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Allgemeiner Anzeiger : 31.08.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190108311
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010831
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-08
- Tag 1901-08-31
-
Monat
1901-08
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 31.08.1901
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UolMche Rundschau. Deutschland. * Nicht am Montag, sondern erst am Dienstag ist das Kaiserpaar aus Wilhelmshöhe im NeuenPalais eingetroffen. Die „plötzliche Erkrankung" des Prinzen Tschun hatte diese veränderte Disposition ermöglicht. * „Plötzlich erkrankt" ist der arme Prinz Tschun auf der Reise von Genua nach Potsdam, so daß er in Basel Quartier nehmen mußte. Die „Krankheit" scheint darin zu bestehen, daß aus Peking noch nicht die Meldung von der Unterzeichnung des Protokolls durch Chinas Kaiser einge troffen ist. Der Prinz wußte sicher, daß in Potsdam alles zu seinem Empfang bereit war, ja daß der Kaiser selbst ihn zur bestimmten Zeit erwartete und seine Dispositionen daraufhin getroffen hatte. Seine „Erkrankung" ist dem nach mindestens unhöflich. Der Vorkall dürfte dazu beitragen, den Empfang des Prinzen seitens der deutschen Behörden sehr viel weniger freund lich zu gestalten, als ursprünglich beabsichtigt war. *Von der verstorbenen Kaiserin Friedrich find seit einiger Zeit Gerüchte in Umlauf des Inhalts, sie sei in ihrem Witwen stand eine zweite Ebe eingegangen, und zwar mit ihrem langjährigen Ober-Hofmarschall Grafen Götz v. Seckendorfs. Die Berliner .Volkszeitung' hat diese Gerüchte zuerst auf- gegriffen, um dann eine ablehnende Haltung anzunehmen und ein unzweideutiges Dementi zu fordern. Da dieses bisher nicht erfolgt ist, hat das Gerücht weitere Nahrung gesunden und ist leider auch in die Auslandspresse als an- geblicheThatsache übergeaangen. Eine authentische Aufklärung wäre deshalb wohl zu wünschen. * Die Metzer Bischofsfrage ist er ledigt. Der Pavst hat den Abt des Benediktiner- Klosters von Maria Laach, Benzler, zum Bischof von Metz und den Sekretär der päpstlichen Nunziatur in Madrid, Zorn von Bulach, zum Weihbischof von Straß burg ernannt. * Der Generalstabsarzt der Armee Doktor v. Coler ist, 71 Jahre alt, gestorbe n. * Die Ausführungsbestimmungen zum Fleischbeschaugesetz sollen dem Bundesrate im Oktober zugehen. Es wird be hauptet, daß dieser Termin nunmehr feststehe. * Infolge der Einführung 45tägiger Rückfahrtkarten werden der .Köln. Ztg.' zufolge die Rundreisehefte in folgenden Verkehren aufgehoben: Rheinisch - süd deutsch-österreichischer Rundreiseverkehr, südwest deutscher Nundreiseverkehr, deutsch-schweizerischer Rundreiseverkehr, internationaler Rundreisever kehr mit Frankreich und England, desgleichen mit Italien, franzöfisch-belgisch-deutsch-skandinavisch- finnländischer Rundreiseverkehr, Cooks Rund reisen, norddeutsch-rheinischer Rundreiseverkehr und schließlich rheinisch-belgischer Rundreise verkehr. * Während sonst in den R e i ch s e i n n ah- men der letzten Monate ein teilweise beträcht licher Rückgang eingetreten ist, hat die Reichspost- undTelegraphen-Ver- waltung eine nicht unerhebliche Mehr- Einnahme zu verzeichnen gehabt. Bei ihr betrug die Einnahme vom Beginn des neuen Rechnungsjahres, also vom 1. April 1901 bis zum Schluß des Monats Juli, 137 160 866 Mk. gegen 129 306 330 Mk. in demselben Zeitraum des Vorjahres, mithin im Rechnungsjahr 1901 bisher 7 854 536 Mk. mehr. Dagegen ist die Reichs - Eisenbahn - Verwaltung von dem allgemeinen wirtschaftlichen Rückgang nicht unberührt geblieben. Bei ihr betrug die Einnahme von Beginn des Rechnungsjahres 1901 bis zum Schluß des Monats Juli d. 29 264 600 Mk. gegen 30 163 ooo Mk. in dem selben Zeitraum des Vorjahres, so daß sich also in diesem Rechnungsjahr bisher eine Minder-Einnahme von 898400 Mk. ergeben hat. * Dem Vernehmen nach ist eine Abänderung des Preuß. Fischereigesetzes geplant. Es soll eine besondere provinzielle Fischereiverwaltung eingesührt werden, die aus einem beamteten Oberfischmeister und einer sachverständigen Fischereivertreiung besteht. Außerdem soll die Ablösung der Fischerei berechtigung erleichtert und wirksame Be stimmungen über die Vernichtung der Fisch feinde getroffen werden. Der Entwurf ist noch unter dem früheren Landwirtschastsminister aus gearbeitet worden. Durch den Wechsel in der Leitung des Landwirtschastsministeriums ist es ungewiß geworden, ob der Entwurf schon dem nächsten Landtag zugehen könne. * Eine größere Boereneinwande- rung nach Deutsch-Südwe st-Afrika soll in den nächsten Monaten erfolgen. Boeren, die im Frühjahr nach Deutsch-Südwest-Amka ausgewandert waren, haben günstige Berichte über ihre Lage gesandt, 27 von 40 haben Land erworben. Durch diese Nachrichten bewogen, haben gegen 20 in Amsterdam wohnende Boeren beschlossen, ebenfalls dorthin auszuwandern. Die erste Abteilung reist am 20. September von Hamburg ab. Im Dezember d. folgen gegen 200 Kapkolonisten, die von Kapstadt aus die Reise antreten. Generalstabsarkt Pr v. Coler -st. Oesterreich-Ungarn. *Der österreichisch-ungarische Reichs kriegsminister Freiherr von Krieghammer ist aus Ischl, wo er eine Audienz beim Kaiser hatte, nach Wien zurückgekehrt. Wie verlautet, hat der Kaiser das von jenem eingereichte A b - schiedsgesuch nicht angenommen. Frankreich. * Das Büreau des PariserMunizipal- rats beschloß einstimmig, dem Kaiser von Rußland ein Schreiben zugehen zu lassen, um ihm im Namen der Bevölkerung von Paris das Ersuchen auszusprechen, er möge die Stadt durch seine Gegenwart ehren. * Der Kri egsminister Andrä ist in Perpignan zur Enthüllung eines Denkmals iür die 1870 gefallenen Soldaten eingetroffen. Die Bevölkerung empfing den Kriegsminister mit den Zurufen: „Es lebe Andrä", „es lebe die Republik!" — Ein Perpignaner Blatt meldet, der Kommandant der Stadt, General major de Taradel, habe, als er die Rufe: „Es lebe die Republik" hörte, gegen dieselben Einspruch erhoben. Diejenigen, die seinen Einspruch vernahmen, verdoppelten nunmehr ihre Rufe: „Es lebe die Republik". Der Vor fall wird in Perpignan vielfach erörtert. England. * Dover soll, wie der,Frankf. Ztg.' aus London gemeldet wird, Anlegehafen für Hamburger und Bremer transatlantische Dampfer werden. Kaiser Wilhelm interessiere fick für das Projekt und werde demnächst eine Abordnung des Hafenamtes von Dover empfangen. Italien. *Der frühere italienische Minister und Kammerpräsident Michele Coppino ist am Sonntag in Alba in Piemont gestorben. — Coppino war in dem nämlichen Alba 1822 ge boren als Sohn eines Schuhmachers. Er be suchte die Universität Turin und wurde dort 1861 Professor der italienischen Litteratur. ! Schon seit 1859 war er Mitglied der sardi nischen Kammer und spielte im italienischen Parlament weiterhin eine hervorragende Rolle, so daß er zu wiederholten Malen das Porte feuille des Unterrichts übernahm. Dänemark. *Die Meldung aus Kopenhagen über ein befriedigendes Fortschreiten der Verhandlungen über den Verkauf der dänischenJnseln inWestindien wird in Washington bestätigt. Indessen sollen die Verhandlungen noch nicht zum Abschluß gelangt sein, da Amerika nicht geneigt ist, mehr als die 3 700 000 Dollar, die es geboten hat, zu bezahlen. Balkanstaaten. *Der Sultan hat in dem Konflikt mit Frankreich vollständig nachgegeben. Trotzdem ist Constans nach Paris ab- geretst: „zur Berichterstattung", wie es heißt; er scheint sich aber beim Zarenbesuch wichtig machen zu wollen. In Konstantinopel ver lautet, der Sultan beabsichtige, sofern noch weitere Schwierigkeiten entstünden, einen Appell an das Haager Schiedsgericht. Das wäre der erste Fall dieser Art! Afrika. * De Wet und Botha haben nun auch Proklamationen erlassen, worin die un verminderte Fortsetzung des Kampfes bekannt gegeben und Gegenmaßregeln gegen Kitchener angedroht werden. Gefangene Engländer sollen in Zukunft als Geiseln zurücköehalten werden. * Kitchener klagt in seinem neuesten Bericht: „Die Abteilungen des Feindes und der Aufständischen in der K ap k o l o n i e ver bergen sich mit einigem Erfolge vor unseren Truppen und weichen ihnen aus." Dabei be drohen Boerenkommandos schon mehrere Küstenstädte! *Der Abfall der Kapholländer von der englischen Blutherrschaft hat nach den in letzter Zeit vollstreckten Bluturieilen nur noch zugenommen. In Burghersdorp wurden, wie das,Büreau Reuter' vom 24. d. meldet, 149 Per sonen wegen Verrats vor Gericht gestellt. Der Mehrheit der Angeklagten wurde dasÄürger - recht entzogen. Affen. *Alle Edikte des Kaisers von China, welche die Anträge der Gesandten ge nehmigen, sind nunmehr erlassen worden, und es fehlt nur noch ein Edikt, das die Zu stimmung zur Regelung der Jangtse-Mündung gibt. An einer raschen Erteilung auch dieser Zustimmung werde nicht gezweifelt. Deutschland nud der Krieg zwischen Kolumbien und Venezuela. Daß bei dem Kriege zwischen Kolumbien und Venezuela hohe wirtschaftliche Interessen Deutschlands auf dem Spiele stehen, ist be kannt; es find ja auch dieser Tage auf Grund von Reisebeschreibungen Zahlen durch die Presse gegangen. Gerade zur rechten Zeit haben nun die kaiserlichen Konsuln Gerstäcker in San Cristobal (Venezuela) und v. Jeß in Maracaibo (Venezuela) ihre Berichte erstattet, worin sie bereits auf den drohenden Krieg Hinweisen, v. Jeß sagt: Es ist nicht zu bezweifeln, daß dieser Amtsbezirk auch in Zukunft, wenn der Friede im Lande erhalten bleibt, ein gutes Absatzgebiet für die Erzeugnisse Deutschlands sein wird. Denn trotz der großen Schläge, die die vergangenen Revolutionen und an dauernd niedrigen Kaffeepreise Maracaibo zu gefügt haben, ist es doch nicht zu leugnen, daß Venezuela im allgemeinen ein sehr aufnahme fähiges, elastisches Land ist, das sich schnell von den jeweiligen Krisen erholt. Konsul Gerstäcker in San Cristobal berichtet: Das Warengeschäft wird zum weitaus größten Teil von den vier in Sau Cristobal ansässigen deutschen Firmen beherrscht, die in Maracaibo ihre Stammhäuser besitzen. Amtliche Angaben über die Höhe der eingeführten Waren find nicht zu erlangen ge wesen. Nach ungefährer Schätzung beträgt die Einfuhr etwa 18 000 Doppelzentner im Werte von 4 000 000 Bolivares gleich 3 200 000 Mk. Die hier ansässigen vier deutschen HandelshäM haben auch fast den gesamten Ein- und Aus« fuhrhandel in Händen. Das von ihnen be wegte Kapital dürfte sich auf 12 Millionen M- belaufen. Der deutsche Konsul v. Jeß betont ebenfalls die Wichtigkeit der deutschen Inter essen, er sagt einmal, daß die Ein- und Aus fuhr zu drei Viertel in Händen deutscher Kauf leute liege, und weiter bemerkt er: Neber die Einfuhr von fremden Ländern ist auch in diesem Jahre eine zuverlässige Statistik nicht zu er halten gewesen, doch ist der deutsche Handel mit einem guten Prozentsatz daran beteiligt. Im allgemeinen wurde weniger als in den Vorjahren eingeführt, in den letzten drei Monaten des Berichtsjahres (1900) geigte sich indessen ein Umschwung zum Bessern. Mr die Ausfuhr anbetrifft, so betrug sie im Jabre 1900 an venezolanischen Erzeugnissen 29 43521» Kilogramm im Werte von 19 050 752 Bolivares, hierunter Kaffee allein 20 924 665 Kilogramm im Werte von 17 216 321 Bolivares. DcutM Firmen find bei dieser Ausfuhr mit 75 Prozent beteiligt, davon eine allein mit 36 Prozent. Bei dem Punkte Palo Gordo im Bezirke Perija haben zwei Deutsche eine Tabaks pflanzung gegründet, die fie persönlich leiten; im übrigen sind an den verschiedensten Punkten ausgedehnte Ländereien und Pflanzungen m deutschem Besitz. Man sieht also, welche hohen wirtschaftlichen Interessen für Deutschland bei diesem Kriege auf dem Spiele stehen. Llon Nast und Feri». Bernstein-Becker -j-. Geh. Kommerzienrat Moritz Becker, der Begründer und frühe" Eigentümmer der Bernsteinwerke, ist am Sonntag in Heringsdorf gestorben. Deutscher Bergbau im Jahre 1900. Die Knappschafts-Berufsaenossenschaft bat ihren Verwaltnngsbericht für 1900 veröffentlicht. Am diesem ergibt sich, daß im deutschen Bergbau im verflossenen Jahre 565 060 Arbeiter IHM waren, die einen Lohn von 625 Mill. Mk. ver dienten, was im Durchschnitt aus einen A beiter einschließlich der jugendlichen 1107,11 Mk. er gibt. Die Zahl der vorgekommenen Unfälle be trug 58 471; in dieser Zahl find jedoch alle kleinen Verletzungen, Hautabschürfungen rc. mit- enthalten. Hiervon wurden entschädigung^ pflichtig 6894 Fälle (gleich 12,20 aus Versicherte), bei denen eu weder der Tod ein trat, oder die Erwerbsunfähigkeit länger al» 13 Wochen dauerte. Eine kaiserliche Schiffskasse gestohlen- Von Bord des Torpedoboots „v 2", das zur Zeit an der Torpedowerft in Wilhelmshaven vor Anker liegt, ist in der Zeit vom Mittwoch, den 21. d. irüh, bis Freitag. 23. d. mittags, die Schiffskasse mit einem Inhalt von über 10 000 Mk., bestehend in Gold- und Silber münzen, gestohlen worden. Wie angenommen wird, find an dem Diebstahl mindestens zw« Personen beteiligt gewesen, auch ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Thäter die schwe" Kasse mittels eines Bootes vom Torpedoboot sortgeschafft haben. Das Kommando der Marineftation der Nordsee hat auf die Er mittelung der Diebe eine Belohnung von 500 Mk. ausgesetzt, welcher Betrag bis am 1000 Mk. erhöht werden wird, wenn das gt- stohlene Geld in seiner Gesamthöhe wieder herbeigeschafft wird. Wird dagegen nur ew Teil des Geldes wiedergesunden, so wird die Belohnung von 500 Mk. entsprechend der Höhe des zurückgelangenden Betrages, mindesten» aber um 100 Mk. erhöht werden. Von den frechen Spitzbuben fehlt zur Zeit jede Spur. Gegen den Oberstabsarzt Dr. Schimmel, der im Elberfelder Militärbefreiungsprozeß den Verdacht geraten war, widerrechtliche Be freiungen vom Militärdienst bewirkt zu haben, ist die kriegsgerichtliche Untersuchung nunmehr niedergeschlagen worden. Das ehrengerichtliche Verfahren in der Sache dürfte jedoch demnächst erfolgen. Der wegen des bekannten Duells um tödlichem Ausgange in Leipzig verhafte" Rechtsanwalt Dr. Breit ist gegen eine Kaution von 10 000 Mark aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Zn LiebeskeLLen. 1vz Novelle von A. Kahl«. (F-rtfttznng.) Lisette verließ kopfschüttelnd das Zimmer. Was bedeutete das alles? Der Herr Baron hatte, seitdem der alte gnädige Herr das Zeit liche gesegnet, sein Gut noch nicht verlassen und jetzt wollte er gar auf längere Zeit fort, und fie hatte gedacht, er würde sich in diesen Tagen mit Fräulein von Rütz verloben. Die Abreise Frau von Lützens hatte heute morgen fie in diesem Glauben nur bestärkt, da fie das etwas hochmütige Benehmen des Fräuleins gegen die Dame gestern wohl bemerkt und darin den Grund des so plötzlichen Entschlusses derselben, Wilmershagen zu verlassen, gesucht hatte. Daß die zukünftige gnädige Frau für Frau von Lützen nicht angenehm war, das kam ihr ganz natürlich vor, aber daß der Baron nun auch abreisen wollte, das konnte sie nicht begreifen. S. Einige Tage darauf saß in dem Salon der Frau von Bronikowski Fräulein von Rütz neben der Dame des Hauses und sprach eifrig erregt mit ihr. Auf der hohen Stirn des schönen Mädchens lagerten Unmut und Zorn, und die dunklen Augen blitzten in leidenschaft licher Erregung. Auch das sonst so heitere Gesicht der Frau von Bronikowski sah heute ernster und nachdenklicher als sonst aus, und zuweilen ruhte ihr Auge mit teilnehmendem Aus druck auf der jungen Dame, deren Wangen in fieberhafter Röte glühten. „Und du sagst, Alma," fragte jetzt Fräulein von Rütz, „du sagst, der Baron sei abgereist und habe auf längere Zeit sein Gut verlassen und es seinem Inspektor übergeben s" „So ist es, liebe Alice," entgegnete Frau von Bronikowski, beruhigend ihre Hand auf die der Freundin legend. „Ich wollte es garnicht glauben, als Bronikowski gestern vonWilmershagen zurück kam und mir das alles erzählte. Es ist garnichts mit Ebendorf zu machen, sagte mein Mann, er ist eben nicht mehr derselbe Mensch, seine Leiden schaft für diese Frau von Lützen ist so groß, daß ihn nur ein Gedanke zu beleben scheint, fie zu suchen und zu versöhnen. Alles andere ist für ihn nicht vorhanden und auf alle Ver nunftsgründe, die man ihm entgegensetzen kann, erwidert er immer nur das eine: Sein Ent schluß stehe unerschütterlich fest, niemand könne ihn davon abbringen." „Es ist gut, es ist gut!" rief Alice mit bebenden Lippen, „sprich nicht weiter." Eine lange Pause trat ein. Fräulein von Rütz bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, heftige Kämpfe schienen ihr Inneres zu be wegen, denn ihr Busen hob und senkte sich in fieberhafter Eile. Frau von Bronikowski schlang ihren Arm um das junge Mädchen und legte das Haupt an ihre Brust, indem ihre Hand be gütigend über das schöne blonde Haar fuhr. Lange saßen beide so da, endlich schien der Sturm im Herzen Fräulein von Rütz' bewältigt zu sein, fie richtete sich auf, und mit der Hano die Locken, die ihr Antlitz verhüllten, zurück- streichend, versuchte fie ruhig und gefaßt zu sein. „Daß ich das erleben muß, Alma," sagte fie und große Tropfen entrollten ihren Augen, „solch einer Frau gegenüber verschmäht zu werden, das ist ein hartes Los. Gegen eine Frau, die weder Schönheit noch Geburt hat, die eine arme Dienerin ist. — Und ich besitze alles, meine Mitgift ist so reich, wie fie selten ein Mädchen erhält, und doch verschmäht er mich, verschmäht mich, obwohl er glaubte, ich liebe ihn. — O Alma, wäre das nichts hätte die ganze Welt nicht gesehen, daß ich rhn vor allen auszeichnete, es wäre mir ja gleichgültig, ob der Baron von Ebendorf, der letzte Repräsen tant eines alten, edlen Geschlechts, seine Magd heiratete oder nicht. Ich würde mich achsel zuckend von ihm abwenden — aber so !" — „Arme, liebe Alice," sagte mitleidig Frau von Bronikowski. „Bedauere mich nicht!" rief heftig Alice, „nur kein Mitleid, das kann ich nicht ertragen. Ja, ja, fie werden mich bemitleiden, diese Menschen, die neidisch auf mich blickten; äußer lich werden fie mich bemitleiden und heimlich sich über die Demütigung freueu. Aber bei Gott! Alma, das ertrage ich nicht!" Sie sprang auf und durchmaß mit heftigen Schritten das Zimmer. „Das kann nicht der Schluß meines Lebens sein," fuhr fie erregt fort, „das kann nicht das Ende des gefeiertsten Mädchens an einem der glänzendsten Höfe Deutschlands sein! Wenn fie es erführen, die Neid schen, die mir meine Triumphe bei Hofe nicht gönnten, wie würden sie höhnen und spotten über mich! Aber nein, fie dürfen es nicht erfahren, dürfen es nicht, Alma," sagte fie jetzt zu dieser heran- treteud und ihre beiden Arme ergreifend; „Alma, du kannst mir helfen, du kannst ver hindern, daß die Welt mein Leid erfährt; den" darüber nach, ersinne etwas, damit ich ohne vor Zorn zu sterben, diesen Leuten gegenüber treten kann." Alma drückte die Freundin an das Herz- „Beruhige dich," sagte fie zärtlich; „waS M meinen Kräften steht, soll geschehen, um der Sache eine andere Wendung in den Augen der Welt zu geben. Aber setze dich zu mir und laß uns das weitere ruhig und verständig über legen." Sie zog Alicen zu sich auf das Sofa m" nun wurde lange und estrig beraten. EnduM stand Alice auf und nahm zärtlich AbsaM von der Freundin; ihr Gesicht war heiterer, die Stirn wieder glatt, und die heftige Erregung der letzten Stunde war einer gefaßten Ruhe ge wichen. Einige Tage darauf fuhr ein schwerbepackter Reisewagen vor das Herrenhaus auf dem Mi des Generals von Rütz. Der General neun Gemahlin und Tochter bestiegen ihn und rollten dann mit Reisetüchern und Mänteln versehen, der nächsten Eisenbahnstation zu. Die Abreise der Familie von Rütz nach der des Barons von Ebendorf machte viel Aufsehen in der ganzen Gegend; jeder wollte etwas anderes darüber wissen. Alle einigten sich aber darin, vt- sonders da Frau von Bronikowski, die doch da» meiste von der Angelegenheil wissen mußte, dE Ansicht bestätigte, daß Fräulein von Rütz be» näherer Bekanntschaft ihre Sympathie für oen I Baron verloren und sich zurückgezogen habt,
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