiner Existenz beitragen." Gn melancholisches Lächeln huschte wie ein Matten über das Gesicht des Mädchens. Sie Mte sich stark genug, allein den Kampf um M Dasein aufzunehmen. Sie zürnte Walter, er daran denken konnte, sie in das Haus 3"er ihr gänzlich fremden Frau zu bringen. A wenn er zu ihr gesagt hätte: „Frieda^ ich -Wiche dich in meiner Nähe, ich sehe ein Stück Mat in dir, deine Gegenwart wird mich zur ^°eit, zu neuem Schaffen begeistern und an- Mnen," dann hätte sie eine tiefinnere Be- ^Edigung empfunden und sein Anerbieten doch .angenommen, o nein, dazu war sie zu Aber sie hätte ihm gedankt mit warmen, suchen Worten, nicht so kalt und schroff ab- Miend. Sie konnte ja nicht anders, bei Gott, W. nicht, sie fühlte wieder einmal zu D daß er kein rechter Manu, kein selbst- Dinger Charakter sei. Und doch, was wollte sie eigentlich von ihm? Sie wußte es selbst nicht recht. Ihr war die Klarheit der Gedanken abhanden ge kommen, sie fühlte sich tief unglücklich und selbst Walters Gegenwart brachte ihr keinen Trost. Mit peinvoller Ungeduld sehnte sie den Augenblick des Abschieds herbei, dann war auch das Aergste hinter ihr, — denn der Himmel mochte wissen, wann sie Walter wieder sah. — Dem jungen Mann wurde diesmal der Ab schied schwerer als bei der ersten Trennung. Mit dem innigen Mitleid für Frieda mischte sich die Trauer um den Toten, und auch ein Ge fühl der Unzufriedenheit mit sich selbst. Er hätte Frieda zürnen mögen, daß sie sein Anerbieten nicht angenommen, und war im Grunde doch froh, daß sie es nicht gethan, denn er wußte schließlich keineswegs genau, wie Tante Carsten sich zu seiner Bitte verhalten haben würde. Als er nach einem, von Friedas Seite sehr wortkargen Abschiede im Eisenbahnkoupee saß, um nach Hamburg zurückzukehren, dachte er lange darüber nach, wie er es machen könnte, um sie in das Haus seiner Tante zu bringen. Frau von Carsten schien nicht viel von seinen Verwandten zu halten. Sie erkundigte sich nie nach ihnen; und wenn sie auch Walters schneller Abreise nach Grünheide kein Hindemis in den Weg gelegt hatte, so war es ihr doch anzusehen gewesen, daß sie dieselbe ziemlich über flüssig fans. Den Neffen hatte Frau von Carsten mü offenen Armen ausgenommen, von den Ange hörigen seiner Mutter wollte sie aber nichts wissen. Sie war eine noch sehr stattliche Dame von fünfzig Jahren, die jedoch ganz gut ein Jahr zehnt hätte ableugnen können. Ihr Reichtum nnd ihre Bekanntschaft sicherten ihr einen der ersten Plätze in den Gesellschaftskreisen Ham burgs. Sie war gewöhnt, daß man ihren Wünschen überall entgegen kam, und es machte ihr Vergnügen, ihren Neffen, wie sie meinte ihretwegen, allenthalben gut ausgenommen zu sehen; daß sein vorteilhaftes Aeußere, seine ge fälligen Manieren und auch seine Kunst minde stens ebensoviel dazu beitrugen, das erkannte sie nicht. Sie war eine vielleicht mehr eigensinnige als thatkräitige Frau und bildete sich viel dar auf ein, daß sie immer das durchsetzte, was sie wollte. Wäre Walter weniger gefügig gewesen, sie hätte ihn nicht so geliebt und ihm nicht eine so wahrhaft mütterliche Zärtlichkeit entgegen- gebracht, wie sie es that. Nur leider ist nicht jede mütterliche Zärtlichkeit heilsam und nützlich. Frau von Carsten verwöhnte den jungen Mann, sie zog ihn in einen Strudel von Ver gnügungen, sie setzte ihm auch ein reichliches Taschengeld aus, aber es fiel ihr nicht ein, dafür zu sorgen, daß er eine gesicherte, selbständige Stellung erlangte. Er fuhr mit seiner Tante spazieren, begleitete sie in Gesell schaften, komponierte hie und da ein wenig, spielte in Wohlthätigkeitskonzerten und führte im ganzen ein sehr behagliches, jedoch keines wegs ernster Arbeit gewidmetes Leben. Aber er fühlte sich wohl dabei und mit dem glück lichen Leichtsinn der Jugend dachte er nicht an die Zukunft. Wer sollte auch an das „Morgen" denken, wenn das „Heute" so schön war? Erst der Tod Doktor Währings hatte den jungen Mann aus seiner Behaglichkeit ein wenig aufgerüttelt; er sah wieder den Ernst des Lebens vor sich, die bittere Zukunft der armen Frieda, die nun heimatlos geworden war und in die Welt hinaus sollte, um sich ihr Brot zu verdienen. Ein Gefühl der Scham überkam ihn, daß das Schicksal ihn so günstig gestellt hatte und er dennoch ihr nicht helfen konnte. Aber er nahm sich vor, trotz Friedas Weigerung bei der Tante für sie zu sprechen. Wenn Frau v. Carsten sich entschloß, selbst nach Grünheide zu reisen, um das Mädchen zu holen, würde diese nicht länger widerstehen können. Gewiß, das war das beste! Freilich, als Walter heimkam, seiner Tante gegenübertrat, ihr in das Gesicht mit den großen, dunklen Augen blickte, ihre etwas kalte und herrische Stimme vernahm, da schwand ihm der Mut und er sagte sich, seine Pläne seien thörichte Illusionen gewesen. Diese stolze, vornehme Dame würde sich nie dazu verstehen, die arme Doktorstochter aufzusuchen, um ihr in ihrem Hause ein Heim anzutragen. Nein, er durfte es nicht wagen, eine solche Zumutung an seine Tante zu stellen. Die arme Frieda mußte demnach heimatlos bleiben. Anfänglich schrieb er ihr jeden Tag, spät« nur einmal in der Woche. BT, (Fortsetzung folgt.)
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