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Allgemeiner Anzeiger : 16.01.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190101161
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19010116
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- Zeitungen
- Saxonica
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
-
Monat
1901-01
- Tag 1901-01-16
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Monat
1901-01
-
Jahr
1901
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 16.01.1901
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Politische Rundschau. Die chinesischen Wirren. *Wie die .Times' melden, hat der deutsche Gesandte in Peking den Wunsch ausgesprochen, Prinz Tschung, den 17 jährigen intelli genten Bruder des Kaisers, als Ver söhnungsgesandten nach Berlin zu senden. Wahrscheinlich wird der von China vorgeschlagene Prinz Su auch nach Berlin gehen. Der Reise dieser Prinzen ist die allergrößte Bedeutung beizulegen. Chinesische Divlomaten wünschten stets, daß der von den Hofgesetzen verbotene Besuch Europas einem kaiserlichen Prinzen gestattet werden möchte, da dadurch allein China die Augen über die moderne Kultur ge öffnet werden könnten. *Ein aus der jetzigen chinesischen Residenz Singanfu in Peking eingetroffener Chinese hat berichtet, im Innern der Stadt exerzierten beständig 85 000 Mann chinesischer Truppen. Die meisten von ihnen seien mit modernen Gewehren bewaffnet. Die Stimmung der doAigen Bevölkerung sei erbittert gegen die Ausländer und man glaube, daß die Chinesen den Verbündeten in offenem Kampfe begegnen und dieselben schlagen könnten. * In der Nähe der Minggräber sind Unruhen entstanden; von den deutschen Truppen find deshalb zwei Kom panien dorthin entsandt worden. *Die Verteidiger der deutschen Kriegführung mehren fich. Der ungarische Missionar Wilfinger schildert in einem aus Tschusan datierten Schreiben an seine Ver wandten seine und seiner Gläubigen Leiden und fährt dann fort, er müsse gegenüber den feind seligen Verleumdungen der deutschen Soldaten in der englischen und französischen Presse als Augenzeuge die Deutschen in Schutz nehmen. „Die Deutschen," sagt er, „gehen sehr energisch vor und haben fich Anerkennung und Bewunderung'' errungen. Hier ist jener edle Geist der Männlichkeit vorhanden, der die Disziplin aufrecht hält und jede niedrige nationalistische Verfügung fernhält. Dies muß um so mehr betont werden, als andere Nationen in den Augen der Chinesen bereits an Ansehen stark gesunken find." Deutschland. * An der Beisetzung des Groß- Herzogs Karl Alexander von Weimar am Freitag vorm'ttag war KaiserWilhelm leider durch Unwohlsein verhindert teilzu nehmen. * Kaiser Wilhelm hat angeordnet, daß das 200 jährige Preuß. Krönungsjubi läum auch von der Marine feierlich be gangen werden soll, und zwar „mit Rücksicht darauf, daß sie aus der königlich Preuß. Marine unmittelbar entstanden sei." Gleichzeitig wird bestimmt, daß eine Verlegung der zur Feier von Kaisers Geburtstag abzuhaltenden Festlichkeiten aut den 18. Januar in der Marine nicht statt zufinden hak. * Prinz-Regent Luitpold hat mit seiner Vertretung bei den Festlichkeiten am 18. d. in Berlin den Prinzen Rupprecht betraut. * Aui den deutschen Münzstätten find im Dezember für 7402440 Mk. Doppelkronen nnd für 3189160 Mk. Kronen geprägt worden. Die zur Einziehung bestimmten Münz- sorten schwinden immer mehr aus dem Verkehr. Die goldenen Fünfmarkstücke und silbernen Zwcmzigpsennigftücke find schon so selten geworden, daß fich die monatliche Abnahme nicht mehr stark bemerkbar macht. Dafür hat aber der im Verkehr befindliche Teil der Nickelzwanzig- vfenuigstücke im Dezember um rund 1 Mill. Mk. abgenommen. Frankreich. *Zum Präsidenten des Senats ist Falliöres wiedergewählt worden. * Auf eine Interpellation des Senators Garr- lan in der Kammer erklärte der Minister des Auswärugen, daß die Rechte Frank reichs auf Neufundland unbestreit bar und unbestritten seien und die Ausübung dieser Rechte durch nichts behindert werden könne. M * Die Franzosen renommieren w jeder einmal mit ihren Unterseebooten. ,Petit Parifien' erklärt, die in Cherbourg mit den neuen Unter seebooten „Morse" und „Narva!" vorgenommenen Versuche hätten gezeigt, daß Frankreich nunmehr das Mittel besitze, um die Küste gegen jeden Angriff zu sichern. Spanien. *Die Vermählung der Prinzessin von Asturien mit dem Prinzen Karl von Bourbon soll in der Mitte Februar stattfinden. Rußland. * Der russische und französische Minister des Auswärtigen haben fich aus Anlaß der endgültigen Ernennung des Grafen Lambsdorff zum Minister des Aeußern antelegraphiert. Graf Lambsdorff hat dabei seinen französischen Kollegen gebeten, nicht an seinem aufrichtigen Wunsche zu zweifeln, zur Befestigung der engen und unab änderlichen Freundschaft, welche die beiden Länder verbindet, beitragen zu können. — Auch Gras Bülow hat den Grafen Lambsdorff zu seiner Ernennung beglückwünscht. * Rußland soll gegenwärtig in Amerika bemüht sein, eine Anleihe anfzutreiben, doch sie vermutlich nur nm den Preis großer Zuge ständnisse (Monopole) an Finanzgesellschaften erlangen können. In New Dork wisse man in Finanzkreisen genau, daß der Finanzminister v. Witte vergeblich versucht habe, in Varis 500 Millionen Frank auizutreibeu. Man habe ihm bedeutet, Frankreich habe genug russische Papiere und brauche sein Geld iür die heimische Industrie. Herr v. Witte sei unwillig geworden und babe dem französischen Finanz minister die Möglichkeit der Entziehung der Freundschaft Rußlands angedeutel, worauf dieser geantwortet habe, nackt dem Er gebnis zu urteilen, habe diese Freundschaft wenig eingeb'racht. Balkanstaaten. * Der an der türk i s ch - v er si s ch e n Grenze ansässige Stamm der Djass, dessen Häuptling ein gewisser Mahmud-Pascha ist, machte in die persische Provinz Ker- manscah einen Einfall und zog seit einiger Zeit plündernd und verwüstend umher. Der persische Botschafter erhielt den Auftrag, bei der Pforte diesbezügliche Schritte zu unternehmen. Afrika. * Ueber schwere Kämpfe in Trans vaal meldet Lord Kitchener aus Pretoria vom Mittwoch: Die Boeren griffen gleichzeitig sämtliche englische Posten in Belfast, Wonderfontein, Nooitgedachk, Wyldssontein und Pan in der Nacht vom 7. Januar bei dichtem Nebel an und wurden nach schweren Ge fechten zurückgetrieben. Die Eng länder hatten 21 Tote, darunter ein Hanvtmann, nnd 62 Verwundete, darunter drei Offiziere. Die Boeren ließen 24 Tote zurück. Weiter wird gemeldet, daß ein englischer Trans port nördlich von Krügersdorp von Beyers Kommando angegriffen wurde. Die Boeren wurden zurückgetrieben und hatte elf Tote, die Engländer vier Leichtver wundete. * Gegen die vordringendenBoeren werden von den Engländern in der Ebene, die fich vor dem Kav zwischen der Tafel-Bai und der False-Bai hinzieht, zur Zeit Schanz- Werke errichtet. Die englischen Truppen halten die Gebirgspässe in den Piguetberge be setzt und wollen den Boeren, die in zwei Kolonnen über Clanwilliam und Worcester oder Piguetberg heranrücken, starken Widerstand leisten. *Von de Wet hat man in letzter Zeit nichts gehört. Er soll im Kap lande als Letter der Operationen eingetroffen sein. Einst weilen gewinnt es den Anschein, als ob die Engländer 25 000 Mann, welche zur Zurück weisung des Boereneinfalls von Kitchener ge fordert sein sollen, nicht mehr auszubringen ver mögen. Von 210 000 Mann, die angeolich in Südafrika stehen, sollen nicht 20 000 Mann für Operationen im Felde frei sein. Die übrigen seien entweder unbrauchbar, krank oder mit der ständigen Bewachung von festen Plätzen und Verbindungslinien beschäftigt. Und Von diesen etwa 20 000 Mann sei der größere Teil zur Zeit im Osten des Freistaates vollauf in Anspruch genommen. * Ueber das Ausscheiden General Bullers verlautet neuerdings von mehreren Seiten, er sei seiner Zeit mit seinem Stabe von den Boeren beim Baden überrascht, gefangen genommen und nur gegen sein Ehrenwort, sich nicht mehr am Kampfe zu beteiligen, wieder freigelassen worden. Aus dem Reichstage. Der Reickstag erledigte am Donnerstag den E«at des Reichskanzlers' und der Reichskanzlei. Abg. Molkenbuhr (soz.) kritisierte die Stellung der Arbeiter in den Freihafengebieten. Nach längerer Debatte würde die vom Abg. Grafen Klinckowström (kons.) eingebrachie Resolution betr. den Eisenbahn tarifartikel des russischen Handelsvertrages der Budgelkommission überwiesen. Beim Etat des Reichsamts des Innern (Ausgabetitel „Staats sekretär") stellte Staatssekretär Graf Powdowsky aus verschiedene Anregungen und Wünsche des Abg. Molkenbuhr u. a. einen Gesetzentwurf betr. den Schutz der mit gewerblicher Arbeit beschäftigten schulvflichtigen Kinder in Aussicht. Am 11. d. erhält vor der Tagesordnung der Präsident die Ermächtigung, dem Kaiser die Glück wünsche des Hauses anläßlich seines Geburtstages und anläßlich des zweihunderffährigen Gedenktages des Bestehens des Königreichs Preußen auszu sprechen. Zur Beratung steht zunächst ein von den Abgg. Rißler u. Gen. skons.) beantragter Gesetzentwurf betr. die Novelle zumJnvalidenfondS- g e s e tz. Die Novelle will auch den 1870 er Kriegs- Veteranen, deren Erwerbsfähigkeit seitdem durch Alter oder Krankheit aus weniger als ein Drittel herabgesetzt ist, Unterstützungsansvrüche gewähren. Eine Resolution des Antragstellers verlangt außer dem Bereitstellung entsprechender Mittel, nötigenfalls auf dem Wege eines Nacheragsetats. Abg. Rißler (kons.) empfiehlt den Antrag warm. Es sei eine Ehrenpflicht des Reiches, in solcher Weise kür seine alten Kriegsveteranen, insoweit diese unterstützungsbedürftig geworden, zu sorgen. 120 Mk. jährlich sei ja nicht viel, aber doch für die Betreffenden etwas. Abg. Speck (Zentr.) glaubt bei aller Sympathie für den Antrag, die Wirkungen desselben in finanzieller Beziehung würden jedenfalls genau in der Budgetkommisfion geprüft werden müssen. Abg. Arendt (freckons.) äußert ebenfalls seine Sympathie mit dem Anträge und kündigt für die Kommission einen Unterantrag an betr. das Ver fahren bei Feststellung des Maßes der Erwerbs unfähigkeit. Die jetzige Methode hierbei berücksichtige vielfach zu wenig die Unterstützungs-Bedürftigkeit. Der Anspruch dürfte nicht mehr wie bisher von einer „absoluten" Hilfsbedürftigkeit abhängig gemacht werden. Abg. Graf Oriola (nat.-Iib.) tritt lebhaft für den Antrag ein. Das Geld müsse bewilligt wer den ; für einen solchen Zweck müsse Geld da sein. Es gehe nicht an, daß die Unterstützung davon ab- bängig gemacht werde, daß jemand gewissermaßen schon Bettler sei. Ems aber müsse er noch betonen: wenn jetzt erreicht werde, was vorliegender Antrag wolle, so solle der Reichstag nicht etwa glauben, daß nun alles geschehen sei, was geschehen müsse. Es müsse vielmehr noch mehr geschehen für die In validen und deren Witwen und Waisen. Was die Regierung augenblicklich für die Chinakämpfcr ver lange, das müsse auch verlangt werden für die 1870 er Invaliden und auch für die, die auf der „Gneisenau" ihre Schuldigkeit gethan. Geh. Rat Plath führt eine Reihe statistischer Zahlen an hinsichtlich der etwa empfangsberechtigten Veteranen und erklärt, sich weiteres für die Kom mission Vorbehalten zu wollen. Adg. v. Vollmar (soz.) bezeichnet es geradezu als eine Schande für das große Deutsche RZch, das jetzt überall in der Welt dabei sein müsse, daß für die Veteranen so gar nicht gesorgt sei, auch wenn sie in Not seien. Erst spreche man von „Helden söhnen", dann aber, wenn die Geschichte vorbei sei, vertröste man sie auf die Zukunft. Man werfe immer den Sozialdemokraten vor, sie seien Gegner der Armee. Aoer' gerade seine Partei habe stets darauf gedrungen, daß in der Versorgung alter Krieger mehr geschehe, und daß nicht etwa erst ab- gcwartet werde, bis ein solcher gänzlich herunter gekommen sei. Abg. Schrempf (koni.) beklagt ebenfalls, wie langsam es gehe, der Regierung auf diesem Gebiet Zugeständnisse abzugewinnen, trtz eines so enormen JahreSbudgets, wie es da» Rein aufwecse. Abg. Prinz Carolath Shrt au», daß die Teilnabmlosigkeit der Regierung in dieser Frage nur auf gänzlicher Unkenntnis verwahren Lage eine» großen Teiles der Veteranen beuhen könne. Nicht aus Gnade solle den hilssbsürftigen Veteranen Unterstützung gewährt werden, smdern sie haben ein Recht daraust Wie könne nan heutzutage noch darauf bestehen, daß die Betresenden den Nachweis des Zusammenhangs ihres Lidens und ihrer Er werbsunfähigkeit mit dem Krige führen. Abg. Werner (Antis.) ^dauert die Abwesen heit des Schatzsekretärs. Freiich sei ja der Reichs tag an solche schlechte Behanllung gewöhnt. Man schicke ihm lediglich ein pacc Geheimräte her, die eine büreaukratische Erkläruw abgeben, welche von niemand im ganzen Lande wrde verstanden werden. Herr v. Vollmar babe ganz echt, wenn er gemeint habe, wir, der Reichstag, jaden den Bundesrat schlecht erzogen. Wir bewlligen alles, was der Bundesrat fordert, aber au unsere Wünsche hört der Bundesrat nicht. Abg. Hoffmann- Hab (südd. VV-): Weshalb sagen wir nicht einmal: Wir wollen das genehmigen, und wenn die Regierung nickt will, dann genehmigen wir dies und das andere ebenfalls nicht I Wenn die Negierung nur sieht, daß wir in der Kommission und im Plenum energisch sind und Ernst machen, dann wird die Regierung schon sich fügen. Abg. Pachnicke (fr. Lp.): Meine Freunde treten warm für diese Forderungen ein und hoffen, daß die Regierung, wenn sie dieses einmütige Auf treten des ganzen Reichstags sieht, endlich Wandel schaffen wird. Wenn di- Regierung sich jetzt doch nicht entschließen will, so bleibt dem Reichstage nichts übrig, als entsprechende Ausgaben in den Etat ein zustellen. , Nach noch einigen "Bewirkungen Nr" Abgg. Schrempf rind Rißler nird d<r Antrag Rißler ein stimmig an die Kommiisvn verwiesen. Es folgt die Beraüng der von Albrecht und Gen. (soz.) beantragte, Novelle zum Ge- werbeqerichtsges tz. Der Entwurf will vw allen die Gewerbegerichte obligatorisch machen und ihre Kompetenz sowohl in personeller Hinsicht (z. B. euch Bergbauarbetter, fand- und forktwirtschastiche Arbeiter, Gesinde) wie materiell, nämlich ohne Rücksicht auf den Wert deS Streitgegenstandes, erweitrn. Mit zur Beratung gestellt wird ein Antrag Trimborn (Zentr.), der de Gewerbegerichte nur für Gemeinden über 20 00t Einwohner obligatorisch machen und ihre Kompetnz auf verschiedene Arten von Entschädigungsanipüchen (gesetzwidrige Ein tragungen in Arbeitsbüche, Zeugnisse, Krankenkafscn- bücher rc. sowie gesetzwirige Vorenthaltung dieser Papiere) ausdehnen will Endlich liegt noch ene Resolution Hitze und Gen. (ebenfalls Zentr.) betr. eine weitere gesetz liche Ausgestaltung der Gewerbegerichte al» Etni- gungsämter und als Oran für Gutachten und An träge vor. Abg. Tutzauer (sz.) empfiehlt den Antrag Albrecht, dabei betonen,, daß eS richtiger seh auch die Zuständigkeit dr Gewerbegerichte auf die kaufmännischen Angestellen auszudehnen, als für diese besondere kaufmämische Gewerbegerichte zu schaffen. Abg. Trimborn Zentr.) empfiehlt die von ihm vorgeschlagene Lösmz, wonach ein Zwang zur Errichtung von Gewerbegrichten nur für Orte von mindestens 20000 Einwobrern ausgesprochen werden soll, als die zweckmäßig«. Verallgemeinere man dieken Zwang, so würde, sich im Einzelralle oft Schwierigkeiten herausstelln. Was die Ausdehnung der personellen Zuständigkit der Gewerbegerichte an lange, so hält Redner s für durchaus gangbar, »auch die Gesinde-Streitsahen den Gewerbcgerichten zu unterstellen. Hierauf vertagt sich ds Haus. Uon Ualf nnd Fern. Ueber das Erdleben, welches in der Nacht zum Donnersta, in ganz Mitteleuropa verspürt wurde, wird ms Schlesien gemeldet: In Landeshut wurden Bewohner durch heftige Erdstöße aus dem Shlase geweckt, in den Schränken wurde Geshirr durcheinander ge worfen ; in Schweidnitz, Striegau, Bunzlau nnd Reichenbach wurden eberfalls Erderschütterungen wahrgenommen. Auf der Station Mettkau wurde die Wahrnehmmg gemacht, daß der Morgenstern auffallend hell ausging und sich dann plötzlich verdunkelt:: in Haynau war die Erschütterung so stark, daß viele Bewohner durch Klirren der Fenster ms dem Schlaf geweckt wurden. Im Süden ses Haynaucr Kreises wurden in Schränken mjbewahrte Glassachen zertrümmert. Heimatlos. 20) Roman von C. v. Zell. (Fortsetzung.) lieber die Terrasse wölbten sich die Häupter r och iaubloser alter Linden. Ihre schwellenden Blotttnospen aber verrieten, daß sie den Weck ruf Ws Frühlings wohl vernommen hatten un> sich ernstlich bereiteten, ihm Folge zu leisten. - E, erschallt spät hier im nördlichen Teile Deutschlands, dieser Weckruf,- aber ist er ein mal ergangen, dann wird ihm auch in Gärten, Wald und Feld freudig und schnell Folge ge leistet. Es ist dann, als ob ein Zauberstab die -starre Wimerdeckc der Erde berührt und sie ohne merkbare Ucbergänge in einen köstlichen Blumenteppich verwandelt. Graf Joachim lehnte sich gedankenvoll gegen die Brustwehr der Terrasse. , Seine B icke schweiten hinaus über das winterliche Banmgrau des großen Schloßgartens, in dem hie und da die Spuren neubegoimcner Gärtnerthätigkeit zu bemerken waren, hinaus in die Ferne über endlos erscheinende Wiescnflächen mit tlemen Waldparzellcn abwechselnd. Auf dem grünlich schimmernden Grunde der Wiesen erhoben sich in regelmäßigen Zwi chcn- räumcn graue, häuserartig anzusehende Massen. Die Umrisse derselben zeigten deutliche Formen von Mauern und Dächern, nur Fenster und Thüren fehlten, auch alle Unterschiede in Farbe und Baumaterial. Es waren riesige Heuhaufen, zur Eruieren hier kunstgerecht aufgesch chtet, die nun allmählich dem Verwirf oder derPrwalver- wendung entgegenharrtcn. ' Das Bild der einförmigen Landschaft schwamm im feuchten Glanz der höher und höher steigenden Morgensonne. Der bläuliche Nebel — auf der meilenweit sich ausdehnenden Fläche hin- nnd herwogend — verwandelte sich durch die magische Walting des" Lichtes in einen farbenprächtig schillernden Schleier, Geheimnisse webend und verborgene Wunder verkündend, schön für den tieferen Blick des Naturfreundes, des Dichters; nichtssagend im Sinne derer, die nur dann eine Landschatt schön nennen, wenn Thäler und Höhen, Flüsse, Seen oder prachtvolle Waldungen in ihr den Vorwur> bilden. Grat Joachim starrte lange, wie von einem schmerzlichen Traum be angen, hinaus auf die blinkende Fläche. Dann hob ein schwerer Seufzer seine Brust und halblaut murmelte er: „Würde sie ergriffen werden können von solch' einem Eindruck?" Er blieb sich die Antwort schuldig. Vom nahen Kirchturm her schlug es fünf Uhr und im Hoic zur Seite des Schloßgartens begann es lebendig zu werden. Knechte lind Mägde begaben sich an die Tagesarbeit, und ans den langen Stallgebäuden dröhnte, beim Oefsncn der Thüren nur um so deutlicher ver nehmbar, das laute Brüllen der zahllosen Milchkühe heraus, welche der ersten Fütterung cntgegensahen und als selbstverständliche Gegen leistung den Inhalt ihrer vollen Euter zu spenden versprachen. „Um die größere oder geringere Ertragfähig keit dieser Wiederkäuer, um Absatz und Ver wertung von Milch und Käse, darum wird sich hier in Wiesenheim so ziemlich alles drehen," murmelte der Grau „Ist es denkbar, daß sic, daß Viktonne es je lernen wird, ihre Interessen in diese Bahnen zu lenken?" Der junge Graf wickelte die bunte Decke fester um seine Schullern und ging langsam in das Schloß zurück. Zimmer reihte sich hier an Zimmer, ein jedes reich und mit Geschmack eingerichtet. Aber alle erschienen sie dein Grafen Joachim unwohnl ch und düster. Warum konnte er sie sich nicht vorstcllen, belebt von heiteren Menschen, von jubelnden Kindern, deren Helles Lachen hier doppelt fröhlich klingen müßte im Gegensatz zum Ernst der Umgebung? Wiesenheim, der Hanpiorl der Grafschaft Krautburg, war ihm, wie diese selbst, erst vor wenigen Wochen ganz unerwartet durch Erbschaft zugefallen. Der Tod seines Lehnvelters m^chie den Grafen Joachim, der zuvor nur wenig Vermögen besessen halte, mit .irrem Schlage zum reichstell Magnaten der Ostprovinz. Aber Graf Joachim war mehr erschreckt als erfreut über diese Umwandlung, da eine nicht zu umgehende Bestimmung den jedesmaligen Besitzer der Grafschaft verpflichtete, in Wiesen heim zu leben, die Besitzungen nicht zu verpachten, sondern selbst zu verwalten. Das war eine abscheuliche Klausel! Graf Joachim — ohne Aussicht, je in den Besitz von Kramvurg zu gelangen — hatte sich nach vollendeten Studien die Diplomatie als Laufbahn erwählt. Nacheinander in Paris, in Peiersburg, in London und Madrid bei den Gesandschaften seines Hofes akkreditiert, halte der junge Graf sich an ein Leben großartigster Freizügigkeit ge wöhnt. Es war ihm stets ein Leichtes gewesen, den Aufenthaltsort zu wechseln. Hegte er Verlangen danach, die Flügel zu heben, so war die Genehmigung dazu unschwer zu er langen. Der Gedanke, an irgend einen Ort der Welt gebunden sein zu können, war ihm nie zuvor gekommen, Zwang überhaupt ein Wort, das seinem Leben bisher völlig fremd geblieben war. Er war ein Kavalier in des Wortes schönster Bedeutung, hem höchsten Adel des Landes entsprossen, klug, liebenswürdig und von großer Schönheil. Das alles vereint, machte ihn natürlich zum ausgesprochenen Liebling all^r Kreise, in denen er verkehrte, und vorzüglich zum Liebling der Damenwelt. Lange Jahre hatte er wie ein schöner Faller die prächvgsten Menschenblumen nm- flatw i, alle begrüßt und bewundert, aber keiner den Preis der Schönheit und Liebenswürdigkeit zuerkannt. Endlich aber war er doch von einer der schönsten Blumen gefesselt worden. Gräfin Vikto ine Erdödy, die einzige Tochter eines fürstlich reichen ungarischen Großwürdemrägers, batte sich mit ihm verlobt, und man stand im Begriff, die Hochzeit der jungen Liebenden zu feiern, als plötzlich E.cignisse eimraten — nnd in ihrem Gefolge iür den Graten Joachim Verpflichtungen — die außerhalb jeder Berech nung gelegen hatten. Der bisherige Besitzer von Krautburg, Graf
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