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Allgemeiner Anzeiger : 10.07.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190107105
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010710
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
-
Monat
1901-07
- Tag 1901-07-10
-
Monat
1901-07
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 10.07.1901
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KoMische Rundschau. Deutschland. * Das Befinden derKais erinFriedrich ist neuerdings durchaus befriedigend. Seit der letzten Anwesenheit des Kaisers in Friedrichshof und der jüngsten Konsultation durch Prof. Renvers hat sich keine Ver schlimmerung in dem Grundleiden eingestellt, auch find Anzeichen für eine bevorstehende Gefahr zur Zeit nicht vorhanden. Die Kaiserin ist augenblicklich fast vollständig von Schmerzen frei und unternimmt täglich ein bis zwei Mal in die weitere Umgebung des Schlosses Spazier fahrten. *Das Schulschiff „Charlotte" mit dem Prinzen Adalbert an Bord hat am Donnerstag Kiel verlassen. Der Prinz macht seine erste größere Seereise, die ihn nach unseren afrikanischen Kolonien und nach Süd- und Mittelamerika führt. * Ueber eine deutsche Friedensver mittelung in Südafrika verlautet nach der ,Tägl. Rundschau' in Londoner Hoikreisen, König Eduard habe in den letzten Tagen in lebhastem Depeschenwechsel mit Kaiser Wilhelm in Kiel gestanden, ebenso auch die beiderseitigen Auswärtigen Aemter. Es soll sich um eine etwaige Vermittelung in Südafrika handeln. (Diese Nachricht erscheint wenig glaublich.) * Die Verhandlungen mit England über die geplante endgültige Abgrenzung des Togogebietes sind so weit zum Abschluß gebracht, daß nur noch eine Antwort aus Lon don abgewartet wird, um dann zur Ernennung der Kommission zu schreiten, welche die örtlichen Feststellungen an den streitigen Punkten machen soll. An berufener Stelle nimmt man an, daß die gemischte Kommission bereits im September ihre Arbeiten aufnehmen wird. * Von kolonialer Seite wird erneut ge meldet, daß Spanien der deutschen Re gierung das Vorkaufsrecht über Fernando Po (Insel an der westafrikanischen Küste bei Kamerun) eingeräumt hat. Es habe sich neuer dings ein Fernando Po - Komitee gebildet, welches auf der gewonnenen Grundlage weiter arbeiten will. Oesterreich-Ungarn. *Fast die gesamte Wiener Presse drückt ihre Entrüstung über die sogenannte Prokla mation des russischen Generals Ritisch aus, der auf dem Prager Sokol- feste den Tschechen versicherte, daß sie der Macht Rußlands vertrauen dürften. Die ,Neue Freie Presse' ist erstaunt, daß die österreichischen Staatsmänner so etwas dulden und fragt, was wohl einem österreichischen General in Rußland geschehen wäre, wenn er eine ähnliche Rede gehalten hätte. Das Blatt ist der Ansicht, daß das Vorkommnis geeignet sei, das Ansehen Oesterreichs im Auslande zu schädigen. Frankreich. * Das KabinettWaldeck-Rousseau kann nun bis zu den nächsten Wahlen als ge sichert gelten. Seine Gegner haben jede Hoff nung aufgegeben, es durch einen parlamenta rischen Kampf zu Falle zu bringen. Aus den Schwierigkeiten, die sich aus dem ursprünglichen Beschluß der Budget-Kommission, die vier direkten Steuern durch eine Ein kommensteuer zu ersetzen, zu ergeben schienen, hatte die Opposition ihre letzten Hoff nungen geschöpft, die jedoch, da die Kommission auf diesen Plan verzichtete, bald geschwunden sind. Die Regierung hat somit bis zu den Neuwahlen eine feste Bahn vor sich. Die Oppositionsparteien machen Anstren gungen, um sich über ein gemeinschaft liches Vorgehen für die Wahlen zu einigen, aber es ist kaum wahrscheinlich, daß diese Versuche gelingen werden. Die Sozia- listen und Radikalen rechnen auf starke Erfolge und dürften darin kaum eine Ent täuschung erfahren. *Die „deutsche Finanzkrise" läßt die guten Franzosen nicht schlafen. Nach einer farbenfrohen Schilderung der deutschen Finanz not weissagt der Berliner Vertreter des ,Figaro' weitere, viel größere Verheerungen, und führt die angebliche Aeußerung eines deutschen Finanzmannes (?) an, der ihm gesagt hätte: „Nur ein Krieg kann uns retten (!)", und schließt mit der Mahnung an Frankreich, das Pulver trocken zu halten. (Man kann nicht leicht ein ungeschickteres Bild von der ganzen Sachlage entwerfen.) England. * Nach dem Londoner »Standard' soll der Führer der Liberalen, Campbell Banner- man, entschlossen sein, die Beibehaltung der Führerschaft der Partei im Unterhause von der Bedingung abhängig zu machen, daß alle seine Anhänger sich förmlich verpflichten, sein süd afrikanisches Programm zu unter stützen, demzufolge den annektierten Boeren- ftaaten so bald wie thunlich nach dem Friedensschlüsse vollste Selbstverwal tung gewährt werden solle. * Die englischen Imperialisten planen anscheinend einen neuen Titel für den König. Im Unterhause richtete der Konser vative Randles an Chamberlain die Frage, ob er nicht im Sinne einer Förderung des Inter esses der Kolonien an den Reichsangelegenheiten in Erwägung ziehen wolle, dem Könige vor zustellen, wie vorteilhaft es für das britische Reich sein würde, wenn der Titel „Majestä t", den er führe, so angewendet werde, daß in ihm die königliche und kaiserliche Souveränetät über das ganze britische Reich deutlicher zum Aus druck gelange. Chamberlain erwiederte, er habe sich über diese Frage bereits mit den Kolonien in Verbindung gesetzt und hoffe, daß die Schrift stücke binnen kurzem vorgelegt und ein Gesetz hierzu emgebracht werden könne. Die Anträge Randles war also offenbar bestellte Arbeit. Wie der neue Titel des Königs Eduard aus sehen soll, geht aus der Depesche nicht hervor. „Kaiser" mit dem distorischen Zusatze „immer siegreich", wäre nicht übel! Belgien. * In Brüsseler boerewreundlichen Kreisen hat die Meldung, daß die Regierung dm Kommandanten de Wet ersucht hat, seine Propaganda zu Gunsten der Boeren in Belgien einzustellen, große Erregung hervorge rufen. Die Sozialisten werden demnächst die Regierung wegen dieses Verbots in der Kammer interpellieren. Der Reaierung wird zum Vorwurf gemacht, diese Maßregel zu Gunsten der englischen Regierung verfügt zu haben. Anderseits wird gemeldet, daß in den Wahlbezirken von Gent, wo der Kabinetschef gewählt worden ist, für die kommenden Wahlen ein boerenfreundlicher Kandidat aufgestellt werden wird. Amerika. *Jn Washington erklärte der Staatssekretär für Landwirtschaft, die V er. S t a at en würden innerhalb weniger Monate in der Lage sein, alle notwendigen Lebensmittel und Kleiderstoffe im Lande selbst herzustellen und dann vollständig unabhängig gegenüber den übrigen Staaten sein. Die nächste Aufgabe werde alsdann der Ausbau und die Ausbeutung von Kaffee, Zucker, Gummi rc. in den Kolonien sein. * Der Boeren-Agent Pearson richtet einen Aufruf an das ameri kanische Volk, in dem er bittet, die Waffen- und Munitionslieferungen für die Engländer nach Südafrika einzu stellen. Dann würde England am Ende seiner Leistungsfähigkeit angelangt sein und der Krieg zu Gunsten der Boeren enden. *Die Erörterung einer angeblich geplanten Teilung Südamerikas ruft in Brasilien und auch in Argentinien erklärlicherweise eine gewisse Aufregung hervor. Das Blatt ,Patria' sagt, der Plan der Teilung Südamerikas be deute Teilung Brasiliens. Der Plan sei von England in die Diskussion geworfen, als der Plan einer Teilung Chinas sich als undurchführbar herousstellte. Eng land habe den Ver. Staaten von Nordamerika das nördliche Brasilien bis zum Amazonenstrom angeboten. Das ganze mittlere Brasilien wolle England haben, und der südliche Teil solle Deutschland überlassen werden. Der Amazonenstrom solle dann die neutrale Waffer- straße werden. Auch argentinische Zeitungen bringen sehr erregte Artikel und verlangen die Bildung einer südamerikanischen Schutzliga. Hier dürste wieder dieselbe StimmungSmacherei vorliegeu, die, von New Jork, besonders dem ,New Jork Herald' aus gehend, den Deutschen alle möglichen begehr lichen Absichten auf amerikanische Gebietsteile in die Schuhe schiebt. An alledem ist natürlich kein Wort wahr. Afrika. * Der BoerenkommandantFouchö kommt an Verwegenheit bald Christian deWet nahe. Es ist ihm geglückt, durch die englischen Reihen zu brechen und zu ent kommen. Asien. *Die Missionare in China schreiben allgemein, daß sie dem jetzigen Frieden nicht trauen. Derselbe liege wie Gewitter schwüle über ihnen. Ein Missionar aus Schansi schreibt, daß in Singansu, wo die Kaiserin gegenwärtig nochweilt, großeKriegsvor- bereitugen getroffen werden. Deutschlands Suex-Kanal- Urrkehr. Der steigende Anteil Deutschlands am Suez- Kanal-Verkehr wird in interessanter Weise be leuchtet durch die amtlichen Mitteilungen über den Verkehr in diesem Kanal seit seiner Er bauung, also in einem Zeitraum von drei Jahr zehnten, die kürzlich veröffentlicht sind und folgende Ergebnisse zeigen: Deutschland stand in den ersten zwölf Jahren an der siebenten Stelle in der Reihe der den Kanal befahrenden Völker; England, Frankreich, Holland, Oesterreich, Italien und Spanien waren ihm weit voraus. Vom Jahre 1882 an waren Oesterreich, Italien und Spanien, im Jahre 1886 Holland und seit 1890 auch Frankreich überholt. Vom Jahre 1890 an hat Deutschland nach England den bei weitem größten Anteil am Kanalverkehr. Im letzten Jahre betrug der Anteil Englands 56 Prozent der Gesamttonnage, derjenige Deutschlands 15 Prozent, während dann erst Frankreich mit 8,5 Prozent folgte. Gegen das Vorjahr ist die Beteiligung Englands nm fast 9 Prozent zurückgegangen, während diejenige Deutschlands um mehr als 4 Prozent gewachsen. In diesen Zahlen sind allerdings die Militärtransporte enthalten, die im letzten Jahre für England wesentlich geringer waren als für Deutschland. Ganz ausfallend groß ist die Zunahme des deutschen Verkehrs in den beiden ersten Jahr zehnten seit Eröffnung des Kanals gewesen. Aber abgesehen von der ersten Periode, in der auch andere Nationen sehr erhebliche Zunahmen aufweisen, da sich mit der Durchfahrt durch den Suezkanal naturgemäß ganz neue Handels beziehungen eröffneten, zeigt doch Deutschland noch im zweiten Jahrzehnt, von 1880 bis 1890, eine Zunahme an der Verkehrsbeteili- aung, wie sie in jener Zeit von keiner anderen Nation, selbst von England nicht, auch nur annähernd erreicht worden ist. In jenem Zeit raum stieg der Gesamttonnengehalt der deutschen Schiffe, die den Kanal passierten, auf das Vierzehnfache oder um 1293 Prozent, während England und Frankreich nur Zunahmen von 116 Prozent bezw. 105 Prozent aufzuweisen hatten. Im folgenden Jahrzent, von 1890 bis 1900, ist die Zunnahme des deutschen Anteils zwar nicht mehr so gewaltig, aber mit 180 Pro zent immerhin noch sehr bedeutend. England hatte in dieser Periode eine Zunahme von nur 4V- Prozent der Tonnage. Eine auffällige Zunahme des Verkehrs zeigt im letzten Jahrzehnt auch Rußland. Doch dürfte hier der Hauptanteil auf Kriegsschiffe und Truppentransportdampfer entfallen. Eine über raschend schnelle Enwickelung hat dagegen der japanische Verkehr in den letzten vier Jahren genommen, der bis 1896 noch ganz unbedeutend war. Bekanntlich unterhält die japanische Schiff- fahrtsgesellschast „Nippon Iusen Kaisha" seitdem regelmäßige Fahrten zwischen Japan und euro päischen Häfen mit außerordentlich hoher Bei hilfe der japanischen Regierung. Unter den deutschen Schiffahrtsgesellschaften, die am Kanalverkehr beteiligt sind, stehen zwei Bremer Reedereien, der Norddeutsche Lloyd und die deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft „Hansa an erster Stelle; fast zwei Drittel des deutschen Verkehrs fällt diesen beiden Gesellschaften zu. Uebertroffen wird der Norddeutsche Lloyd im Kanalverkehr selbst nach Abzug der Truppen« transportdampser nur durch die „Peninsular and Oriental Steam Navigation Comvany", und die „Hansa" nur durch diese und die französische „Compagnie des Messageries maritimes". Dou Dali und Fern. Auf der Marienburg sind gegenwärtig viele Hände damit beschäftigt, das Innere der alten Gitterburg für die bevorstehenden Kaiser« tage einzurichten. In allen Sälen herrschte emsige Thätigkeit, Möbel werden umgestellt und ausgetauscht, Tapeten und Fußböden werden erneuert ec. Siemens und Halske in Berlin führen die Festbeleuchtung des Schlosses aus; sie lassen zu diesem Zweck unweit des Schlosses ein Maschinenhaus für eine 70pferdige Loko mobile und einige Dynamomaschinen errichten. Am 31. August müssen die Arbeiten fertig sein, am 1. September wird eine Probebeleuchtung des Schlaffes und seiner Umgebung statt finden. Der Metzer Gemeinderat hat mit großer Mehrheit den Vertrag mit dem Reichsmilttär« fiskus über den Ankauf des südlichen Geländes angenommen. Damit ist die jahrelang betriebene Frage der Stadterweiterung entschieden. Der Kaiser hatte während der Vorverhandlungen öfters zu Gunsten der Stadt Metz eingegriffen. Alfred Kruvv zum Ehrendoktor der technischen Wissenschaften zu ernennen, hat der Senat der technischen Hochschule zu Aachen aK Donnerstag beschlossen. Von Paris nach Berlin in 17 Stunden 3 Minuten 43 Sekunden!! Nach Abzug der Zeiten, welche die Neutralisationsstrecken verur sachten, ergab die Zusammenstellung der Strecken, daß der Sieger Fournier das Auto mobilrennen Paris—Berlin in 17 Stunden 3 Minuten 43 Sekunden gewonnen hat. Die Kasseler Trebertrocknnngsgesell- schaft ist nunmehr ebenfalls verkrach:. Am Donnerstag mittag ist der Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet worden. Generaldirektor Schmidt wird „vermißt". Der Vorsitzende des Auffichtsrats, Hermann Sumpf, ist verhaftet worden. Einen Aufruf gegen das Duell haste seiner Zeit Fürst Karl v. Löwenstein verfaßt und zur Unterstützung der in diesem Aufruf ent wickelten duellfeindlichen Anschauungen zunächst in den Kreisen des Adels und dann in weiteren Kreisen Unterschriften für diesen Aufruf ge sammelt, die auch in großer Zahl eingelausen find. Jetzt wendet sich nun der Fürst speziell noch an die alten Herren der katholischen Kor porationen und fordert sie auf, eine Erklärung zu unterschreiben, in der sie die grundsätzliche Verwerfung des Duells öffentlich bezeugen und sich verpflichten, im gesellschaftlichen Verkehr wie im öffentlichen Lüen nach Kräften thätlg zu sein Mr Förderung der Bewegung, welche die endliche und gänzliche Abschaffung des Duells zum Zweck hat. Zugleich wird in dieser Erklärung von Ehrengerichten für unbedingt ge' boten erklärt, „deren Entscheidung dem Beleidig ten wirkliche Genugthuung verschafft, so daß derselbe nicht mehr verleitet wird, sich dieselbe selbst auf zweifelhafte und unerlaubte Weist mit der Waffe zu suchen." Was kostet ein menschliches Auge? Gelegentlich des vorjährigen Manövers wurde bei Sehlem im Hannoverschen der Sohn des Arbeiters Bauleke von einem Fouragewagen überfahren und skalpiert, indem ein Rad des Wagens ihm die Haut vom Hinterkopf abtrennte und bis über die Stirn nach vorn überklappte- Der Verunglückte ist wieder genesen, doch Hot er auf dem rechten Auge die Sehkraft verloren- Jetzt hat die Militärverwaltung dem Vater des Knaben eine einmalige Unterstützung von 1M Mark gewährt. Geiz und Liebe. IS) Kriminalroman von W. Spangenberg. lyorlsttzuug.) Wesentlich verschieden von diesen, den Edel mut und die Seeiengröße der jungen Frau wiederspiegelnden Anschauungen und Empfin dungen waren diejenigen Wendlins, der mit unermüdlichem Eifer und zäher Ausdauer sein ganzes Interesse der Verfolgung Bertrams zu wandte. Vermöge seiner weitverzweigten Ge schäftsverbindungen im In- und Auslande hatte er in den meisten größeren und großen Städten Anknüpfungspunkte, die es ihm er leichterten, neben den behördlichen private Nachforschungen nach Bertram anzustellen. Er lebte in der Annahme, daß der Verfolgte sich nur in solchen Orten aufhalten werde, wo der geschäftliche und gesellschaftliche Verkehr sich konzentrieren und die Ermittelung eines Flücht lings mehr oder weniger schwierig ist, als an kleinen stillen Plätzen. In fieberhafter Spannung sah Wendlin, nachdem er eine große Anzahl Briefe nach allen Himmelsrichtungen abgesandt, den kommenden Posten entgegen, Wochen- und monatelang vergeblich. Entweder blieben die Antworten ganz aus, oder aber die eintreffenden lauteten dahin, daß man eine Persönlichkeit wie die beschriebene nicht kenne. Derartige Bescheide erregten stets den Mißmut Wendlins, aber sie entmutigten ihn nicht. Endlich — zehn Monate waren verflossen — seitdem er seine Recherchen begonnen hafte — traf ein Schreiben aus Amsterdam ein, laut dessen sich dort fest kurzem ein Herr aushalte, auf den das Signalement Bertrams passe. Der Betreffende verstehe es, sich mit Leichtigkeit in die ersten Gesellschafts kreise einzusühren und sei wegen seines noblen Auftretens und geselligen Umgangs überall ein gern gesehener Gast. Er erzähle viel von den weiten Reisen, die er gemacht und fessele da durch seine Zuhörer; von Eckmann sei sein Name, wahrscheinlich habe er sich diesen fälsch licherweise beigelegt. Der Briesschreiber sprach schließlich sein Bedauern aus, daß die Polizei seinem Anträge, den Mann zu verhaften, nicht statigegeben habe; eine persönliche Rekognos zierung seitens Wendlins werde Erfolg haben. Wendlin geriet über diese Nachricht in große Erregung und entschloß sich ohne Zögern, nach Amsterdam zu reisen — in geschäftlichen Ange legenheiten, wie er seiner Familie gegenüber vorgab. Dort angekommen, suchte er sofort den Freund auf, welcher ihn nach mehreren Hotels und Cafös, in denen von Eckmann zu verkehren pflegte, führte, allein der Gesuchte war nirgends zu finden. Man forschte nach seiner Wohnung, der gegenüber Wendlin zu mehrtägigem Aufent halt in einem Hotel abstieg. Es war am dritten Tage nach seiner Ankunft, er hatte bereits einige Stunden am Fenster gesessen und jede Person, die in dem fraglichen Hause ein- und ausging, scharf beobachtet, als sein Freund eintrat. „Nun," fragte dieser, wie steht's?" „Bis jetzt habe ich niemand gesehen, der auch nur Aehnlichkeit mit Bertram hätte," gab er kleinlaut zurück. „Nur nicht verzagen, er wohnt da drüben I" Sie plauderten miteinander weiter, da plötzlich deutete der andere nach einem Fenster der ersten Etage des gegenüber liegenden Hauses. „Herr Wendlin, schauen Sie mal dort droben!" Wendlin riß, alle Vorsicht außer acht lassend, das Fenster auf, starrte hinauf und keuchte mit bebenden Lippen: „Beim Himmel — er ist's — Bertram!" „Irren Sie sich nicht, find Sie fest davon überzeugt?" „Ich kann mich nicht irren, es ist der Schurke! Ich kenne ihn genau!" „Dann vorwärts, zur Polizei, schnell!" In dem Augenblick, da die beiden aus dem Hotel auf die Straße traten, bemerkte Wendlin, wie Bertram hinter der Gardine des Fensters, offenbar in der Absicht nicht gesehen zu werden, hervorlugte und sich rasch zurückzog. Er und sein Begleiter beschleunigten ihre Schritte und langten fast atemlos auf dem Polizeibüreau an. Der Beamte, an den sie ge wiesen wurden, zeigte anfangs gar keine Bereit willigkeit, die von Wendlin beantragte Ver haftung vornehmen zu lassen und verlangte einen behördlichen Nachweis, der Wendlin zu seinem Vorgehen berechtigte. „Den kann ich nicht vorlegen, es mag Ihnen genügen, zu wissen wer ich bin!" „Das genügt mir eben nicht l" erwiderte der Beamte kurz. Es kam zu einem ziemlich erregten Wort wechsel und schon hatte Wendlin die Hoffnung aufgegeben, sein Ziel zu erreichen, als er hastig seine Taschen durchsuchte und ein altes Zeitungs blatt zum Vorschein brachte. „Hier, vielleicht fühlen Sie sich nun bewogen, meine Bitte zu erfüllen!" Mit vor Zorn zittemder Hand überreichte er dem Beamten das Blatt, das ven Sieckbries gegen Bertram entlieft. Gleichgültig, handle es sich nm nebensächliche Dinge, nalB er es, schob seine Bulle znrechl und las. Doch auch dann machte er allerhand Einwände, aber mals gab es ein langes Hin- und Herreden und erst nachdem eine Stunde verstrichen, ließ der Beamte sich herbei, einen Polizisten mit der Verhaftung Bertrams zu beauftragen — N spät. Pochenden Herzens war Wendlin m» dem Polizisten die Treppe emporgestiegen, kamen vor verschlossene Thür. Herr von Eck mann sei ausgegangen, hieß es, man muff nicht, wann er zurückkehre. Wenn er entschlM' wäre. — Wendlin erbebte bei diesem Gedanken, er fühlte, wie ihm das Blut gleich glühendem Blei in den Adern rollte; zornen flammt 6° dachte er des Beamten, den allein wegen seiner Widerspenstigkeit die Verantwortung das» treffen würde. Dem Vorschläge des Freunde» folgend, wanderten die beiden mit dem Pou zisten von Hotel zu Hotel, von einem Cai^ ove Restaurant zum andern, um gegen Mitterna« unverrichteter Sache heimzukehren und früh den Morgengrauen abermals nach der Wohnung Bertrams zu gehen, der seit dem vorigen Na« mittag das Haus nicht wieder betreten ha^- Weudlin erkundigte sich eingehend nach allem, was zu wissen ihm mr die Erreichung se Zweckes nützlich erschien, allein die Auskünfte,
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