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Allgemeiner Anzeiger : 02.02.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190102021
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
-
Monat
1901-02
- Tag 1901-02-02
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Monat
1901-02
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 02.02.1901
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Wechselfälschungen. Der erste Vorstand des Gemeindekollegiums von Kempen, Haupt mann Heinrich Walde, ist wegen Wechsel fälschungen verhaftet worden. Der jüngst fallierte Ziegcleibesitzer Gromann bei Kempen erschoß stch, als er ebenfalls wegen Wechsel- fälschungen verhaftet wurde. Die beiden Fälle stehen übrigens nicht im Zusammenhang. Der Naturmensch Nagel. Der in letzter Zeit vielgenannte Naturmensch „gustav nagel" hielt dieser Tage seinen Einzug in Apolda. Der Zulam zu diesem sonderlichen Manne ist ein derartiger, daß er mit seinem Erlös an Post karten, welche sein Bild tragen, sowie dem Ab satz seiner Lebensbeschreibung wohl zufrieden sein mag. Bei dem in Apolda herrschenden Schneetreiben ging er fröhlich barfuß spazieren, von einer großen Kinderschar gefolgt. Wieder ein unehrlicher Kassierer. Wie in einer Versammlung der Steinetreiber Leipzigs festgestcllt wurde, hat deren bisheriger Ver trauensmann Papsch nicht nur die Kasse und Kassenbücher sehr unordentlich geführt, sondern auch seine Arbeitskollegen nm etwa 1500 Mk. ihm anvcrtrauter Gelder betrogen. Die Ver sammelten kamen dahin überein, die Angelegen heit zunächst mit Hilfe des Hauplkassierers in Hamburg festzustellen und die Sache dann der 'Staatsanwaltschaft zu übergeben. Ein Totschlag wurde in einem Eisenbahn abteil auf der Strecke Köln—Hannover, kürz vor der Station Vorhelm, verübt. Zwischen drei betrunkenen jungen Leuten kam cs zu Streitigkeiten. Als einer der drei zum Messer griff und seinem Genossen einen Stich in den Oberschenkel versetzte, antwortete der Gestochene mit einem so wuchtigen Stockhiebe über den Kopf des Angreifers, daß dieser bewußtlos zu Boden stürzte und nach wenigen Augenblicken starb. Ueber ein furchtbares Brandunglück in Krüth (Elsaß) wird berichtet: Am Dienstag abend brach im Hause des Matthias Fries Feuer aus. Im selben Hause wohnte eine Familie Böglin. Das Feuer griff außerordentlich schnell um sich. Die Familie Böglin konnte sich noch rechtzeitig retten, während der 82 jährige Fries und seine 72 jährige Frau in den Flammen den Tod fanden. Das Haus stand dreiviertel .Stunden vom Dorfe entfernt, ganz abgelegen ans dem Berge. Als die Feuerwehr ankam, war dasselbe gänzlich niedergcbrannt, und cS konnte nichts mehr gerettet werden. Am andern Morgen fand man unter den Trümmern die verkohlten Leichen der beiden alten Leute. In großer Gefahr schwebten vor einigen Tagen die Passagiere des von Budapest über Waitzcn nach Sillcin verkehrenden Personen zuges. Vor der Station Perbete passierte eine große Herde Ochsen das Geleise, als der Zug herangcbranst kam und mit unwiderstehlicher Kraft die lebendige Mauer durchbrach. Nicht weniger als acht Ochsen wurden von der Loko motive etwa 100 Vieler weit geschleift. Es ist ein besonderes Glück, daß der Lokomotivführer nicht nnt Volldampf fuhr und daher rechtzeitig bremsen konnte; sonst wäre der Zug sicher entgleist. Die Lokomotive ist schwer beschädigt worden, die Passagiere aber kamen mit dem Schrecken davon. Tas „Verschließen des Towers" ist eine jener mittelalterlichen Zeremonien, welche wit jedem Thronwechsel in England untrennbar verbunden und deshalb auch diesmal mit der gebotenen Feierlichkeit beobachtet worden sind. Es wird darüber berichtet: Zur Vornahme der Zeremonie des Verschließens des Towers ging am Freitag kurz vor 11 Uhr der Hauptwächter in seinem langen, roten Nock mit einer Laterne und einem andern Neoman zum Wachthause und rief: „Eskorte, Schlüssel'" Der Sergeant Mil der Wache kam heraus und eskortierte oie Wächter zum äußeren Hanptthor. Jede Schild- wache, die sie passierten, rief: „Wer geht da?" Die Antwort war jedesmal: „Schlüssel." Nach dem der Nachtwächter das Thor verschlossen hatte, kehrte der Zug unter denselben Anrufen und Antworten zurück. Bei der Hauptwache riet nun die Schildwache: „Wer geht da?" Die Antwort lautete wieder: „Schlüssel." Schild wache: „Wessen Schlüssel?" Antwort: „König Eduards Schlüssel." Schildwache: „Geht vor wärts. König Eduards Schlüssel und alles ist wohl!" Hierauf sagte der Nachtwächter: „Gott erhalle König Eduard." Der Hauptwachmamr antwortete: „Amen!" Die Wache präsentierte, der Offizier küßte den Knauf seines Schwertes, die Eskorte und die Wache traten ins Wacht- lokal ab und der Hauptwächter mit der Laterne schritt allein durch die dunklen Gänge zurück und übergab nun dem Gouverneur des Towers den Schlüssel. Reichen Klang des Goldes für den Klang musikalischer Harmonien erhielt Doktor Volkland in Basel, der Leiter der großen Abonnements-Konzerte und Dirigent der Lieder tafel. Seit 25 Jahren wirkt er in Basel, dessen Universität ihm und gleichzeitig auch dem Komponisten Hans Huber schon 1892 den Titel eines Ehrendoktors verliehen hat. Vor einigen Tagen feierte Dr. Volkland mit seinem Benefiz- Konzert das Jubiläum seiner 25 jährigen Thätig- keit in Basel, und bei diesem Anlaß überraschten ihn seine Verehrer mit einer Gabe, die besser ist, als der rasch verwelkende Lorbeer, nämlich mit dem schönen Barbetrag von mehr als 60 000 Frank. Der Mörder des Gouverneurs der Provinz Luxemburg ist, wie aus Arlons ge meldet wird, ein Angestellter der Provinzial- regierung, welcher mit dreimonatigem Urlaub nach Paris gereist, aber zurückgekehrt war. Man glaubt, daß er die That in einem Anfall von Geistesstörung beging. In Monte Carlo wurde der Leichnam eines Deutschen, Bernhard Brunsch (?) aus dem Meer gezogen. Der Unglückliche, der aus Gesundheitsrücksichten an der Riviera weilte, hatte sich zum Spiel verleiten lassen und fast sein ganzes Vermögen verloren. In Warschau sind jetzt zwanzig Motor droschken in Dienst gestellt worden. Der Fahr preis stellt sich bedeutend billiger, als der ge wöhnlicher Droschken. Eine Geschichte von furchtbaren Leiden, denen neunzig Mann zum Opfer fielen, wird ans Beludschistan berichtet. Eine Gesellschaft von hundert Händlern aus Beludschistan war mit einer großen Karawane von Kamelen und mit vielen wertvollen Waren nach Afghanistan gezogen. Sie fielen in die Hände einer Bande von afghanischen Räubern, die sie aller ihrer Güter beraubten und ihnen auch alle Nahrungs vorräte fortnahmen. Dann schlugen sie sie mit Speeren und trieben, sie aus dem Gebiet des Emirs aus. Als die unglücklichen Händler nun in ihr Land zurückkehren wollten, verirrten sie sich in der Wüste zwischen Kandahar und Besinn. Fünf Wochen wanderten sie umher und litten entsetzlich unter Hunger und Durst. Nachdem ihr letztes Kamel getötet war, wurden viele verrückt und bis auf zehn starben alle nach einem furchtbaren TodeSkampf. Die Ueber- lebenden kamen in jämmerlicher Verfassung nach Peshin. Ihre Hände und Kniee waren völlig aufgcriffen; denn da sie schließlich uwähig waren zu gehen, waren sie die letzten 12 Meilen ihrer schrecklichen Reise gekrochen. GerichtsssnUe. Charkow. Ein sensavamtier Raubmordprozeß fand nach 12 tägiger Verhandlung, zu welcher über 300 Zeugen geladen waren, vor dem hiesigen Mili- tärbenrk-gericht feinen Abschluß. Acht Mitglieder der Bande, weiche jahrelang in ganz Südrußland zahl reiche Mord- und Nanbthaten verüble, wurden zum Tode durch den Strang, drei zu 15 Jahr Zwangs arbeit in Sibirien verurteilt. Sämtliche Verurteilte sind Zigeuner. Kaiser Wilhelm in England. Wie der ,Allg. Ztg/ aus London geschrieben wird, ist über das Auftreten Kaiser Wilhelms nur eine Stimme der freudigen und dankbaren Anerkennung, und im Publikum bewundert man seine frische energische Erscheinung und sein ge sundes Aussehen. Er hat sich die Herzen aller im Sturm erobert. „Ich bin meiner Groß mutter ältester Enkel, und meine Mutter ist durch Krankheit verhindert, au ihr Bett zu l steigender Engel, die bis zur Spitze des Doms reichen, trennen die Decke in mehrere Abteilun gen. Der Dom wird aus acht Fenstern aus bemaltem Glas beleuchtet. Hängelampen in Brcnze und Gold, ein Geschenk des jetzigen Königs Eduard VII., hängen von den Decken der Querschiffe. In der Mitte des Gebäudes, dessen Fußboden von poliertem Marmor ist, er hebt sich genau unter dem Dom, auf einem Untersatz von schwarzem Marmor, den der König von Belgien gestiftet hat, der mächtige Sarkophag von grauem schottischen polierten Granit mit den Ueberresten des Prinzen Albert. Auf jeder der vier Ecken kniet ein Engel mit gefalteten Händen und ausgestreckten Flügeln, in Bronze gegossen von Baron Marochetti. Auf der rechten Seile des Deckels liegt aus weißem Marinor gemeißelt das Bild des Prinzen Albert in Lebensgröße in Uniform eines Feldmarschalls; die linke Seite hat sich die Königin ,ür ihr eigenes Bild freigehalten. Oft ist die Königin nach diesem Denkmal gepilgert. In der Um gebung des Mausoleums befinden sich ebenfalls der Bungalow, ein niedriges Gebäude mit einer schönen Veranda, wo die Königin häufig ihr Frühstück einnahm, falls sie es nicht vorzog, an heißen Tagen im Freien unter den mächtigen Eichenbäumen zu speisen, die der Ucberlieferung nach zur Zeit der Kreuzzüge gepflanzt wurden. Die Gärten von Frogmore sind ihrer Schönheit wegen weltberühmt; sie haben eine Ausdehnung von ungefähr fünfzig Acres und verdanken ihre hohe Kultur den Bemühungen des Prinzen Albert, der ein verständnisvoller Gärtner war. O mein Herr, Sie wissen Sie. . Ausreden lassen! „Mein Fräulein, ich Gemeinnütziges. Nähmaschinen im ungeheizten Zimmer. Allen Besitzerinnen von Nähmaschinen ist zu raten, dieselben während des Winters nie in einem ganz kalten Zimmer stehen zu lassen und unter den heruntergelassenen Stoffdrücker stets ein Flickchen zu legen. Kortstöpsel zu verbessern. Man tauche die Stöpsel in eine Msschnng von zwei Teilen weißem Wachs und einem Teil Nindstalg, beides zusammen geschmolzen, und trockne sie un mittelbar nachher im Ofen auf einer eisernen Platte. Wiederholt man dies zweimal, so kann man mit diesen Stöpseln Wein und dergl. auf bewahren, ohne daß er einen , ungenehmen Ge schmack davon bekommt. Die letzte UnheMte der Königin Viktoria. Unweit Schloß Windsor, anstoßend an den kleinen Park, befindet sich Frogmore mit dem Mausoleum, in welchem die sterblichen Ueber- reste der Königin Viktoria neben denen ihres Gatten bestattet werden. Frogmore mit seinem Palast enthält viele Erinnerungen an das Königshaus. Königin Charlotte kaufte das Ge bäude im Jahre 1800 und es wurde dem da maligen Prinzen von Wales als Wohnhaus angewiesen, während das Königspaa: in Schloß Windsor wohnte. Nach dem Tode des Prinz- Gemahls Albert des Guten ließ die Königin Viktoria zur Aufnahme seiner Ueberreste in mitten der Gesträuche und Bäume und umer dem düsteren Schalten der Cypreffen einen Grabestempel erbauen, der als das Mausoleum bekannt ist. Dorthin wurde die Leiche des Prinzen im Dezember 1862 aus dem zeitweili gen Grab überführt. Das ' Mausoleum mit seinen herrlichen Verzierungen hat über 200 000 Pfund gekostet, die aus der Privatschaiulle der Königin flossen. Der Grundplan Hal die Form eines griechischen Kreuzes, über dessen Mitte sich ein 70 Fuß hoher Dom erhebt. Die vier Querfchiffe zweigen nach Norden, Süden, Osten und Westen ab. Die Bleite und Länge des Gebäudes sind ebenfalls genau 70 Fuß. Im Erdgeschoß befinden sich die Grabgewölbe. Während das Gebäude von Außen dein Auge durch seine Einfachheit auffällt, ist das Innere reich und prunkvoll ausgestattet. Eme Kranil- treppe führt zu einer Säulenhalle binauß die von Granitsäulen getragen ist und einen bronze nen Engel an jedem Ende hat. Dr. Salviati hat die Decke aus venezianischem Mosaik bcr- gestellt. Ueber dieser Decke und umer dem königlichen Wappenschild befindet sich aut eherner Platte die lateinische Inschrift, die besagt, daß Königin Viktoria dieses Grabmal dem Prinzen Albert zu Ehren errichtet hat, und daß sie hier ebenfalls ruhen will und mit ihrem Gatten in Christo aufzuerstehcn hoffe. Aus der Säulen halle tritt man durch eine eherne Doppelthür in das östliche Querschiff; das Innere des Ge bäudes ist ein wundervolles Kunstwerk, die Mauern find bedeckt mit prächtig geformten Marmorplatten, mit Basreliefs und herrlichen Kuntes Allerlei. Neber Wahlvorgänge in Württemberg wird aus Stuttgart berichtet: In der Ab geordnetenkammer erzählte der Minister des Innern v. Pischek bei Besprechung der Ge meindewahlen: In Balingen sei diesmal bei der Bürgerausschußwahl kein einziger Wähler erschienen, ebenso in Murrhardt. In einem Ort des Bezirks Roltenburg wähle seit vielen Jahren nur der Polizeidiener (Heiterkeit), und der wähle jedesmal nur Leute aus der aller nächsten Umgebung des Rathauses, damit er bei seinen Nmtsgängen zu den Mitgliedern des Kollegiums nicht weit zu gehen habe. (Stürmische Heiterkeit im Hause und auf den Tribünen.) In einem anderen Ort sei eine Verschwörung gewacht woroen, die zur Folge hatte, daß aus schließlich Schneider gewählt wurden. (Stünmsche Heiterkeit.) wohl nicht, ich bin ganz arm!" ,— „Sie ließen mich nicht ausreden; ich wollte sagen: ich liebe Sie nicht!" — „Schade, ich hätte gern meine zehn Millionen mit Jbnen geteilt!" — „Sie liefen mich wieder nicht zu Ende sprechen: ich mem:e: ich liebe Sie nicht Jires Geldes wegen. . ." — „O, das ist hübsch von Ihnen: da-, war ja bloß ein Scherz von mir, das mit den zu n Millionen, ich bin ganz arm! " -Höchste Naivetät. Heruntergekommener Baron (nach Schluß der Tafel zum Gastgeber): „Bitte, leihen Sie mir 10 Mart!" — Gafr- eflen." Dieser Ausspruch unseres Kaisers ist zugleich auch ein tragisches Moment in diesem historischen Drama. Ich kann Ücker den Ein- druck, den das plötzliche Hierhereilen des Kaisers auf das englische Voll gemacht hat, kein besseres Bild geben, als indem ich den Kommentar eines hiesigen Organs der öffent lichen Meinung hier anftchre: „Die Ankunft des Kaisers," so wird gesagt, „ist ein rührender Beweis der Achtung Europas für die Königin Viktoria. So eng auch die Bande der Bluts verwandtschaft sein mögen, die ihn persönlich an unsere königliche Familie binden, so ist er doch nicht als Privatperson hier. Er kommt nicht einfach als der Enkel der Königin, son dern als das Haupt seines Hauses und als der Kaiser des deutschen Volkes. Auch legt er Zeugnis ab von seinem Mitgefühl und seiner Freundschaft für das englische Volk, und zwar in einem Augenblick, wo das Schicksal uns harte Prüfungen auferlegt. Daß Kaiser Wil helm II. die Ausübung seiner mannigfachen Pflichten in seinem großen Reiche so plötzlich unterbricht, ist keine leichte Sache — besonders, da es sich ereignete, daß die Nachricht von der Krankheit der Königin mitten während der Zweihundertjahrfeier des preußischen König reichs eintraf. Der Kaiser spricht stets als ein Mann, der ein warmes Herz hat. Seine gegen wärtige That wird nicht ohne Eindruck auf ein Volk bleiben, dem er oft Kopfzerbrechen bereitet und das er zuweilen verletzt hat. Wir Eng länder wissen eine aufrichie Bekundung de^ Mitgefühls und der Freundschaft zu schätzen? Es wird für England und für Deutschland sich als bedeutungsvoll erweisen, daß ihre Herrscher Hand in Hand an demselben Kranken bett gestanden haben." geber: „Aber wozu denn?" — Varon: „Nun Freskogemäldcn. Die himmelblaue Decke ist — ich muß doch Ihren Leuten ein Trinkgeld mit goldenen Sternen besäet, und Reihen auf- t geben!" jeden Augenblick wieder aufflwgen zu müssen. Kann sie uns jeden beliebigen Tag auf kündigen — so können wir natürlich desgleichen Hun! ...» »Werden das aber bleiben lassen," schloß der Hausherr die etwas erregte Auseinander setzung seiner Hausfrau. „Die Lene ist, da die Grille krank wurde, uns wie gerufen ins Haus yeiallen. Gerade jetzt bei der Ernte und bei den vielen auswärtigen Gästen, die zum Kram- und Vichmarkt in die Stadl herein kommen, wie hätten wir ohne das Mädchen fertig werden sollen? Und ich denke, die Lene wird schon bleiben, wenn sie ficht, daß sie es gut bei uns hat." Das Mädcken ging den Tag über der Haus frau füll, fleißig und geschickt zur Hand. Abends aber, wenn die Honoratioren des Städtchens — die schon zuvor erwähnten Anwälte und Richter — in lhrenr „Separatzimmer" zusammenkamen, bei Tabak und Bier die neuesten Tagesereig nisse durchzusprechen, auch wohl, um Domino, Skat oder sonst ein solides Spiel miteinander zu spielen, da hatte Lene die Bedienung der 'Herren zu besorgen. Die R chler, die damals vor mehr als fünf Jahren aus Lenes Aussage hin den Tobias Dvo tschack ircigesprochen hatten, waren längst nicht mehr bei dem kleinen Kreisgericht beschäf- tigl und wenn es auch noch dieselben gewesen wären, schwerlich hätten sie sich noch der Ge- sichlszüge jener Zeugin erinnert. Die Lene aber hatte den Herrn und die Frau Blanken stein beschworen, ihren Namen nicht zu nennen und beide hielten getreulich Wort. Es behagte den Gästen des Hauses samt und sonders sehr wohl, anstatt von der alten Gritte, mit dem unschönen, knochigen Gesicht und dem zahnlosen Munde, von einem so schmucken Mädchen bedient zu werden, deren Würde und Anmut Achtung, fast möchten wir sagen Ehrerbietung abnötigten. Die Lene ihrerseits aber war froh, daß man ihr diesen Posten anvenraut hatte. Tag für Tag hörte sie nun über Tobbis Beziehungen, Verhältnisse und Aussichten sprechen. Er war durch richterlichen Spruch zu dreimonatlichem Ge ängnis verurteilt worden; man hatte dabei mildernde Umstände geltend gemacht! Da konnte sich die Lene an den Fingern abzählen, an welchem Tage er frei kommen mußte; die Stunde wollte sie schon erfahren, das war das wenigste. Der Prozeß, den Zehrmann ange strengt, ging inzwischen ebenfalls seinen Gang und die Einzelheiten desselben wurden im „Separatzimmer" ost mit stark erhobenen Stimmen angeführt nnd streitige Punkte bis zur Erhitzung der Gemüter erörtert. Der Buchstabe des Gesetzes sollte vor allen Dingen sein un wandelbares Recht behalten — so meinten die einen, die andern verflochten in ihn hinein gern Ihre ideelleren Grundsätze und ihre humaneren Gesichtspunkte. Es ging oftmals scharf her bei diesem Aufeinanderplatzen der Geister. Je all täglicher und uninteressanter im allgemeinen die Verhandlungen in den Gerichtssälen der kleinen Kreisstadt waren, um so farbenreicher und glänzender hob sich der vorliegende eigentümliche Klagefall gegen den sonst Grau und Gian ab getönten Hintergrund des Gerichtslebens ab. Natürlich vermochte Lene den Auseinander setzungen der Herren nicht immer zu folgen, die oft in spitzfindigen Wendungen und mit haar scharfen Unterscheidungen das Recht unbedingt aui der Seite ihrer persönlichen Ansicht finden wollten; aber sie hörte trotzdem mit einer an Andacht grenzenden Aufmerksamkeit zu, wenn von der Palwenkate, vom Amtmann Zehrmann und besonders, wenn von Tobbi die Rede war! Eigentlich schelten that keiner auf diesen — das hatte die Lene bald herausgefunden. Der Amtmann und auch sein Herr, der Graf von Kraruburg, kamen im Urteil der Herren viel schlechter fort als Dvortschack, von dem stets mehr im Tone des Bedauerns als des Un willens gesprochen wurde — und wie Wohl that das dem Herzen des armen Mädchens! Daß der Graf von Krautburg nicht auf seinen Besitzungen weilte, erfuhr sie auch aus dem Munde der Honoratioren im Separat zimmer. Er war augenblicklich Sekretär der preußischen Gesandtschaft in Madrid. Freilich — das war weit ab und der ab scheuliche Zehrmann hatte freie Hand, zu thun oder zu lassen, was ihm beliebte. So kam der Tag heran, an dem Tobbi aus dem Gefängnis entlassen werden sollte. Lene wußte sogar die Stunde. Als sie herannahte, litt es sie nicht länger im Hause. Sie sagte, sie habe Kopfweh, ihr sei so angst ums Herz, sie müsse hinaus in die freie Lutt! Und gewiß sprach sie die Wahrheit. Es pochte ihr in den Schläfen wie in einem Hammerwerk, und Brust und Hals waren ihr wie zugeschnürt. Der frühe Abend eines düstcrn Herbsttages hatte sich bereits eingestellt. Aus der Thür des großen, kasernenartigen Kreis - Gefängnisses schwankte ein bleicher Mann heraus. Scheu und finster blickte er sich um, froh, daß niemand auf ihn zu achten schien. - In seiner Rechten trug er einen Knotenstock, in der Linken ein Bündel mit Kleidern — sein ganzes Besitztum. Dvortschack hatte den Prozeß verloren; die Palwenkate war dem Grafen Krautburg rechts kräftig zugesprochen worden. Die rückständigen Pachtgelder, vorzugsweise aber die Gerichts kosten verschlangen außerdem so ziemlich alles, was Tobbi besaß. Lene wußte das. Die Herren im Separatzimmer hatten es gesagt. Was sollte der Tobbi nun beginnen? Eine furchtbare Ahnung sagte ihr, wie es in seinem Herzen aussehen müsse. Geräuschlos folgte sie dem mitten auf der Straße gesenkten Hauptes Dahinschleichenden im dunklen Schatten der alten kleinen Häuser, welche die einzige breite Straße der Stadt zu beiden Seiten einsaßten. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, gleichviel wohin sie trat auf dem schlechten Pflaster dieses Bürgersteiges mit seinen vielen Höhen und Tiefen. Die selten belebte Straße war heute völlig menschenleer und öde. Nur an den Kreuzungs- punkien hinter verstäubten Lalernengläsern brannten trübe Oellämpchcn. An dicken geteerten Stricken hingen sie über der Straße fort, auf- und abwindbar durch ein knarrendes Räderwerk, das in einem läirglichen Holzkasten eingeschlossen war. H,s (Fortsetzung folgt.)
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