Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 06.03.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190103060
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19010306
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010306
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-03
- Tag 1901-03-06
-
Monat
1901-03
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 06.03.1901
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
KnllarvL. S) Kriminalroman von Karl v. Leistner. (Fortsetzung.) Nach einer Pause fuhr Eugen Hellmuth fort: „Ein Mann, der so gegen eine schutz lose Waise handelt, für deren Wohl er als Verwandter und Vormund verantwortlich ist, eine Verantwortung, welche ihm von der sterbenden Gattin als heiliges Vermächtnis auf die Seele gebunden ward — ein Mann, der im staude ist, einen solchen Preis auf eine Karte zu setzen, wie es der Major v. Braun fels in jener Stunde that, ist in »meinen Augen der Ehre bar, er ist ein Seelenverkäufer, ein Nichtswürdiger!" Erregt und flammenden Auges sprang Eugen Hellmuth bei diesen Worten vom Stuhl auf und äat vor seine Tante: „Bist du auch jetzt noch der Meinung, daß Herrn v. Brauniels Ansprüche auf Dank und Anerkennung dessen, was er für seine Nichte gelhan hat, zustehen?" Auch die Kommerzienrätin hatte sich erhoben und legte den Arm um das schluchzende Mädchen, indem sie sagte: „Gewiß nicht! Diese Eröffnung ändert die Sache und läßt keinen Zweifel mehr aufkommen über die volle Berechtigung Ihrer Handlungs weise. Ihr Onkel, dessen derzeitigen Aufenthalts ort wir ohnehin nicht kennen, hat durch seine Pflichtvergessenheit jedes Recht auf Sie ver wirkt, und die Lage, in welche er Sie, die jugendliche, verlassene Waise, versetzt hat, gebietet mtr, nachdem Sie in meinem Hause Zuflucht suchten, Ihnen als mütterliche Freundin dauernd Fürsorge zuzuwenden. Beruhigen Sie sich, Liebe, uud hoffen Sie auf bessere Zeiten!" Liddy war unfähig, zu antworten. Ein heißer Druck ihrer Lippen auf die Hand der gütigen Dame war ihre einzige Erwiderung. Auch Eugen war tief bewegt und reichte der Tante, sie dankbar anbückend, seine beiden Hände. Das Interesse, welches die junge Ameri kanerin dem Neffen der Kommerzienrätin schon während der gemeinsamen Seereise eingeflößt hatte, erreichte begreiflicherweise einen noch weit höheren Grad, als ihn das Schicksal in jenem Badeorte zum zweiten Male mit ihr zusammen führte. Nachdem sie ihm einen neuen Beweis ihres Vertrauens geschenkt, sich aber dennoch standhaft geweigert hatte, ihr Heil in der Flucht unter seinem Geleite zu suchen, beschloß er, über sie als treuer Beschützer zu wachen, und die erwähnten Beobachtungen im Speisesaal ließen ihn erkennen, daß keine Zeit zu ver lieren sei. So entging dem jungen Mann auch nicht die schon am nächsten Morgen unternommene Abreise der Betreffenden, und ihnen unverzüg lich folgend, bediente er sich nach ihrer Ab zweigung von der Bahnroute der im Olsdorfer Wirtshause getragenen Verkleidung. Nur eine solche ermöglichte es ihm, den drei Personen auch außerhalb des Gewühls der Bahnhöfe auf der Ferse zu bleiben, ohne ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der ihm günstige Umstand, daß an dem Lohnfuhrwerk, dessen sie sich be dienten, ein Rad brach, ließ ihn trotz Fuß- wanderung einen Vorsprung gewinnen, und es Politische Unttd-chiM. Die chinesischen Wirren. * Fjir die Rückkehr desKaisers von China nach Veking sollen sechs Bataillone von Trupven Jinthikais unter dem Kommando deS Generals Mei als Vorhut dienen. Nach chinesischen Quellen sind diese Truppen bereits unterwegs nach Singanfu. *Jn betreff der Erwerbung von Land in China ist die Regierung der Ver. Staaten bei den Mächten thätig im Sinne einer Verständigung, daß nur so Vie! Grund und Boden in China angeeignet werden darf, als die Mächte zur Sicherung ihrer Gesandtschaft e§ brauchen. Deutscher seits wird, wie offiziös mitgeteilt wird, dieser Vorschlag unterstützt. * Ueber das russisch-chinesische Mandschurei-Abkommen werden nun mehr Einzelheiten bekannt. China verpflichtet sich, keine Trupven in irgend welchem Ort zu halten, wo die Eisenbahn nicht fertig gebaut oder der Bau nicht begonnen hat. Die höheren Beamten, die an den jüngsten Unruhen Schuld tragen, sollen degradiert werden. Rußland wird dieselben namhaft macken. Rußland wird bestimmen, welche Waffen die Polizeitruvpen zu führen haben; Artillerie ist ausgeschlossen. In der Man dschurei, in der Mongolei und im chinesischen Turkestan dürfen keine Bahn-, Minen oder andere Konzessionen an Angehörige anderer Mächte erteilt werden: auch darf China selbstkeineEisenbahn daselbst bauen. In der Umgebung von Niutschwang darf kein Landgebiet an Ausländer verpachtet werden. (Dieses russische Pro tektorat über die Mandschurei glicht also einer Annexion auf ein Haar.) *Die Mächte scheinen den Sonder-Ab machungen zwischen China und Rußland nicht mehr länger ruhig zusehen zu wollen. Aus Tientsin wird gemeldet: Zufolge Nachrichten aus zuverlässiger divlomatischer Quelle, hat Deutschland die chinesische Regierung durch Li- Hung-Tschang wissen lassen, daß es nicht richtig sei, wenn China wertvolle nationale Vermögensteile und Ein nahmequellen durch Scparat-Abkommen mit einzelnen Staaten oder Gesell schaften weggäbe, solange die Verpflich tungen Chinas gegenüber der Gesamt heit der Mächte nicht klargestellt seien. Sicherem Vernehmen nach find von der Mehrzahl der Mächte teils früher, teils nachher Erklärungen abgegeben worden, die sich mit der deutschen Erklärung decken und zum Teil darüber hinausgehen. * Die „Einigkeit" der Mächte in China wird charakterisiert in folgenden Mit teilungen eines New Parker Blattes: Wenigstens dreimal widersprach Amerika den Anregungen Deutschlands und führte eine Aenderung oder das Aufgeben extremer Maßregeln herbei. Der Staatssekretär Hay sieht aber ein, daß dies Verfahren nicht länger andauern kann. Deutsch land hedient sich der Methode, daß es sich die Zustimmung Belgiens, Spaniens, Italiens und der kleineren Mächte sichert und dann plötzlich auf der Konferenz in Peking mit einer Mehrheit auftritt. Deutschlands immer erneute Forderungen geben Grund zum Ver dacht, daß Deutschland weitere Ziele verfolgt. In den diplomatischen Kreisen Washingtons sagt man, der Kaiser beabsichtige mehr chine sisches Gebiet zu annektieren — Hiergegen erklären die ,Berl. Reuest. Nachrck offiziös: „Der gemeinsamen Sache der zivili sierten Nationen würde es zuträglicher fein, wenn alle Mächte so wenig Erobernngs- und Annexionsgelüste hätten, wie gerade Deutschland!" * Auch GrafWaldersee sehnt sich nach der Heimat. Am Schluffe eines von dem Grafen Waldersee in Lübeck eingegangenen Privatbriefes heißt es der ,Köln. Ztg.' zufolge: Ich hoffe, daß das neue Jahr uns in nicht allzu langer Zeit ein frohes Wiedersehen er leben läßt. Deutschland. Der Prinz-Regent Luitpold von Bayern feiert am 12. März seinen 80. Geburtstag. Nach der,Köln. Ztgck ist 'kdn München aus allen befreundeten Höfen mitgeteilt worden, daß die Feier mit Rücksicht auf das Alter des Prinz- Regenten eine intern bayrische bleiben soll. Dem entsprechend werden irgend welche fremde Fürstlichkeiten nicht nach München koinmen. Für den Empfang der aus ganz Bayern erwarteten Abordnungen aber find drei Tage in Aussicht genommen. * Die Ernennung eines Ordonnanz-Ofstziers für den Graf-Regenten von Lippe wird im,Militärwochenbl/ veröffentlicht. Mehrere Blätter schließen aus dieser Anordnung des Kaisers auf einen völligen Ausgleich mit dem Graf-Regenten. Gemeint ist das Tele gramm des Kaisers an den Graf-Regenten: Dem Regenten, was dem Regenten gebührt, sonst nichts. *Der dem Bundesrat zugegangere Nach trag s e t a t enthält die zweite Forde rung für die China-Exvedition in Höhe von 120 Millionen Mark. * In der dem Bundesrat zugegangenen Vorlage betr. Zuwendungen für K r iegs - in Vali den und die Kriegshinterbliebenen aus früheren Feldzügen handelt es sich um Aukwendung von etwa 13 M i l l i o n e n M ark, welche aus dem Reichsinvalidenfonds bestritten werden sollen. *Der Reichskanzler wird, wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, bei der zweiten Beratung des Etats des Auswärtigen Amtes eine eingehende Darlegung der inter nationalen Lage geben. Insbesondere will er dabei auch unser Verhältnis zu Eng land beleuchten. Oesterreich-Ungarn. * Das Vorgehen der Tschechen, welche jeder bestimmten Anträge, ob sie geneigt sind, der Erledigung der Regierungsvorlagen kein Hindernis entgegenznfetzen, ausweichcn. ander seits durch volle Ausnutzuna der Geschäfts ordnung die Bestimmungen bisher zu verhindern wußten, daß auch nur ein Gegenstand in An griff genommen werde, wird auf deutscher Seite als planmäßige Obstruktion erklärt. Die Tschechen wollen verhindern, daß die Re gierung bis zum 10. März, der festgesetzten Frist, das Recht zur Rekrute naushebung habe, um so die Regierung in die größte Verlegenheit zu bringen. Frankreich. *Ein allgemeiner Hafenarbeiter- Ausstand ist in einer Versammlung in Marseille von 3000 Hafenarbeitern be schlossen worden. Der Ausstand ist dadurch hervorgerufen worden, daß man bei mehreren Schiffsgesellschaften sich geweigert hat, einige fremde Arbeiter, die dem internationalen Syn dikat angehören, anzustellen, und daß man andere fremde Arbeiter entlassen hat. England. * Die Einführung des Acht-Stunden- Arbeitstages für Bergarbeiter ist am Mittwoch im Unterhaus in zweiter Lesung mit 212 gegen 199 Stimmen angenommen. Holland. * Präsident K r ü ger erhielt ein Telegramm aus Pretoria, in dem ihm der Tod seines Schwiegersohnes und seinesEnkels mitgeteilt wird. Beide gehörten zu dem Kom mando des Generals Delarey und fielen in einem Gefecht, das jüngst in der Gegend von Rustenburg stattgefunden. Balkanftaaten. * Die Türkei ergreift jetzt energische Maßregeln inMacedonien. Sie stellt eine Armee von 50000 Mann an der Grenze auf, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. * König Alexander von Serbien hat, wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, sich bezüglich der Ueberführung der Leiche Milans nach Serbien telegraphisch an den Kaiser Wilhelm und den Zaren um Intervention gewendet. Doch wurde das Ansuchen von beiden Seiten sehr kühl abgelehnt. Der Zar soll geantwortet haben, er werde sich in Privat geschichten des Hauses Obrenowitsch nicht ein mischen. Afrika. * Die Gerüchte, daß Botha seine Ueber gäbe angeboten habe und Verhand lungen darüber schweben, werden jetzt selbst in London für grundlos gehalten. Die Nach richt von einem neuen Vormarsch de Wets nach Süden wird durch Meldungen aus Kapstadt bestätigt. Danach wäre es de Wet gelungen nach Vereinigung mit Hertzog und Brand mit 2500 Mann die englischen Truppenmassen zu durchhrechen. Er marschiert südwärts in der Richtung auf Colesberg. *Wie ans Middelburg (im Kapland) ver lautet, haben die Boeren am letzten Freitag die Station Roodehoogte an der Linie Rosmeat-Graaffreinet in Brand gesteckt; es entspann sich ein heftiges Gefecht, die Boeren wurden zu r ü ck g e t ri eb e n. An derselben Linie hat später bei Jakpoort noch ein Gefecht stattgefunden. Ans dem Reichstage. Der Reichstag setzte am Donnerstag die Beratung des Militäretat fort. Nach einen: kurzen Rückgriff auf den Mörchinger Fall und den Ausschluß der Oeffentlichkeit in diesem Verfahren wurden Gehalts sätze der Noßärzte und Hoboisten, eine Neuregelung des Eisenbahntarifs für Soldaten uud die Normierung der Naturalleistungen, sowie die etwaige Verminde rung der Oekonomie-Handwerker erörtert. Am 1. d. wird die Beratung des Militär- Etats fortgesetzt Lei dem Titel „Ankauf der Remontepferde". Abg. Hahn (B. d. L.) äußert seine Befriedi gung über den um 70 Mk. für das Pferd erhöhten Ankaufspreis. Es bedürfe aber noch weiterer Er höhungen des Preises: WO Mk. für das Pferd ge nügen noch immer nicht, um die Pferdezucht zu beben, und besonders die Remonte-Aüfzucht. Die Art des Ncmonte-Ankaw's lasse zu wünschen übrig. Es werde vielfach von Händlern gekauft, die das Pferd selbst angekaust hätten, es aber so darzustellen wüßten, als hätten sie das Pferd selbst aufgezogen. Die Kommission sollte lieber nur von Züchtern kaufen. Abg. Hoffmann-Hall (südd. Dp.) verbreitet sich eingehend über Detailfragen der Pferdezucht und bemängelt namentlich die herkömmliche Art der Unter scheidung zwischen Warm- uns Kaltblütern, die viel fach irre führe und deshalb nachteilig für die Pferde zucht sei. Man sollte für das Heer mehr Kaltblüter ankaufcn und außerdem den Ankaufspreis auf 1000 Mk. erhöhen. Abg. Graf Klinckow ström (kons.) ist mit letzterem Wunsche einverstanden, bemerkt aber dem Vorredner, daß für die Kavallerie jedenfalls nur Warmblüter angeschafft werden dürften. Minister v. Goßler: Die bisher gezahlten Preise seien nicht ausreichend gewesen; der Preis sei deshalb erhöht worden. Man werde ja sehen, was man damit für Erfahrungen mache. Damit endet diese Debatte. Beim Kapitel „Militär-Erziehungs- und Bc- soldungswesen" bringt der Abg. Gröber (Zentr.) zur Sprache, daß den Kriegsschülern der Einkauf beim Osfizier-Konsumverein und anderen bestimmten Firmen empfohlen, dagegen vor anderen Firmen gewarnt worden sei. Minister v. GoßIer erwidert, daß mit einzelnen Firmen, welche sich an die Kriegsschüler heran- drängten, sehr schlechte Erfahrung gemacht worden seien, besonders in bezug auf Angebote von Dar lehen. Soliden Firmen werde nichts in den Weg gelegt. Abg. Eickhoff (frs. Vp.) frägt an, ob die Nachricht richtig sei, daß den Abiturienten des Kadetienhauses der Zutritt zum medizinischen und juristischen Studium offen stehen solle. Minister v. Goßler bestätigt, daß das Kadetten haus nach diesen Berechtigungen strebe. Er hoffe auch, daß dies zu erreichen sein werde. Bei dem Kapitel „Artillerie- und Waffenwesen" wünscht Abg. Paasche (nat.-lib.) eine Erklärung des Ministers darüber, daß er nicht gewillt sei, die staat lichen Waffenfabriken noch niehr auszndehnen, zum Nachteil der Privatindustric; denn auch deren Be stehen und Leistungsfähigkeit liege im allgemeinen Interesse, namentlich für den Fall plötzlicher Mobil machungen. Minister v. Goßler: Dem Gedankengange des Vorredners könne er zustimmen. Er sei nur insoweit in einer schwierigen Lage, als er seinerseits auch nicht gern Arbeiter entlasse, da er bemüht »ein müsse, einen gleichmäßigen Betrieb zu erhalten. Eine Reihe privater Fabriken sei ja auch zur Zeit noch für das Reich beschäftigt, so in Württemberg Mauser. So bald es sich ermöglichen laffe, Werve er unbedingt Solingen mit in erster Linie berücksichtigen. Abg. Rösicke (wildlib.l wiederholt seinen seit vier Jahren mehrmals geäußerten Wunsch nach einer StaMik über die Nrbcitsverhältnisse in den staatlichen Anstalten. Kriegsminister v. Goßler: Eine solche Statistik sei aufgestellt und liege beim RcichSamt des Innern. Abg. Pauli - Potsdam (konsO tritt dem Wunsch nach Publikation einer solchen Statistik bei. Die sogenannten Hofarbeiter in Spandau, ungelernte Arbeiter, erhielten nnr 2 ° Z, Mk. kür den Tag. Davon könne man mit Familie in Spandau nicht leben. Abg. Zubeil (soz.) beleuchtet ebenfalls die ge ringen Arbeitslöhne in Spandau, dis um so mehr Anstoß erregen müßten angesichts der Hunderte von Millionen, die jetzt in Ebina ausgegeben würden- Die neue Lohnordnung sei soaar ein Rückschritt gegen früher; denn sobald der Akkordverdienst eine gewisse Höbe überschreite, müßten die Werkmeister den Lohn herabsetzen. Generalmajor v. Einem: Das von dem Vor redner entworfene Bild von den Verhältnissen in den Militär-Werkstätten entspreche in keinem Punkte der Wirklichkeit. Die neue Lohnordnung solle über haupt nur eine gleichmäßigere Regelung zur Folge haben. Keinesfalls sei damit ein Lohnrückgang ver bunden gewesen. Neber 4 bis mehr als 6 Mark täglich haben 87 Prozent unserer Arbeiter verdient. Das sind gewiß keine Hungerlöhne! Es ist auch mach wahr, daß die Meister mit den Arbeitern thun können, was sie wollen. Daß einmal Uebergriffe kommen, geschieht auch in Privatbetrieben; auf Be schwerde erfolgt aber bei uns stets Abhilfe. Redner widerspricht auch weiter im einzelnen den Zubeilschen Schildernnaen. Abg. Zubeil hält in nochmaligen längeren Ausführungen seine Darstellung aufrecht. Ohne weitere Debatte wird der Rest des Ordi- nariums genehmigt nach den Beschlüssen der Kom mission. Auch bei den einmaligen Ausgaben schließt sich das HauS den Vorschlägen der Kommission an. Eine längere Debatte entstand lediglich bei der Position über die Neubesestigung Ulms, da bier der Abg. Gröber den mit der Stadt Ulm geschlossenen Vertrag als diese Stadt zu sehr belastend bezeichnete. Vom Bundesratstisch aus wurde dem widersprochen und die Position schließlich genehmigt, entsprechend dem Antrag der Kommission. Darauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung Montag. Preußischer Kandtag. Das Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am Frei tag zunächst mit der Interpellation der freisinnigen Parteien betr. den Lehrermangel. Auf die Begrün dung der Interpellation durch den Abg. Kopsch (fr. Vp.), der nachwies, daß die materielle und rechtliche Stellung der Lehrer noch immer eine unsichere sei, entgegnete Kultusminister Studt, daß es sich nur um einen vorübergehenden Mangel handle, der in der Hauvtsache durch die Einführung der einjährigen militärischen Dienstzeit für Volksschullehrer verursacht wäre. Um dem Lehrermangel abzuhelfen, seien die Seminare und Präpcirandcn-Anstalten erweitert, und es habe deren Frequenz auch erheblich zugenommen. Zum Kultusetat wurde ein Antrag Fritzsch (Zentr.) angenommen, der die Regierung auffordert, baldigst einen Gesetzentwurf vorzulcgen, durch welchen die Beschränkungen aufgehoben werden sollen, denen die Mitglieder katholischer Orden, welche die Kranken pflege und werkthätige Nächstenliebe üben, unter worfen sind. Von Vals nnd Fern. Aus ihren Ufern getreten sind stellen weise die Ems und ihre Nebenflüsse und haben weite Strecken unter Wasser gesetzt. Ueber den Kölner Sternbergskandal veröffentlicht die ,Köln.Ztg/ eine Notiz, wonach es sich in diesem Prozeß um 15 unter 16 Jahre alte Kinder handelt, die alle miteinander bekannt find. Auch wird zugegeben, daß zwei Agenten, ein Rentner, ein Zahntechniker, ein Kaufmann, ein Musiker, ein Portier nnd ein Kunstmaler festgenommen wurden. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Sie dürste dazu führen, daß die hinter Schloß und Riegel sitzende Clique noch um den einen oder andern Lebe mann verstärkt wird. Die .Köln. Volksztg/ gibt zu, daß die bevorstehenden Gerichtsver handlungen ein grauenvolles Bild sittlicher Ver kommenheit entrollen werden. gelang ihm, vom Kulscher des Majors das nächste Nachtquartier zu erfahren. Was dort vorging, ist aus dem früheren Teile der Er zählung schon bekannt. Auf der Flucht mit Liddy war er vor allem darauf bedacht, seine und des Mädchens äußere Erscheinung möglichst unkenntlich zu machen, weshalb er die falschen Haupt- und Barthaare nebst dem Hausiereranzug beseitigte und schon auf der Hinreise vorsorglicherweise für Liddy andere Kleidung besorgte. Nachdem sie letztere vor der Entfernung aus dem „Grauen Bären" angelegt hatte, wurde das ihren bisherigen Anzug enthaltende Päckchen in den vor dem Orte gelegenen Weiher versenkt. Den Weg bis zu dem nächsten Städtchen mußten die Fliehen den zu Fuß zurücklegen; dann aber führte sie die Extrapost rasch aus dieser Gegend, und eine Bahnstation war bereits erreicht, als am darauf folgenden Vormittag die Verfolgung organisiert wurde. In der Residenzstadt angelangt, wußte Eugen seine Tante, die in des Neffen Recht schaffenheit unbedingtes Vertrauen setzte, zur vor läufigen Ausnahme seines Schützlings unschwer zu bewegen. Hatte aber die Kommerzienrätin es auch nicht über sich bringen können, die Bitte des Neffen abzuschlagen und dem hilfsbedürftigen Mädchen die Zufluchtsstätte zu verweigern, so war sie im ersten Moment doch mit der Hand lungsweise Eugens nicht ganz einverstanden und selbst jetzt blieben noch gewichtige Bedenken zurück. Die erfahrene Frau wußte bald die Natur der Gefühle, welche der junge Mann für die Amerikanerin hegte, fast mit größerer Sicherheit als dieser selbst zu beurteilen und befürchtete die Durchkreuzung ihrer etwas hoch fliegenden, auf den Neffen bezüglichen Zukunfts pläne. Sie versäumte deshalb nicht, schon am Tage nach jenem Gespräch Eugen darüber aufzu klären, daß er aus ihrem sreundlichen Verhalten gegen Liddy keineswegs die Billigung etwaiger noch innigerer Beziehungen zwischen ihm nnd dem Mädchen folgern dürfe. Bei aller Achtung vor dem Charakter der Waise würde sie dieselbe nicht als eine passende und wünschenswerte Lebensgefährtin für einen strebsamen jungen Mann ansehen, der, wie ihr Neffe, sich seine Gattin aus den höchsten Kreisen auserwählen könne. Die Absicht, nur eine vorübergehende Liaison anzuknüpfen, sei nach ihrer festen Ueber- zeugung bei seinem soliden Charakter unbedingt ausgeschlossen, und vor ernstlichen Bewerbungen müsse sie ihn dringend warnen. Als ihr Eugen gestand, wie teuer ihr Schütz ling seinem Herzen bereits geworden sei, legte sie ihm die Verpflichtung aus, daß er wenigstens für jetzt von allem Weiteren abstehe und Liddy nicht hindere, die bei ihren entfernten Anver wandten erbetene Unterkunft aufzusuchen, wofür sie, die Kommerzienrätin, ihm versprechen wolle, das Geschick des Mädchens im Auge zu be halten. Obwohl widerstrebend, fügie sich Eugen ihren vorgebrachten Vcrnnn'tsgiünden insoweit, daß er versprach, mit einer Erklärung noch zurückzuhalten und sich Liddys Schritten nicht zu widersetzen. Etwa eine Woche später war die Zusage
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)