Suche löschen...
Allgemeiner Anzeiger : 23.01.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190101232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id181900449X-19010123
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010123
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
-
Jahr
1901
-
Monat
1901-01
- Tag 1901-01-23
-
Monat
1901-01
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 23.01.1901
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Könitzer Kleiderfunde. Die Auf findung der Kleidungsstücke des ermordeten Winter hat naturgemäß zunächst die Wirkung gehabt, daß die Empörung über die Frechheit der Mörder zumal bei der näherstehenden Be- dölkerung von neuem entfacht ist. Man hat in dem Vorgehen der Mörder oder ihrer Hester eine offene Verhöhnung der Behörden erblickt. Von anderer Seite ist dann versucht worden, «ach anderer Richtung hin Schlüsse zu ziehen. Aus Angst vor Entdeckung habe sich der bis herige Inhaber der Kleidungsstücke ihrer ent ledigt, offenbar habe ei über keine Feuerstelle vernügt, um sie zu vernichten. Nun leben wir aber doch nicht in einer tropischen Kolonie! Es ist eine ganz unmögliche Annahme, daß jemand, selbst unter besonders ungünstigen Umständen, wir bei gemeinsamer Wohnungsbenutzung, nicht die Möglichkeit gehabt haben sollte, innerhalb einer Zeit von 10 Monaten jene Kleidungsstücke spurlos aus dem Wege zu schaffen. Aber gläubische Vorstellungen allein erklären den Mord wie die eigentümliche Behandlung des Leichnams, wie endlich die monatelange Auf bewahrung der Kleidungsstücke, die doch auch bei aller Vorsicht immer mit Gefahr verknüpft bli"b. Der große Militärbefreiungs-Prozeß in Elberfeld ist bis zum Mai vertagt worden. Ausrottung der wilden Kaninchen. Die Ortspolizeibehörden des Regierungsbezirks Bres lau find angewiesen worden, ihr besonderes Augenmerk darauf zu richten, daß das Aussetzen wilder Kaninchen verhindert wird. Ebenso soll nötigenfalls darauf gehalten werden, daß wirk same Maßnahmen zur Vertilgung und Aus rottung der Kaninchen getroffen werden. Das Ende vom Liede. Im Zentralhotel in Mainz erhängte sich Donnerstag der wegen Fälschungen flüchtige Direktor Georg Schneioer vom landwirtschaftlichen Kredilverein für Mittel- sranken in Ansbach. Beim Abfeuern von Freudenschüssen beim Bürgermeister-Jubiläum in Willmars hat rin junger Bursche namens Hofmann seinen tLjäbrigen Bruder so unglücklich in den Kopf getroffen, daß der Verletzte kurz danach starb. Im Tode vereint. In Wolfschlugen (Be zirk Nürtingen) starben in der Zeit von zwölf Tagen drei Geschwister, die zusammen 246 Jahre alt wurden und nun nebeneinander im Glnrbe liegen. Zuerst starb die led'ge Schwester, 8S Jahre alt. Der jüngste Bruder, 78 Jahre, verunglückte beim Einsteigen in den Zug bei der Station Neuhausen. Diese Todesfälle machten auf den überlebenden 83 jährigen Bru der einen derartigen Eindruck, daß er an einem Herzschlag starb. Ein tödlicher Unfall auf der Jagd wird «ms dem Kurort Alt-Schmecks der Hohen Tatra gemeldet: Badedireklor Gabos verunglückte dadurch, daß sein eigenes Jagdgewehr losging und ihm die Schrotladung in den Unterleib trieb. Er verstarb nach kurzer Zeit. Boercn-Entbusiasmus. Eine Gesellschaft junger Leute in Paris, enthusiastische Be wunderer der Boeren, fand, daß die Beiträge für die Gefangenen und ihre Familien nicht reichlich genug fließen und zieht nun (es sind ein junges Ehepaar und drei Freunde) in der Stadt herum und musiziert nach dem Vorbilde dsr Schauspielerin Nini Buffet, die für die Armen sang, in den Hosen. Sie trägt die Transvaalhymne und ein Lied „Ehre den Boeren" mit Begleitung einer Violine und einer Guitarre vor und hat ganz stattliche Ein« nahmen. Belohnung. Die Seetransportgesellschaft hat den Rettern des vor kurzem in der Nähe des Hafens von Marseille gestrandeten Dampfers „Russis" 20 000 Frank Belohnung zuerkanut. Das Geld soll unter die Rettungsmannschaften und Zollbeamten, die Arbeiter mehrerer indu strieller Werke sowie die Wächter des Leucht- turms von Faraman verteilt werden. Auch die Regierung über mittelte eine Belohnung an die Beteiligten. Man hofft, die „Rusfie" zu heben. Verschiedene schwere Schiffsunfälle werden wieder gemeldet: Der norwegische Dampfer „Fagerbeim" ist mit der gesamten Be satzung, 20 Mann, an der englischen Küste, umergegaugen. Der englische Damp er „Kai sari" hat bei der französischen Reunion-Insel Schiffbruch gelitten, 25 Personen sind um- gekommen, darunter der Kapitän. — Im Suez kanal ist der Dampfer des österreichischen Lloyd „China" aus Grund gestoßen und versperrt den Verkehr. Im Kanal herrscht ein Orkan. Verhängnisvolle Sptritusexplosion. In der großen Wilsonschen Hut'abrik in Dentona Town zwischen Hyde und Manchester hat eine gewaltige Spiritus-Explosion stallgesuuden, wo durch zehn Arbeiter getötet und etwa zwanzig verletzt wurden. Die Fabrikgebäude sind völlig zertrümmert. Eine Gelbsucht-Epidemie herrscht seit einigen Wochen in Rom. Sie ist den Aerzten unter dem Namen der Weflschen Krankheit be kannt, während man sie in Italien als fieber hafte Ge'bsucht bezeichnet. Das Fieber dauert in der Regel acht bis zwölf Tage und ist, abgesehen von der Gelbsucht, mit Schmer en in den Muskeln und Störungen der Merenthätig- keit verbunden. Bei schweren Fällen find An zeichen von Herzschwäche und Blutergüssen unter der Haut vorhanden, und die Sterblichkeit ist überhaupt ziemlich hoch. Die Aerzte wenden der Epidemie eine besondere Au merksamkeit zu, weil die Entstehung der Krankheit noch gänzlich rätselhaft ist und noch nicht einmal ein sicherer Anhalt für ihre ansteckende Natur besteht. Auch die dabei erscheinende Gelbsucht ist vorläufig nicht zu erklären, da die Gallenwege keinerlei krankhafte Erscheinung zeigen. Acht Zuchthäuser ausgebrochen. Aus dem Zuchlh ruse zu Plock in Rußland sind nach amtlicher Mitteilung am Mittwoch acht Raub mörder ausgebrochen; die Entflohenen sollen sich der preußischen Grenze zugswandt haben. (Ein recht netter Besuch,) Unangenehmes Abenteuer. Der neulich bei Smyrna von Räubern gefangene Franzose Mille ist der Eigentümer des unfern der Stadt gelegenen Bades Bains d'Agamemnon. Er saß mit einem Freunde gerade beim Essen, als ein Räuber, der mit einem Karabiner bewaffnet war, einlrat und Herrn Mille ohne Umschweife mit- teiite, daß der Hauptmann ihn draußen zu sehen wünsche. Mille entgegnete ihm lächelnd, daß er sich forlscheren sollte, worauf der Räuber über seinen Kopf hinweg schoß und einige Se kunden später einen Diener tötete, der seine Pistole auf den Räuber angelegt hatte. Beide Herren standen auf und gingen zur Thür. Draußen fanden sie neun Räuber, die sie in die Mitte nahmen. Ein langer Marsch folgte. Herr Mille, der etwas beleibt und des Gehens ungewohnt ist, keuchte und stöhnte, aber seine Entmhrer waren unerbittlich. Nach sechs Stunden machte man in einer elenden Hütte Halt, wo Mille so lange unter sorgfältiger Be obachtung blieb, bis das Lösegeld, 20 000 Mk., das der Sultan auf energische Vorstellungen der französischen Negierung erlegt haben soll, eintraf. Es ist bisher den türkischen Behörden nicht gelungen, auch nur einen der Räuber fest zunehmen. Von dreihundert Mädchen geküßt! Die australischen Soldaten, die vom Kriegs schauplatz nach Viktoria zurückkehrten, wurden mit der größten Begeisterung empfangen. Die Hauptstraßen waren mit Menschenmassen über füllt. Die Truppen marschierten zu zweien, nur die Offiziere waren beritten. Die Leute stürzten sich auf die Soldaten und umarmten sie stürmisch. Die Veteranen wurden von Küssen halb erstickt. Einige Tasmanier, Queensländer Neuseeländer, die die Viktorier begleiteten, wurden in derselben Weise „angegriffen". Ein Neu-Seeländer, der völlig erschöpft zusammen sank, beichtete, daß mindestens dreihundert Mädchen ihn umarmt hätten. Gerichtshalle. Heilbronn. Anläßlich des 25 jährigen AmtS- jubiläums des Stadtschultheißen Seufferheld von Weinsberg hatten die dortigen bürgerlichen Vereine ein« pompöse Festlichkeit mit Böllerschüssen, einem Kinderfest, Fackelzug und Festbankett geplant, und es sollte der Jubilar in öffentlicher Sitzung durch die Ueberreichung eines Bildes noch eine besondere Ehrung erfahren. Redakteur Ungerer von der.Weins berger Munch wollte nun diesem öffentlichen Akt anwohnen, um darüber berichten zu können. An der Ausführung dieser Absicht wurde er jedoch dadurch gehindert, daß ihn der Vorsitzende jener Sitzung mit Unterstützung des Jubilars unter der Begründung aus dem Saale wies, die Kleidung des Bericht erstatters entspreche nicht dem feierlichen Ernst der Situaaon. Redakteur Ungerer dagegen behauptet, sein Anzug sei von tadelloser Beschaffenheit gewesen und könne keinen Anlaß zur Aergernis gegeben haben. Diese schnöde Behandlung in Verbindung mit einem schon vorher bestehenden gefpanntm Verhältnis quittierte das Blatt durch einen satirischen Artikel, der in kräftigen Strichen das „Fest" glossierte. Redakteur und Verleger wurden daraufhin wegen Beleidigung angeklagt. Die Geschworenen ver neinten die Schuldfrage, was den Freispruch zur Folge hatte. Leipzig. DaS Landgericht Bochum hat am 26. September v. den Metzgermeister Mechlem von der Anklage des Vergehens gegen das Nehrungs- mittelqesetz freigesprochen. Er hatte dem Hackfleisch schweflige Säure zugesetzt und zwar auf 100 Gramm 56 Milligramm. DaS Landgericht hat die Frei sprechung damit begründet, daß der Angeklagte nicht beabsichtigt habe, zu tauchen, sondern nur dem Fleische den Schein derjenigen Beschaffenheit zu be wahren. den das Publikum erwarten durfte. Auf die Reviflon des Staatsanwalts hob das Reichs gericht daS Urteil wegen Verkennung des Begriffs der Verfälschung auf und verwies die Sache an das Landgericht zuruck. Eine chinesische Ketteidsdeputation. Die deutsche Gesandtschaft in Peking war in diesen Tagen der Schauplatz einer chinesischen Kundgebung, die interessante Einblicke in die Anschauungen und das Empfindungsleben unserer gelben Mitmenschen bot. Es war um 11 Uhr vormittags, als eine Abordnung von etwa 20 Chinesen vor der deutschen Gesandt schaft erschien, die nach ihrer Kleidung sämt lich den besseren Ständen angehörten. Zwei deutsch sprechende Zopfträger, früher Mitglieder der Berliner chinesischen Gesandtschaft, waren die Führer der Gesellschaft, unter denen sich mehrere Inhaber des ersten Rangknop es be fanden. Eine chinesische Musilbande machte die Begleitung. Die Mitglieder der Abordnung waren in großer Amlslracht, trugen aber über diesen glänzenden Gewändern Ueberwürie aus durchsichtigem schwarzen Stoff. Damit sollte angcdeutet sein, daß der Zweck ihres Kommens die Verrichtung einer Trauerzeremonie sei. In einer wohlgesetzten Ansprache erklärten sie denn auch, sie kämen als Vertreter der im östlichen Teil von Peking lebenden Chinesen und wären von diesen beauftragt, ihrem tieien Abscheu über die Ermordung deS deutschen Gesandten Frhrn. v. Ketteler Ausdruck zu geben und zur Bekundung ihrer Trauer nach chinesischer Sitte Ehrenschirme und Fahnen an der vorläufigen Grabstätte des verewigten Ge sandten auszustellen. Die Erlaubnis hierzu wurde gewährt, und alsbald begann die Musik den mehr charakteristi schen als wohllautenden Vortrag einer national- chmefischen Trauerhymne, bei deren Klängen die Ehrenschirme und Fahnen feierlich herbeigebracht und an der Grabstätte auigepflanzt wurden. Die Fahnen zeigten die chinesischen Trauersarbrn Weiß, Schwarz und Blau. Die beiden früheren Miiglieder der Berliner Gesandtschaft widmeten dem Ermordeten noch einen riesigen Kranz, der auf einem weißen Traggestell gebracht und am Grabe aufgestellt wurde. Astern, die einzigen Blumen, die es gegenwärtig in Peking gibt, bildeten diesen chinesischen Trauerkranz für unsern toten Gesandten. Nach Aufstellung der Weihgeschenke machten alle Mitglieder der chinesischen Abordnung eine tiefe Verneigung nach der Grabstätte hin. Der Gesandte v. Mumm ließ durch den Dolmetscher Frhrn. v. d. Goltz für diese in würdiger Weise vollzogene Ehrung seines Vorgängers danken. Allein die Aufgabe der Abordnung war noch nicht beendet. Die Chinesen legten vielmehr jetzt die schwarzen Oberkleider ab, und ihre Gesichter, die bis dahin den Ausdruck auf richtiger tiefer Betrübnis getragen hallen, ver zogen sich zu liebenswürdig grinsender Freund lichkeit. Denn nun, so erklärten sie, wollten sie noch dem Nachfolger des Frhrn. v. Ketteler ihre Glückwünsche darbringen. Wieder begann die Musi bande ihren diesmal eine Jubelhymne darstellenden Lärm, wieder wurden Ehrenschirme und Fahnen feierlich herbeigetragen, aber dies mal in der glückbringenden roten Farbe. Statt des Kranzes erschien auf einem Traggestell eine kunstvoll ausgeiührte Stickerei, worin dem Empfänger langes Leben, schnelles Avancement und — reicher Kindersegen gewünscht wurde. Herr v. Mumm erkannte auch diesmal den guten Willen und die Höflichkeit der Chinesen an und ließ ihnen durch Freiherrn v. d. Goltz danken, worauf sie befriedigt von dannen zogen. Gemeinnütziges. Ruß aus Oefen oder Schornsteinen ist ein sehr wertvolles Düngemittel, denn er ent hält neben andern nötigen Pflanzennährstoffen in der Hauptsache den teuersten derselben, nämlich Stickstoff. Aus Erdbeer-, Spargel- und auch auf andern Gartenbeeten ist er von vor züglichster Wirkung und zeichnet die Stellen, welche ihn erhielten, in der nächstjährigen Wachstumsperiode durch dunkelgrüne Belaubung, üppigen Wuchs, reiche Fruchtbarkeit sichtbar ab. Er ist auch im Winter, bei leichter Schnee decke ausgebracht, einer der vorzüglichsten Nasen dünger; direkt auf den Nasen gestreut, verteilt er sich unregelmäßig und zeitigt einen verschieden krä tigen Wuchs im nächsten Jahre. Treten im Frühjahr Erdflöhe auf, so dtent der aufgestreute Ruß zwar nicht als Vertilgungsmitlel, wohl aber vertreibt er die lästigen Gesellen von den Stellen, an welchen sie sich am unliebsamsten machen. Im Frühjahr und Sommer in ein Faß mit Wasser eingerührt, gibt er einen vor züglich wirkenden flüssigen Dung. Man sammle ihn darum sür sMere Verwendung. Bettfedern selbst zu reinigen. Man weicht die Federn 3—4 Tage in einer schwachen Lösung von kohlensaurem Natron (Soda) ein, dann wirst man sie auf ein Sieb, läßt die Flüssigkeit abtropfen, wäscht die Federn mit reinem Wasser und trocknet sie aus Netzen. Die gewaschenen Inletts werden vor dem Einschüiten der Federn gewachst. — Noch einfacher ist fol gendes Verfahren. Man wäscht die ganzen Betistücke in heißem Wasser wie gewöhnliche Wäsche aus und trocknet sie im Freien, am besten in der Sonne. Bei öfterem Wenden und Schütteln trocknen die Betten leicht und die Federn werden locker und schön. Knutes Allerlei. Karnevalssorgen ganz eigener Art haben sich in Traunstein emgstellt, wie aus dem nach stehenden Inserat im,Traunsteiner Wochenblatt' zu ersehen ist. „Herzhafte B tte! Mit dem vielgeliebten Karneval haben sich bei mehreren Mädchen auch Sorgen eingestellt, es find die — um ihre Kleider und in diesem Sinne möchten sie die tanzenden Herren bitten, doch wenn möglich bei besseren Gelegensten Lack- statt gewichster Schuhe gebrauchen zu wollen, indem letztere die Hellen Kleider zu sehr beschädigen." * * * Man muß sich zu helfen wissen. Ein Stadlwirt halte an einem reizend gelegenen Punkte im Hochgebirge das Wirtshaus „zur schönen Aussicht" eröffnet. Trotz vorzüglicher Küche, guter Bedienung und mäßiger Preise blieben die Gäste aus; die Touristen nahmen ihren Proviant vom Thal aus mit und suchten sich „schöne Aussichten" nach eigenem Geschmack. Der Wirt ward kleinmütig; bevor er jedoch zusperrte, wollte er es noch mit einem letzten Mittel versuchen: er strich un Schilde die „schöne Aussicht" und nannte sein Wirtshaus „zum ge fährlichen Absturz." Seit dieser Zeit war es immer voll. Ja so! Köchin (zu ihrem Musketier, der eben Abendbrot gegessen hat): „Möchtest du nu woll einen kleinen Schnaps, Willem?" — „Nee!" — Köchin: „Aber du trinkst Ihn doch sonst so gerne." — „Jawohl! Aber kleen darf er nicht sind!" das Land für nichts gehabt, weshalb sollten Wir wohl da'nr zahlen? Zudem ist's nicht jedermanns Sache, so zu arbeiten, wie der Tobbi es fertig kriegt, und wollen wir bezahlte Kräfte anstellen, wäre es ein jämmerliches Ge schält." Zehrmann merkte bald, daß die Stimmung der Bevölkerung seinen Plänen wenig günstig war, und schob die ganze Schuld davon auf Dvortschack, ,Mn frechen Länderdieb", wie er ihn in seiner Seele schalt. Wäre der Graf nur gegen den „Usurpator klagbar geworden, wie der Anumann es gewünscht und sogar mehrfach in Vorschlag gebracht hatte, dann läge die An gelegenheit jetzt ganz anders. Aber die schlaffe Gutmütigkeit des Grafen verdarb alles!" „Nun, zum Glück habe ich mir von ihm vor seiner schleunigen Wiederabreise eine Generalvollmacht ausstellen lassen," dachte Zehr- maun. „Damit will ich die Sache schon ins Reine bringen." Er halte sich nachgerade in den Gedanken hineingelebt, Tobbi, den er nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte, wäre ein Schuft und scm ärgster Feind. Der Amtmann Zehr- mann haßte diesen Menschen, diesen ehemaligen Kesse flicker und Mäusefallenhändler — wenn er auch eigentlich nicht genau -zu sagen wußte, warum er ihn haßw. Dort lag die Palwenkate vor seinen Blicken, still, einsam, wie schlafend in der sengenden ^o^wllui eMs Hochsommcrmit ags. Gebüsch von We ßoorn, von Ä und wilden Kirschen guckie über die i'icchlzaune und lebendigen Hecken hinaus, von denen Haus und Hof wohl eingehegt waren. „Hm, nicht übel!" sagte Zehrmann zu seinem Begleiter, dem Feldmesser. „Ich meine, diese Ansiedelung müßte den Landleuten in der Um gegend Mut und Lust machen, auf unsere Anerbietungen einzugehen. Wo man im Lause von fünf Jahren so etwas zu stände zu bringen vermag, wie diese Kate, da sollten tausend Hände nach unseren Anerbietungen greifen. Nun, mir ist nicht bange! Es wird sich schon machen. Aller Anfang ist schwer. Man muß nur nicht Nachlassen." Während der Feldmesser sich ein „Kroquis" von der Gegend in sein Taschenbuch zu zeichnen begann, verabschiedete sich Zehrmann leichthin von seinem Gefährten und überschritt die Schwelle der Palwenkate. Ohne den Hut abzunehmen und ohne auch nur anzuklopsen, betrat er das große Wohn zimmer, in dessen Mitte Anskat, Lene und Tobbi um einen weißgescheuerten Holztisch saßen, im Begriff, ein einfaches Mittagsmahl einzu nehmen : Kartoffeln in der Schale und „Stippe" -- zu kleinen Würfeln zerschnittener, geräucherter Speck, der auf dem Feuer zerlassen und mit Zwiebelscheiben gewürzt wird. Alle drei blickten erstaunt auf den uner warteten fremden Besucher; Anskat aber sah augenscheinlich beleidigt aus. Die dreiste Art, mit welcher der Unbekannte sich hier in „seinem" Hause einmhrte, ärgerte den alten Mann augen scheinlich. „Was steht zu Diensten?" fragte er und gab sich offenbar Mühe, sowohl durch den Ton seiner Stimme, als durch seine Gebärden den Fremden einzuschüchtern. Zehrmann aber schien nichts von diesem Bestreben zu merken. „Ich habe einige Worte mit Euch zu reden," sagte er, sich an Tobbi wendend. „Dieser alte Mann hier geht mich nichts rn." „Oho!" rief Anskat aufspringend, „dieser alte Mann geht Sie Wohl etwas an, denn dieser alte Manu ist der Herr, der Besitzer dieses Hauses und —" „Wie?" sagte Zehrmann überrascht, bald auf Tobbi, bald auf Anskat blickend. „Ihr wäret . . .? Ah, bah, das kann nicht sein!" Er trat auf Tobbi zu und sagte nochmals: „Mit Euch habe ich zu reden, Ihr seid Tobbi Dvortschack, nicht wahr?" „Tobbi Dvortschack?" wiederholte träume risch Anskat. „Den Daniel nennt er Tobbi? Tobbi Dvortschack? Lene, hilf mir, daß ich mich besinnen kann! Wo habe ich doch den Namen schon früher gehört? Tobbi Dvort schack! Ach, es thut mir so weh hier im Kopf, wenn ich nachdenken möchte. Lene, so hilf mir doch. Sag' mir, was will der abscheuliche, fremde Mensch? Warum gebärdet er sich so zornig? Ich leide es nicht! Er soll sort von hier? Ich will ihn nicht mehr sehen! Hörst du?!" Leue war leichenblaß geworden. Das Herz zitterte ihr in der Brust. Eine unbestimmte Furcht vor neuem Unheil überkam sie. „Vaier," flüsteric sie dem Alten zu und suchie ihn mit sich forizuziehen. „Komm' hin aus! Draußen unter dem Fliedcrbusch ist Schatten. Da ift's viel kühler als hier in der heißen Stube. Weißt du, was ich mir aus gedacht habe? Du sollst einen großen Teller voll frisch ausgepreßter Glumsc (weißer Käse) haben. Ich gieße süßen Schmand (Salme, Rahm) darauf und bestreue alles mit Zucker. Komm', komm'! Lieber Vater, ich bitte dich, komm'!" Aber Anskat stieß die Tochter ärgerlich von sich. „Laß mich!" rief er. „Siehst du denn nicht, wie dem abscheulichen Menschen die Augen funkeln? Hörst du eS nicht, wie er schreit? Er will dem Weike Böses anthun!" „Wenn Jhr's wirtlich nichi wissen solltet," rief soeben Zehrmann mit stark erhobener Stimme, „so will ich es Euch kund und zu wissen lhun. Auch nicht ein Fuß breit von diesem Acker ge hört Euch! Dies Grundstück gehört . . / „Mir, mir gehört es!" zeterte Anskat mit greller Stimme dazwischen, sich von seiner Tochter gewaltsam losreißend und dicht vor den Amtmann hintretend. „Wer hat danach zu fragen? Wen geht es etwas an? Mein Aus gedinge ist's und dieser hier" — er legte seine zitternde Greisenhand auf Tobbis Schulter — „das ist mein lieber Sohn, meine Stütze, der Trost meines Alters! Als ich den großen Hof in Pergitten verkaufte, die Wirtschaft war mir zur Last geworden, da. . ." Zehrmann schnaufte wie eine Lokomotive. „Ich bin nicht hierher gekommen, um mir Ammenmärchen erzählen zu lassen!" schrie er. „Schafft mir den alten Narren vom Halse, Dvortschack!" H-z «Forisevunz folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)