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Politische Rundschau. Deutschland. *Der Kaiser trassierte bei einem herr lichen Wetter, wie kaum eine Nordland reise begonnen hat, Montag abend Frederiks- haven und traf am Dienstag vor Kopervig ein. *Prinz Heinrich hat mit den Schiffen des ersten Geschwaders und der 1. Tor pedoboots-Flottille die Uebungsreise an getreten. Die Flotte befährt die Belte und unternimmt dann gemeinsam taktische Uebungen auf der Fahrt um Skagen durch die Nordsee bis H elg oland. Am 15. Juli be ginnen die Uebungen vor der Weser- und der Elbmündung, am 19. Juli werden bei Kux- Haven Kohlen eingenommen und am 23. Juli erfolgt dann die Trennung der beiden Divisionen. Prinz Heinrich dampft mit den Linienschiffen der Kaiserklasfe und den Kreuzern „Viktoria Luise" und „Gazelle" nach Cadiz, um sich mit der aus China heimkehrenden Linienschiffs- Division zu vereinigen. * Die Beisetzung des Fürsten Hohen lohe in Schillingsfürst fand Donnerstag vor mittag statt. *Der ,Reichsanzeiger" veröffentlicht eine' Kabinettsordre, welche die Ausiührungsbe- stimmungen zu der Urkunde betreffend die Stiftung einer Denkmünze für die an den kriegerischen Ereignissen in Ost-Asien be teiligt gewesenen deutschen Streitkräfte enthält. Erwähnt sei daraus, daß die Denkmünze die abgekürzte Bezeichnung: „China-Denkmünze" (6K. v.) führt und daß diejenigen Gefechte, welche zur Anlegung einer Spange am Bande der Denkmünze berechtigen, vom Kaiser besonders bezeichnet werden. * Für die Kommandierung von Soldaten zu Erntearbeiten wird jetzt amtlich be kannt gemacht, daß die den maßgebenden Kom mandos zur Einsicht und Begutachtung vorzu legenden Gesuche der Landwirte um Gestellung von „Ernteurlaubern" als Anlage einer Be scheinigung bedürfen entweder des zuständigen Landratsamtes oder der Kreisdirektion. Diese Bescheinigung muß den Vermerk enthalten, daß der betreffende Landwirt keine Landarbeiter be kommen konnte und daher nur mit militärischer Hilfe einernten kann. Gerade in diesem Jahre soll auf Anordnung des Kaisers in dieser Be ziehung den Landwirten das größte Entgegen kommen bezeigt werden, da durch die Expedition nach China viele junge Landarbeiter ihrem Beruf entzogen werden mußten. *Ein Warenhaus st euer - Gesetz wird, wie aus Dresden gemeldet wird, die sächsische Regierung dem Landtage nach seinem Wiederzusammentritt vorlegen. *Jm gothaischen Landtage ist darüber Klage geführt, daß die preußische Eisenbahnverwaltung den Verkehrs- Wünschen jenes Landes nicht ausreichend Rech nung trage. Es wird nun demgegenüber daran erinnert, daß umgekehrt im preußischen Landtage sehr lebhafte Beschwerden darüber laut geworden find, daß die Eisenbahnverwal tung die Verkehrsbedürfnisse der außerpreußi schen thüringischen Landesteile in ungleich weiterem Maße befriedige, als diejenigen der angrenzenden preußischen Gebietsteile. Insbe sondere ist dabei betont worden, daß die Be völkerung der an das Herzogtum Gotha angrenzenden preußischen Kreise sich gegenüber der Entwickelung der Eisenbahnen in diesem Herzogtum zurückgesetzt fühle und daß über diese angebliche Zurücksetzung preußischer Landesteile in der Bevölkerung Unzufriedenheit herrsche. Die Form, wie diese Klagen im gothaischen Landtag vorgebracht und vom Regierungstisch ausgenommen find, wird jedenfalls noch zu weiteren Auseinandersetzungen über die Ange legenheit Anlaß geben. *Ein neuer Beweis für die fortschreitende Entwickelung Kameruns und für den regen Verkehr mit der Westküste Afrikas ist in der Ausfahrt des Seglers „Niagara" zu sehen, der im Auftrage der Deutschen Handelsgesell schaft Kamerun, Berlin, den Hamburger Hafen verließ und mit voller Ladung nach Kamerun Fürst Chlodwig m Hohenlohe-SchMngsfürst geht, um die Faktoreien der genannten Gesell schaft mit Waren zu versehen. Der „Niagara" ist der erste größere Segler, der nach Kamerun fährt. England. * Für Mittwoch war ein englischer Mini ster r a t anberaumt, um Maßregeln für die schleunigeBeendigung des Krieges in Südafrika zu erörtern. Die Regierung habe die Meldung empfangen, daß die Boeren - führer entschlossen seien, den Kampf energischfortzusetzen. Nötigenfalls solle Roberts wieder den Oberbefehl über nehmen, um den Feldzug rasch zu beendigen. * Während der letzten vier Monate find nach einer am Montag vom Finanzsekretär des Kriegsamts, Lord Stanley, im englischen Unterhause gemachten Mitteilung etwa 8000 Boeren getötet, verwundet oder gefangen genommen; in dieser Zeit haben sich rund 251000 Mann britische Truppen in Südafrika befunden, darunter 14000 Kranke. *Das Unterhaus nahm mit 196 gegen 52 Stimmen einen Kredit von 5 306 500 Pfund für Neubauten von Kriegs schiffen an. Italien. * Wie der ,Figaro" meldet, hat der Vati- kan der französischen Regiemng eine diploma tische Note gegen das Vereinsgesetz überreichen lassen. Holland. * Das neue niederländische Kabi nett, dessen Berufung bevorsteht, wird in handelspolitischer Beziehung eine schutz- zöllnerische Richtung einschlagen. Der etwaige Verzicht des konservativen Führers Kuyper auf die Uebernahme der Regierung, der im Hinblick auf dessen ungünstigen Gesundheits zustand für wahrscheinlich gilt, werde hieran nichts ändern, da Kuyper unter allen Umständen auf die Politik des neuen Ministeriums in jeder Beziehung einen maßgebenden Einfluß aus üben wird. Spanien. * Daß eine Vereinbarung mit Deutsch land betreffs Abtretung der Insel Fernando-Po bestehe, erklärt, wie,Wolffs Büreau" meldet, der spanische Minister des Aus wärtigen für unbegründet. Balkanstaaten. * Der Vizekönig von Aegypten ist am 6. d. in Konstantinopel angekommen und begab sich nach dem Mdizpalais, um dem Sultan seine Huldigung darzubringen. Nach der Audienz fand ihm zu Ehren im Mdizpalast ein Bankett statt. * Endlich hat die bulgarische Staatsanwalt schaft dem Gericht in Sofia die Anklage-Akten in dem Prozeß gegen das macedo nische Komitee zugestellt und wegen intellektueller Urheberschaft an der Ermordung Fitowskis und Mihaileaus in Bukarest die Todesstrafe gegen den Vorfitzenden des Komitees Sara fow beantragt. Die Anklage gegen die Leut nants a. D. Kowatschow und Stojanow, sowie gegen den Feuerwehrhauptmann Trolew wegen eines Komplotts gegen den König Karol wurde fallen gelassen. Die Verhand lungen finden wahrscheinlich Anfang August statt. Amerika. * Zur Lage in Argentinien wird den ,Times" aus Buenos Ayres gemeldet, daß auf Anordnung der Regierung wegen des Belage rungszustandes die üblichen Festlichkeiten am 9. d., dem Unabhängigkeitstage, nicht stattfinden Geiz und Liebe. 20) Kriminalroman von W. Spangenberg. (Fortsetzung.) Die Besucher drängten sich hier einzeln oder zu Paaren in den Spielsaal, dort wieder wankten gebrochene Gestalten mit bleichen, verstörten Gefichtszügen, den Stempel der Ver zweiflung an der Stirn, heraus, mit wirren Blicken die Umgebung musternd — man sah es ihnen an, sie hatten dem Spielteufel ihr Letztes geopfert, ihr Schicksal war besiegelt. Inmitten dieses eigenartigen, den Fremdling seltsam berührenden Bildes bewegte sich schein bar arglos und gleichgültig ein älterer Herr. Zuweilen blieb er stehen, blickte einer Gruppe der Promenierenden nach und setzte dann seine Wanderung fort. Jetzt trat er in den Spielsaal, ließ sich auf einen Sessel nieder und beobachtete längere Zeit das Getriebe an den Spieltischen. Wie die Goldstücke rollierten, in kleineren und großen Haufen aufgestapelt lagen! Die be sondere Aufmerksamkeit deS älteren Herrn er regte ein anderer mit langem blonden Haar, gleichfarbigem Schnurr- und Knebelbart und goldener Brille. Er sprach ausschließlich und sehr gut französisch und schien vom Glück außer ordentlich begünstigt, denn die Goldhäufchen vor ihm wuchsen zusehends. „Drös bleu!" rief er lachend, nachdem er wieder eine hohe Summe eingestrichen, ließ die gewonnenen Schätze in die Tasche gleiten und trat vom Spieltisch zurück. „Ich gratuliere!" sprach freundlich der ältere Herr, „Fortuna ist Ihnen hold gewesen." „Danke, danke sehr!" antwortete jener jetzt deutsch und verließ den Spielsaal. Auch der ältere Herr ging und folgte dem andern in einiger Entfernung bis zum Bahn hofe, wo beide getrennt, den zur Abfahrt nach Nizza bereit stehenden Zug bestiegen. Dort angekommen, nahm der Spieler seinen Weg nach einem unweit des Hafens gelegenen Hotel, wo kurz darauf auch der erstere eintraf, an demselben Tische neben ihm Platz nahm und eine Unterhaltung anknüpfte, deren erster Teil ausschließlich die Spielbank behandelte. „Bei uns in Deutschland kennt man solche Spielhöllen zum Glück für die Menschheit nur noch dem Namen nach," bemerkte der ältere. „Ah, Sie find Deutscher? Freut mich sehr, ich bin es ebenfalls von Geburt, nunmehr natu ralisierter Franzose. „Und fühlen sich als solcher wohl?" „Sehr! Ich habe seit meinem zehnten Lebensjahre Deutschland nicht mehr gesehen, bin mit den dortigen Verhältnissen gar nicht vertraut." „So haben Ihre Eltern Sie nach französischen Sitten erzogen oder erziehen lassen?" „Vollständig! Mein Vater hat in Frank- kreich sein Glück gemacht und sich ein bedeuten des Vermögen erworben, das mir, dem einzigen Sohne, eine mehr als sorgenfreie Existenz bietet." „Ihr Herr Vater lebt nicht mehr?" „Nein, auch meine Mutter ist tot; beide find mir leider vor wenigen Jahren entrissen worden." „Woher stammten Ihre Eltern, wenn ich fragen darf?" „Aus Hamburg — von Eckmann ist mein Name!" „Professor Rößler aus Stuttgart!" „Ein biederer Schwabe also? In Stutt gart soll es sehr schön sein, ich habe schon viel über diese Stadt gehört und gelesen." „O ja, man lebt dort froh und ge mütlich." „Werden Sie längere Zeit in Nizza ver weilen ?" „Je nachdem es mir gefällt." „Es würde mich freuen, wenn Sie sich meiner Führung anvertrauen wollten und es mir ver gönnt wäre, einem deutschen Landsmann seinen hiesigen Aufenthalt so angenehm wie möglich gestalten zu können." „Sehr liebenswürdig, ich nehme Ihr freund liches Anerbieten mit herzlichem Dank an." Mehrere Stunden hatten die beiden mit einander verplaudert, dann begab sich Professor Rößler unter dem Vorgeben, ermüdet zu sein, auf sein Zimmer, wo er indes an nichts weniger dachte, als Ruhe zu suchen, v. Eckmann, das war ja der Name, unter dem Bertram in Amsterdam aufgetreten war! Aber die Fistel stimme, in der er während der ganzen Unter haltung mit ihm gesprochen, das lange, gelockte blonde Haar, der Bart? Er hatte Bertram in dunklem Haar und Vollbart kennen gelernt, hatte die Kunst des Friseurs hier ein Meister stück ersten Ranges geliefert? Es konnte nicht anders sein, glaubte er doch auch in dem Gesicht des Mannes einige ihm bekannte Züge entdeckt zu haben. Er kämpfte geraume Zeit mit einem Entschlusse und war nahe daran, noch an diesem Abend die Hilfe der Polizei in Anspruch nehmen, besann sich aber und legte sich nieder- Die Nacht verbrachte er schlaflos, sein ganze» Sinnen und Denken war auf den gerichtet, m dem er den Verbrecher vermutete. Noch pflegten am folgenden Morgen die meisten Hotelbewohner der Ruhe, als der Pro" fessor zwischen den Zitronen-, Orangen- uno Palmbäumen im Garten lustwandelte. Da er schien auch schon der Hotelbesitzer, begrüßte M» und lenkte seine Aufmerksamkeit auf diese uno jene Merkwürdigkeit, die der Garten enthM- An ihn wandte er sich bei dieser GelegeE« mit der Frage: „Kennen Sie den Herrn von Eckmann näher ? Wie lange wohnt er bei Ihne«, welcher Nationalität gehört er an?" „Der Herr ist meines Wissens ein Holländer und hält sich seit acht Tagen hier auf!" „Kam er von Amsterdam?" ., ... „Ich glaube, wenigstens hat er wiederho von dieser Stadt gesprochen. Seit seinem EM treffen ist kein Tag vergangen, an dem er E nach Monaco gefahren wäre." , Immer noch war Rößler unentschlossen, was er thun solle, allein es ließ ihm keine RE, er wollte, mußte Klarheit haben. Er ließ NA sein Frühstück bringen und schlenderte, nachdem er es eingenommen, in die Stadt. Auf «e> Wege dorthin wurden nun Bedenken m MA wach; wenn der angebliche Herr v. Eckman« wirklich der verfolge Bertram war, dann ME 1 er auch ihn erkannt haben — war es denkvm,i daß er dennoch eine kaum glaubliche Ruhe m i wahren, so sicher und ungezwungen sich YE> benehmen können? werden. Die öffentliche Erregung ist, wie dem Blatte Wester gemeldet wird, im Abnehmen begriffen. Afrika. *Der Boeren-Kommandant Scheepers mit 1500 Mann nahm Murraysburg in der Kapkolonie, das von der englischen Garnyon eiligst geräumt wurde, erbeutete große Vorräte und brannte die öffentlichen Ge bäude nieder. Er rückt weiter südwärts nach Aberdeen vor. *Von Marokkanern wurden nach einer Meldung der ,Agence Havas" in Tanger während der reli giösen Feste, die soeben ihr Ende erreicht haben, drei Europäer gesteinigt. Die Be völkerung gibt einstimmig der Hoffnung Aus druck, daß die Vertreter der Mächte religiöse Zeremonien in Tanger, dem Sitze des diplo matischen Korps, verbieten lassen werden. Asien. *Aeußerlich soll schon die Wiederaufnahme der Staatsleitung von Peking am stattgefunden haben; nach einer Lassan-Meldung wurde öffentlich verkündigt, daß alle Provinzial behörden sich von nun an mit der Zivil verwaltung in Peking und nicht mehr mit Singanfu in Verbindung zu setzen haben- Das gibt hinsichtlich des Hofes aber vorläufig nicht mehr Sicherheit als die Fortsetzung der Renovierungsarbeiten in der „verbotenen Stadt. Don Unis und Fern. Eine Belobigung im Auftrage des Kaisers wurde dem zwölfjährigen Sohn des Direktors der Ober-Realschule in Breslau, Professor Höffer zu teil. Bei dem Bootsunglück in Sellm ertrank die Gattin des Professors, es gelang aber dem Knaben unter Ausbietung seiner ganzen Kraft, unter eigener größter Lebens gefahr seinen Bruder vom sicheren Tode de» Ertrinkens zu retten. Auf Befehl des Kaisers wurde nun am Schulschluß dem jugendlichen Lebensretter vor der ganzen Schule eine Be lobigung ausgesprochen. Für später ist die Verleihung der Rettungsmedaille in Aussicht ge nommen. Ein S4 jähriger Kirchendiener. Der Kirchendiener Lehmann an der Altstädter Kirchs in Plön, welcher das 94. Lebensjahr vollend» hat und seit 1859 seinen Posten versieht, HA nunmehr seinen Abschied genommen. Am direkte Veranlassung der Kaiserin erhielt der brave Alte vor einigen Jahren das allgemeine Ehrenzeichen. Mit ungewöhnlicher Rüstigkeit und großer Treue hat Lehmann sein Amt verwaltet- Die Ansiedelungskommission beabsichtigt, zum Winter auf dem Gute Janowitz »ne Haushaltungsschule für die Töchter der deutschen Ansiedler einzurichten. Es soll dort dann auch den landwirtschaftlichen Winterschülern das Esse« bereitet werden. Der Kuttempler-Orden (die Vereinigung der unbedingten Abstinenzler) hielt am Sonntag in Lübeck eine Großloge ab, unter Teilnahme von etwa 3000 Logenmitgliedern aus allen Teilen Deutschlands. Der Großtempler BluMs (Hamburg) eröffnete den Logentag. Im NE des Senats von Lübeck begrüßte Senator Dr. Plessing die Versammelten. Von Mm ordneten aus Holstein, Brandenburg, der Rh»« Provinz, Sachsen, Posen, Bayern und SchleM wurden Ansprachen gehalten, in welchen das segensreiche Wirken der Enthaltsamkeitsbeweguus hervorgehoben wurde. Prof. Aschaffenburg (Halle) hielt einen Vortrag über „AlkoholisE und Verbrechertum." Lehrer Haehnel (Bremen/ sprach über „Jugenderziehung und Alkohol- Am Sonntag fand eine interne Logensitzun» statt. Abends wurd ein Ball veranstaltet. D Stadt war beflaggt. In die rechten Hände gekommen. De Hauptgewinn der St. Hedwigs-Krankenhau Lotterie, 100000 Mk., ist nach Wierzenica m der Provinz Posen gefallen. Gewinner M ein Gastwirt Schulz, ein Fräulein Stiller, e bejahrter Kuhhirte und dessen SchwiegersoY, die zusammen das Los spielten. Alle vier E unbemittelt und können den Gewinn daher N/ gut gebrauchen.