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Allgemeiner Anzeiger : 16.02.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- Saxonica
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
-
Monat
1901-02
- Tag 1901-02-16
-
Monat
1901-02
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.02.1901
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Politische P und schon. Die chinesischen Wirren. * Zwischen dem Kaiser von China und der Kaiserin-Witwe herrscht, wie Li-Hung Tschang erklärt, setzt größere Eintracht als je zuvor. Die Kaiserin gebe die Notwendigkeit von Reformen im modernen Sinne zu. An den chinesischen Hof telegraphierte Li-Hung-Tschang, die Weigerung des Hotes, den über die Würdenträger ver hängten Todesurteilen zuzustimmen, sei von der höchsten Ge ahr für die Dynastie selbst. * (Arai Waldersee hat, wie etwas hämisch aus Paris gemeldet wird, vergeblich gegen die französische Expedition nach Paotingsu protestiert, der französische General Bailloud hat aber seine Unab hängigkeit betont. Deutschland. * Prinz Georg von Preußen, der Senior des preuß'schen Königshauses, beding am Dienstag in aller St lle den 75. Gebmtstaa. Als feinsinniger Dichter und hochherziger Kunst freund genießt der Prinz, der sich immer von dem Zwange des Zeremoniells und dem Hoi- leben zurückgezogen hat, die Sympathie der weitesten Kreise. *Der Eb e- u nd H au sv er trag der Königin Wilhelmina und des Prinz- Gemahls Heinrich der Niederlande ist nach träglich auch vom Herzog-Regenten Joöann Albrecht von Mecklenburg- Schwerin, der gesetzlichen Vorschrift grmäß, durch Unterschrift vollzogen worden. Zn diesem Betrufe war der Hostavalier Jonkheer van Rochoscß im Aulrage der Königin Wilhelmina in Schwerin e »getroffen. Der Herzog-Regent ist bekanntlich seit eiwger Zeit an den Masern erkrankt, so daß er zu seinem Leidwesen verhindert war, den Hochzeits'eierlich- keiten im Haag Person! ch beizuwyhnen. Die Genesung des Herzog - Regenten macht im übrigen gute Fortschritte, so daß der Patient demnächst im stände sein dürste, das Bett dauernd zu verlassen. *Jm Seniorenkonvent wurde am Mowag der Wunsch ausgcdrückt, daß unter mögstchster Abkürnmg der Debatten und rascher Er'edignng der Konnwssionsarbeitcn der Etat etwa am 22. März vollständig zu erledigen sei, sodaß dann alsbald die Osterferien be ginnen könwen. *Aus dem Reichsgebiet wurden nach der letzten amtlichen Bekanntmachung zehn Ausländer ausgewiesen, sieben österreichische, zwei französische und ein russischer Staatsangehöriger. Frankreich. *Mit dem Papst soll ein Kompromiß ver handelt sein wegen Freiheit der Orden unter der Bedingung derAufhebung des Jesuiten-Ordens 'ür Frankreich. — Waldeck-Rousseau ist noch immer an der Grippe erkrankt. England. * Wie nunmehr feststeht, verläßt das Königs- paar am l7. Februar England, um der Kaiserin Friedrich und darauf dem deutschen Kaiser einen Besuch abzu- stattcm *,Daily Chronicle' weiß zu berichten, ein Mitglied des Kabinetis habe erklärt, daß wahr- sche Mich in kur er Zeit die Verlobung des deutschen Kronprinzenmit der Prin zessin von Battenberg veröffentlicht werden soll. *Die .Birmingham Post' glaubt zu wissen, daß infolge gewisser Unterredungen, welche in der vor gen Woche bei der Anwesenheit des Kaisers Wilhelm hier statlfanden, man in bezug aus die Handels b eziehungen Deutsch- lands zu den englischen Kolonien wichtigen Eww'cke'ungen entgegensehen könne; man könne nichts Bestimmtes darüber sagen, aber aus Deutschlands Bedarf nach billigeren Nahrungsmitteln lasse sich Viel schließen. (?) * Trotz amtlicher Widerlegung glaubt man auch in Londoner Militärkreisen, daß Kitchener nicht mehr l a n g e den O b e r b e f e h l >. Süo-Afrika behalten werde. Als sein NaL> folger gilt Evelyn Wood. Die Opposition N.rö unmittelbar nach der Eröffnung des Parlaments die Regierung wegen der schlechten Führung des Krieges auf das heftigste angreifen, sodaß eine stürmische Tagung bevorsteht. Schweiz. *Mit dem türkischen General konsulat in Genf, dessen skandalöse Zu stände so viel von sich reden gemacht haben, scheint die schweizerische Negierung end lich kurzen Prozeß machen zu wollen. Die Bundesversammlung ersuchte den Bundesrat, er möge der Komödie durch Entziehung des Exe quatur ein Ende machen, da das Konsulat doch nur Spitzelzwecke verfolge. Die Presse hat dies Verlangen schon längst gestellt. Italien. *Zanardelli hat vom König den Auf trag zur Kabinettsbildung erhalten. Im neuen Kabinett würden Giolitti das Innere, Prinetti das Auswärtige, Fortis das Porte feuille der öffentlichen Arbeiten, Guicciardini das der Finanzen und Cappelli das Ackerbau^ Porte feuille übernehmen. (Für das zeitunglesende Ausland sind das alles nur — Namen.) König Witan ch. Nusiland. *Jn Rußland ist wieder in mehreren Gouvernements eine vollständige, in anderen eine teilweiseMißernte Kstgestellt. Die Regierung hat 5'/» Millionen Rubel zur Hilse leistung ausgewogen, muß aber auch die private Wohlthätigkeit in Anspruch nehmen. Bakkanstaaten. * Könia Milan ist am Montag in Wien gestorben. Milan ist 46 Jahre alt ge worden. Mit 14 Jahren wurde er Fürst von Serbien, mit 18 Jahren übernahm er, für volljährig erklärt, die Regierung, als 28 jähri ger setzte er nach einem siegreichen Kriege die Proklamierung Serbiens zum Königreich durch. Seine zerrütteten Familienverhältnisse, seine Spieler- und Liebesaffären heute zu er örtern, ist hier nicht der Ort. 1888 wurde er von der Königin Natalie geschieden, 1889 dankte er zu Gunsten seines 13jährigen Sohnes ab, 1892 entsagte er allen königlichen Rechten und leistete Verzicht aus die serbische Staalszugehörigkeit. Im Jahre darauf ver söhnte er sich wieder mit seiner geschiedenen Frau, setzte auch die Annullierung der Ehe scheidung durch. Noch ein Jihr später wurde er wieder in die asten Rechte als Mitglied des Königlichen Hauses eingesetzt, im Jahre 1898 wieder zum Kommandanten der serbischen Armee ernannt. Zwei Jahre später aber, aus Anlaß der plötzlichen Verlobung! seines Sohnes mit Draga Maschin, forderte Milan zum offenen Widerstand gegen seinen königlichen Sohn auf. Erst vom Sterbebette aus hat er an denselben am Sonntag einen Brief gerichtet, in dem er große Sehnsucht äußerte, ihn noch einmal zu sehen. * Die Nachricht vom Tode Königs Milan wurde der serbischen Skup- schtina von dem Ministerpräsidenten Jovano- witsch überbracht, der dem Verblichenen einen warmen Nachruf hielt und darin der Ver dienste desselben gedachte. Die Versammlung stimmte ein in den Riss: „Friede seiner Asche!" und beschloß, daß die Leiche Milans nach Belgrad überführt werden soll. Gleich zeitig wurde die Tagung der Skupschtina durch königlichen Ukas geschlossen. Amerika. *Cuba bezahlt seine Schulden nicht! Aus Havana wird gemeldet: Die Ver- sassungskonvention bat mit großer Mehrheit einen Bersassungsartikel angenommen, welcher bestimmt, daß alle vor der Bekanntmachung der Verfassung gemachten Schulden nicht anerkannt werden sollen, ausgenommen diejenigen, die im Interesse der Revolution vom 24. Februar 1895 ab ausgenommen worden sind. Afrika. * In der KavkoIonie ist es plötzlich sehr lebendig geword-n und in langen Sammel- bcrichten meldet Kitchener seine Erfolge nach London. Selbst wenn sie alle auf Wahrheit beruhen, ist von irgend einem entscheidenden Schlage noch keine Rede, und wenn es in einer Meldung heißt: „Kitchener wird de Wet um geben, ihn fangen und standrechtlich erschießen lassen," so ist an dem guten Willen Kitcheners N'cht zu zweifeln, aber das alte Sprichwort dräut sich dabei unwillkürlich auf: „Die Nürn berger henken keinen rc." Aus dem Reichstage. Der Reichstag erledigte am Montag debattelos den Ness des Gais der Reichs-Justizverwaltung. Beim Etat drs Neichsscha'mmts intervenierte Abq. Oertel (koni.) den Schatziekretär u^er den Zeitpunkt der Vorlegung des neuen Zolltarifs. Schatzsekretär v. Thielmann an worte-e, die Fertigstellung des selben stehe für die allernächste Zeit bevor. Zum Eisenbahn-Etat befürwortete Abg. Schlumberger (Els.) einen Antrag betr. ein Kleinbahngesetz für Elsap-Lothringcn. Am 12. d. wird die Beratung des Etats der Reichseisenbahnen und der dazu von der Kommission beanwagten Rewlussonen betr. Herab setzung des Gepäcktmsss und des Tarifs sür Militär- Urlauber iortae etzt. Mit zur Beratung steht außerdem der Antrag (Resolution) Schlumberger betr. Erlaß eines Kleinbahngesetzes für Elsav-Lothringen. Abg. Lurz(Zcntr) erhebt Beschwerde über un zulängliche U-bernawtungsräume für unterwegs be- sindlicheS Zuaver'onal. Minister Thielen: Wir sind bestrebt, dje Uebcrnachtungsräume möglichst wohnlich zu gestalten. Wenn Vorredner mir die betreffenden Stationen nennt, wird für Nbhstfc gesorgt werden. Abg. Delsor (Els.) vertritt die Wünsche seiner Heimat: Verlegung der Zentralstelle für die Ver waltung der Reichsbahnen von Berlin nach Straß burg, ferner Tmssberabsetzungen, namentlich für Gepäck und Militär-Urlauber. Lebhaft beklagt werde von den Beamten, besonders dem Zugpersonal, daß in bezug auf die Gehavsbemefsung Unbilligkeiten beständen. Sehr Wundern müsse er sich über das überschwängliche Lob, welches Schlumberger den Gehaltsvcrhältnissen, noch mehr aber den Wohl fahrtszwecken der Reichsbahnen gezollt habe. Minister v. Thielen: Der Vorredner wünsthte Tarisermäßigungen, namentlich auch für den MMft- veikehr; er meinte sogar, wir könnten nötigenfalls die 4. Klaffe in Elsaß-Lothringen einfüh.en. Ich bin ja überzeugt, man würde sich in Eljaß- Lothring-n ebenio gut daran gewöhnen, wie dies in Hessen geschehen ist. Aber ich würde damit die von mir immer noch nicht anfgegebene Tarik-Einigung mit Süddeutschland völlig in Frage stellen. Auch für den Sonntagsveekehr der Bauern nach der Stabt wünscht der Vorredner Vergünstigungen. Aber es ist volkswirtschaftlich gar nicht so wünschenswert, daß der Bauer Sonntags nach der Stadt fährt. Daß der Städter Sonntags auf das Land fährt, ist ja erklärlich, aber der Bauer sollte auch Sonn tags lieber auf dem Lande bleiben. Abg. Müller-Sagan (irs. Vp.): ES ist eine merkwürdige volkswirtschaftliche Ansicht, daß der Bauer Sonntags nicht in die Stadt soll. Das Haus dürfte hierin anderer Ansicht sein und beiderseitige billige Sonntagsbillets erwüuschen. Redner ver langt sodann mehr Wagen für den Verkehr zwischen Straßburg und Berlin. Gegenwärtig seien die Wagen stets überfüllt. Was die Ausführungen Schlumbergers über die Lage der Arbeiter betreffe, so sei er auch von diesen eigentümlich berührt worden. Das Streben nach weiteren Lohn- und Gehalts verbesserurgen dürfe man den Eifenbahnangestelltc» nicht verwehren. Abg. Graf Stolberg (kons.) entgegnet auf letztere Ausführungen, erst müßten Gütertarifherab setzungen erfolgen, ehe zu Personentarifrssornen ge schritten werden könne. Der Resolution Schlum berger könne er unter gewissen Vorbehalten z»- stiwmen. Abg. Graf Oriola (nat.-lib.) nimmt seine» Fraktionsgenoffen Schlumberger gegen den Vorredner in Schutz, tritt für die vierte Wagenklasle ein und Sukcrt sich sodann außerordentlich ab Sllig über die V-Züge. Namentlich die Damen sähen sich in de» O-Zügen unaemein schlecht aufgehoben. Die Sauder, leit in der Waschgelegenheit und anderen Oertlich- keiten lasse lehr zu wünschen übrig. Abg. Vonderscheer (Els.) verlangt Ver billigung der Sonntagskarten. Abg. Prinz Carolath (nat.-lib.) schließt fie ber scharfen Kritik Oriolas an den O.-Züqm an. Er habe schon im Vorjahre eine Wiederholung der Katastrovhe von Bischweiler vorausgesagt, die dan» auch leider in Offenbach eingetreten sei. Staatsminister v. Thielen: Zwischen dem Offenbacher Unglück und den V-Zügen besteht aar kein Zusammenhang. Die O-Wagen haben das Unglück nicht verschlimmert, sondern vielmehr abge schwächt. Das liegt daran, daß die O-Wagen wider standsfähiger sind. Ueberall seien die l) Züge ein geführt. In der Ausstellung in Paris habe er über haupt keine anderen Wagen gesehen als O-Wagen nach unserem Muster. Seien denn etwa alle Techniker auf den Kopf geschlagen?! Die Stanae vor dem Fenster, d. h. vor dem Profil des Fensters lei ihassöchlich jetzt beseitigt. In einer zu dem Zwecke eingelegten Kommission würden übssgens alle ein schlägigen Fragen, >o auch ob Thüren einmscue» seien, gründlich erörtert werden. Was die elekui'che Beleuchtung anlange, so glaube er ja, daß diese später auf die Dauer zur Her' chatt gelangen werde. Darin stimme er dem Prinzen Carolarh bei, daß in Dingen, wo es sich um die Sicherheit handle, niemals finanzielle Rücksichten mitsprechen dürfen. Es komme nur daraus an, ob man überzeugt sei, an die Stelle des Bestehenden wirklich etwas Besseres zu setzen. Nach einigen kurzen Bemerkungen der Abgq. Werner (Antis.) und Niss (Els.) schließt die Tiskulsion. Der erste BesoldungSlitel wird genehmigt, die Resolutionen der Kommission angenommen, ebenso die Resolution Schlumberger. Bei der Position „Betriebsmaterialien" hat die Kommission oOO OOO Mk. abgesetzt in der Erwartung einer ent sprechend billigeren Kohlenbeschaffung. Minister v. Thielen kann diele Erwartung nicht teilen und bittet, den Titel in der von der Regierung eingestellten Höhe zu bewilligen. Der Minister bemerkt dabei u. a., daß er für den Koblen- transport, weil er die Kohlen andernfalls „gemischt" erhalten würde, dem Eisenbahntransport den Vorzug vor dem billigeren Wasserwege gebe. Im Laufe einer kurzen Debatte über den Titel äußert Abg. Graf Kanitz (konf.), er freue sich, daß der Eisenbahnminister dem Bahnwege den Vorlug vor dem Wasserwege gebe. Hoffentlich erinnere sich der Minister dessen auch bei den Verhandlungen im Abgeordnetenbause über den Kanal. "Nach weiterer unweientlicher Debatte wird der Titel in der von der Kommission vorgeschlagenen Höhe bewilligt. Nach Erledigung deS Ordinariums vertagt stch das Haus. Preußischer Kandtag. Das Abgeordnetenhaus setzte am Montag die Beratung des JustizetatS fort. Beschwerden über Ueberlastung der Richter in Berlin und das Ver lange» nach einer Vermehrung der NichKrstellc« fanden beim Minister Schönstedt kein Entgegen kommen. Ein Antrag Letocha (Zentr.) betr. Besser stellung der Amtsanwälte wurde abgelehnt. Eine Anregung des Abg. Nadbyl (Zentr.) betr. Anstellung von Stenographen zur Proiokolltührung bei den Gerichten, wurde vom Minister Schönstedt ablehnend beantwortet. Am Dienstag beendete das Abgeordnetenhaus die Beraiung des JustizetatS bis aus einen, den Neubau des Gerichtsgefängnisses in Hannover be treffenden Titel des ExtraordiuariumS, der an die Budgetkommission zurückging. Den breitesten Raum in den Erörterungen nahmen die Uebelstände des Gerichtsvollzieherwesens ein. Usn Ual, und Fern. as Völkerschlachtnationaldcnkmal g sind bisher im ganzen über 286 000 egangen. KeimaLlos. LL) Roman von C. v. Zell. isslubä Graf Joachim hatte kaum mit der Wimper gezuck!, als er Tobbis Pistolenlauf auf seine Brust gerichtet sah; aber er hatte sich sofort sebst schußbereit gemacht. Als er jedoch bemerkte, welche Wandlung in Tobbis Seele vorg ng, als er Lenens Ver- zweiflungs chrci, ihre angstvolle Fürbitte ver nahm, da ließ er den Kolben seiner Büchse langsam zur Erde gleiten. Aber er verwandte keinen Blick von dem, der soeben noch sein Leben bedroht halte. „Elender," murmelte er zwischen den Zähnen, „so weit hättest du dich nicht vergessen dürfen, wenn dir auch bitteres Unrecht durch mich zuge fügt zu sein scheint!" Graf Joachim fuhr mit der Hand über die Augen, als wolle er ein unangenehmes, schmerzliches Bild verwischen. „Wir sind nun quitt," sagte er dann ruhig. „Inwieweit ich persönlich an Eurem Unglück schuld gewesen bin, das wird sich jetzt nur schwer noch feststellen lassen, da der Amtmann Zehrmann es allein weiß, in welcher versöhn lichen Weise ich mich wiederholt über Eure — allerdings unbefugte — Ansiedelung auf mir gehörendem Grund und Boden ausgesprochen habe. Mein früherer Bevollmächtigter, der sich meines Vertrauens in mehr als einer Hinsicht unwürdig erwiesen hat, ist aber kaum noch zur Verantwortung zu ziehen, weder in dieser noch in mancher andern Angelegenheit. Ueberlassen wir auch in diesem Punkte das Rächeramt ruhig dem ewigen Richter! ... Ich aber will Euch das Versprechen geben, nach Kräften wieder gut zu machen, was Euch Unrechtes geschehen ist, Ihr mögt daraus ersehen, daß Zehrmann, gegen meinen ausdrücklichen Wunsch, in schroffster Weise mit Euch verfahren ist. Der Vorwurf, den ich mir zu machen habe, ist der, m ch um Eure Angelegenheit nicht eingehender bekümmert zu haben. Ich hatte den mir nicht so wichtig erscheinenden Fall leider aus den Gedanken ver loren, nnd Zehrmann wird vermutlich seine guten Gründe gehabt haben, mich nicht daran zu erinnern. Aber weil wir beide — Ihr und ich — ein Unrecht, gegen einander begangen, zu bereuen haben, eben darum sage ich: wir find nun quitt! Seid Ihr zufrieden, Tobbi Dvor- tschack?" Tobbi hatte längst schon seine alte Schuß waffe von sich geschleudert, als sei sie ein ekles Reptil. Jetzt aber ries er mit überströmenden Augen, die Hand des Grafen ergreifend: „Dank, Dank, Herr! Ihr gebt mich mir selbst wieder. Ich fühle es, daß noch nicht aller Gute in meiner Seele erstorben ist. Der Gerechtigkeit die Ehre! Nicht der Amtmann Zehrmann allein ist schuld daran, daß es mir schlecht erging. Ich reizte ihn durch Wort und That; ich widersetzte mich seinen Anordnungen, ich warf ihn sogar zum Hause hinaus. Er that recht, wenn er sich darüber beschwerte. Und wenn ich bedenke, daß ich mich später so weit vergaß, mich gegen die Vollstrecker des Gesetzes zu vergreifen, so muß ich es bekennen: niemand trägt eine größere Schuld an meinem Unglück als ich selbst! — Aber darum trage ich auch doppelt schwer daran!" „Genug der Selbstanklage," sagte Graf Joachim giftig. „An mir wird es sein, Euch mit dem Leben wieder auszusöhnen. Verlaßt Euch auf mich! Ich gehe jetzt. Aber in Wiesenheim sehen wir uns wieder!" Der Graf eilte mit rüstigen Schritten seiner Heimat zu. Kaum zehn Minuten später aber erschien an dem Waldrande, dort wo Tobbi und die Seinen Halt gemacht, ein Knecht auf einem derben, vollständig anfgeschirrlen Acker gaul, der die Strecke von Wiesenheim bis hierher im raschesten Laufe hatte durchmessen müssen. Das Pferd wurde vor den Dvortschackschen Karren gelegt, und kurze Zeit darauf befanden sich die Heimatlosen auf Schloß Wiesenheim, wohlgeborgen, gehegt und gepflegt, nicht als ob sie nur Schutzbefohlene, sondern als ob sie Gäste des Hauses seien. Gräfin Emma hatte im Erdgeschoß zur Seite der Küchenräume ein großes, wohnlich eingerichtetes Zimmer für Tobbi und die Seinigen öffnen lassen. Sie selbst aber kam herab, um sich zu überzeugen, ob es auch an nichts fehle für ihres Gemahls Schützlinge, deren Schicksale Graf Joachim mit so warmer Teilnahme ihr geschildert halte. Tobbi und Lene wußten kaum, wie ihnen geschah. „Jst's nicht wie in einem Märchen?" fragten sie sich. „Wer hätte vor einer Siunde gedacht, daß wir heute noch, anstatt in unserem elenden Karren, in einem großen Schloßgemach nächtigen würde»?* „Aber morgen?" fragte Tobbi, in dessen Brust fortwährend die widerstreitendsten Empfin dungen aus und ab wogten. „Wenn wir nun morgen wieder hinaus müssen in Wind und Welter? Ohne Plan, ohne Ziel! Genau so wie immer. Lene, Lene, ich ertrüge es nichts Das junge Weib schaute sorgenvoll darein und doch brachte fie es fertig, zu beruhigen und zu trösten. „Tobbi," sagte fie, „warum verzweifeln, wo uns zum ersten Mal ein Schimmer von Hoff nung aufgegangen ist? Der Grat ist so gütig; er wird uns gewiß nicht gleich wieder von sich stoßen! „Ich will Euch mit dem Leben wieder aussöhnen!" hat er gesagt. Wir wollen ihm verlrauen, Tobbi." Die Zuversicht der jungen Frau sollte nicht zu schänden werden. Schon am folgenden Morgen ließ Graf Joachim Tobbi zu stch a»f sein Aibeitszimmer entbieten. „Tobias Dvortschack," sagte er gütig, „Eure Heimat ist Euch geraubt worden, und da ich mir eine gewisse Mitschuld daran zuzuschreibev habe, so bedünkt mich's, als käme es mir zu, Euch zur Begründung einer neuen Heimat br« Hisslich zu sein. Mein Rentmeister hat mir mit geteilt, daß Ihr Euch auf der Palwenkate nicht nur den Ruf eines braven Menschen, son- - dcrn auch eines tüchtigen Laudmannes erworben habt. In d'eser Eigenschaft könnte ich Euch eine gute Stellung anbieten. Auf einem meiner Vorwerke ist der Platz des Howerwaliers frei; Ihr würdet dort ein angemessenes Gehalt be kommen ; dazu eine hübsche kleine Wohnung mit Garten und Wiese. Wollt Ihr diese Steüuu- annehmen?" ,
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