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Allgemeiner Anzeiger : 17.04.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190104171
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010417
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
-
Monat
1901-04
- Tag 1901-04-17
-
Monat
1901-04
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 17.04.1901
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Der Kölner Männergesangverein in Wie«. Am Westbahnhose in Wien trafen am Dienstag abend 150 Mitglieder des Kölner Mannergesangvereins ein. 500 Sänger, die 100 Gesangvereine vertraten, waren am Bahnhof zum Empfang versammelt. Die Begrüßung war eine herzliche. Vizebürgermeister Strobach namens der Stadt Wien, Präsident Schneider hahn namens des Wiener Mannergesangvereins, Jacksch namens des niederösterreichischen Sänger bundes bewillkommte die Gäste. Der achte Anti-Alkoholkongrest ist in Wien eröffnet worden unter Teilnahme von Vertretern der Regierungen Belgiens, Däne marks, Frankreich, Hollands, Norwegens, Ruß lands, Schwedens, der Schweiz und Oesterreich- Ungarns. Bei der Eröffnungssitzung kam es zu lärmenden Auftritten durch die Rede des Dr. Meinert-Dresden, des Vorsitzenden des sächsischen Landesverbandes für Alkoholbe- kämpiung, der erklärte, die meisten Trinker seien in dem ärztlichen Stand zu finden, das Univerfitätsleben, besonders das deutsche, lasse diese Entwickelung gar nicht wunder nehmen, und so lange nicht da aufgeräumt werde mit den Ansichten über Alkohol, werde die ganze Bewegung nutzlos bleiben. Der Redner wurde wiederholt von stürmischem Widerspruch unter brochen, daß er minutenlang pausieren mußte. Bankrott eines Herzogs. Der junge Herzog von Manchester, der erst seit kurzem mit Fräulein Zimmermann, der Tochter des amerikanischen Millionärs, verheiratet ist, er schien in London vor dem Bankrottgericht. Da aber der reiche Schwiegerpapa nach England gekommen ist, um die finanzielle Lage seines Schwiegersohnes zu regeln, haben die Gläubiger ringewilligt, die Angelegenheit zu vertagen. Die Schulden des Herzogs von Manchester machen das hübsche Sümmchen von 614 200 Mark aus. Sobald die Sache mit dem Bankrott geregelt sein wird, wird der Herzog vor einem andern Gerichtshof auf das Gesuch von Miß Portia Knight erscheinen müssen. Diese junge New Aorker Schauspielerin verlangt 40O000 Mark Schadenersatz für den Bruch des Heirats versprechens, das der Herzog ihr gemacht haben soll. Schwere Gewitterregen gingen neuer dings wieder über die Mittel- und die West schweiz nieder. Von vielen Stellen werden Ueberschwemmungen und Straßenverschüttungen gemeldet, ebenso sind zahlreiche Brücken zerstört worden. Am Südufer des Bielersees ereigneten sich Erdrutschungen, mehrere Häuser mußten ge räumt werden. Eine blutige Osterprozession. In Som- matina bei Palermo wurde von den Behörden die Ostcrprozesfion untersagt. Infolgedessen rottete sich eine große Anzahl Bauern zusammen und wollte die Zeremonie mit Gewalt durch setzen. Als Karabinier! und Soldaten der Prozession den Weg versperrten, riß die Menge das Straßenpflaster auf und empfing die Truppe mit einem Steinhagel, durch welchen sieben Soldaten verletzt wurden. Jetzt feuerten die Soldaten in die Menge, die entsetzt nach allen Seiten auseinanderstob, und verwundete 13 Per sonen. Der Prüfest von Caltanisetta entsandte Verstärkungen nach dem aufsässigen Orte. Dem „Feuertode" preisgegebe« wurden dieser Tage auf einer der Wiesen von Sankt Agata, der nahe Neapel gelegenen Besitzung des verstorbenen Komponisten Giuseppe Verdi, zwei große Kisten mit Papieren und Parti turen, die Verdi nicht veröffentlicht wissen wollte; er hatte testamentarisch bestimmt, daß sie mit leidlos verbrannt werden sollen. Dem Ast wohnten die Verwandten und mehrere Freunde Verdis bei. Die Kisten waren auf Verdis aus drücklichen Wunsch niemals geöffnet worden. Ein für den Schah von Persien be stimmtes Automobil, ein sünssitziger Landauer, hat dieser Tage Lüttich verlassen. Das Innere des Wagens ist mit perlgrauer durchwirkter Seide ausgeschlagen, der Wagenkasten ist blau, mit goldener Verzierung, Räder und Gestell sind karminrot gehalten. Zu beiden Seiten des Wagens find Prachtlaternen mit reichem Gold schmuck und fein geschliffenen Gläsern ange bracht. In der Mitte der Gläser sieht man Kapitano. Sie sollen bald mit mir zufrieden sein, denn mein Kommen verspricht Ihnen dielleicht einen nicht zu verachtenden Gewinn. Ich bringe Ihnen selbst eine Arbeit, die ich zu Ihrer Zufriedenheit bezahlen werde. Auch will ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Polizei im Hause war und mir leider das bewußte Vögelchen aus dem Käfig holte. Die Tapeten thür und das Kellerloch konnten mich allein vor noch Schlimmerem retten. Unsere Alte aber haben sie mitgenommen." Aus den Mienen des blassen Mannes, den Zechini mit dem Namen Kapitano angeredet halte, war seine Bestürzung bei dieser Milteilung wahrzunehmen. „Sapristi!" entgegnete er. Wenn die alte Vettel nicht reinen Mund hält, sind Sie es, dem ich das Schlimmste zu verdanken habe! Was mußten sie aber auch das Mädchen gerade hierher bringen. Nun haben wir die Polizei vielleicht wieder sür lange Zeit auf dem Halse." „Könnt' es nicht ändern", sagte Zechini. Wußte keinen geeigneteren Platz außer dem Waldhause. Doch, lassen Sie das. Für mich A die Sache am alleriatalsten, denn ich muß die Spröde, an der wirklich mein ganzes Herz wrig, nun für mich verloren geben. — Können Sie mir für Geld und gute Worte noch heute sin Blatt aus meinem Notizbuche auf einen Briefbogen abschreiben?" , „Warum nicht?" sprach Kapitano. „Wenn "Ui zu großes Risiko dabei ist." „Nehmen Sie die Handschrift dieses Brieses Am Muster und sorgen Sie dafür, daß die ^opie genau den Zügen dieser Hand entspricht, den persischen Löwen mit dem krummen Säbel und im Hintergrund die strahlende Sonne. Die Wagentüren tragen das Wappen des Schahs, dessen Name von Lorbeer und Eichen laub umgeben ist. lieber dem Wappen und noch an einer andern Stelle des Wagenkastens glänzt die persische Krone. Das prachtvolle Automobil kostet die nette Summe von 110 000 Frank. Königliche Geheimnisse. Am 6. Mai d. wird dem Zaren jenes Geheimnis enthüllt werden, das 100 volle Jahre jedem mensch lichen Auge verborgen geblieben ist. Kaiser Paul I., der am 6. Mai 1801 ermordet wurde, hat im Palast von Gatschina ein eisernes Käst chen hinterlassen, zugleich mit einer letztwilligen Bestimmung, daß es nicht vor dem Jahre 1901 zu eröffnen sei, also erst 100 Jahre nach seinem Tode. Man erzählt, daß der Zar von der äußersten Neugierde entflammt, den Inhalt des geheimnisvollen Kästchens kennen zu lernen, der natürlich nach seiner Prüfung dem Staats- Archiv überantwortet werden wird. — Eine weit längere Zeit übrigens schlummert im Besitz der Könige von England ein versiegeltes Bündel von Briefen und Dokumenten der Königin Elisabeth. Noch nie hatte eine Hand versucht, in das Geheimnis dieser Papiere zu dringen. Wie eine Tradition behauptet, enthält dies ver siegelte Bündel die allerinternsten Korrespondenzen der großen Elisabeth, möglicherweise ihre Liebes briefe. Eine Bestimmung besagt, daß das Band nur mit Bewilligung des regierenden Herrschers in Uebereinstimmung mit dem Lordkanzler und dem Erzbischof von Canterbury gelöst werden kann. Diese Uebereinstimmung soll aber noch niemals erzielt worden sein; bald fehlte die Sanktion des Monarchen, bald die eines der beiden genannten Würdenträger, und so sind der Welt hochinteressante Enthüllungen versagt geblieben. Der Sarg mit dem doppelten Boden. Ein Einwohner von Libau, namens Neumann, war eine den Libauern wohlbekannte Persön lichkeit. Obleich er ein reicher Mann war, lebte der Alte doch in ärmlichen Verhältnissen. Anläßlich seines im vorigen Jahr unter eigen tümlichen Umständen erfolgten Todes wurde in den Manschen Zeitungen von ihm geschrieben. Ein Sonderling, wie er war, hatte der Alte auch seinen Sarg schon bei Lebzeiten anfertigen lassen. Allgemein soll damals die Schwere des Sarges ausgefallen sein, und nun heißt es, der TUchler, der den Sarg angefertigt hat, habe erklärt, daß er denselben am Wunsch des Be stellers mit einem doppelten Boden versehen habe. Darum vermutet man, daß der Ver storbene einen Teil seines Vermögens mit ins Grab genommen hat. Von Seiten der Ver wandten sollen nun Schritte gethan sein, die Leiche ausgraben zu lassen, um dem Toten seine Schätze wegzunehmen. Gerichtskake. Aachen. Bei einem Streik in Buschmühle bei Stolberg hatte der zuständige Bürgermeister die von dem Streik betroffenen Fabrikbesitzer sehr unangenehmen Streikposten von der an der Fabrik vorbeiführenden Landstraße durch seinen Polizeidiener vertreiben lassen und sechs derselben, die sieb nicht verjagen lassen wollten, wegen Streikpostenstehens zur An zeige gebracht. Das Schöffengericht zu Stolberg sprach die Leute frei. Der Amtsanwalt legte gegen dieses Urteil Berufung ein, woraus die Strafkammer zu Aachen sich diesem Urteil anschlotz mit der Be gründung, daß Streikpostenstehcn ohne besondere Ausschreitungen nicht strafbar sei. Düffeldorf. Wegen unerlaubter Entfernung aus dem Heere ist vom Kriegsgericht in Düsseldorf der Musketier Karl H. von der 7. Kompanie des 53. Infanterie-Regiments in Köln zu 6 Wochen und 1 Tag Gefängnis verurteilt worden. H. war bereits im vorigen Jahr beim 3. Infanterie-Regiment Soldat gewesen, aber eines körperlichen Fehlers wegen vorläufig entlassen worden. Im Mai erfuhr er, daß seine Mutter in Philadelphia noch lebe, aber krank sei. Er meldete sich beim Bezirkskommando in Berlin und suchte um Urlaub für das Ausland nach, da er seine Mutter in Amerika besuchen wolle. Der Urlaub wurde ihm aber verweigert, weil er in zwischen wieder diensttauglich erklär! worden war; gleichwohl fuhr H. nach Amerika. Als seine Mutter im Juli v. gestorben war, kehrte H. nach Europa denn dies ist mir von großer Wichtigkeit," fuhr Zechini fort. Kapitano las die Zeilen, welche der Graf vorhin in sein Notizbuch geschrieben hatte, auf merksam durch und behauptete dann einige Augenblicke Stillschweigen. Dann richtete er seine stechenden Augen auf Zechini, als ob er ihn durchbohren wollte, und entgegnete: „Begreife! Das Vögelein ist Ihnen jetzt ebenso verhaßt, als Sie es bisher liebten. Soll dem armen Täubchen an den Kragen gehen. Kann mir das übrige dazu denken, obwohl Sie mir, als Sie neulich von der Geschichte er zählten, nicht reinen Wein eingeschenkt haben, wie es scheint. Nun, mir kann's gleich sein! — Wie viele Goldfüchse ist Ihnen die Abschrift wert? Diese Handschrift hat ihre Eigentümlich keiten und ist nicht leicht nachzuahmen. Kann viele Versuche kosten, bis es zur Zufriedenheit gelingt." „Nennen Sie den Preis, den Sie für die Arbeit verlangen. Aber verderben Sie sich meine Kundschaft nicht durch allzu großen Mangel an Bescheidenheit. Ich hätte vielleicht noch mehr Aufträge für Sie, denn der Name Zechini beginnt allmählich mir etwas lästig zu werden, und ich gedenke, den italienischen Reise paß, so hübsch Sie ihn auch zu stände gebracht haben, demnächst zu vernichten." „Da haben Sie recht," meinte Kapitano. „Allzu lange denselben Namen zu führen, ist für Leute von Genie, wie wir beide, oft unbequem. Sie dürfen nur wünschen, ob Sie als spanischer Grande oder als eng lischer Lord reisen wollen , ich arbeite in allen zurück and stellte sich dem deutschen Konsul in Holland. Das Kriegsgericht nahm an, daß hier ein sehr milder Fall vorliege, daß der Angeklagte, wenn er nicht ans Krankenbett seiner Mutter geeilt wäre, gegen seine Sohnespflicht gefehlt hätte, es erkannte daher auf das geringste Mässige Strafmaß. Amerikanische Kokomolive«. Die Nachricht, daß die bayrische Staats« bahnverwaltung einige Schnellzugslokomotiven aus Amerika bezogen hat, gab der ,Tägl. Rundsch.' Veranlassung, mit der Bemerkung, „man habe schon im Vorjahr mit Befremden von solchen Bestellungen Kenntnis nehmen müssen", die Frage zu stellen: „Sollte Deutsch land in dieser Beziehung wirklich nicht leistungs fähig genug sein oder spielt da wieder der Partikularismus seine traurige Rolle ?" Darauf erwidert die ,Südd. Reichskorr/: Es ist richtig, daß bereits früher zwei amerikanische Güter zugslokomotiven zur Lieferung kamen und daß nunmehr auch die Montage zweier amerikanischer Schnellzugslokomotiven vollendet wurde, wovon die eine gegenwärtig ihre ersten Probefahrten leistet. Bei der Bestellung dieser vier ameri kanischen Maschinen war die bayrische Staats bahnverwaltung ausschließlich von der Absicht geleitet, dieamerikanischenKonstruklionsprinzipien, die ihr bisher nur aus der technischen Litteratur bekannt waren, auch in ihrer praktischen Aus führung in allen Einzelheiten kennen zu lernen und praktisch zu erproben, um die Vorteile der selben sich anzueignen und im eigenen Maschinen bau verwerten zn lassen. Thatsächlich geht der amerikanische Maschinenbau zum Teil von wesent lich anderen Gesichtspunkten aus, als der deutsche. Sein Streben ist auf billige Gestaltung der Maschinen gerichtet, um sie nach zehnjähriger intensivster Ausnützung wieder durch andere mit allen modernen Fortschritten ausgerüsteten zu ersetzen. Daher kommt die Verwendung billigerer Materialien — eiserner statt kupferner Fruer- büchsen, großer aus einem Stück hergestellter Gußteile an Stelle der teueren Schmiedearbeit — die rohere Bearbeitung des Aeußeren und die Beschränkung der feinen Ausführung auf die im Gangwerk der Reibung ausgesetzten Teile. Dabei wird aber auch die möglichste Einfachheit der Konstruktion und die möglichste Offenlegung aller Teile durchgeführt, um ihre Beobachtung, Erneuerung und Auswechslung für Lokomotivführer und Werkstätten zu er leichtern. Auch sonst ist manche Neuerung nicht ohne Interesse. So hat der Lokomotivführer einen beim Vorwärts- und Rückwärtsfahren ge schützten Sitzplatz. Ausdrücklich sei bemerkt, daß es der bayrischen Staatsbahnverwaltung nun durchaus nicht wegen der Billigkeit um die Prüfung der amerikanischen Lokomotiven zu thun ist. Es handelt sich vielmehr um die be gründete Annahme, daß auch der deutsche Maschinenbau, was Einfachheft und Uebersicht- lichkeit der Gesamtanwendung anlangt, manches vom amerikanischen sich aneignen könne. Dabei steht aber außer allem Zweifel, daß die deutschen Lokomotiven an Feinheit der technischen Aus führung und bis ins kleinste gehenden Sorg falt in der Konstruktion auch den neuen ameri kanischen Lokomotiven überlegen sind. Es kann also weder von einem Mißtrauen gegen die deutsche Industrie noch von einer Schädigung, die ja schon durch die Geringfügigkeit der Be stellung ausgeschlossen gewesen wäre, die Rede sein. Den Lokomotivenfabriken muß im Gegen teil die Gelegenheit, die amerikanischen Loko motiven genau kennen zn lernen, sehr will kommen fein, und von dieser Gelegenheit ist auch bereits Gebrauch gemacht worden. Die deutsche Fachpresse Hal sich auch in diesem Sinne ausgesprochen und das Vorgehen der bayrischen Staatsbahnverwaltung begrüßt. Geschichte Kenntnisse von Rekruten. Vor einiger Zeit hatte ein französischer Osstzier seinen Rekruten verschiedene Fragen politischer Natur vorgelegt und dabei Ant worten erhalten, die auf ein völliges Ver gessen der Ereignisse von 1870 schließen ließen. Die weitaus größte Anzahl der Leute hatte nur ganz verschwommene Gedanken über den europäischen Sprachen. — Was unsere kleine Zwischen-Affäre von heute anbelangt, so kalku liere ich, zweihundert Mark dürften Ihnen als keine zu große Forderung erscheinen. Sie find bei Gelde und ich könnte unter Umständen große Unannehmlichkeiten bekommen, wenn die Sache an den Tag käme." „Sie sollen die Summe sofort erhalten, sobald die Imitation zu meiner Zufriedenheit gelungen ist. Nun aber muß ich Sie noch um eine Gefälligkeit bitten. Weisen Sie die Magd der alten Lene, die in deren Abwesenheit das Haus versehen wird, an, zu mir auf mein Zimmer zu kommen. Ich bedarf der Be dienung, kann aber mit meinem verstauchten Fuß kaum die zwei Treppen Hinabkommen. Wenn Sie fertig sind, so bringen Sie mir das Blatt selbst. Auf unsere gewöhnliche Losung werde ich Ihnen öffnen, anders nicht, da auch ich nun Vorsicht zu beobachten habe. Aber bitte, bringen Sie auch einen Dietrich mit; ich habe ein Schloß zu öffnen." „Zechini verließ die Kammer und Kapitano mußte ihn die Treppe hinabführen, da er nur mit Mühe gehen konnte. Am nächsten Tage ertönte das dreimalige Pochen mit dem Absatz wiederholt auf seiner Schwelle, das Losungswort wurde ausgesprochen und Kapitano, dem der Graf die Thür öffnete, übergab diesem die wohlgelungene Nachahmung von Eugen Hellmuths Handschrift nebst dem verlangten Schlosserwerkzeuge. Als er von Zechini vier Fünfzigmarknoten emgsangen und das Zimmer wieder verlassen hatte, öffnete dieser mit dem Dietrich den Koffer Liddys und kramte großen Krieg, von Elsaß-Lothringen wußten sie höchstens, daß es eine Provinz sei, und den Fürsten Bismarck hielten einige »ür einen deutschen General oder auch für den Kaiser von Deutschland. Nun hat ein deutscher Offizier denselben Versuch angestellt und das Ergebnis dieses Versuchs, das er den ,Berl. N. Nachr.' mitteilt, weicht nicht wesentlich von dem fran zösischen ab. Von 78 Leuten wußten 21 gar- nichts zu antworten; sie hatten, wie sie be haupteten, den Namen „Bismarck" überhaupt noch nicht gehört! 22 sagten, Bismarck sei ein großer General gewesen, 6 ein Kriegsminister, 9 ein berühmter Feldherr. 5 Rekruten gaben schon bessere Antworten und meinten: Bismarck war der erste Reichskanzler; 9 sagten sogar, Bismarck hat das Deutsche Reich geründet. Was mögen sich aber die Leute unter unserem großen Reichskanzler vorstellen, die folgende Antworten gaben: Einer behauptete. Bismarck sei der „erste deutsche Kaiser" gewesen, ein zweiter hielt ihn für einen „großen Dichter", ein dritter v erstieg sich so weit, zu sagen: „Bismarck hat die Bibel übersetzt", und noch ein anderer hielt ihn für den „ersten Kompanie chef im Kriege". Als schließlich ein besonders selbstbewußter Rekrut, der sicher glaubte, eine recht gute Antwort zu geben, mit lauter Stimme sagte: Bismarck war der größte Feind des Kaisers! brach der Offizier, in Besorgnis, noch weiter ähnliche Antworten hören zu müssen, die Unterhaltung ab. Uns scheint es kaum faßbar, daß unter 78 Rekruten 21 selbst den Namen des Fürsten Bismarck nicht gekannt haben sollen, und wir neigen der Meinung zu, daß sehr viele unter den Nichtwissern, die Worte aus Schüchternheit und Befangenheit nicht herausgebracht haben, Eigenschaften, die man bei jungen Rekruten sehr oft in hohem Maße findet. Immerhin weist das Ergebnis der Fragestellung darauf bin, daß die neueste Geschichte durch die Art unserer Schul bildung in beklagenswerter Weise vernach lässigt wird. Kuntes Allerlei. Den niedrigsten Thermometerstand hat kürzlich ein Versuchsballon des französischen Meteorologen Leo Teisserenc de Bort in der Höbe vön 11500 Meter zu verzeichnen gehabt; die Instrumente zeigten in dieser Höhe 72 Grad Kälte. Das Ende der Briefmarken. Während die vielen in letzter Zeit ausgegebenen neuen Briefmarken das Herz jedes Mrrkensammlers mit Freude erfüllt haben, ist vom hohen Norden ber eine ernste Gefahr für die letzteren im Anzuge. Im Poftgebäude zu Ehriftiania ist kürzlich ein Frankierungs-Automat vorgetübrt worden, der die Freimarken ganz überflüssig macht. Mit Hilse dieser sinnreichen Vorrichtung erhält man nach Einwerfen einer Münze von 5 oder 10 Oere, entsprechend 5 oder 10 Psg., einen Stempel auf den Brief gedruckt, der be sagt, daß das betreffende Porto auch wirklich bezahlt ist und an Stelle der Freimarke gilt. Man beabsichtigt, in Norwegen derartige Auto maten neben jedem Briefkasten anzubringen; der Staat erspart das Drucken der Marken und das Publikum braucht nicht am Schalter zu warten. Eine hübsckie Anekdote von Tolstoi. Zwei amerikanische junge Damen statteten dem berühmten Schriftsteller einst in Moskau einen Besuch ab. Sie hatten eine Reise um die Welt gemacht und waren in entgegengesetzter Richtung von New Jork anfgebrochen, um sich in Moskau zn dem Zweck zu treffen, ihn zu besuchen. Als sie ihm dies auseinandergesetzt haften, wußte Tolstoi ihnen nichts Höflicheres zu sagen als: „Nun, meine Damen, ich denke. Sie hätten Ihre Zeit besser anwenden können." Kaum hatte er dies gesagt, als er die Unge zogenheit seiner Bemerkung fühlte; er wollte sich eben entschuldigen, als eine der jungen Damen ausrief: „O, wie sieht dies Leo Tolstoi ähnlich. Ich hätte gewettet, daß Sie etwas Derartiges sagen würden!" Und höchst befriedigt über dieses Ergebnis ihrer langen Reise stürzte« die beiden Pankeedamen davon. °"°° in demselben, bis er auf eine Papiermasse stieß. In dieselbe legte er das Blatt, das er zuerst in Billetform zusammenfaltete und dann wieder aufbog. „So, mein sprödes Täubchen; hier hast du ein Andenken an den Tiger, den du herausgefordert hast!" sprach er dabei halblaut vor sich hin, während er teuflisch lächelte. „Leider werde ich die Gedanken an die hübsche Hexe sobald nicht los werden; zur Strafe dafür mag sie auch dieses kleine Sou venir von mir empfangen. Ich kann mir leb haft vorstellen, was der Untersuchungsrichter für Augen machen wird, wenn er es unter den Effekten der Arrestantin vorfindet; denn ich zweifle keinen Augenblick, daß die Polizei Eugen Hellmuth, den ich verwünschen möchte, samt seiner Geliebten noch in ihren Klauen be halten hat!" Bis der Brief in die Hände dessen gelangte, für welchen der schlaue Intrigant denselben bestimmt hatte, vergingen aber nahezu noch vier zehn Tage. Die alte Lene war unterdessen von ihrer kurzen Haft auch zurückgekehrt, und dem Graten gelang es, ihren Unwillen Ekr die Suppe, die er ihr eingebrockt hatte, mit 'ewigen Goldstücken zu dämpfen. Als die Polizeimänner wieder erschiene«, um den Koffer Liddys zu holen, entwich Zechini rechtzeitig durch die Tapenthür in den dunkeln Treppengang und blieb daselbst bis ste sich wieder entfernt hatten. Im übrigen wurde er nicht weiter gestört. « I» (Fortsetpms folgte
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