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Allgemeiner Anzeiger : 01.01.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-01
- Sprache
- Deutsch
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- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190101010
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1901
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Monat
1901-01
- Tag 1901-01-01
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1901-01
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Jahr
1901
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- Allgemeiner Anzeiger : 01.01.1901
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„Mehr Licht!" Ein eigenartiges Reise- Abenteuer durchlebten dieser Tage die Passagiere Les Nord-Expreßzuges, unter welchen sich auch die Großfürstin Wladimir von Rußland nebst Gefolge, sowie andere russische Fürstlichkeiten befanden. Da nämlich dem Zuge das Fettgas unterwegs ausgegangen war, so waren die hohen Herrschaften gezwungen, die ganze Tour von Paris durch Deutschland bi? Berlin wätwcnd der Nachtzeit bei Stearin-Kerzen-Beleuchtung zurückzulegen. Nachdem nun der Zug mit einer größeren Verspätung Berlin erreicht hatte, ver hinderte hier der starke Weihnachtsvsrkehr auf dem Bahnhoi eine Aenderung in der Beleuch tungsform, wesbalb wiederum ohne Gasbeleuch tung die Weile, kahn angctreten werden mußte. Als es in Schneidemühl zu dunkeln begann, traten abermals die Stearin-Kerzen in Krait, und zwar wurde in jedem Abteil eine Kerze aufgestellt. In Dirschau konnte endlich dem Uebelstande abgeholfen und dadurch dem eleganten Luxuszuge bezw. seinen hohen Reisen den „mehr Licht" gespendet werden. Einem schweren Verbrechen ist vermut lich ein Militärposten in Kiel zum Opfer ge fallen. An Bord des in der Wecsteimahrt liegenden Linienschiffs „Kaiser Wilhelm II." vernahm man während der Dunkelheit ver zweifelte Hilferufe, welche von der Wasser fläche vor den Kohlenlagern herüberschollen. Im Licht des Scheinwerfers sah man zwei Personen, wahrscheinlich Kohlendiebe, fliehen, lne, überrascht, den Posten ins Wasser gestoßen halten. Während der Posten in der Flut mit dem Tode rang, wurde sofort ein Boot ab- gesandt, das aber keine Rettung mehr bringen konnte, da der Unglückliche, durch seinen laugen Jnfanteriemantel am Schwimmen gehindert, umergegangen war. Die Leiche wurde später gevorqen. In der folgenden Nacht erschienen wiederum zwei Kohlendiebe auf der Kaiser werft. Aus den Anruf des Posteus floh einer und entkam, trotzdem der Posten von seiner Waffe Gebrauch machte. Den andern gelang es zu verhaften. Er entpuppte sich als ein Werstbüreaudiener. Sein Komplice wurde am andern Tage verhaftet. Ob die beiden am Verbrechen der Vornacht beteiligt sind, steht noch nicht fest. Ansiedler aus Südafrika haben sich in den letzten Wochen in der Umgegend von Her mannsburg in der Lüneburger Heide nieder gelassen. Die Leute wanderten vor Jahren aus dem Lünebürgischen aus, um sich in Orten Süda'rikas, wo Hermannsburger Missions- Anstalten liegen, anzubauen. Die Landteute haben durch ihren Fleiß und ihrer Hände Arbeit es dort zu kleinen oder größeren wertvollen Besitzungen gebracht und find von den Eng ländern vertrieben worden, während ihr Hab' und Gut vernichtet wurde. Die einfachen Leute schildern das Vorgehen der Engländer in einer Weise, daß kein Zweifel mehr besteht, daß die Engländer in Südafrika als Räuber gehaust haben. Ein irrsinniger Passagier. In große Auiregung versetzt wurden letzthin die Reisenden eines zwischen Leivzig und Altenburg ver- kevrenden Personenzuges, in dem ein Passagier vom Irrsinn befallen wurde. Der Bedauerns werte sprang von seinem Sitze auf, trat an eme milreisende Frau heran und bot dieser ein Paket mit 12 000 Mk. Inhalt an, sie bittend, das Geld ungesäumt nach Steiermark zu schicken, da er selbst dies nicht ausi uhren könne, weil er nicht mehr lange lebe, vielmehr jeden Augenblick sterben werde. Als die geängstigte Frau die Annahme des wertvollen Pakets verweigerte, zog der Fremde plötzlich ein dolchartiges Messer hervor, mit welchem er sich vor den Augen der Milreisenden zu erstechen versuchte. Er wurde jedoch hieran rechtzeitig verhindert und bei der Ankunft in Altenburg der Bahnhofswache über geben, die ihn auf Anordnung der Behörde zur Beobachtung seines Geisteszustandes demLandes- kran'cnyause daselbst zuführte. Spätere Er mittelungen ergaben, daß der Bedauernswerte aus Amerika zurückgekehrt war, um nach seiner in Steiermark belegenen Heimat zu reisen. Vier Mädchen vergiftet. In Osterfeld bei Duisburg wurden vier in einem Geschäft thätige Mädchen in ihren Betten mit Vergiftungs erscheinungen aufgeiunden; zwei der Mädchen waren bereits tot, zwei sind schwer krank. Ein ehemaliger Bettler als — Haus besitzer. Daß die professionsmäßige Bettelei auf die Dauer recht einträglich ist, beweist folgende Thatsache. Der aus Dorndiel bei Groß-Umstadt in Hessen gebürtige Millmann, in den meisten Orten des Odcnwaldes und des Maingaues unter dem Namen „Dorndieler Hannes" bekannt, hat sich durch Betteln an Wallfahrtsorten, Kirchen usw. während einer Zeitdauer von etwa vierzig Jahren ein recht ansehnliches Vermögen zusammengefochten. Durch dieses Geld wurde er in die glückliche Lage versetzt, kürzlich in Radheim ein scbönes Wohn haus käuflich zu erwerben, den Kampreis bar auszuzahlen und noch ein nettes Sümmchen erübrigen. Dabei steht fest, daß der nunmehrige Hausbesitzer und Rentier in seinem ganzen Leben auch nicht einen einzigen Tag (?) wirklich gearbeitet hat. Ein rührendes Beispiel treuer Gatten liebe wird aus Husum gerne del. Auf der Reise von Amerika nach Deutschland verstarb im Frühjahr d. der KaMmann Harro Nissen, ein geborener Husumer. Aus inständige Bitten der jungen Witwe wurde von dem üblichen Versenken der Leiche in das Meer Abstand ge nommen, diese vielmehr in einen Sarg aus eisernen Schiffsplanken gelegt. Im Mai wurde der Verstorbene auf dem Neustädter KirKhoie in Husum an der Seite seines ihm im Tode vorangegangenen Vaters beerdigt. Die Witwe, welche wieder nach Amerika zurückkehrte und sich von der Leiche des geliebten Maunes nicht trennen wollte, suchte beim Oberpräsidenten die Erlaubnis zur Exhumierung derselben nach. Nachdem ihrem Wunsche gewillfahrt, wurde der Sarg dieser Tage wieder auSgegraben und be findet sich jetzt bereits aus dem Transport nach New Jork, zugleich mit dem dem Verstorbenen seiner Zeit gesetzten Denkmal. Das Nachtwächterdenkmal. Eines ori ginellen Kunstwerkes kann sich Stuttgart seit kurzem rühmen: Der Verein zur Förderung der Kunst in Stuttgart hat der Stadt einen Monumsntalbrunnen mit dem Symbol eines Nachtwächters zum Geschenk gemacht. Das Mittelstück bildet eine mächtige gewundene Säule, ans deren Nlattwrm ein Nachtwächter steht. Die köstliche Figur ist vom Stuttgarter Bildhauer Fremd ganz naturgetreu modcllftrt; neben dem Nachtwächter trottet der Wächter hund. Das Denkmal wurde auf dem Leonhards- Platz ausgestellt. Ein heftiges Erdbeben wurde nach einer Meldung aus Paris am Dienstag abend in der Umgegend von Chamböry verspürt. In mehreren Häusern stürzten Möbel um. Sonst ist kein Unfall zu verzeichnen. — Erderschütterungen werden auch aus Laibach und Pola gemeldet. Ein neuer Komet. Am 20. d. ist von Giacobini in Nizza im Sternbilde des Wasser manns ein Komet entdeckt worden, der indessen nur mittels Fernrohres wahrzunehmen ist. Seine Bewegung am Himmel ist auf das Stern bild des Walfisches zu gerichtet. Ein Eifersuchtsdrama setzte am Mittwoch Nizza in Aufregung. Der Vicomte Bernouillet tötete dort seine von ihm geschiedene 24jährige Frau durch sechs Revolverschüsse und stellte sich dann selbst der Polizei. Das Motiv der That ist Eifersucht. Der Kanonenkönig Armstrong -j-. Am Donnerstag abend ist in Newcastle Armstrong, der Chef der bekannten Kanonenfabrik gestorben. Seit 1854 hat er Geschütze gegossen. Die von ihm der englischen Regierung gelieferten Hinter ladungskanonen haben eine vollständige Um wälzung im Artilleriewesen herbeigeführt, sind jedoch bald von deutschen Fabrikaten übertroffen worden. Von 1859 bis 1865 war Armstrong der alleinige Geschütz-Konstrukteur der englischen Artillerie und zwar der Armee wie der Marine. Im Jahre 1887 wurde ihm die Peerswürde verliehen. Die großen Werkstätten für Kanonen- und Schiffsfabrilation, die Armstrong in Eng land zu Elswick besaß, beschäftigten über 21 000 Arbeiter. Schiffszusammenstotz. Der von Newport News kommende Hamburger Dampfer „Milano" rannte in der Nacht zum Heiligabend gegen das bei Altenbruch ankernde englische Vollschiff „Viscombe Park", von Hamburg nach Sidney bestimmt, und beschädigte dasselbe schwer. Die „Viscombe Park" wurde etwas leck, mußte die Anker schlippen und im Schlepptau zweier Dampfer nach Hamburg zurückkehren. Die „Milano" kollidierte dann noch mit der etwas weiter elbaufwärts ankernden Bark „Weser", von Hamburg nach Hongkong .bestimmt; die „Weser" wurde schwer leck und sank nach 45 Minuten. Die Mannschaft wurde durch .Boote der ..Milano" "«wettet. Später lief der civaow^ct? geht we Leither Dampfer „Nonh Star" auf daS Wrack der „Weser" und nahm ' .'aterncn, den Großmast und den Besanmast dec „Weser" mit. Gerichtslsalle. Mannheim. Der Maler Theodor Arnold hatte sich der Mißhandlung seines 2'/? Jahre alten Kindes, da? aus seiner früheren Ehe stammt, schuldig ge macht. Der kleine Knabe wurde, wie die Verhand lung nachwies, in barbarischer Weise gezüchtigt, er erhielt Stockhiebe, die fingerdicke, blutunterlaufene Striemen hinterließen. Auch ließ man ihn Hunger leiden, so daß er im Hause herumli-f und um Brot bettelte. Der Staatsanwalt trägt auf zwei Monat Gefängnis an, das Gericht erkennt auf zwei Wochen, lediglich weil der Angeklagte noch unbestraft ist. Schneidemühl. Einiges Aufsehen erregt hier die Freisprechung des Riitergutspächters Gumprecht aus Zbyszewice und dessen Vogtes Walenga, die sich wegen Betruges zu verantworten hatten, weil anläßlich eines Viehhandels der Käufer im Gewicht betrogen worden sein soll. Der Staatsanwalt drohte mit Inhaftnahme zweier als Zeugen gehörten Wirtschaftsbeamten und beantragte 9 Monat Ge- sängniS und 1000 Mk. Geldstrafe gegen Gumprecht. Der Gerichtshof ging jedoch mit einem Frevpruchc vor, da es nicht ausgeschlossen sein könne, daß die Gewichtsdifferenz durch „virtuose Anfütterung" entstand. Der tiergang der „Gneisenau". Die ,Union Mcrcantil' aus Malaga bringt folgende Schilderung des Nettungswerkes am Molenkopf: Die „Gneisenau" stieß auf und leckte um 10 Uhr 45 Min. Der erste, der an der Mole ankam, war Angel Tou, der von der Seeseite in einem Boot hinsuhr und, die Ge fahr einsehend, möglichst schnell an Land sprang und sich dann nach dem Punkte begab, wo die „Gneisenau" ausgelaufen war. Vom Schiff aus warf man ihm eine Leine zu, an der ein Tau befestigt war. Nachdem er letzteres an sich ge zogen hatte, vermochte er es jedoch nicht festzu machen. Er stellte sich daher so aus, daß er das Tauende in der Hand behielt, während die an Bord sich mit den Händen daran hinüber ließen. Auf diese Weise gelang es, 15 Per sonen zu retten. Da sich dann aber drei Leute auf einmal an das Tau gehängt hatten, ver mochte Tou letzteres nicht mebr straff zu halten, sodaß die drei ins Wasser fielen und auch Tou Yineingerisscn wurde. Er vermochte indes zwei der Deutschen zu retten, indem er sie zwischen die Steine stieß und ihnen dann heraushalf, wogegen der dritte ertrank. Unterdes waren an derselben Stelle angelangt: Josö Selles, Führer des Dampiers „Marques de Luque", Ramon Burgos, Führer einer Barke, der Fischer Vicente Minguez, der Lotsengast Bernabs Guerrero, und Josö Andreu Completo. Diese beschäftigten sich zunächst damit, das Tau in einem Ringe an der Molenmauer festzumachen, sodaß nun die Mehrzahl der Besatzung sich mit größerer Leichtigkeit und Sicherheit retten konnte. Aller dings fielen dabei auch manche Leute ins Wasser, wenn infolge der Schwankungen des Schiffes das Tau schlaff wurde oder plötzlich wieder straffte, so daß sie den Stoß nicht auszuhalten vermochten. Um diejenigen zu retten, die auf diese Weise ins Wasser fielen, machte Selles die Leine, an dem das Tau zugeworsen worden war, au dem Ring an der Hafenmauer ebenfalls fest, und wark nun diese Leine denjenigen zu, die mit den Wellen kämpften; auf diese Weise entgingen die Bedrohten der Gefahr, von der Brandung wieder weggespült zu werden, während anderseits die an Land Befindlichen sich beim Rettungswerk durch Festhalten an der Leine ebenfalls vor den brechenden Wellen sichern konnten. Da nur das eine Tan und die eine Leine zur Verfügung standen, machten sich nun diejenigen, die hier nicht mehr nötig waren, mit der Rettung derjenigen zu schaffen, die zwischen die Riffe angespült wurden. An Bord schleppten sich an der Reeling auf Steuer bordseite — die dem Lande zunächst lag — die Mannschaften nach dem Fallreep und dem Bug, die den Riffen ganz.nahe waren, und suchten dann, an dem Tan herüberzukommen; es fielen immer welche zwischen Len Strand und die Riffe, und bei der Rettung an den letzteren waren mit A. Completo, Morique und dem Loolsengast auch zahlreiche Deutsche thätig, die sich bereits gerettet halten und noch Krait genug besaßen. Da man an Bord die Rufe vom Laude her nicht vernehmen konnte, auch die Leute, die von Land den Schwimmenden Leinen zuwerfen wollten, sich nicht verständ lich machen konnten, nahmen sich Burgos, Selles und A. Completo einer Anzahl der Geretteten an und brachten sie vorläufig nach dem Lotsenhäuschen und den Fischerbarken. Mittlerweile signalisierte die „Gneisenau", daß sie untergehe. Das Tan, das auf Sleuerbordseile, wahrscheinlich am Mastwerk, festgemacht war, konnte nun nicht mehr zum Rettungswerke dienen, da es ganz unter Wasser war. Nun kletterten die Mannschaften, die noch an Bo d blieben, auf die Naaen und die Mastkörbe, während der Kommandant und der erste Offizier, die sich aui der Kommandobrücke befanden, die Masten nicht sicher zu erreichen vermochten. Bis dahin waren an dem Tau und mit Hilfe der Genannten über 200 Personen gerettet worden; die noch gerettet wurden, nachdem das Schiff gesunken war, verdanken es denMarine- bevörden. Der Kommandant der „Gneisenau" baue mehrmals versucht, dem genannten Angel Tou seinen Degen znzuwerfen; man weiß nicht, weshalb, aber man vermutet wohl mit Recht, daß er damit dem Manne seinen Dank und seine Bewunderung aussprechen wollte, der für sich allein fünfzehn Personen das Leben gerettet batte und dabei mit den drei Deutschen in? Wasser gefallen war; da Tou den Degen nicht zu fassen vermochte, warf der Kommandant ihn einem Geusarmerie-Umerosfizier zu. — Der Damviersührer Selles wird als einer erwähnt, der stets in ein Rettungsboot sprangt, wenn ein Schiff oder ein Mann in Geiahr ist. Auch der Obermatrose der Tabakgesellschast, Lupion Crespo, wird unter denen genannt, die sich am wirksamsten an dem Rettungswerk beteiligten. Ännies Allerlei. Ein Spätzchen de Wets. Dem Privat briefe eines englischen Offiziers entnimmt eine englische Wochenschrift folgendes nette, in mehreren Beziehungen charakteristisches Geschicht- chen: Eine Streispatrouille der Jeomanry wurde bei Lindley gefangen genommen und vor General de Wet gebracht. De Wet aber, der die rasche Bewegungsfähigkeit seiner Truppen nicht durch Mitnahme von Gefangenen hindern wollte, teilte den Engländern mit, daß er sie sofort sreilassen würde, wenn sie ihm versprächen, einen Brief an den englischen General Rundle zu bestellen. Das schwuren die drei Gesellen hoch und teuer, erhielten darauf einen großen wohlversiegelten Schreibebrief, sattelten schleunigst ihre Gäule und jagten im Galopp davon. Beim Hauptquartier Rundles angelangt, bestanden sie darauf, die wichtige Depesche nur in die Hände des Generals abzuliefern. Nachdem diesem Wunsche Folge geleistet war, las der Empfän ger folgendes laut vor: „An den General Rundle . . . Geehrter Herr, bitte, legen Sie die Ueberbringer an die Kette, sonst lassen sie sich alle Tage fangen. Ihr de Wet." * 4 * Verschnappt. Gast: „Ist die Bowle immer noch nicht fertig, Kellner?" — Kellner: „I bewahre . . . noch nicht einmal der Wein!" Boshaft. „Herr Vorstand, könnten wir an unserm Vereinsfest net auch a Ochsenbraterei veranstalten?" — „Warum net — wenn sich oaner dazua hergibt!" ««-«r, Schon stand der erzürnte Alte im Begriff, mit geballter Faust über Tobbi herzufallen, als er sich von zwei Armen umschlungen und kräftig zurückgchallen fühlte. „Vaier, um Golles willen, Vater," flüsterte eine angstvolle wohlbekannte Stimme dicht neben seinem Ohr, „was wollt Ihr Ihun? Ihr werdet Euch doch nicht an dem Palwcn- käthner vergreisen! Es wäre eine Sünde und Schande!" Die Tochter hatte vielleicht unbewußt des Balers schwächste Seite berührt. Er faßte ihre Worte nach seiner Art auf. „Hast recht, Kind!" sagte er, augenschein lich um vieles ruhiger. „Eine Sünde und eine Schande... ja, das Wäre es auch! Was habe ich, was hat der Anskat mit so einem Palmenmännlein zu schaffen? Der Riese mit dem Zwerge?! Jetzt ist er fort — das ist vorderhand die Hauptsache. Und ich denke, er wird das Wiederkommen wohl vergessen! . . . Wie? Lene, du weinst? Was Hal denn das zu bedeuten, he? Aufgeschaut, Mädel! Was gibt es? Wo drückt der Schuh? Heraus mit der Sprache." Das junge Mädchen halte sich gebückt und die Scherben des Pseisenkopfes in ihre Schürze gesammelt. „Er thut mir in der Seele weh!" sagte sie, dabei leise schluchzend, vor sich hin. „Paperlapapp!" lachte Anskat. „Was liegt daran! Auf dem nächsten Krammarlt kann ich mir einen viel schöneren besorgen. Ich habe ja Geld genug. Oder . . . oder Mieinst du am Ende gar nicht den Pfeisenkopf Mene, du ... du denkst do b nicht etwa iln Ernst an den ... Palwcnkälver?" „Doch!" sagle Lene, sich vom Boden er hebend. „Ich denke an ihn! . . . Ihr habt ihn schwer gekränkt, Vater; Ihr habt ihn be leidigt, und . . . und wenn irgend etwas im stände wäre, mir den Tobbi noch lieber zu macheu, so . . . so wäre es Euer Benehmen vorhin . . ." Änskat blickie seine Tochter einen Augen blick an, als zweifle er an ihrer gesunden Ver nunft. Dann aber schrie er: „Bist du von Sinnen, Lene? Es kann dein Ernst nicht sein, was du da eben gesagt hast!" „Doch l" nickte Lene. „Es ist mein heiliger Ernst I" „Du hast alles gehört, was wir mitein ander gesprochen haben?" fragte Anskat mit mühsam erzwungener Ruhe. „Ja, Vater." „Also auch das, was der Dvortschack ganz zuletzt gesagt hat, als er hier draußen noch ein mal vor mir stand?" „Ja, auch das habe ich gehört," sagte Lene fest. „Nun und was sagst du zu der Zuversicht des sauberen Palwenkätuers, daß du noch ein mal sein Weib werden würdest?" Anskat stemmte beide Hände auf die Hüften und sah seine Tochter so durchdringend und überzeugungsfest an, als wollte er hinzusetzen: „So etwas kann doch nur ein Tollhäusler sagen!" Aber die Lene sagte, ohne zu stocken: „Wie es kommen mag, das weiß ich nicht! Aber ich denke genau so, wie der Tobbi denkt: daß aus uns zweien doch noch einmal ein Paar — und ein glückseliges dazu! — werden wird." „Nein und nein, und abermals nein!" schrie Anskat in vollster Wut. „Da müßte erst eine Welt aus den Fugen gehen, ehe ich das litte! Und wenn ich einst tot sein werde, dann, dann soll's erst recht nicht sein! Nein, ganz gewiß nicht; ich will's noch heute in mein Testament ausnehmen, daß mein einziges Kind enterbt, ganz enterbt sein soll, wenn sie sich einkommcn läßt, des elenden Kesselflickers Weib zu werden! Nicht einen roten Heller sollst du bekommen; aber wenn dir's trotzdem paßt, so heirate den Zigeuner, thue es! Mein Fluch sreilich soll dir nicht entgehen, weun du dich sortwirfst, du ungeratene Dirne, du undankbares, schlechtes Kind!" Der Zorn des Alten schmolz auf einmal in Thränen dahin bei der Vorstellung, welch ein herzbrechender Kummer möglicherweise seiner noch harren könne; aber Lene mühte sich nicht vergebens, den Vater zu beruhigen, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Sie hatte wohl harte Kämpfe vorausgesehen, aber daß Tobbis Werbung vom Vater so auf gefaßt werden könne, als es in der That der Fall gewesen, das hatte sie doch nicht be- sürchtet. Kein Argus that von dieser Stunde an besser seine Wächterpflicht, als der alte Anskat. Er ließ sein Kind fast buchstäblich genommen nicht mehr aus den Augen. Und wenn er das Haus verließ, so geschah es ausnahmslos in Begleitung der Tochter. Er war geradezu un- zeurc unlich von der Lene. Da wollte sich denn für Tobbi lange Zeit hindm ch auch nicht der Schatten einer Möglich keit zeigen, sich dem lieben Mädchen zu nähern oder ihr ein Wörtchen zu sagen — und schrei ben? Auf solchen Ausweg verfiel man damals im Litauer Ländchen noch nicht häufig. Feder und Tinte waren dort und find es auch viel fach heute noch im Volk zur Aussetzung von Ver trägen, zu Unterschriften und dergl. ganz ge eignete Hilfsmittel. Aber daß man sie auch gebrauchen könne, um das zu sagen, was etwa Tobbi der Lene zu sagen halte, dieser Gedanke lag unglaublich fern, so fern tast wie die Hoff nung, daß Tobbis damalige Zuversicht sich doch noch bewähren könne. Wer weiß, ob dieselbe sich bewährt haben würde, wenn der ruhige Verlauf der Dinge nicht plötzlich gewaltsam unterbrochen worden wäie. Mitten im kältesten Winter bei scharfem Nordost und einer Gradzahl, die den Süd ländern bei der bloßen Nennung das Blut in den Adern würde gefrieren machen, brach in Pergitten Feuer aus. Es war zur Nachtzeit. Der Sturmwind jagte die feurige Lohe von Haus zu Haus und bald stand das ganze Dorf in Flammen. Die Verwirrung und das Entsetzen waren grenzenlos. Ratloser aber als alle war Anskat. Er, der Meister im Ratgeben, im Klugsprechen, hatte ganz und gar den Kops verloren. H cs (Fortfekung folgt.)
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