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Allgemeiner Anzeiger : 31.08.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190108311
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19010831
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010831
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-08
- Tag 1901-08-31
-
Monat
1901-08
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 31.08.1901
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Der abgewiesene Minister. Von der Eröffnung der Bahnstrecke Donaueschingen-Neu stadt berichtet der »Hegauer Erzähler/ folgende hübsche Episode: In Ungdingen plauderte der badische Staatsminister v. Brauer mit den Fest jungfrauen, die sich in stattlicher Anzahl, jede mit einem netten Blumenstrauß, am Bahnhof aufgestellt hatten. Schließlich bat der Minister eine von ihnen freundlich um ihr Blumen- sträußchen, statt dessen bekam er einen — Korb. „Nei," sagte das Mädchen verschämt, „di Sträuß fin für de Herr Großherzog und nit für Eu!" Verdutzt schauten die Festjungfrauen drein, als ihnen die Umstehenden nachher erklärten, wer der Herr gewesen war. Tie Granulöse (ägyptische Augenkrankheit) hat in der Sladt Schwiebus einen sehr bedenk lichen Umfang angenommen. Schulkinder und deren erwachsene Angehörige sind in so großer Anzahl davon befallen, daß besondere Maß regeln ergriffen werden müssen, um des Uebels Herr zu werden. Der Regierungs-Präsident von Frank'urt a. O. hat bestimmt, daß vor läufig 50 Personen, Erwachsene und Kinder, zur Behandlung nach Berlin in eine geeignete Anstalt gebracht werden sollen. Die Kosten hätte die Stadt Schwiebus zu tragen. Durch Tollkirsche» vergiftet. In Frebershausen bei Bad Wildungen gingen mehrere Kinder in den Wald, um Beeren zu suchen, dabei naschten sie auch an den besonders verführerisch glänzenden schwarzen Tollkirschen (LeHaäoimu); einige spuckten die vermeintlichen Sauerkirschen wieder aus, die beiden Kinder des Forstaussehers Berthold jedoch nicht. Beide Kinder, ein Junge von drei und ein Mädchen von vier Jahren wurden krank nach Hause ge bracht. Die üblichen Mittel hatten nur bei dem Mädchen Erfolg. Der Knabe ist nach acht stündigen fürchterlichen Zuckungen gestorben. Sechs Arbeiter verschüttet. In Krefeld wurden am 25. d. bei einem Kanalbau sechs Arbeiter durch zusammenstürzende Erdmassen verschüttet. Drei konnten sich retten; die anderen Männer wurden nach längerem Suchen als Leichen aufgesunden. Die Verunglückten waren sämtlich verheiratet und hinterlassen Kinder. Es wird vermutet, daß die Erdmassen durch die Erschütterungen der Eisenbahnzüge, die in der Nähe des Kanalbaues fahren, in Bewegung gebracht worden sind und dadurch das Unglück herbeigeführt haben. Doppelselbstmord. In einem Gasthof zu Nürnberg wurden der Nervenarzt Dr. Schmick und die Kaufmannsehesrau Frommann, beide aus Koburg, vergiftet awgefunden. Das Paar hat Doppelselbstmord begangen. Gegen den Räuber Kneißl, der be kanntlich zwei Gendarmen erschoß und monate lang die Wälder um Meisach unsicher machte, wird am 17. Sevtember d. in Augsburg ver handelt werden. Die Anklage lautet auf Mord. Bei dem Brande eines Schmiedeanwesens m Zaisertshofen, Bezirksamt Mindelheim, sind die Frau des Schmiedemeisters und sechs Kinder im Alter von 1 bis 8 Jahren ver brannt. Der Schmiedemeister rettete sich mit knapper Not. Eisenbahn-Unfall. In der Sonntag- Nacht fuhr im Bahnhof Tarnowitz ein Per sonenzug gegen einen anderen bereits entleerten Zug. Drei Schaffner find schwer verletzt worden, der Materialschaden ist bedeutend. Gestörte Skatpartie. In einem Dorfe bei Bartenstein hatten sich im Gasthause vier Herren zum Skat vereinigt. Einer der Herren Mg, während er nicht zu spielen hatte, in den Garten und fand an einem Baume einen runden, ballähnlichen Gegenstand, den er aus Neugierde zur näheren Besichtigung mit in die Gaststube nahm und vor die Skatspieler legte. Wer beschreibt deren Schreck, als sich der Gegenstand als ein Wespennest entpuppte, aus dem die gestörten Tiere in Scharen gegen das Licht flogen und die Spieler auf das gefähr lichste bedrohten. Schneller ist wohl noch nie eine Skatpartie aufgehoben worden, denn eiligst ergriffen die Herren die Flucht. Ein seltenes „Ereignis" hat Prag für den 22. d. zu verzeichnen gehabt. An diesem Tage — feit beinahe hundert Jahren in Prag zum ersten Male! — sand dort kein einziges Begräbnis statt. Ein fürchterlicher Orkan mit Wolkenbruch entlud sich am Montag nachmittag über Fiume, der die Planen vor den Kaffeehäusern abriß, Tische und Sessel umwars, so daß die Gäste entsetzt flüchteten. Das Wasser überflutete die Ufer des inneren Kais, Ketten und Stricke der Schiffe zerrissen und konnten nur mit größter Anstrengung wieder befestigt werden. Hilfsschiffe sind auf das Meer hinausgefahren, da befürchtet wird, daß viele Fischerbarken ver unglückt sind. Auf den Schiffen und am User ereigneten fich viele Unfälle. Wieder einer! Die Polizei verhaftete in Marseille den Bankier Carreasconne, welcher mit einem anderen Geldmakler Betrügereien im Be trage von mehreren Mill. Frank verübt hat. Bis jetzt sind Forderungen in Höhe von 2V- Mill. Frank angemeldet. Die Untersuchung wird gleichzeitig in Marseille, Paris und Brüssel geführt. Durch sein Serum wurde dieser Tage der bekannte französische Arzt Dr. Calmette, Leiter des Pasteur-Instituts in Lille, gerettet. Während er in seinem Laboratorium Schlangengift sammelte, wurde er von einer Giftschlange am Finger gebissen. Da derartige Bisse gewöhnlich schon nach kurzer Zeit tödlich wirken, beeilte man fich, dem Arzte eine starke Dosts des Serums gegen Schlangengift einzuspritzen, das er selbst entdeckt hat. Der Biß verursachte infolgedessen nur eine ungefährliche Anschwellung der Hand und des Handgelenks und ein sehr heftiges Fieber, das Dr. Calmette indes bereits überwunden hat. Touristenunglück. Die Amerikanerin Nelly Smith aus Brootlin bei New Jork, welche die künstliche E sgrotte am Nhonegletscher (Kanton Wallis) besuchte, wurde von einem Eisblock, welcher fich vom Eisgewölbe ablöste, erschlagen. Der Leichnam wird nach Amerika gebracht werden. Der Bauer als Minister. Ein Bauer, Ole Hansen, Mitglied des Folkethings, wurde beim letzten Regierungswechsel in Kopenhagen zum Minister sür Landwirtschaft ernannt. Ein Journalist, der den neuen Minister dieser Tage auf seinem Gute in der Provinz besuchte, traf ihn auf dem Felde, mit den Erntearbeiten eifrig beschäftigt. Das Gut ist ein sehr einfacher Bauernhof mit nur 66 Morgen Land. Der Minister besorgt ganz wie früher selbst alle Arbeit, er geht sogar selbst in den Stall, um die.Kühe zu süttern. Sein Sohn arbeitet mit den übrigen Leuten des Hofes für Stundenlohn und erhält ebenso wie die anderen Arbeiter jede Woche vom Minister seinen Verdienst aus gezahlt. Und er hat noch keine Lohnerhöhung verlangt, obgleich er sehr gut weiß, daß die Stellung seines Vaters fich bedeutend gebessert hat. Die Nachbarn des Ministers wundern sich, daß er seine Lebensweise nicht geändert habe, er aber antwortet, daß er ein Bauer sei und, wenn er nicht mit Regierungsarbeiten be schäftigt sei, auch weiterhin als schlichter Bauer leben wolle. Ein Geistlicher ermordet. Am Sonntag erstach ein Zögling im Seminar zu Madrid den Geistlichen Diaz, der sofort tot war. Der Fall erregt bedeutendes Aufsehen. Furchtbare Skandale fanden während der Stiergefechte in Barcelona und Villadolid statt. In Barcelona kam es zu einem Kampfe zwischen den Zuschauern und der Polizei, wobei mehrere Personen verwundet wurden. Der Platz mußte durch Gendarmerie geräumt werden. In Villadolid wurde der Stier durch die Zuschauer getötet und alle Holzteile des Zirkus in der Arena verbrannt. GerichtshaUe. Berlin. Wegen ungebührlichen Betragens vor dem Gewerbegericht wurde am 24. d. eine junge Dame, Vertreterin einer Firma Auerbach, vom Vorsitzenden mit vier Stunden Haft bestraft, die sogleich abzusitzen waren. Warschau. DaS Bezirksgericht in Bendzin verurteilte die Arbeiter Wuicik, Starzak und Kumo- rowski, die den aus Breslau stammenden Direktor der Wien-Gesellschaft „Goremba" in Zawodzie, Robert Steffani, ermordeten, zu je 15 Jahr Zwangs arbeit in Sibirien und nachfolgender lebenslänglicher Ansiedelung daselbst. Der Kund -er Miid-ie-e. In der Gegend von Tost (Oberschl.) blüht seit etwa zwanzig Jahren die Wilddieberei in hohem Maße. Bis vor einigen Jahren war es fast unmöglich, einen Wilddieb zu über führen, da es dem Angeklagten fast immer ge lang, einen Alibibeweis zu erbringen. Es fanden fich immer Zeugen, die beschworen, den Angeklagten zur kritischen Zeit an einem anderen, als dem Tbatorte, gesehen zu haben. Den Gerichts- und Polizeibehörden glückte es schließlich, hinter das Geheimnis dieser Beweis führung zu kommen. Sie ermittelten einen ge heimen Verein „Minerva", der die Wild dieberei und die Leistung von Meineiden im großen betrieb. Wenn ein Angehöriger dieses Vereins wegen Wilddieberei angeklagt war, be schworen einige andere, die mitunter vom Vor sitzenden oder „Hauptmann", wie er auch ge nannt wurde, dazu bestimmt wurden, seine Aussagen, und er mußte freigesprochen werden. Die Gerichte räumten nun bald mit der „Minerva" auf; die Mitglieder wurden zu sehr hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Vor dem Gleiwitzer Schwurgericht wurden diese Ver hältnisse letzter Tage wieder ans Licht ge zogen. Der Bauer Friedrich war wegen Ver leitung zum Meineide angeklagt. Er war vor Jahren wegen eines Jagdvergehens bestraft worden, namentlich nur auf die belastende Aussage seines Mitschuldigen hin. Ein Zeuge trat damals auf, der ihn vollkommen enllasteie. Dieser Zeuge war ein Hauptmitglied der „Minerva". Ihm wurde nicht geglaubt, son dern er wurde des Meineids angellagt und er hielt sechs Jahre Zuchthaus. Nachdem er diese Strafe verbüßt hatte, stellte er Strafantrag gegen Friedrich wegen Verleitung zum Meineid. Friedrich soll ihm 900 Mk. und sreie Wohnung auf Lebenszeit versprochen haben. Friedrich hatte, während der Zeuge im Zuchthause saß, aus Furcht vor der „Minerva", der er selbst nicht angehörte, der Frau des Zeugen Unter kunft und Lebensunterhalt gewährt. Das Gericht sprach Friedrich frei. Die Verhandlung warf ein interessantes Streiflicht auf diese ober schlesische „Kamorra", vor der die Bevölkerung solche Angst hatte, daß niemand durch eine An zeige dem Treiben ein Ende zu machen wagte. Aus Kengale«. Von einem Zusammenstoß eines Eisenbahn zuges mit einem Elefanten, welcher kürzlich auf der Strecke zwischen Assam und Bengalen statigefunden hat, berichtet ein englisches Blatt: Der Betriebsleiter dieser Strecke war auf seiner halbjährlich zu wiederholenden Inspektionsreise begriffen und fuhr mit einem Sonderzug gerade um Mitternacht durch den großen Nambarwald, als die Wagen plötzlich mit einem furchtbaren Ruck zum Stehen kamen. Die Lokomotive war auf eine Herde wilder Elefanten getroffen, die, wie es ihrer Gewohnheit entspricht, einen nächtlichen Spaziergang längs der Eisenbahn machten. Die Maschine rannte mit einem der Elefanten zusammen, und der Stoß war so heftig, daß die Vorderräder der Lokomotive aus den Geleisen gerieten. Die Insassen des Zuges wurden aus ihren Betten geworfen. Das Unglück wäre größer gewesen, wenn nicht der Zug gerade sehr langsam gefahren wäre. So aber konnte die Maschine innerhalb einer Stunde wieder auf die Geleise gebracht werden, und die Reise wurde dann fortgesetzt. Für den Elefanten war die Begegnung verhängnisvoller gewesen. Er hatte nicht nur die Hinterbeine gebrochen, sondern auch so schwere innere Ver letzungen davon getragen, daß er in der seit lichen Vertiefung neben dem Bahnkörper liegen blieb. Als der Zug am folgenden Morgen die Strecke aüf dem Rückweg passierte, lag das Tier tot auf derselben Stelle. Der Zugführer berichtete, daß er im ganzen acht Elefanten ge zählt hätte, und daß noch ein junger von der Maschine zu Boden geworfen, wahrscheinlich aber nicht schwer verletzt wurde, da er noch im stände war, sich unter furchtbarem Gebrüll mit seinen Gefährten in den Walo zu retten. Dieser eigentümliche Eisenbahnunfall war nicht der erste seiner Art im Nambarwalde, vielmehr müssen sich die Lokomotivführer dort immer auf eine nächtliche Begegnung mit wilden Elefanten gefaßt machen. — Dieser Vorfall bringt einen Scherz des Erfinders der Lokomotive, Stephenson, in Erinnerung. Als er mit dem Plan seiner Eisen bahn vor die Oeffentlichkeit trat, wobei er nicht selten auf spottende und zweifelnde Reden stieß, fragte ihn ein Parlamentsmitglied: „Gesetzt, eine Kuh verirrte fich auf die Geleise, würde das nicht sehr fatal sein?" Stephenson darauf: „Für die Kuh jedenfalls!" Heileres von der Kleindah«. Im badischen Museum' finden wir folgende hübsche Schilderung eines Zwischenfalls auf der Kleinbahn: Ort der Handlung: Bahnhof Meckesheim. Der Zug von Heidelberg fährt ein. 1. Schaffner: „Meckesse." — 2. Schaffner: „Meckeffe." — 3. Schaffner: .Meckesse." — 1. Schaffner: „Wer nach Heilbronn zu will, fitze bleiwe." — 2. Schaffner: „Nach Aglaster- Hause-Neckeretz, aussteige." — 3. Schaffner: „Zwei Minute Aufenthalt." (Alles stürzt in die Restauration.) — 1. Schaffner: „Ei'steige!" — 2. Schaffner: „Js alles do?" — 3. Schaff ner: „Fertig!" — Gepäckträger: „Obacht gewwel" — Zugführer: „Abfahre!" — Die Frau: „Halt! Nemmt mich noch mit." — Zugführer: „Halt! Die Fraa kann noch mit." — 1. Schaffner: „Kumme Se. Fertig!" — Zugführer: „Abfahrei" — Die Fraa: „Halt! Halt! Halt! Mei Dichle!" — Passagiere im Chor: „Halt! Dere Fraa ihr Dichle!" — Zugführer: „Halt! Was is denn mit seller Fraa ihrem Dichle?" — Die Fraa: „Mei Dichle! Mei Dichle!" — Allgemeiner Chür der Passagiere und Schaffner: „Seller Fraa ihr Dichle! Seller Fraa ihr Dichle! Seller Fraa ihr Dichle!" — Stations-Vorsteher: „Himmel Sappr'ment l Was is denn mit seller Fraa ihrem Dichle?" — Zugführer: „Wo is feilerer Fraa ihr Dichle?" — 1. Schaffner: „Wo hawe Se denn Ihr Dichle?" — Chor der Passagiere: „Fraa! Wo Hot Se denn Ihr Dichle?" — Die Fraa: „In der Resch- dauration licht's hinnerem Ose! Ach, mei nei's Dichle, mei schens Dichle!" (heult!) — Chor der Passagiere: „Seller Fraa ihr Dichle licht hinnerem Ose." — 2. Schaffner: „In der Reschdauration lichts hinnerem Ofe." — Zug führer: „Das Dichle muß noch in der Restau ration liegen." — Stations-Vorsteher: „Gepäck träger! Sehn Se mol nach, ob seller Fraa ihr Dichle in der Restauration liegt." — Gepäck träger: „Do licht's ja!"—Die Fraa (sieht es): „Er hot's! Mei Dichle, mei lieb's Dichle!" — Allgemeiner Chor: „Er hot's! Er hot's! Er hot's! Seller Fraa ihr Dichle!" — Stations- Vorsteher-: „Gewe Se seller Fraa ihr Dichle!" — Zugführer, Schaffner und Passagiere: „Da hawe Se Ihr Dichle!" — Die Fraa: „Ach, mei Dichle, mei Dichle!" — 1. Schaffner: „Fertig!" - Zugführer: „Mahre!" Kuntes Allerlei. ZumTodeCrispis schreibt die anarchistische Zeitschrift,Neues Leben': „Das Leiden, welches seinen Tod herbeiführte, war ein sehr qual volles. Es wäre ihm demnach noch eine reichlich bemessene Spanne Lebenszeit aufrichtig zu wünschen gewesen." — Man weiß nicht, ob man diese Wendung als eine Stilblüte oder als eine Gemütsroheit auffassen soll. * » * Ei» Menschenkenner. Kellner: „Dieses Paar dürfte sich eben auf der Hochzeitsreise befinden!" — Wirt: „Glauben Sie?" — Kellner: „Der Mann hat die Speisen bestellt!" Zeitgemäß. Räuber (der einen Touristen ausplündert, zu seinem Spießgesellen): „Läng' mir 'mal den Röntgen-Apparat her, Hans — ich kann bei dem Kerl das Geld nicht finden!" *!» da er ein Sonderling und zu Hause ein Despot sei, was auch der rasche Abgang seiner neu- engagierten Wirtin bezeugt habe. Er selbst sei durch das plötzliche Zerstören seiner Hoffnungen w ergriffen, daß er, um fich zn zerstreuen, eine Reise zu seiner Schwester unternommen habe, während der General, teilweise aus Gesundhcits- Acksichten sür seine Gatlin, der ein längerer Aufenthalt in milder Luft dringend anempfohlen sei, eine Reise nach dem Lüden unternommen habe. Diese Reise war ihm um so erwünschter gekommen, als seine Tochter durch die vielfach ausgeteilten Körbe im Gerede der Leute war und um all den Unannehmlichkeiten eines solchen Geschwätzes, das durch die Zurückweisung des angesehenen und überall geschätzten Barons von Ebenoors neu belebt werden mußte, aus dem Wege zu gehen. Frau von Bronikowski teilte allen Bekannten, die sie danach fragten, mit, daß die Familie von Rütz lange Zeit fort bleiben und wahrscheinlich den Winter in Italien zubringen werde, da Fräulein Alice ein Zusammentreffen mit dem Baron in nächster Zeit scheue. Man bedauerte den Baron von Ebcndorf ausrichtig und sprach allgemein die Befürchtung aus, er werde nun nach dieser bösen Erfahrung, da er nie ein großer Freund des Heiratens gewesen sei, wohl Junggeselle bleiben und seine schönen Güter würden dem Sohne seiner Schwester zufallen. 7. Mehr als ein Jahr ist seit den letzterzählten «reigmssen verflossen. Es war Winter und Sommer und wieder Winter geworden. Der General von Rütz war noch immer nicht auf seine Güter zurückgekehrt. Zum allgemeinen Erstaunen schien auch der Baron von Ebendorf ganz seine Lebensweise geändert zu haben. Zwar hatte er fich in langen Zwischenräumen immer wieder einige Zeit in Wilmershagen auf gehalten, aber lange schien er jetzt aus seinem einsamen Gute, das er sonst nie verlassen hatte, nicht mehr aushalten zu können. Sobald er alles revidiert, reiste er sobald als möglich ab und blieb Monate fern, ohne daß seine Leute, mit Ausnahme einiger flüchtiger Zeilen an den Ober-Inspektor, dem er seine Befehle mitteilte, etwas Näheres über ihn und seinen Aufenthalt gehört hätten. Auch den letzten Winter war er abwesend gewesen und erst jetzt, im Anfang März, hatte er dem Inspektor seine baldige Ankunft angezeigt. Es war in der Residenz noch immer kaltes, windiges Wetter, der Februar hatte schon bessere Tage gebracht. In dem reichdekorierten Salon des Barons von Kämmer brannte ein Helles Feuer in dem Marmor-Kamin. Frau von Kämmer, eine feine Dame von aristotratischem Aussehen, saß in einem weichen Lehnstuhl vor demselben und unterhielt fich lebhaft mit ihrem Bruder, dem Baron von Ebendorf, welcher sich blaß und ernst an den Sims des Kamins lehnte. „So willst du uns wirklich so ganz ver lassen, Bruno und wieder ganz auf deinen Gütern bleiben?" fragte sie, ihrem Bruder teil nehmend ins Auge schauend. „Weißt du, ich sehe dich nicht gerne wieder in deine Einsamkeit gehen; was willst du zu Hause? Dein In spektor ist zuverlässig und gut, deine Verhält nisse sind arrangiert, bleibe wenigstens so lange bei uns," setzie sie bittend hinzu, „bis du wieder heiter bist und keine Wolken mehr auf deiner Stirn ruhen, wie heute — oder —" „Oder?" fragte der Baron, „sprich weiter!" „Oder," suhr sie zögernd fort, „bis du im Kreise unserer Bekanntschaft eine Lebens gefährtin erwählt hast, die dir deine Einsamkeit erheitern kann." Der Baron erwiderte nicht sogleich etwas; erst nach einer Pause sagte er ruhig: „Liebe Eleonore, laß ab von diesen Ideen, du weißt ja, daß dazu keine Aussicht ist. Ich bin ein mal nicht geschaffen für die feine Welt, die sich in deinen Salons bewegt. Die eine, die ich schon vergeblich gesucht habe, werde ich nicht mehr finden; ich habe die Hoffnung auch schon längst ausgegeben, was soll ich also hier?" Die Dame sprang auf und schlaug ihren Arm um den Hals des Bruders: „Du böser, böser Bruno," sagte sie zärtlich, „Hast du mich denn gar nicht lieb — mich, deine einzige Schwester, die dich mehr liebt, als du es ver dienst ! Ist das der Dank für alle Aufopferung, die ich dir bewiesen, der Dank dasür, daß ich, deinen Grillen folgend, den Gegenstand deiner Leidenschaft im In- und Auslande gesucht habe, sodaß wir schon durch unsere Zähigkeit im Suchen lächerlich erschienen?" „Du hast ja deinen Gatten, Eleonore," er widerte der Baron und drückte einen Kuß auf den hübschen Mund seiner Schwester. „Dein Mann ist einflußreich und mein Schwesterchen steht ihm nicht nach; was brauchst du mich noch? Laß mich reisen," setzte er dann ernst hinzu, „glaube mir, Thätigkeit ist mir not wendig, um aus dem Zustande der Melancholie herauszukommen, die mich ergriffen har. Ist mir doch, als wäre ich wie Tannhäuser seit Jahr und Tag im Venusberge eingeschlossen, nur Liebe sinnend und denkend; alle sonstige Krast ist in mir erlahmt, ich bin ein Träumer und Nichlsthuer geworden. Das kann nicht so bleiben, es muß anders werden; siehst du das nicht ein, Eleonore?" Die Schwester seufzte und nickte im bei stimmend zu. „Armer Bruno," sagte sie, „ich glaube nur, daß der Aufenthalt in Wilmers hagen deine Melancholie nicht verscheuchen und der Landbau dich kaum von deinen Gedanken abziehen wird. Ja, wenn du eine andere Thätigkeit finden könntest, eine Thätigkeit, die deinen Geist beschäftigte." „Schade, daß du nicht König bist, Eleonore," sagte lächelnd der Baron, ich glaube, du würdest mich nur, um mich zu zerstreuen, sicher zu deinem Premier machen. Ich bin zum Land wirt erzogen, das ist mein Beruf. Die Arbeit wird meine Gedanken mehr in Anspruch nehmen, wie hier der Verkehr in dem glänzenden Salon meiner liebenswürdigen Schwester, und, was meine geistige Beschäftigung andetrifft, so kann ich dich auch darüber beruhigen: meine Bücher und meinen Flügel finde ich dort wieder, und da diese jahrelang die einzigen Gefährten in meiner Einsamkeit gewesen sind, so werden sie auch jetzt wohl ihre alte besänftigende Kraft ausüben." 3L(Fortsetzung folgt.)
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