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Allgemeiner Anzeiger : 30.03.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190103305
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010330
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-03
- Tag 1901-03-30
-
Monat
1901-03
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 30.03.1901
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Gepfändet wurde vor einigen Tagen nm 75000 Mk. in Gold von einem Frankenthaler Gerichtsvollzieher die Verwaltung der Pfälzischen Eisenbahnen. Das Landgericht Frankenthal hatte dem bei der am 2. November 1898 bei ! Station Rohrbach stattgehabten Entgleisung des ^Basler Schnellzuges zu schaden gekommenen Besitzer einer Kneippschen Heilanstalt, Doktor Eutenauer kürzlich eine jährliche Rente von 20 000 Mk., sowie eine einmalige Entschädi gung von 100 000 Mk. und einen weiteren Betrag von 3000 Mk. für erwachsene Kosten zugesprochen, und das ergangene Urteil sür vorläufig vollstreckbar erklärt. Das hatte zur Folge, daß nunmehr der Anwalt des Klägers mit dem Gerichtsvollzieher auf der Hauptkasse der Pfälzischen Bahnen in Ludwigshafen er schien und 75 000 Mk. in Gold psänden ließ. Daß nicht mehr als 75 000 Mk. gepfändet wurden, ist ans den Umstand zurückzuführen, daß den Gläubigern des Klägers aus der Nrteilssumme sofort 40 000 Mk. überwiesen worden waren. Infolge Genusses einer giftigen Pflanzentvnrzel gestorben find drei Kinder in Kostelik i. B. Die 15 Jahre alte Tochter des Riemers Lanzmaier brachte eine Wurzel nach Hause. Das Mädchen sagte, sie kenne diese Wurzel, die genießbar und sehr wohl ¬ schmeckend sei. Trotz der wiederholten Er mahnung des Vaters, nichts von der Wurzel zu essen, hat das Mädchen nicht nur selbst davon genossen, sondern gab auch ihren beiden Geschwistern je ein Stück. Schon nach einer halben Stunde stellte sich bei den Kindern hef tiges Erbrechen ein, und noch bevor der gerufene Arzt erschien, war infolge Vergiftung bei allen dreien der Tod bereits eingetreten. Luccheui, der Mörder der Kaiserin Elisa beth von Oesterreich, macht seinen Wärtern im Genfer Gefängnis viel zu schaffen. Eine Mel dung des .Neuen Wiener Tagbl/ aus Genf besagt: Luccheni wurde wieder wegen Unge horsams mit neun Tagen finstere Zelle (Cachot) im unterirdischen Geschoß, ferner mit fünf Tagen Einzelzelle bestraft. Sein Verkehr mit andern ist gänzlich abgebrochen. Luccheni hatte sich geweigert, den Wärtern zu gehorchen. Der Pvlizeivorsteher des Gefängnisses ordnete ferner an, daß Luccheni fortan keinen Besuch mehr empfangen solle. Das Gesuch des berühmten Irrenarztes Dr. Ladame wurde abgewiesen, da die über Luccheni verhängte Strafe unter keinem Vorwande sistiert werden soll. Ucber die angebliche Telegrammfäl schung bei der Hinrichtung des Soldaten Balzar wird aus Wien berichtet: Am Tage der Hinrichtung wurde die Bevölkerung Krakaus durch das Gerücht aufgeregt, die telegraphische Begnadigung sei zu spät eingetroffen. Amtlich wurde dann erklärt, das angebliche Begnadi- gungstelegramm sei fälschlich aus Troppau ge wesen. Nunmehr behauptet das Krakauer Blatt .Naprzod', das Begnadigungstelegramm sei wirk lich aus Wien von der obersten Militärjustiz behörde Mittwoch morgens eingelaufen, aber infolge unglücklicher Zwischenfälle der Krakauer Militärbehörde nicht rechtzeitig zugestellt worden. Das Wiener Telegramm soll gelautet haben: »Begnadigung au, Wege, Hinrichtung sistieren." Das Telegraphenamt wollte den Kommandanten der znr Exekution ausgerückten Truppen tele- vhonisch davon unterrichten. Am Telephonamt meldete sich aber niemand, und die Hinrichtung erfolgte. Es sei eine strenge Untersuchung ein- geleilct worden. Eine Anarchistenbande macht es sich in Paris seit einigen Tagen zur Aufgabe, während der Fastenpredigten in die Kirchen einzudringcn und mit Gebrüll, Tanz und Carmagnole-Gesang die Andacht, manchmal selbst den Gottesdienst D stören. Die Sankt Johann und Franziskus- fowie die Sanela Elisabeth-Kirche wurden bis her von den Störern heimgesucht. Die Polizei trifft strenge Maßregeln, um die Wiederholung des Unfugs zu verhüten. Die Hunde des König von Griechen land. Um den Finanzen des Landes aufzu- helsen, hat man in Griechenland nun auch die — Hundesteuer eingeführt. Im ganzen Volke darob natürlich großer Aerger. Ein kleiner Zu fall hat aber diesen Verdruß in eine versöhn lichere Heiterkeit aufgelöst. Der erste nämlich, der von der Athener Polizei wegen nicht be zahlter Hundesteuer bestraft wurde, war — König Georg. Die Hosbeamten hatten ver gessen, die vier Hunde des Königs anzumelden, und die Folge war das übliche Strafmandat. Einer dieser Hunde, ein prachtvoller Foxterrier, ist ein Geschenk der Schwester des Königs, der Königin Alexandra von England. Die Liebenden von Neapel. Wie eine erschütternde Novelle liest sich die Kunde von dem Schicksal zweier Liebenden in Neapel. Giuseppe und Carmela hatten sich vor vier Jahren kennen und lieben gelernt, und durch fleißige Arbeit ein gutes/Stück Geld sür die Ausstattung erspart, so daß fie in wenigen Monaten die Hochzeit hätten feiern können. Da wird Carmela infolge Ueberanstrengung krank, und konnte sich nicht mehr aus dem Bett erheben, cm dem Tag und Nacht mit aufopfernder Sorgfalt der Verlobte wachte, bis er eines Tages mit seinen Armen die — tote Braut umfing. Am nächsten Tage fand das Begräbnis statt. Guiseppe selbst holte Rosen und schmückte den Sarg und traf alle An ordnungen für eine würdige Bestattung. Als sich nun der kleine Trauerzug in Bewegung setzte, schluckte er eine starke Sublimatlösung, folgte aber, obwohl das Gift bereits seine furchtbare Wirkung auszuüben begann, der Geliebten bis an das Grab, an dessen Rand er wenige Minuten später selbst tot zusammen brach. Von einem tolle« Wolf gebissen wurden in Wassilursk, Gouvernement Nischnynowgorod, vierzehn Bauern. Zwei sind bereits gestorben, die übrigen in die Moskauer bakteriologische Heilanstalt für Tollwut-Schutzimpfung gebracht worden. Die Pest. Aus Kavstadt wird vom Sonn tag gemeldet: 12 Pestiälle find gestern und heute in Kapstadt vorgekommen; unter den Er krankten befinden sich vier Europäer. Kiautschou hat schon ein Adreßbuch. Es enthält nach dem,Ostas. Lloyd' ein voll ständiges Verzeichnis aller europäischen Be wohner des Schutzgebietes nach dem Stande vom 15. Januar, 523 männliche und 61 weib liche. Besonderes Gewicht ist auf das Ver zeichnis der Geschäfte gelegt, das über die In haber, Bevollmächtigten, Vertretungen, Tele grammadressen, Fernsprechanschluß u. s. w. Aus kunft gibt. Daß eine besondere Ueberstcht der Verwaltungsbehörden und Besatzung nicht fehlt, ist selbstverständlich. Im Anhang sind die amt lichen Verordnungen, Bekanntmachungen, Mit teilungen über Missionen, Schulen, Vereine, Zeitungen, Schiffahrtsverhältisse u. s. w. abge druckt. Gerichtshalle. Berlin. Die erste Strafkammer des Landge richts sprach auf Antrag des Staatsanwalts den Rechtskandidaten Helmecke, der wegen fahrlässiger Tötung des Studenten Peine angeklagt war, frei. Der Sachverhalt war kurz folgender: Helmecke war s. Z. unter dem Verdachte des Mordes in Haft ge nommen worden und hatte sich jetzt aber nur noch wegen fahrlässiger Tötung zu verantworten. Am 26. August 1900 befand sich nachmittags Franz Peine in der Wohnung des ihm sehr befreundeten Angeklagten. Plötzlich fiel in dem Zimmer ein Schuß. Peine lag mit einer Schuß wunde im Kopf auf dem Ruhebett. — Der Angeklagte erklärte, ihm könnte man höchstens eine Fahrlässigkeit vorwerfen, weil er den geladenen Revolver aufbewahrtc. Im übrigen bestreitet er, daß er an dem Tode feines Freundes irgend welche Schuld trage. Peine habe sich selbst erichossen. Er habe am 26. August mit P. am Morgen eine Bier- i reise gemacht. Der Revolver sei derart gewesen, daß erst beim vierten Abdrücken ein Schuß fallen konnte, und habe im oberen Fach des Schreibtisches gelegen, was P. wußte. — Die Gutachten der medizinischen Sachverständigen stimmen darin überein, daß die Möglichkeit eines Selbstmordes nicht unbedingt aus geschlossen sei. Neu-Sandec (Galizien). Der Herausgeber des hiesigen polnischen Lokalblattes Felix Dörfler stand wegen Preßvergehens vor Gericht, weil er das eine Mal einen Toten und später den stadtbekannten Straßenbettler Stanislaus Ostrowski als verant- troffen hätte, nicht daS geringste bekannt. Eines jedoch brachte er in den dortigen Büreaus in Erfahrung, daß nämlich das Gepäckstück, welches Liddy bei sich gehabt hatte, richtig in Empfang genommen worden sei. Dies veranlaßte ihn, in diesem Orte vorläufig zu bleiben. Er mußte nochmals eine Nacht in fieber hafter Aufregung zuwarten, bis er anderes unternehmen konnte. Seine weiteren Recherchen führten zur Ent deckung eines Umständes, der ihn auf die richtige Spur leiten sollte. In einem der Fremden bücher fand er zu seinem größten Befremden den Eintrag: „Graf Antonio Zechini, Haupt- Mann in königlich italienischen Diensten" vor. Sollte der Verhaßte mit Liddys Verschwinden im Zusammenhang stehen? Wir überlassen Eugen für jetzt seinen fort gesetzten Bemühungen und kehren in das Haus der Kommerzienrälin nach der Residenz zurück. Dieselbe hatte durch die so unverzüglich an getretene Reise ihres Lieblings einen neuen Beweis erlangt, daß fie sich wohl vergeblich bestrebte, ihn ihren Wünschen bezüglich seiner Zukunft geneigt zu machen. Die stündlich wachsende Besorgnis um jenes Mädchen, welche er kundgegeben hatte, und die Entschiedenheit, mit der er seinen Entschluß, ihm aus seine: Reisetour zu folgen, erklärte, ließen fie kaum einen Zweifel mehr hegen, daß Eugens Geschick fortan an das Liddys gekettet sein werde. Bald aber nahmen ihre Gedanke» eine andere Richtung, und die Fragen welche fie bisher beschäftigt hatten, traten vollständig « den Hintergrund. Man meldete ihr den Besuch eines in amt licher Eigenschaft erscheinenden Herrn an, der fie ohne Verzug zu sprechen wünsche. Derselbe wurde vorgelassen und gab sich als Polizeikommissar zu erkennen. „Meine Dienstpflicht, Frau Kommerzien- rätin, gibt mir leider Veranlassung," begann dei selbe, „Sie zur frühen Morgenstunde in Ihrer Bequemlichkeit zu stören, weshalb ich um Entschuldigung bitten muß. Würden Sie mir gefälligst einige Fragen beantworten?" „Sie haben ohne Zweifel die Berechtigung, olche zu stellen, Herr Kommissar," entgegnete >ie Kommerzienrätin. „Wenn ich im stände hin, dieselben zu beantworten, so soll es ge- chehen." „Hat Ihr Herr Neffe, der Kaufmann Eugen Hellmuth, vor einiger Zeit eine Reise unter nommen?" fragte der Beamte. „Er war wiederholt verreist und ist es zm Zeit wieder," lautete die Antwort. „Wohin erstreckten sich wohl die Touren? Hat er auf einem seiner Ausflüge die Gegend des Marktfleckens Olsdorf berührt?" Die Dame sah befremdet auf. Was sollte fie antworten? Eugen war es sicherlich nicht angenehm, auch ihr selbst keineswegs, wenn seine Hausiermaskerade und was damit zu sammenhing, am Ende offenbar werden würde. — Allein eine Unwahrheit durste fie trotzdem «ich, sagen. Sie erwiderte: Er ist vor einigen Tagen vo« dort zurück- gekehrt." „Es dürsten doch wohl schon zwei bis drei Wochen verstrichen sein, seitdem das geschehen Wörtliche Redakteure seines Blattes angemeldet hatte. Der Straßenbettler wohnte der Verhandlung als Zeuge bei und gab an, daß er für seine Würde ein Monatsgehalt von fünf Gulden bezogen habe. Betreffs des toten Redakteurs legte der Angeklagte zu seiner Verteidigung dessen Papiere vor, aus denen hervor ging, daß er alle vom Preßgesctz geforderten Eigen schaften besaß. Daß der verantwortliche Redakteur auch leben müsse, sei im Preßgesetz nicht ausdrück lich vorgeschrieben. Der Gerichtshof ging aber auf diese Rechtfertigung nicht ein und verurteilte Felix Dörfler zu sieben Tagen Arrest. Die de«1sch-drastlra«ische Kolonie Dona Francisca. Die deutsche Kolonie Blumenau in Santa Katharina hat im vorigen Jahre ihr fünfund zwanzigjähriges Bestehen gefeiert, und jetzt im März werden es fünfzig Jahre, daß in ihrer Nachbarkolonie Dona Francisca die ersten Kolonisten gelandet sind. In der Stadt Join ville, dem Hauptorte der ausgedehnten Kolonie Dona Francisca sollte am 7., 8. und 9. März das Erinnerungsfest begangen werden, aber wegen der großen Hitze hat man die Feier, deren Glanzpunkt eine Ausstellung landwirt schaftlicher und industrieller Erzeugnisse bilden wird, auf die Tage vom 28. April bis 5. Mai verschoben. Die braven Kolonisten haben dort unter schwerer Arbeit und vielen Entbehrungen ausgehalten, dem Urwalde Stück um Stück ihre Felder abgerungen und dem Lande eine der hübschesten Städte geschenkt. Die ganze Kolonie zählt etwa vierzigtausend Einwohner; davon entfallen auf die Gemeinde Joinville 15 500, auf die Stadt allein aber nur 3500. Trotzdem wird die öffentliche Schule stets von mehr als 400 Kindern besucht, und es bleiben noch eine stattliche Anzahl sür die andern Schulen übrig. Es ist also klar, daß der Kolonist mit seiner Arbeit dem Lande von größtem Nutzen ist, zu mal er sich auch selber 'ein gutes Auskommen, ja, zuweilen Reichtum erworben hat. Das brasilische Jakobinertum blickt aber mit Neid auf die Entwickelung; den Nutzen nimmt es gern mit in Kauf, der Reichtum der Kolonisten ist ihm dagegen ein Dorn im Auge, weil es seine politische Alleinherrschaft dadurch gefährdet wähnt. Einer der Jakobinerhänptlinge, Doktor Lima, ist Abgeordneter für Rio Grande. Er hat eine Zeitung begründet, in deren ersten Nummern er gleich heftige Artikel gegen die Fremden veröffentlichte. Der Brasilier werde, hieß es da, in seinem Vaterlande erdrückt von den Ausländern, die gestern als Gäste ge kommen seien und sich heute als die Herren des Landes gebärdeten. Der Ausländer mache den Brasiliern Vorschriften. Wenn er mit den Waffen in der Hand sich gegen die Behörden erhebe und im Kampfe falle, so bekämen seine Erben hundert Contos (100 000 Mk.); wenn ein Brasilier dasselbe thue und sterbe, werde er begraben und damit sei es vorbei. Der Aus länder bilde überall die Regel, in der Industrie, im Handel, im Ackerbau, der Brasilier die Aus nahme. Man müsse dahin streben, daß dieses gehässige Verhältnis umgekehrt werde. Gewiß wird niemand den Brasiliern den berechtigten Wunsch verdenken, selber die ersten Stellen im Handel, im Ackerbau, in der Industrie zu be kleiden, aber dazu gibt es Wohl nur ein einziges Mittels die ausdauernde Arbeit. Und wer es gut mit dem Lande meint, kann nur wünschen, daß man nicht von Ausweisung der Aus länder spreche, sondern daß die Brasilier in friedlichem Wettbewerb mit ihnen um die Palme ringen mögen. Gin salomonisches Urteil. Appetit auf eine Schnepfe hatte der Redak teur des Stuttgarter.Neuen Tageblatts', Hof rat Adolf Palm und machte diesem begreiflichen Wunsche in einem poetischen Stoßseufzer Luft, der mit der Pointe endigte: „Warum seh' zu Okuli Ich die erste Schnepfe nie?" Offenbar den gleichen Appetit hatte aber auch ein Redakteur des ,Neuen Wiener Tage blatts', und so nahm er des Stuttgarter Kol legen beflügelte Verse in die Spalten seines Blattes ans. Und nun geschah mit den Palm- schen Versen das, was Goethe in seinem Ge dicht „Wirkung in die Ferne" berichtet — die Stuttgarter Poesie hatte in Wien einen höchst angenehmen Erfolg. Der Redaktion des Wiener Blattes wurde eine frisch geschossene Schnepfe, in deren Schnabel fein säuberlich der Ausschnitt mit dem Gedicht gesteckt war, in das Bureau gesendet. Ein anonymes Begleitschreiben führte launig die Schnepfe selbst als redend ein: sie sei, gerührt von der berechtigten Klage des immer nur mit ersten Maikäfern und Schmetter lingen geplagten Redakteurs, persönlich zur Be schwichtigung auf den Redaltionstisch geflogen. Das war schön von ihr und dem ungenannt sein wollenden Erleger. „Aber nun," so heißt es im ,N. W. Tagbl.', „entstand die Doktor- frage: „Sind wir berechtigt, diese Schnepfe zu behalten, da fie doch nur auf Grund eines Ge dichtes im .Stuttgarter Tagblatt' den Weg zu uns fand oder haben wir die heilige Verpflich tung, die besagte Schnepfe dem Chefredakteur dieses Blattes, Herrn Hosrat Palm, abzutreten? Und wenn wir schon die Selbstentäußerung hätten, das letztere zu thun, ist Herr Hosrat Palm berechtigt, eine Schnepfe zu verspeisen, die ihm nie und nimmer zugekommen wäre, wenn der gereimte Stoßseufzer nicht aus seinem Blatt in das ,Neue Wiener Tageblatt' über gegangen wäre, in dem ihn der wackere Spender las und beherzigte? Nur ein salomonisches Urteil konnte aus diesem Dilemma retten. Der weise Richter sand sich zum Glück. Er ent schied, daß die Schnepfe in Wien nach allen Regeln der Kochkunst gebraten und Herr Hosrat Palm höflichst eingeladen werden solle, an der leckeren Mahlzeit teilzunehmen. Sollte er wider Erwarten die Reise von Stuttgart nach Wien scheuen, so hat er sich die Folgen selbst zuzu schreiben — wir glauben nach Recht und Ge wissen gehandelt zu haben." Gemeinnütziges. Gegen nächiliches Herzklopfen wird Zuckerwasser mit Zitronensaft beruhigend wirken. Auch wendet man gern Melissen an, die, nach dem fie mit Rosenwasser angeseuchtet worden sind, zerstoßen aus die Herzgegend gelegt werden. Die nervöse Unruhe wird durch milden Schweiß, der sich bald entwickelt, beseitigt, und es tritt Schlaf ein. Einfaches Luftreinigungsmittel, um üblen Geruch aus Zimmern, besonders Kranken zimmern, zu entfernen, soll darin bestehen, daß man einige Zwiebeln zerschneidet und fie in einem Teller auf den Fußboden des Zimmers stellt. Sie sollen alle schlechten Dünste mit großer Schnelligkeit an sich ziehen, und müssen daher alle fünf Stunden erneuert werden. Das Mittel soll schon sehr alt und bereits von den Aegyptern angewendet worden sein. Buntes Allerlei. Eine hübsche Schnlgeschichte wird aus dem badischen Unterlande berichtet. Ein junger Lehrer gab seiner Klasse biblischen Unterricht über die Schöpfungsgeschichte und fragte seine kleinen Schüler, warum nur Eva sich von der Schlange habe verführen lassen, Adam aber nicht? Niemand meldete sich, nur ein Junge von neun Jahren streckte lebhaft den Finger. „Brav," ermunterte der Lehrer, „sag's den andern einmal!" Da erfolgte die Antwort: „Weil die Weibsleut' viel dümmer sind als die Mannsleut'," und erregte selbstverständlich nicht geringe Heiterkeit. * * Der junge Tierarzt. „Na, warum so mißvergnügt, Huberbauer? Ihr Sohn ist jetzt endlich Tierarzt geworden!" — „Dees is's ja! So lang hat er studiert, bis i' nur noch a' einzige Kuh im Stall g'habt hab', und die hat er mir jetzt — totkuriert!" Galanter Kommilitone. Studentin: „Die Hörsäle haben doch eine recht einfache Aus stattung." — Student: „Nicht wahr? Es war hohe Zeit, daß durch Zulassung der Studentinnen ein Hörsaalschmuck geschaffen ist," meinte der Polizeimann. „Oder hat Herr Hellmuth mehrmals genannten Ort besucht?" Die Kommerzienrätin zögerte. Dann er widerte fie mit sichtlicher Verlegenheit: „Eugen war zuweilen in Olsdorf, so viel mir bekannt ist." „War Ihr Herr Neffe das erste Mal viel leicht zu der von mir angegebenen Zeit dort?" inquirierte der Unerbittliche weiter. „Ja, es kann so lange her sein." „Trug er beide Male denselben Anzug?" war die nächste Frage. „Aber, Herr Polizeikommissar!" entgegnete die Dame, nun doch etwas ungeduldig. „Ver langen Sie denn von mir, daß ich alle Garderobestücke meines Neffen kennen und mich genau entfinnen soll, welches derselben er an jenem Tage getragen habe?" „Ich meine nicht, ob Herr Hellmuth diesen oder jenen seiner zu gewöhnlichem Gebrauche dienenden Röcke angehabt habe, sondern ob derselbe während seiner ersten Reise nach Ols dorf vielleicht absichtlich eine Verkleidung ange legt hat oder nicht? Ich bitte, sich genau zu besinnen, denn Ihre Anskunft über diesen Punkt ist von besonderer Tragweite." Die Gegenüberfitzende sah sich immer mehr in die Enge getrieben. „Als mein Neffe das erste Mal von Ols dorf zurückkam, trug er keine Verkleidung. Zu welchem Zwecke soll er eine solche angelegt haben?" , ? „Ich muß wohl bestimmter fragen," fuhr Polizeikommissar fort, „und bitte im Interesse Ihres Herrn Neffen um eine ebenso bestimmte als wahrheitsgetreue Antwort." „Glauben Sie, daß Sie eine absichtliche Lüge von einer Dame vom Rufe der Kom- merzienrätin Sternfeld zu gewärtigen haben, mein Herr?" fragte nun ihrerseits die alte Frau in sehr scharfem Ton. „Nein! Aber immerhin wäre ein Ver schweigen bekannter Umstände in manchen Fällen denkbar." „Ich glaube, daß weder ich noch mein Neffe Veranlassung haben, die polizeiliche Ahn dung irgend einer begangenen Handlung zu be fürchten !" „Von Ihnen bin ich dessen sicher, gnädige Frau, von Ihrem Herrn Neffen in diesem Augen blick noch nicht." „Das geht zu weit, mein Herr! Sie über- schreiten Ihre Befugnisse. Welcher wirklich strafbaren Handlung könnten Sie meinen Neffen zeihen?" „Meine Befugnisse kenne ich, gnädige Frau! Sie berechtigen mich zu der Frage, ob Herr Eugen Hellmuth in Olsdorf, die Ver- kleidung eines Haufierenden Krämers tragend, übernachtet und sich von dort mit Fräulein Liddy Woodkinson, der Nichte des in jener Nacht dort ermordeten Majors v. Braunfels, entfernt hat? Ich bitte um ja oder nein!" Die Kommerzienrätin erbleichte und zauderte. Danlgegnete fie: „Ja!" »Ist Ihnen bekannt oder unbekannt, wohin Herr Eugen Hellmuth Fräulein Liddy Wood kinson dann verbracht hat, und ob er dieselbe mit oder gegen ihren Willen vü- führte?" «l» (Fortsetzung folat.)
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