Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 12.06.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190106121
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19010612
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010612
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-06
- Tag 1901-06-12
-
Monat
1901-06
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 12.06.1901
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Auf schreckliche Weise ums Leben ge kommen ist der etwa 60 Jahr alte Zimmer mann Karl Stolberg in dem preußischen Dorfe Andisleben bei Erfurt. Beim Anlegen einer Treppe auf dem dortigen Mühlengrundstück brach die Leiter, auf welcher Stollberg stand. Dieser fiel auf ein Hol,stäket und spießte sich förmlich auf. Im städtischen Krankenhause zu Erfurt ist er seinen schweren Verletzungen er legen. Ein noch unaufgeklärter Fund. In Nürnberg wurden Mittwoch früh im großen Dutzendteich-Weiher drei Männerhüte, ein um gestürzter Kahn und zwei Ruder gefunden. Die angestellten Nachforschungen blieben zunächst er folglos; am andern Morgen aber meldete sich bei der Polizei ein lediger Tagelöhner und be richtete, daß er mit zwei jungen Schreinern nachts auf dem Dutzendteich eine Kahnfahrt unternommen habe, dabei sei der Kahn um gestürzt; er habe sich gerettet, die andern seien wahrscheinlich ertrunken. Der Tagelöhner wurde verhaftet; nach den Leichen wird gesucht. An der Tollwut gestorben. Vor vier Wacken wurde in Koblau (Oberschlesien) ein 15 jähriges Mädchen aus Ludgierzowitz von einem Hunde gebissen. Der Hund wurde da mals als bösartig bald erschossen. Das Mäd chen wurde in ärztliche Behandlung genommen; die Wunde heilte regelrecht. Am 31. Mai aber erkrankte das Mödchen unter eigentümlichen Er scheinungen; sie sprach verwirrt und hatte eigen artige Gefichtszuckungen. Der Arzt stellte Toll wut fest. Am nächsten Tage ist das Mädchen gestorben. Eine niedliche Selbstmordgeschichte er zählt aus Palmnicken die ,Kgsb. Allg. Ztg/: Einem Besitzer aus der Umgegend wurde das Leben durch seine bessere Ehehälfte derart ver bittert, daß er beschloß, sein Dasein durch Selbstmord zu enden. Er bat einen Freund, ihm „Strichnin für Ratten" aus der Apotheke mitzubringen. Der Freund aber durchschaute ben Plan und brachte dem Lebensmüden ein .Schlafmittel" mit. Am ersten Pfingstfeiertag nahm dieser das „Gift" ein und verfiel bald in einem Stall in tiefen Schlaf. Die Frau, welche ihren Mann vermißte, fand ihn endlich fest schlafend vor. In der Meinung, ihr Gemahl habe sich einen Mordsrausch angetrunken, fiel ste über ihn her, so daß er endlich erwachte. Noch schlaftrunken und in der Meinung, er sei iot, erkannte er nur die Stimme seines keifen- «n Weibes, und entsetzt rief er ihr die Worte Mgegen: „Nich mal im Tod hab eck for di Rub!" Der Selbstmörder ist noch heute der Ansicht, daß die Frau durch ihr Dazwischentreten vie Wirkung des Giftes vereitelt hat. Allz« wörtlich genommen. Ein origi- »eller Fall wird aus der Gemeinde Eschenlohe, Station der Lokalbahn nach Garmisch-Parten- Archen, berichtet. Voriges Jahr hatte das Bezirksamt die „Aufstellung" von drei Laternen -Ur Straßenbeleuchtung in Eschenlohe angeordn^. Die Gemeindeverwaltung hat die drei Laternen tatsächlich auch nur aufgestellt, aber nicht an- Änden lassen, weil letzteres nicht ausdrücklich ungeordnet war. Der diebischen Elster ist in der solgen- ven, von Wiener Blättern erzählten Ringge schichte wieder einmal eine Dramenrolle zuge- Men. Im Juli 1891 verlor ein Grazer im Wattsee beim Baden einen schweren goldenen Siegelring, der durch den Holzrost der Bade- «ütte sich vor den Augen des Besitzers in den Schlamm des Sees senkte. Ein Nachsuchen v>ar schon mit Rücksicht auf die Kosten — es hätte ein Teil der Badehütte abgetragen werden Esen — nicht möglich. So kehrte der Grazer Badegast mit dem unliebsamen Verluste eines 'kuren Andenkens nach Hause zurück. Am 1'- Mai d. fand nun Fräulein Albertine Nadnitzky, die Tochter des als „Fink vom Wattsee" bekannten Dialektdichters in der Nähe des Scheffelturmes am Wartstein in Matisee vmen goldenen Siegelring, der fest in die Erde getreten war. Eine Vermutung des Besitzers des Scheffelturmes, daß der gefundene Ring lener sei, der vom Grazer Gaste verloren V>urde, bestätigte sich. Interessant blieb aber vie Wanderung, die der Ring in zehn Jahren gemacht hatte. Sie läßt sich dadurch erklären, daß der Ring durch den Wellenrückschlag unter der Badehütte hervorkam, bei niedrigem Wasser stande von einer Elster, deren es dort siele gibt, erblickt und auf den Berg getragen wurde, wo er dann dem diebischen Vogel entfiel. Die Blattern sollen nach Zeitungsberichten in Innsbruck herrschen. Demgegenüber stellt der dortige Magistrat amtlich fest, daß erstens in keinem Hotel ein Blatternfall vorgekommen ist, zweitens im Spital bei einem zugereisten Italiener diese Krankheit konstatiert wurde und ein weiterer ganz leichter Fall bei einer eben falls zugereisten Person, die in Privatbehand lung stand, und daß schließlich drittens seit dem 25. Mai kein einziger Blatternfall mehr in Innsbruck existiert. Eine furchtbare Blutthat ist in der galizischen Grenzstadt Chrzanow verübt worden. Der Fleischergeselle Palka, der am Morgen ge äußert hatte: „Heute muß ich einen Juden tot machen!" stieß dem Fleischermeister Balisch und seiner Frau das Messer ins Herz. Beide waren sofort tot. Der Mörder ist verhaftet. Das Blutbad bei Chartres. Die Unter suchung gegen den Bauern Briöre, der im Ver dacht des Mordes seiner fünf Kinder steht, konnte noch zu keinem entscheidenden Resultat führen. Obwohl ein fast überwältigendes Be lastungsmaterial gesammelt worden ist, leugnet Brisre hartnäckig die That. Seine Aeußerungen den Richtern gegenüber find immer die gleichen: „Was wollen Sie, daß ich Ihnen sage? Das gefundene Geld kann mir gehören; ich bin be stohlen worden. Die Säcke gehören vielleicht mir; ich leugne es nicht; man hat sie versteckt; fie find mit Blut befleckt, das sehe ich. Aber ich wurde ausgeraubt und angegriffen; man wollte mich töten. Ich sagte Ihnen schon: „Suchen Sie die Mörder"; so suche man fie! Wenn ich gewußt hätte, daß man mich so leiden ließe und mich so beschuldige, hätte ich mich gleich getötet." Fünf Segelschiffe von Island - Fischern werden seit zwei Monaten vermißt. Man be fürchtet, daß diese Schiffe mit ihrer aus 117 Fischern bestehenden Bemannung unter gegangen find. Der furchtbare Zollspeicherbrand i« Antwerpen, der am Mittwoch abend aus brach, war am Donnerstag abend noch nicht gelöscht. Der Schaden wird auf 65 bis 70 Mill. Frank geschätzt. Die „schweigende Frau" wird die Ameri- kauerin Lucrezia Hillman von Jacobstown, New Jersey, in allen amerikanischen Blättern genannt, und mit diesem geheimnisvollen Namen hat es folgende Bewandtnis: Frau Hillmau ist eine der eifrigsten Verfechterinnen der Franen- emanzipation in Amerika. Nach ihrer Theorie muß die Frau, die dieselben Steuern zahlt wie der Mann, auch dasselbe S'immrecht haben. Als fie im Jahre 1886 Steuern zahlen sollte, machte fie die Zahlung von der sofortigen Ein führung des Frauenstimmrechts abhängig und zahlte erst, nachdem man ihr sofortige Ein sperrung wegen Steuerverweigerung in Ausficht gestellt hatte. In ihrer Frauenwürde verletzt, hob fie die Hand gen Himmel und that einen heiligen Schwur, daß fie erst nach Einführung des Frauenstimmrechts in Amerika den Mund wieder zum Sprechen öffnen würde. Frau Hillman hat den Schwur gehalten und seit 1886 nicht ein Wort gesprochen, nicht einmal über Moden, Freundinnen und Dienstmädchen. GeriöftshaUe. Berlin. Der traurige Abschluß eines unglück lichen EhclebenS beschäftigte daS Schwurgericht der Landgerichts. AuS der Untersuchungshaft wurde die 50 jährige Schubmacherwitwe Gliech vorgeführt. Sie soll ihren verstorbenen Ehemann derart miß handelt haben, daß infolgedessen der Tod einge treten ist. Der Schuhmacher Glitch lebte mit seiner Frau nicht in gutem Einvernehmen. Gliech stand in dem Ruft, rin fleißiger Arbeiter und ordentlicher Mann zu sein, der nur dann zur Scknapsflasche griff, wenn er einen Auftritt mit seiner Ehefrau ge habt hatte. Dies soll allerdings häufig vorgekom men sein. Die Nachbam hörten häufig in dem „Schusterkeller" Zank und Streit. Am Mittag des 2. März hat nun Frau Gliech ihren Mann im Streit derart HÜ einem Messer ins Herz gestochen, daß er bald darauf starb. Die Angeklagte wollte nicht wissen, wie der Verstorbene zu der Verletzung ge kommen sei. Die Zeugen bekundeten, daß die An geklagte wiederholt ihren Ehemann mißhandelt und einmal gesagt habe: „Ich jage dem Kerl noch mal das Messer in die Kaldaunen!" Einige der Zeugen bezeichneten die Angeklagte als eine Xantippe und Megäre. Die Geschworenen sprachen die Angeklagte der Körperverletzung mit tödlichem Erfolge schuldig. Der Staatsanwalt beantragte 2 Jahr, der Gerichts hof erkannte auf 1 Jahr 6 Monat Gefängnis. Uom Grafe« Wilhelm Kismarck. Ueber den Heimgeyangenen wird geschrieben: Er war überaus höfllch im Verkehr, mich gegen Untergebene, so daß alle ihm ein gutes An gedenken bewahren werden. Seine starke Figur hat, bevor er sich der Entfettungskur unterzog, seinen Vater, den Fürsten, zu manchem Scherzwort veranlaßt. So sagte er, als sich Graf Wilhelm dankend eine Gänseleberpastete bei Tisch vorübergehen ließ: „Das hätte ich auf meine alten Tage nicht erwartet!" Dann musterte er seinen Sohn: „Ein paar Schultern hast du; zwei Personen können darauf fitzen!" Während seiner Entziehungskur hat Graf Bill die Stadt Berlin gründlich kennen gelernt. Er mußte kurgemäß täglich vor und nach der Mahlzeit mehrere Stunden laufen, die er zur Bereicherung seiner Lokalkenntnisse benutzte. Er sagte einmal, es gäbe keine Gaffe, die er nicht passiert habe, und es mache ihm be sonderen Spaß, abends durch die engsten Straßen zu gehen. Der Fürstin war dies gar nicht recht; fie fürchtete, ihrem Sohne könnte dabei ein unangenehmes Abenteuer zustoßen. Seine Ernennung zum Oberpräfidenten über raschte den alten Fürsten auf dem Krankenbett, der hierüber noch lebhafte Genugthunng em pfunden hat. — Aus der Schulzett des Grafen Wilhelm Bismarck auf dem Werderschen Gym nasium teilt ein ehemaliger Mitschüler des Verewigten folgendes Erlebnis mit: die Schul bänke der Obersekunda, die von allen möglichen Verewigungen zerschnitten und zerfetzt, nicht eine einzige Jacke mehr heil ließen, waren in den großen Ferien 1866 erneuert worden und glänzten spiegelblank, daß es eine wahre Freude war. Gleich in der ersten Stunde er schien unser unvergeßlicher, lieber Direktor Bonnell. In seiner mildernsten Art empfahl er unserem Schutz die herrliche Erneuerung dieses Klassenschmuckes. „Wer aber von euch" — er nannte uns bis zum Abiturio alle du — „eine der Bänke beschädigt, muß die ganze Platte auf seine Kosten neu Herstellen lassen." Noch hatte sich die Thür hinter unserem Bonnell nicht geschlossen, Äs Wilhelm v. Bismarck seiuen ganzen Namen mit zollhohen Buchstaben einzugraben besinnt und mit größter Seelen ruhe dies mühsame Werk zu Ende führt. Es folgte die sofortige Meldung durch den ganz entsetzten Klassen-Ördinarius. Der böse Wilhelm wird vorgeladen und die angedrohte Strafe so fort verhängt. Sie ward vom Schuldigen ohne jeden Widerspruch angetreten. Nach wenigen Tagen prangt die Tafel in früherer Schöne. Feierlichen Schrittes sehen wir bald darauf Wilhelm in der Freiviertelstunde über den Schul hof nach dem Direktionszimmer hinwallen, in der ausgestreckten Linken eine große Papicrdüte, die Spitze nach oben. „Hier, Herr Direktor, bringe ich den Betrag für die neue Tischplatte, zwei Thaler." Arglos greift Bonnell nach der Düte und — klirrend rollen und tanzen auf der Diele zwei Thaler in Kupferdreiern. „O!" von der einen, „o!" von der andern Sette. Aber schon kriechen und mischen Direktor und Schüler auf der Erde hemm und klauben die in allen Ecken und Winkeln zerstreuten Dreier zusammen. Endlich stimmt die Summe. „Aber Wilhelm!" dies war der erste Laut nach der stummen Sammelarbeit. „Aber Wilhelm!" „Ach, Herr Direktor, bitte tausendmal um Ver zeihung. Ich habe meine Sparbüchse ausge räumt, denn mein Vater hätte mich sonst —" Eine deutliche Handbewegung illustrierte die Worte. Wilhelm ward entlassen. Aber aus halbgeöffneter Thür, die Klinke in der Hand, künden, möge er auch zu dem Bunde, den wir ^schlossen, seinen Segen geben." Sie nickte stumm. So ähnlich hatte auch er öu ihr gesprochen, um den sie lange getrauert »nd der ihr jäh entrissen worden war. Würde »un fortan ein gütigeres Geschick über ihr galten, oder sollte der heutige Tag der Beginn ttner neuen Leidensperiode für fie sein? — „Heinrich, wir wollen der Familie Wendlin »nsere Verlobung anzeigen, fie steht uns am »ichftenl" bat fie. Sie begaben sich in die Weudlinsche Woh nung, wo der Hausherr fie mit den Worten *»Wfing: „Ah, Sie bringen uns eine erfreuliche Bot schaft, ich sehe es Ihrem verklärten Antlitz an, Herr v. Bertram!" - „Sie konnten es wohl erraten — meine Verlobte!" Man beglückwünschte das Brautpaar, trank »»s dessen Wohl und verweilte längere Zeit beisammen. . Bertram genoß das unumschränkte Vertrauen »er Geliebten, diese ließ sich von ihm leiten »»d lenken in allen Dingen, billigte jeden seiner Vorschläge in bezug auf die häusliche Einrich- !»»g und war auch rückhaltlos damit einver- Mden, daß fie nach vollzogener Trauung mög- Mt für sich, unabhängig von andern leben »Men. Die Ausstattung der Wohnung sollte Euch und bescheiden sein. .. „Denn," so sagte er, „man kann auch glück- »ch und zufrieden sein, ohne ein luxuriöses Aden zu führen. Was absolut nötig ist zum Haushalt, muß selbstverständlich beschafft werden, alles andere ist überflüssig, denn man zahlt hohe Summen nir große Wohnungen und wirft damit das Geld zum Fenster hinaus. Ich halte es für praktischer, unsere Kapitalien bei einer sicheren Bank verzinslich anzulegen, so daß man, wenn nölig, jeder Zeit frei darüber disponieren kann, als mit eleganten Einrichtungen, die zweck los sind, zu prunken." „Wie du es für gut befindest," bemerkte fie. „Dagegen können wir uns das Leben da durch verschönern, daß wir jährlich eine größere Reise unternehmen, damit auch du die Welt kennen lernst." Um Ostern war's, als Amalie von der ihr lieb gewordenen Familie Wendlin Abschied nahm, um Bertram in ein eigenes Heim zu folgen. In einem Vororte, vom Getriebe der Stadt ziemlich abgelegen, bezogen sie eine auS zwei Zimmern und Küche bestehende Wohnung, die einfach ausgestattet war, aber dessenunge achtet einen freundlichen, traulicher. Eindruck machte. Das Häuschen stand in einem hübschen Garten und war nur noch von einem älteren kinderlosen Ehepaar bewohnt, das, ohne sich um die neuen Hausgenossen zu lümmen, ruhig seiner täglichen Beschäftigung nachging. Er war Weingärtner, fie half ihm fleißig von früh bis spät im Weinberg, und wenn fie abends heimkehrten, hatte das junge Paar sich meist schon zur Ruhe begeben. Tags über verbrachte Bertram mit seiner Gattin den größten Teil der Zeit in der Wein laube, die sich hinter dem Häuschen auf einer Anhöhe befand und von der aus man eine schöne Aussicht über die in jungem Grün pran gende Umgebung hatte. Er las ihr dann aus Zeitschriften und Büchern vor, fie Vertrieb sich außerdem die Zeit mit weiblichen Handarbeiten. Kein Mißton drang in dieses idyllische Heim, von dem man mit Recht sagen konnte, es sei wie für „ein glücklich liebend Paar" geschaffen. Waren doch auch sonst alle Vorbedingungen gegeben, die erforderlich find, das Dasein zweier Menschen sorgenfrei zu gestalten! Und dennoch — dem aufmerksamen Be obachter konnte das nicht entgehen — so ruhig und friedlich auch das Leben jetzt vor ihr lag, über Amaliens Antlitz glitt zuweilen ein nach denklicher Zug. Es war das Bewußtsein gänz licher Abgeschlossenheit von anderen, ihr be freundeten Menschen, das ihn zum Vorschein brachte. Sechs Wochen schon lagen hinter dem Tage der Trauung, und noch hatte fie kein Glied der Wendlinschen Familie wieder ge- iehen! Freilich, Johanna hätte fie längst ein mal in ihrem neuen Heim besuchen können, dazu bedurfte es zwischen Freundinnen keiner besonderen Einladung. Sie wollte jedenfalls die erste Zett, in der es in einem neu ge gründeten Haushalte noch mancherlei zu ordnen und zu ergänzen gibt, nicht stören I Allein mehrere Wochen gingen wieder dahin, niemand ließ sich sehen, und das verdroß fie. „Du bist heute recht ruhig, Amalie, wie kommt das?" fragte Beriram. „Ach ich linde es londerbar. daß nicht ein mal jemand von Wendlins zu uns kommt; ich möchte doch wissen, wie es ihnen gehl." „Wäre etwas Besonderes vorgefallen, hättest du gewiß Nachricht erhalten. Da das aber sagt er mit halber Wendung: „Ach, Herr Direktor." „Was noch?" „Die alte Platte darf ich mir doch mit nach Hause nehmen?" Eine Heiratsschwindlerin. die sich die Namen bekannter adliger Familien beilegte, ist kürzlich in Berlin festgenommen worden. In feiner Kleidung im Tiergarten, Unter den Linden und in der Friedrichstraße spazierend gehend, wurde die Dame, wenn sie einen jungen Mann vor sich sah, der ihr für ihre Zwecke geeignet erschien, Plötzlich krank und bat um ein Glas Wasser. Die angesprocheuen Herren beeilten sich, ihrem Wunsche nachzu kommen, führten die Kranke in ein KaffeebauS und ließen ihr Erfrischungen reichen. Unter deren Einwirkung erholte fie sich rasch und floß dann über von Dankbarkeit. Die jungen Herren ließen sich von ihrem Wesen und wohl am meisten von ihrem Namen Fräulein v. St. oder Frau v. H. bestechen. Ein Wort gab das ander«. Die.Dame hätte gern Gelegenheit ge habt, auch ihrerseits ihren Samaritern gelällig zu sein, und erzählte, daß fie aus Köln hierher gekommen sei, um eine Erbschaft von 180 000 Mark zu erheben. Das zog noch mehr als der Name. Mann trennte sich mit dem Versprechen, sich bald wieder zu treffen, und aus dem Wiedersehen entwickelte fich eine nähere Bekannt schaft und ein Liebesverhältnis. Die Auszahlung der Erbschaft aber verzögerte sich von einem Tag zum andern. Kein Wunder, daß Fräulein v. St. oder Frau v. K. in Verlegenheit geriet. Der Liebhaber half um so bereitwilliger aus, als er ja durch die Erbschaft ein reicher Mann werden sollte, und daß diese durchaus sicher war, ersah er aus einem Schreiben, durch das ein Berliner Rechtsanwalt und Vater das gnädige Fräulein „oder die gnädige Frau" aufforderte, zur Erhebung des Geldes nach Berlin zu kom men. Einem jungen Kaufmann aber, der sich durch die Aussicht auf die glänzende Partie hatte verleiten lassen, seine Stellung aufzu- geben und seine ganzen Ersparnisse zu opfern, dauerte die Auszahlung doch zu lange. Er ging daher zum Notar, um fich nach dem Stand der Sache zu erkundigen und erfuhr, daß er einer Schwindlerin in die Hände geraten war. Die Kriminalpolizei, der nun Anzeige gemacht wurde, verabredete mit dem Geprellten ein Stell dichein und nahm bei dieser Gelegenheit die Hochstaplerin fest. Es stellte fich heraus, daß fie dem Notar bei einem Besuche, den fie unter einem Vorwand in seinem Büreau gemacht batte, einen leeren Bogen mit seiner Firma ge stohlen und darauf die Aufforderung an fich selbst geschrieben hatte. Binnen vier Wochen hatte fie fich zweimal verlobt. Die Verhaftete behauptete der Kriminalpolizei gegenüber, daß fie v. St. heiße, durch den Erkennungsdienst aber stellte man fie als eine im Jahre 1861 zu Landsberg a. W. geborene Elise Erdmann fest, die wegen Hochstavelei, Heiratsschwindels und Urkundenfälschung schon drei Jahre Zuchthaus verbüßte und nach ihrer Entlastung im Sep tember v. ihre Schwindeleien in Magdeburg, Köln, Lübeck und Hamburg betrieb, bis fie vor zwei Monaten nach Berlin kam. Kuntes Allerlei. Ein berufsmüder Arzt. Im,Dresdener Anzeiger' findet sich folgendes Inserat: „Dr. med., berufsmüde, vorzüglicher Musiker, Pianist, Teüorist und Humorist, sucht Stellung bei Quartett- oder Singspiel-Gesellschaft. Gefl. Offerten unter H. 0. 806 an Haasenstein und Vogler A.-G., Dresden erbeten." * s * Die beste Medizin. Apotheker-Lehrling: „Was befindet fich denn in der Flasche ohne Etikette?" — Provisor: „Eine Medizin, die schon vielen das Leben gerettet hat; von ihr nimmt man, wenn man das Rezept nicht lesen kann." Untrüglicher Beweis. Fräulein: „Ist es Ihnen mit Ihrer Neigung zu mir auch wirk lich ernst?" — Herr: „Aber ich bitte Sie, Fräulein, wie würde ich sonst auf meine neuen Hosen kmeen?!" nicht der Fall, wird wohl alles beim alten ge blieben sein." „Nun ja, aber Johanna hätte uns trotzdem besuchen können; es würde mich freuen, sie wieder zu sehen." „Du scheinst dich ja außerordentlich nach ihr zu sehnen. Hängt denn von ihr dein Glück ab ?" fragte er in einem Anfluge von Hohn. „Heinrich, welche Frage! Es ist doch natür lich, daß gute Freundinnen gern miteinander Verkehren." „Fräulein Johanna scheint kein Bedürfnis zu fühlen! Aber, Amalie, da fällt mir etwas ein — eine Sache, die doch geregelt werden sollte; ich habe bisher gar nicht daran gedacht." Sie sah ihn neugierig an. „Was mnnst du denn?" „Du hast dein ganzes Vermögen, wie du mir sagtest, bei einer Frankfurter Bank hinterlegt." „FünfzehntausendMark übergab ich dir bereits vor unserem Hochzeitstage." „Ganz recht, ich habe fie sofort bei dem dir bekannten hiesigen Bankhause verzinslich an gelegt, wie du weißt. Wie hoch ist die Summe, welche das Frankfurter Haus in Verwahrung hat?" „Hundermndzwanzigtausend Mark!" „Es ist viel," sagte er schmunzelnd. „Sieh, meine Liebe, ich habe vor der Trauung nicht danach gefragt, weil ich jeden Schein vermeiden wollte als bätte ich dich um deines Geldes willen geheiratet, eine solche Absicht hat mir fern gelegen. Deine Person und deine rühm lichen weiblichen Eigenschaften waren für meinen Entschluß entscheidend." »L li (Fortl-tzang folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)