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Allgemeiner Anzeiger : 25.09.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190109255
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010925
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-09
- Tag 1901-09-25
-
Monat
1901-09
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 25.09.1901
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Politische Rundschau» Deutschland. *Die Kaisermanöver haben am Donnerstag ihren Abschluß gefunden. Der Kaiser ist nach Danzig und Marienburg gefahren, um von dort nach Cadinen zu reisen. *Die Gerüchte über eine neue Zu sammenkunft Kaiser Wilhelms mit dem Zaren, sei es in Spala, sei es in Skier- niewice, werden, wie zu erwarten war, amtlich in keiner Weise bestätigt. * Prinz Tschun hat bei den M a n ö v e r n einmal an der kaiserlichen Tafel speisen dürfen. Gerüchtweise verlautet, daß das Gefolge des Kaisers und der Kaiserin die Annahme der ihnen vom Sühneprinzen Tschun zugedachten Geschenke abgelchnt habe. *Dem Prinzen Tschun wurde vom Kaiser das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen. *48 Handelskamm.ern haben sich bisher erklärt zu Gunsten langfristiger Handelsverträge und gegen die Be günstigung agrarischer Interessen. *Dom Reichsamt des Innern soll ' die Pr o d u k t i o n s st at i sti k in naher Zeit für alle diejenigen BerMiweige, von denen anzu nehmen ist, daß die Produktionsverhältnisse sich seit der Vornahme der ersten Erhebung wesent lich verändert staben, wiederholt werden. Die Erbebung dürfte im wesentlichen auf Grund der früher festgestellten Fragebogen stattfinden, was den Vorteil im Gefolge haben wird, daß eine Vergleichung der neuen mit den alten Zahlen leicht vorzunehmen sein wird. Bei einzelnen Industriezweigen hatte man in den neunziger Jahren nur die Produktion derjenigen Betriebe erfaßt, welche den Bernssgenossen- schaften angehörten. Es hat sich aber ergeben, daß auch für die außerhalb der Berufsgenossen- schasten stehenden Betriebe eine ziemlich genau zutreffende Statistik sich veranstalten läßt und man wird nun auch an eine Feststellung der Produktion außerhalb der Berufsgenossen- schaiten stehenden Betriebe für einzelne Gewerbs zweige geben. Die dem Reichsamt des Innern mitgeteilten Zahlen sollen auch diesmal wieder streng geheim gehalten werden. *Das älteste MitglieddesReich s- 1 ags ist nunmestr Abg. Dr. Langerhans, geboren am 25. Mai 1820, nachdem Abg. Lingens sein Mandat niedergelegt hat und der Abg. Dieden verstorben ist. *Der Reichs- und Preuß. Landtag? - Abg. Wintermeyer, Vertreter von Wiesbaden, ist im Alter von 42 Jahren in der Schweiz gestorben. Er war Mitglied der freisinnigen Volkspartei. * Das kaiserlicheStatistischeAmt erfuhr eine wesentliche Erweiterung. Während es in den ersten Jahren nach seiner Gründung (1872) mit nur elf Beamten arbeitete und sein Ausgabe-Etat noch nicht 100 000 M. erreichte, beziffert sich dieser jetzt auf über 1 Mn. M , und das Personal besteht aus mehr als 300 Mann. Das Arbeitsgebiet des Statistischen Amts hat sich im Laufe der ver gangenen Jahrzehnte ganz erheblich erweitert und ist weiterhin noch in Ausdehnung begriffen. Viele von den wichtigeren Zweigen der Sta tistik, wie Bevölkerungs-, Landwirtschafts-, Ge werbe-, Handels-, Verkehrs-, Konsum-, Steuer-, Kriminal- und Wahlstatistik, find bereits in den Rahmen der Reichsstatistik einbezogen, an ihrer weiteren Vervollkommnung wird fortgesetzt ge arbeitet. Ansätze zu der vielfach gewünschten Arbeiterstatistik finden sich in den Arbeiten, die das kaiserliche Statistische Amt für die Kom mission für Arbeiterstaiistik seither lieferte. Oesterreich-Ungarn. * Im Oktober soll ein neuesExerzier- reglement für die österreichisch-ungarische Armee in Kraft treten. Sein Hauptzweck ist, die Mannschaften zu guten Schützen auszu bilden. „Kein Mafsendrill, sondern individuelle Erziehung" ist die Grundidee des neuen Regle ments. Wie das Blatt weiter hört, haben die Erfahrungen des s ü d a fr i k an i s ch e n Krieges das neue Reglement veranlaßt. Frankreich. *Die Zarenfestlichkeiten verlaufen in programmmäßiger Weise. Die offiziellen Reden entbalten keine aufregenden Stellen. Es sind Höflichkeiten und erwiderte Höflichkeiten. Am Donnerstag hat das Zarenpaar die alte Königsstadt Reims besucht. *Die Trinksprüche beim Frühstück waren nur in der Hinsicht bemerkenswert, daß, während Loubet auf dieKriegsbereit- schäft der Armee anspielte, der Zar sagte, er betrachte die Armee als eine mächtige Stütze der Rechtlichkeitsprinzipien, auf welchen allge meine Ordnung, Frieden und Wohlergehen der Nationen beruhen. — Der Kardinal- Erzbischof von Reims hatte sich ge weigert, seine Ansprache vorher der Regie rung zur Genehmigung vorzulegen. Er empfing deshalb den Zaren ohne Ansprache. Reims war prächtig geschmückt, die Sicherheils- maßregcln in der Stadt find enorm, dagegen waren sie auf dem Manöverfeld nur gering. Dr. u Leuthold, der neuernannte Generalstabsarzt der Armee. *Aus dem Umstande, daß Bourgeois, der Vertreter Frankreichs auf der Haager Kon ferenz, zur Audienz beim Zaren be- schieden wurde, folgern einige Zeitungen sehr kühn, daß eine JnterventionzuGunsten der Boeren im Werke sei, an deren Spitze sich der Zar stellen werde! England. * Der englische Torpedozerstör er „Cobra" ist in der Nordsee unter- gegavgen. Man glaubt, daß 18 Mann von der Besatzung umgekommen find. Die „Cobra" war seit dem Untergang der „Viper" der einzige Turbinen-Torpedobootszerstörer der englischen Flotte. Amerika. * Frau MacKinley ist an einem Nerven leiden in bedenklicher Weise erkrankt. — Die Leiche des Präsidenten Mac Kinley wurde am Donnerstag in Canton b e i g e s e tz t. *Die kolumbischen Truppen haben am Donnerstag den von Echeverria geiübrten kolumbischen Aufständischen und venezolanischen Kontingenten bei Rio Hacha eine schwere Niederlage beigebracht. Echeverria ist ge - fangen genommen und wird vielleicht er schossen werden. Afrika. *Vom südafrikanischen Kriegs schauplatz vorliegende Depeschen Lord Kitcheners legen beredtes Zeugnis dafür ab, daß die Boeren allenthalben erfolgreiche Vor stöße gegen die Engländer vornehmen und diesen fast jeden Tag empfindliche Schlappen versetzen. Gegenüber der geschickten Taktik der Boeren erscheint die Unfähigkeit und Unbebolien- beit der britischen Anführer, die mit tödlicher Sicherheit in jede vom Feinde ihnen gelegte Falle gehen, in um so grellerem Lichte. Drei Kompanien berittener Infanterie mit drei Ge schützen unter Major Gough, welche südlich von Utrecht rekognoszierten, gewahrten vom Jagers- drifl aus etwa 300 Boeren, welche absattelten. Sie eilten sofort einem Höhenzuge zu. der die feindliche Stellung überhöhte. Die Boerenbe- Die verlorene Tochter. 4) Roman von C. Wild. (Fortsetzung.) Frieda fürchtete ein unbestimmtes Etwas, dem fie keinen Namen zu geben verstand. Oft schalt sie stch selbst eine Thörin, daß fie so schwarz sah, aber fie wurde die Empfindung nicht los, daß irgend ein Unglück auf fie laure. Mt Walter stand fie in eifrigem Brief- wechsel. Erst schrieb er ihr nur von seiner Liebe, von seinen Hoffnungsträumen; später berichtete er ausschließlich von seinen Arbeiten, denen er jetzt mit großem Eifer oblag. Frieda Mite sich befriedigt, in dieser Richtung emen günstigen Einfluß auf ihn ausüben zu können. Darüber verzieh fie ihm, daß seine Liebes beteuerungen allmählich weniger glühend wurden. Im Laufe des Winters sollte Walter nach Berlin kommen, um dort ein Konzert zu geben, und die Braut zählte jetzt schon die Stunden bis zu diesem Wiedersehen. Sie trat in Selmas kleinen Salon, um ihren täglichen Pflichten nachzukommen. Diese waren leicht und angenehm genug. Pünktlich um zehn Uhr morgens hatte fie sich bei Selma einzu finden, um mit ihr zu musizieren, zu plaudern oder ihr etwas vorzulesen. Gegen Mittag machte die junge Dame eine Ausfahrt mit ihrer Gesell schafterin, dann war Frieda wieder frei bis zum Diner. Nach diesem begann erst ihre eigent liche Thätigkeit. Selma hatte die Laune, Frieda stets an ihrer Seite haben zu wollen, ob nun Gäste im Hause waren oder ob Beer brouck seine Tochter ins Theater führte. Der Bekanntenkreis des Holländers bestand meist aus reichen Finanzleuten, frisch geadelten Baronen und Vertretern der sogenannten ele ganten Welt, er war in seinem Umgänge nicht sehr wählerisch. Die feinfühlige Frieda, so wenig fie sich eigentlich in der Welt bewegt hatte, fand bald heraus, daß es da eine Menge Leute gab, deren Vergangenheit am besten verschleiert blieb. Sie ging deshalb auch nicht gerne mit in die Gesellschaften und wäre am liebsten allein daheim geblieben. Auch heute fühlte fie sich nichts weniger als angenehm berührt, als ihr Selma entgegenrief: „Liebste Frieda, heute müssen Sie große Toilette machen. Wir speisen außer Hanse. Wir haben eine Einladung zu den Wilsons. Ich habe Ihnen doch von der englischen Familie erzählt, mit der Papa und ich diesen Sommer in Ostende zu- sammentraien?" „Gewiß, ich erinnere mich sehr gut," ver setzte Frieda, einen Seufzer unterdrückend, denn nach Selmas Schilderung stellte fie sich diese englische Familie nicht sehr amüsant vor. Sie bestand aus Vater, Tochter und Sohn, eine Mutter war nicht mehr da. Wenn Selma gut gelaunt war, hatte fie verschiedene Absonderlich keiten dieser Familie zum besten gegeben und Frieda wußte deshalb genau, daß Mr. Wilson ein hagerer, steifer Herr sei, dem die Langeweile aus den Augen schaute, daß sein Sohn Harry rotes Haar und Sommer sproffen besaß, nebenbei aber von seinem Aeußeren die vorteilhafteste Meinung hatte. „Ein dummer Junge," pflegte Selma ost weg werfend hinzuzusetzen, die Tochter dagegen, wegung erwies sich als eine Falle. Major Gough wurde plötzlich in der Front und in der rechten Flanke von einer beträchtlichen Boeren- abteilung, die gedeckt stand, angegriffen. Die britischen Truppen wurden nach heftigem Gefechte überwältigt. Sie verloren die Geschütze. 2 Offi ziere 14 Mann waren tot, 5 Offiziere 25 Mann verwundet, weitere 5 Offiziere und 150 Mann gelangen genommen. Major Gough und ein anderer Offizier entkamen unter dem Schutze der Nacht nach De Jagersdrift. Es heißt, die Boeren waren 1000 Mann stark unter Botha. Ich bin im Begriff, General Littleton Verstärkungen zu schicken. Ferner telegraphiert Kitchener: Wie General French berichtet, hat der Boerewührer Smuts, nm den ihn ein schließenden Ring englischer Truppenabteilungen zu durchbrechen, bei Elandsriverpoort, westlich von Tarkastad, eineSchwadronLancers überfallen. Drei englische Offiziere und zwanzig Mann find gefallen, ein Offizier und dreißig Mann verwundet. Die Boeren. die in Kbakistoffe gekleidet waren, sollen angeblich, wie Kitchener zu trösten sucht, schwere Verluste er litten haben. * Ueber eine neue Schlappe der Eng länder meldet Kitchener: Die Boeren haben den Engländern zwei Geschütze wegge nommen und die Begleitung teils getötet und verwundet, teils gefangen genommen oder zer- svrengt. Botba steht im Begriffe, mit 18 000 Mann (die Ziffer ist gewiß zu reichlich!) in Natal einzufallen. Der Aufstand der Kapholländer nimmt immer weiteren Umfang an. * Die Kolonial-Armee von Natal ist vom Gouverneur unter die Waffen gerufen worden, da ein Einfall der Boeren befürchtet wird. (Das wird den englischen Kohl auch nicht fett machen.) Asien. * Juanschikai, der Gouverneur von Schantung, soll die Zurückziehung aller außerhalb der Grenzen der Kolonie Kiautschou befindlichen deutschen Truppen verlangt haben. Die Deutschen wollten Juanschikai nicht verletzen, aber auch nicht seinem Wunsche Folge leisten. Der deutsche Gouverneur habe sich darum nach Peking begeben, um mit dem deutschen Gesandten zu beraten. (Es scheint sich hier um Truppen teile zu handeln, die sich in Schantung zum Schutz der Bahnbauten aufhalten, und bei der Angelegenheit dürften weniger politische als rein militärische Erwägungen eine Rolle spielen. Man wird annehmen dürfen, daß Deutschland seine Truppen, sobald sie zum Schutze unserer Interessen nicht mehr notwendig find, zurückzieht, daß es aber einzelne Truppenteile so lange dort läßt, wie das zum Schutze von Leben und Gesundheit der dort sich aufhaltenden Reichs angehörigen erforderlich erscheint. In diesem Sinne, so wird vermutet, wird man sich nut dem Gouverneur von Schantung verständigen.) Usn der Danziger Kaiserparade wird Berliner Blättern noch geschrieben: Etwas Neues gab es, was man bisher bei preußischen und deutschen Paraden noch nicht gesehen hat, die Marine machte mit. Reichlich eine Brigade stark, hatte die Flotte ihre LandungS-Detache- ments entsendet. Infolge ihrer Anwesenheit gab es drei Kategorien von Maschinengewehren und Maschinengeschützen in Parade. Erstens die berittene Maschinengewehr-Abteilung, die dem Jäger-Bataillon des 17. Korps attachiert ist, zweitens die Abteilung der Marine-Jntan- terie, deren Mannschaften ihre Maschinengeschütze selbst ziehen, und drittens die eigentliche Maschinengeschütz - Matrosen - Artillerie, je zwei Pferde find ihren Kanonen vorgespannt. Prinz Heinrich führte die Marine-Abteilungen, wenn die Reihe an fie kam, dem Kaiser vor. Nächst ihm und dem Prinzen Albrecht, welch letzterer sich in der Suite des Kaisers befand, war unter den Offizieren, die in Parade standen, der Kommandeur des westprenßischen Armeekorps, General von Lentz?, derjenige, für den sich das Publikum am meisten interessiert. Herr v. Lentze ist entschieden eine populäre Figur im besten Sinne. Dabei gilt er durchaus nicht für einen sehr umgänglichen oder freund ¬ lichen Herrn. Aber man respektiert sein großes Können. Er hat seinem Korps bei den letzten Kaisermanövern in der Gegend hier zu den unerwartetsten Siegen über das vom Stand punkt der Danziger ausgesprochen übermütige ostpreußische erste Korps Verholfen, er ist be kannt als unübertroffener Kenner der militärischen Verhältnisse Rußlands und gilt wie Haeseler an der Westgrenze für den designierten ersten deutschen Heerführer bei einem etwaigen Kriege an der Ostgrenze. Daß der General den Adel zweimal abgelehnt, hat seiner Volkstümlichkeit, von anderen Dingen abgesehen, gleichfalls nicht geschadet. Thun und Lassen des hageren kleinen, alten Herrn auf dem feurigen Rappen waren denn auch heute während der ganzen Narade Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. Der rauschende Jubel von rund 30 Militär kapellen, die über das Paradefeld verteilt waren, begrüßte den Monarchen bei seiner An kunft. Der Kaiser batte die Uniform seiner Langsuhrer ersten Leibhusaren angelegt und die Kompanie, welche die den Truppenteilen des 17. Armeekorps neu verliehenen Fahnen es kortierte, auf das Paradefeld geführt. In einem ä 1s. Daumont besvannten Sechsspänner folgte die Kaiserin. Die Kaiserin trug Trauer mit dem Orangebande des Schwarzen Adler-Ordens über der schwarzen Robe. Prinz Tschun, den Generalmajor v. Höpfner begleitete, hatte die von Li-Hung Tsckmgs Europareise her wohlbekannte gelbe Jacke mit rotem Mützchen und schwarzer Feder angelegt. In einem zweiten Hoiwagen fuhren der neue chinesische Gesandte und General v. Richter. Die Vorbeimärsche erfolgten in der üblichen Weise. Alles klappte wunderbar. Wohl aus gerichtet kam die Infanterie heran; nicht weniger wußten Kavallerie und Artillerie ihren Mann zu stehen. In Lentzes Korps war das ja wohl auch nicht anders zu erwarten. Ganz Vorzug« lich waren die Kavallerie - Regimenter, die Danziger Totenkopf-Brigade, die Württemberg- Kürassiere, die Thorner Ulanen, die Stolper Blücher-Huiaren und die Bromberger Dragoner — Pardon, Grenadiere zu Pferde. Seine ersten Leibhusaren führte der Kaiser seiner Ge mahlin bei beiden Vorbeimärschen persönlich vor. Nach der Parade fuhr die Kaiserin an der Tribüne vorüber: ihrem Beispiele folgte Prinz Tschun. Die Kaiserin wurde mit lauten Hurras begrüßt; als Prinz Tschun folgte, erschallte ebenso lautes Gelächter. Der arme, landfremde gelbe Sühneprinz mit dem dichten, strähnigen Zopf und mit den Dulderzügen verstand die Stimmung des Publikums falsch. Er glaubte an eine Ovation und verneigte stch dankend. Uon Uall und Fen». Groffe Vermächtnisse. Von dem ver storbenen Bankier Jakob Plaut find der Stadt gemeinde Leipzig drei Vermächtnisse im Gesamt beträge von 900 000 Mk. ausgesetzt worden- Das erste dieser Vermächtnisse beziffert sich «ul 60» 000 Mk. Die Zinsen dieses Kapitals sollen während der ersten 60 Jahre Hilfsbedürftigen und würdigen Verwandten des Erblassers Zu fällen und zwar nach den Beschlüssen eines Familienrates, während die Verwaltung in den Händen des Rates liegen soll. Nach Ablam bon 60 Jahren soll die Hälfte der Zinsen zur Aufbesserung der Lage gering besoldeter Lehrer, die andere Hälfte aber zur Unterstützung von Leipziger und Berliner bedürftigen Personen verwendet werden. Die Zinsen des zweiten Vermächtnisses im Betrage von 150 000 M- sollen invaliden deutschen Fabrik- und Hand- arbeitern zufließen, während die Zinsen des dritten Vermächtnisses im Betrage von MH' falls 150 000 Mk. nach freiem Ermessen an durch Brandunglück verarmte Ortschaften, Familien oder Personen verausgabt werden sollen. Rechtsanwalt Dr. Breit in Leipzig, der den stuä. zur. Oettinger im Duell tötete, war auf landgerichtlichen Beschluß gegen Stellung einer Kaution in Höhe von 10 000 Mark vor läufig aus der Haft entlassen worden. AM erhobene staatsanwaltschaftliche Beschwerde er höhte das Oberlandesgericht Dresden die Kaution auf 20 000 Mark. Miß Lydia, meinte sie, sei eine abgefeimte Kokette; ob fie hübsch sei, könne man eigentlich nicht sagen, denn Kunst und Natur seien zu eng bei ihr verschmolzen. Frieda mochte denn auch bei der Ankündi gung, daß fie nun diese interessante Familie kennen lernen würde, eine etwas trübselige Miene gemacht haben, denn Selma rief lachend aus: „Sie scheinen sich für heute nicht viel Vergnügen zu versprechen, Frieda!" „Nein," versetzte diese aufrichtig, „und ich wundere mich, Fräulein Selma, daß Sie über haupt Vergnügen an dem Umgänge mit diesen Leuten finden." Das junge Mädchen zuckte die Achseln. „Ich durchblicke fie und das macht mir Spaß," meinte fie. „Ach Frieda, es gibt so wenig ehrliche Leute in der Welt, daß einem nichts weiter übrig bleibt, als über die Heuchelei der andern zu lachen." Diese Weisheit, so wahr fie auch sein mochte, klang doch ein wenig zu bitter aus dem Munde eines jungen Mädchens. Frieda fühlte das, sprach es aber nicht aus. Sie hatte schon oft genug Gelegenheit ge habt zu bemerken, daß Selma eine scharfe Be obachtungsgabe besaß und auch die Menschen ziemlich richtig zu beurteilen verstand. Aber so viel Philosophie hätte sie doch nicht hinter dieser glatten Stirn gesucht. Sie selbst fühlte ja, daß fie oft über ihre Jahre hinaus altklug dachte, aber etwas von der süßen Thorheit, dem Rechte der Jugend, war ihr doch geblieben, das bewies ihre Verlobung mit Walter von Carsten — die Liebe zu ihm war die größte Thorheit ihres Lebens, aber eben darum vielleicht so süß- berückend! „ „O, bekomme ich keine Antwort? Staunt Sie, so viel Weisheit in meinem Kopfes finden?" rief Selma ein wenig spottend. , denken sich wohl, das find etwas sonderbar Anfichten für ein junges Mädchen. Sie »M ja recht haben — aber sehen Sie, ich ßa meine Mutter nicht gekannt — Papa sagt, sei kurz nach meiner Geburt gestorben fr habe daher auch nicht die geringste ErinnerE an fie — nicht einmal ein Bild besitze ich vo ihr — kein Band, keine Blume, die fie g^a gen, nichts - sie ist für mich von der Gr° verschwunden, als ob ich fie nie besessen hau — fremde Wärterinnen haben mich au-gezogen ich habe in Erziehungsanstalten gelebt -- rechtes, eigentliches Heim hab' ich nie S kannt." ,,, „Aber Sie haben doch Ihren Vater, v Sie so innig liebt," warf Frieda ein. „Ja, Papa liebt nrch und ich erwider diese Liebe aus vollstem Herzen. Eine He«^ aber hab' ich deswegen doch nicht, w., beide nicht. Ich glaube übrigens, Papa veE eine solche am allerwenigsten. Als ich klein war, lebte Papa jahrelang m Australi er ist das Umherwandern gewohnt und " zweifle überhaupt, ob er es lange an ^ Orte aushält. Aber ich sehne mich lebh« nach einem festen Wohnsitz. Ich mag ^ Engländer im allgemeinen nicht, aber ihr , Haus ist mein Schloß," das begreife u würdige ich. Ich habe mehr Sinn für Hä^ lichtest als Sie vielleicht glauben, aber >"
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