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Allgemeiner Anzeiger : 15.12.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190012151
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- Saxonica
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
-
Monat
1900-12
- Tag 1900-12-15
-
Monat
1900-12
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 15.12.1900
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das zusammen, soweit es sich um Ausgaben für militärische Zwecke handelt, verschlingt in dem neuen Eiat 1032 Millionen, 1890 dagegen sind nur 502 Millionen erforderlich gewesen. Wer trägt an alle dem die Hauptschuld? Das Zentrum! So haben die Nationalliberalen, als sie noch ausschlaggebend waren, nie gewirtschaftet. Ich fange an, vor den Nationalliberalen Respekt zu bekommen. Unter der Aegide des Zentrums ist auch das Budgetrecht stückweise verloren gegangen, geradezu zur An archie geworden! Die Raubpolitik Englands und seine Kriegführung verurteilen wir durch aus. Und wir verurteilen allerdings auch, daß Krüger nicht einmal empfangen worden ist. Denn das muß auf die Boeren den Eindruck der Treulosigkeit machen. Vor allem wegen des Telegramms des Kaisers vom 3. Januar 1896 und wegen der darüber hier im Reichstag statt gehabten Verhandlungen im März 1896. Alles das gebot unbedingt, Krüger hier zu empfangen. Daß dies nicht geschah, hat unserer auswärtigen Politik die Sympathien anderer Völker entfremden müssen. Weiter berührt Redner die 12000 Mark-Affäre. Er frage den Staatssekretär direkt: an welchem Tage derselbe von der Eianahme der 12 000 Mark Kennt nis erlangt habe, und wie dies Geld verwendet worden sei. Staatssekretär Erm Po > adowsty : Wer mich und mein öffentliches Leben kennt, weiß, daß ich keine Furcht kenne. Ich bin Herrn Bebel geradezu dankbar dafür, daß er die sogen. „12 000 Mark- Affäre" nochmals zur Sprache gebracht hat. Gleich diel, ob ich davon gewußt hatte oder nicht, — ich trage die Verantwortung für jene Sache I Und nun rin Wort, — jenes sogenannte Zuchthausgesetz war ein Gesetz zu Gunnen der Arbeiter. Die 12 000 Mark sind verwendet worden nur zur Ver breitung stenographischen amtlichen Materials. Auf das Zustandekommen des Gesetzes konnte damit überhaupt nicht hingewirkt werden, denn wer die erste Lesnng verfolgt hatte, wußte, daß das Gesetz doch nicht zu stände komme. Es handelte sich nur darum, die Massen über den eigentlichen Zweck des Gesetzes aufzuklären, die Aufregung der Massen zu beschwichtigen. Es mag unzweckmäßig gewesen, poli tisch inopportun, das Geld gerade auf solche Weise zu beschaffen, darüber hat sich ja der Reichstag ge legentlich der Interpellation ausgesprochen. Ter Druckkostenfonds des Reichsamts des Innern hätte ja benutzt werden können, cs mag dies durch eine gewisse büreaukralische Aengstlichkeit verhindert wor den sein. An den Zentralverband hat man sich des halb gewandt, weil er ein großes Interesse daran hatte, daß die Massen durch amtliches Material auf geklärt würden I Deshalb sind ihm die Kosten aus- rrlegt worden. Der betreffende Beamte hat übrigens die höchsten sozialpolitischen Verdienste. Abg. v. Kardorss (freikons.) wirst dem Abg. Bebel „eine Art Größenwahn" vor und tritt sodann den Bemerkungen Bebels über den Richtempfang Krügers entgegen. Der Richtempfang liege sogar eher im Interesse der Boeren und Krügers, denn jetzt könnten wir eher zu ihren Gunsten einen freund schaftlichen Nat geben, als wenn wir durch seinen Empfang England gereizt hätten. Ganz irrig sei es aber, wenn Bebel unsern wirtschaftlichen Rückgang auf das „chinesische Abenteuer" zurückführe, an unserm Rückgang trage vielmehr das gigantische Emporwachien Amerikas in wirtschaftlicher Beziehung die Hauptschuld. Für Militär gebe Deutschland für den Kopf noch immer viel weniger aus als Frank reich oder Rußland. Abg. Richter (fr. Vp.) wendet sich zunächst gegen den Staatssekretär Posadowsky: Es war gesetzwidrig, daß das Reichsamt des Innern andere Leute um Gelder anging, die der Reichstag nicht be willigt hat und auch, wie ich gleich hinzufügen will, niemals bewilligt haben würde, wenn er darum an gegangen worden wäre. Bezüglich der Marine ist der Reichstag vollends zu einer bloßen Kalkulationsmaschinc herabgejunken. Der vorjährige Flouenbaucmt ist schon jetzt wieder ganz gewaltig überschritten. Sogar die Kosten der ostasiatischcn Station erhöhen sich. Im übrigen begreife ich nicht, was die neuen Flottcnbilder auf den Staffeleien in der Wandelhalle bedeuten sollen. Mir wird immer unheimlich, wenn ich so etwas sehe. Ist etwa schon wieder ein neues Floltengesetz in Vorbereitung? Daß für die Postassistenten-Gehälter nicht 2 Millionen mehr aufgewendet werden können, darüber klagt die Postverwaltung selber in ihrem offiziösen Bla-t. Der Herr Staatssekretär ist gewiß viel zu gutherzig, um das zu verweigern. Aber der Widerstand liegt bei dem Vater aller Hindernisse, ich brauche ihn Wohl nicht erst zu nennen. Weiter plädiert der Reoner gegen die auch diesmal wieder im Etat be findliche ostairikanische Z-ntralbahn: Das sollen wir machen in einem Jahr, wo uns China schon so viel kostet! Ich bin neugierig, wie sich Graf Limburg dazu verhält. Ob er hier für Ostafrika 100 Millionen bewilligen und wie er es dann rechtfertigen will, im preußischen Abgeordnetenhause die Gelder für den Kanal zu verweigern. Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Antii.) drückt seine Genugtuung darüber aus, daß wir wieder einen leibhaftigen Reichskanzler haben, der auch die Rechte des Volkes zu achten versprochen habe. Dringend geboten sei eine Revision des Militär - Pensionsgesetzes. Anzuerkennen sei die Tüchtigkeit unserer Heeresverwaltung, wie sie sich wieder in China bewährt habe. Schade nur, daß wir bei der Gelegenheit auch das morsche Gebäude der englischen Macht wieder stützen geholfen haben. Die Zurückweisung des Besuches des Präsidenten Krüger habe im Volke große Verstimmung hervor- gerusen. In den gestrigen Worten des Reichskanzlers vermisse er die Brandmarkung der schlechten Motive, welche den Krieg Englands gegen Transvaal veran laßt haben. Zweifelhaft sei es ihm, ob wir wirklich auch in dem Zwist ganz strikte Neutralität bewahrt hätten. England habe seine Macht in unerhörter Weise mißbraucht. Auch seien von hier Waffen während des Krieges nach England gegangen. Er bitte den Kanzler um strikteste Neutralität. Die Weiterberatung wird vertagt. Bott Uah und Fern. Weitere Ergebnisse der Volkszählung. Breslau 422 415 (1895: 373 163), Posen 116 151 (102 774), Schöneberg bei Berlin 95 939 (62 695), Düsseldorf 212 500 (175 985), Kassel 105 455 (90 192), Regensburg 45 312 (41 471), Hildesheim 42 843 (38 874), Göttingen 30180 (25113), Straßburg 150 268 (135 608), Frei burg i. B. 61513 (53 118), Stuttgart 176 318 (158 321), Dresden 395 349 (336 440), Görlitz 80 842 (70 175), Danzig 138 108 (125 639), Bremen 160 823 (141894), Tilfit 34 600 (28 217), Insterburg 27 667 (23 546), Kiel 107 071 (85 666), Rixdori 90 514 (59 937) Ein wohner. Ein Unfall der Erbgrossherzogin von Baden. Als der Erbgroßhcrzog von Baden dieser Tage in Begleitung seiner Gemahlin, von einem Ausfluge zurückkehrend, die Strecke Köln - Bingerbrück passierte, erhielt der D-Zug- Wagen, in dessen einem Abtei! die erbgroß herzoglichen Herrschaften am Fenster Platz ge nommen hatten, kurz vor der Station Binger brück einen heftigen Stoß. Infolge der hier durch hervorgerufenen Erschütterung wurde das Fenster des Wagens zertrümmert und die zu nächst fitzende Erbgroßherzogin durch umher fliegende Glassplitter im Gesicht verletzt. Nach dem der Zug in Bingerbrück angelangt war, wurden sofort nach der Ursache des Vorkomm nisses Ermittelungen angestellt, wobei sich her ausstellte, daß Bahnarbeiter, die auf der Strecke mit Schotterausladen beschäftigt waren, ein Bordstück unvorsichtigerweise so weit gegen das vom D-Zug befahrene Gleis vorgeschoben hatten, daß es vom Zuge gestreift wurde, wodurch der etwas unsanfte Stoß herbeigeft'lhrt worden war. Irgend welche Nachteile dürste der Unfall er freulicherweise für die Gesundheit der Erbgroß herzogin nicht nach sich ziehen. Hochwasser am Rhein. Infolge des Sonntag erneut eingetretenen Regenwetters ist Hochwasser im gesamten Rheingebiet einge treten. Aus allen Teilen des südlichen Schwarz waldes, des Rhein- und Neckarthales, sowie aus deren Seitenthälern wird fortwährendes Steigen der Gewässer gemeldet. Weite Strecken find bereits überschwemmt. Nach den amtlichen Meldungen steigt auch die Mosel wiederum stark. Oberhalb Koblenz stehen einzelne Dörfer unter Wasser. An der Saarbrücke bei Hemme richtete das Hochwasser große Verwüstungen an; mehrere Bauernhäuser sind bereits wegge schwemmt. Auch aus dem Wesergebiet wird fortgesetztes Steigen gemeldet. In Altena (Westfalen) sind zahlreiche Betriebe eingestellt worden, die Häuser der niedriger gelegenen Stadtteile stehen unter Wasser, die Bewohner mußten flüchten. Die Ausführung des Goethe-Denkmals für Straßburg ist dem Berliner Bildhauer Ernst Waegener übertragen worden, der beim Wett bewerb den ersten Preis erhalten hatte. Der Auftrag ist dem Künstler auf Grund eines neuen Entwurfes zu teil geworden, bei welchem be stimmte Wünsche des geschäftsführenden Aus schusses berücksichtigt worden sind. Warnung vor einem Auswanderungs- Agenten. Ein in Sao Paulo in Brasilien anscheinend als Vermittelungsagent thätiger G. Klinger hat sich an den Inhaber eines Berliner Dienstvermittelungsbüreaus mit dem Auftrage gewandt, ihm auswanderungslustige Personen dorthin zu schicken, die als Arbeiter in den Kaffeepflanzungen in der Nähe von Sao Paulo Verwendung finden sollen. Vor einer derartigen Auswanderung nach Sao Paulo wird polizeilich gewarnt. Flüchtig geworden ist der langjährige Direktor einer Genossenschaft zu Schleiz, nach Unterschlagung von angeblich 80 000 bis 90 000 Mk. Da die Unterschlagungen durch falsche Buchungen verdeckt sind, läßt sich die Höhe der Veruntreuungen noch nicht genau an geben. Der Radler und der Tod. lieber einen eigentümlichen Vorfall, bei dem durch plötzlichen Schreck der Tod eines Menschen herbeigejührt wurde, wird aus Bremervörde berichtet. Am Sonntag morgen war ein junges Mädchen aus dem Dorfe Mehldorf nach Bremervörde unter wegs, um dort den Gottesdienst zu besuchen. In der Nähe des Friedhofes wurde Plötzlich das Mädchen vom Schlage gerührt und fiel tot zu Boden. Augenzeugen berichten hierzu, daß ein Radler in schnellstem Tempo an dem Mäd chen vorbeigefahren sei und erst dicht neben demselben plötzlich schari geklingelt habe. Hier durch sei das Landmädchen so erschreckt worden, daß es vom Schlage gerührt und auf der Stelle tot war. Die Enthüllung des Goethe-Denkmals in Wien findet in Gegenwart des Kaisers am 15. d. um 12 Uhr mittags statt. Die That eines Irrsinnigen. Die Gattin des Großindustriellen Jurcsak aus Achat, welche ihren irrsinnigen Gatten ins Irrenhaus zu Budapest bringen wollte, wurde von ihrem Manne während der Bahnfahrt aus dem Koupcc geworftn und dadurch getötet. Die Pariser Post - Verwaltung um 3NV VOV Frank zu betrügen, ist im Lauft der letzten Monate einer raffinierten Gauner bande gelungen. Diese offenbar stets gut unter richtete „Gesellschaft" war immer in Kenntnis davon, wenn bei den Pariser Postämtern An weisungen einliefen, und unter Vorzeigung von aus den Namen der Adressaten lautenden Pässen gelang es den Spitzbuben, die angewiesenen Beträge an den Postschaltern zu erheben. Na türlich reklamierten ipäter die richtigen Adressaten und mußten voll entschädigt werden. Einer der Uebelthäter ließ bei solchem Anlaß den von ihm vorgewiesenen Paß zurück und, da sich bald ergab, daß bei dieser Behebung wieder ein Be trug begangen worden war, wurde der Paß photographiert und jedem Pariser Postamt eine Kopie eingehändigt. So gelang es bei nächstem Versuche, die Gleichheit der Schrift auf dem vorgelegten Passe mit der festgestellten Fälschung zu erkennen, und der „Herr Chambeno's", der das Geld beheben wollte, wurde verhaftet. Auf der Polizei mußte er zu geben, daß er Albert Wolff heiße und ge borener Deutscher sei. Auch sein Komplice, Arthur G^oß, wrirde festgenommen. Man sand in der Wohnung der Betrüger über hundert ge fälschte Pässe. Die weiteren vier Mitschuldigen werden noch gesucht. Die Bande hatte an einem Tage im Trocadero-Büreau an 20 000 Frank erhoben. Ein schwerer Reliquien-Diebstahl in England. Aus dem ehemaligen Greenwich- Hospital, das jetzt zum Teil ein großartiges Marine-Museum beherbergt, haben Einbrecher fast alle in dem Mufeum aufbewahrten Nelson- Reliquien gestohlen. Darunter befinden sich die von der tödlichen Kugel durchlöcherte Uniform, die Nelson in der Schlacht bei Trafalgar trug, seine Uhr, seine Medaillen, die Flaggen, mit denen er während der Schlacht den berühmten Befehl geben ließ: „England erwartet, daß jeder Mann seine Pflicht thut," rc. — Das Greenwich-Hospital liegt in der gleichnamigen Vorstadt Londons. Urfprünglich bestimmt, ein königlicher Palast zu werden, wurde es von Wilhelm IH. diesem menschenfreundlichen Zweck zugesührt und 1705 eröffnet. Es besteht aus vier Palästen, die sich um ein Viereck gruppie ren und ist im klassischen Stil erbaut. Die alten Matrosen, die früher diese Räume bewohn ten, beziehen jetzt ein Ruhegehalt von zwei Schilling täglich und können wohnen, wo sie wollen. Der ehemalige Speisesaal im King Williams-Gebäude emhält eine Gemäldesamm lung, in den beiden nördlichen Palästen befindet sich das Marine-Museum und der vierte Fügel ist der 1872 gegründeten Marine-Akademie ein geräumt. Der Massenmörder Nordlund ist, wie aus Stockholm berichtet wird, am Montag hin gerichtet worden. Zu dem Eisenbahnunglück in Spanien, ans der Strecke Sacar-Obejo, werden noch fol gende Einzelheiten gemeldet: Ein Ballastzug, in dem 30 Arbeiter saßen, stieß mit einem Güterzug zusammen, weil der Vorsteher beider Statftnen, ohne die telegraphische Antwort der nächsten Station abzuwarten, das Signal zur Abfahrt gegeben hatte. Die Maschinisten konnten das Unglück nicht verhüten, weil eine vorhandene Kurve nicht gestattete, sich von weitem zu er erblicken. Viele Arbeiter stürzten sich, als der Güterzug herangebrauft kam, von den Waggons herab. Beim Zusammenprall glaubte man in den umliegenden Ortschaften einen Kanonen schuß zu vernehmen. Ein Waggon stieg über den andern. In grausigem Durcheinander wurden acht Menschen getötet, sechzehn schwer verwundet. Die Hiftsarbeiteu wurden sofort orga nisiert, die Verwundeten nach Cordoba geschafft. Braud eines Warenhauses. In einem großen Warenhaus in Moskau brach am 7. d. abends Feuer aus. Der Materialschaden be trägt eine Million Rubel. GerichtshaUe. Berlin. „Unser Meister ist nicht viel älter wie wir, er braucht nicht selbständig zu fein, wir werden ihn ruinieren." Von diesem Gedankengang, der wiederholt zur Aussprache gelangte, gingen die vier Schlächtergesellen Paul Klub, Karl Wagner, Adolf Hohlmichcl und Erich Wittenftrq aus, welche am Montag wegen Diebstahls und Hehlerei, die beiden Erstgenannten auch wegen Sachbeschädigung, vor dem Schöffengericht standen. Ihr Arbeitgeber, gegen den sie mit Neid und Mißgunst erfüllt waren, war der Schlächtermeister Mielenz. Die Angeklagten bestahlen ihren Meister, wo sich die Gelegenheit dazu bot, Fett, Därme, Schinken, Fleisch- und Wurstwaren wurden in erheblichen Mengen zum Hause hinaus geschleppt und bei dem früheren Schlächter Max Rupp untergebracht, der sich deshalb wegen Hehlerei zu verantworten hatte. Um etwas zum „Ruin" des Meisters beizutragen, warfen die Angeklagten einmal fast einen Zentner Wurstmasse fort, anstatt dieselbe zu verarbeiten. Der Gerichtshof verurteilte Kluß zu neun, Wagner zu drei, Wittenberg und Hohl michel zu je zwei und Rupp zu sechs Monat Ge fängnis. Buntes Allerlei. Eine hübsche Wahlwette. Vierzehn Tage vor der Präsidentenwahl in den Ver. Staaten wurde auf einer Gesellschaft in Louis- Ville (Kentucky) Herr Charles Rathbone dem Fräulein Anita Bertrand vorqestellt. Ball gespräch war natürlich die bevorstehende Wahl; das Fräulein war für Mc Kinley, der Herr sür Bryan, beide glaubten zuversichtlich an den Sieg ihres Kandidaten. Alfo wetteten sie: das Fräulein Anita setzte zwei Pfund Bonbons, der junge Mann — sich selbst, d. h. er war bereit, sie zu heiraten, falls er verlieren sollte; galant fügte er hinzu: „Wer verliert, gewinnt." Sie hatten eigentlich beide nichts zu verlieren, falls Bryan unterlag: Sie war eine Schönheit und er sehr reich. So schien es ihnen auch, als dieser Fall wirklich eintrat, aber — Anitas Mutter widersetzte sich der Heirat, weil ihre Tochter noch zu jung wäre. Und nun kommr das Interessante: das junge Mädchen hat ihre Mutter — verklagt; sie behauptet, wenn man eine Wette gewonnen hätte, müßte man wenig stens den Siegespreis erhalten. Es spricht alles dafür, daß die amerikanische Justiz ihr recht geben wird. * * * Bittere Logik. Ehemaliger Lebemann: „. . . Ja, meine Gnädige, wenn man mich sa sieht, ahnt man nicht, daß ich von so hoher Ab kunft bin!" — Dame: „O doch, an Ihrer tiefen Herabgekommenheit l" «E schon weil der Jakubeit dem Tobbi nichts Gutes gönnte. Hatte jener sich doch wieder holt dahin ausgesprochen, daß ihm Galgen und Rad sür so einen Menschen wie der Tobbi Dvort'chack noch eine viel zu milde Strase be- dünkte. Aut dem Wege, der sich von der großen Landstraße nach Pcrgitten abzweigt, war Jaku beit angeblich von einer unbekannten Frauens- peison angeredel worden. Die Wahrscheinlich keit sprach also dafür, daß jene Unbekaume in Pcrgitten zu Hause war, und infolgedessen wurden alle Bewohner jener Ortschaft, von denen es erwiesen war, daß sie je in irgend -einer — und sei es auch noch so losen Be ziehung zu den Dvortschacks gestanden hatten, als Zeugen vor Gericht geladen. Jaknbcft hatte sich bei seinen Aussagen über jene Begegnung am Pergifter Wege in Wider sprüche verwickelt. Hier also war, allem An schein nach, irgend ein Umstand verborgen, der dem geschickten Rechtsanwalt eine Möglichkeit tbcu, seinen Klienten straflos ausgehen zu sehen. Und der g- w egte Jurist setzte alle Segel bei, um sein Ziel zu erreichen; um so mehr, als seine Kollegen ihm fast ausnahmslos eine Nieder lage Voraussagen. Das Interesse des Verteidigers für Tobbi selbst war bei diesem Eiser, alles Dunkcl- gebltebcuc awzuklären, bei weuem weniger maßgebend, als der brennende Wunsch, einen neuen gläupwdcn Sieg seines SehansinnS und seiner Rednergabe zu verzeichnen. Die Voruntersuchung zog sich ungewöhnlich kn die Länge. Auf die wiederholte Ermahnung des dieselbe führenden Richters: Tobbi möge doch ein offenes, reumütiges Geständnis ab- lcgcn, antwortete dieser stets mit dem einfachen Hinweis aut das, was er bereits ausgesagt habe, und harrte dann in stumpfer Ruhe des Aussvruchs seiner Richter. Nachdem alle Vorarbeiten erledigt worden, schritt man zur Hauptverhandlung: zur Ab- ureilung des Gefangenen, gegen welchen die Anklage wegen Vatermordes erhoben war. Der Gerichtsschreiber verlas dieselbe; der Staatsanwalt begründete sie; die Kapitalzeugen wurden noch einmal vernommen und auf ihre Aussagen vereidigt. Nicht ein Moment bot sich dar, der dem Verteidiger die Ausgabe er leichtert hätte. Trotzdem aber ließ dieser alle Minen der Beredsamkeit springen; er schilderte Tobbis unantastbare Vergangenheit, seine kind liche Liebe und Weichherzigkeit beim Tode der Mutter, seine auch bei mancher anderen Ge legenheit bewiesene Herzensgttte und Menschen freundlichkeit, — aber was er auch immer sagen mochte, sein Gegner, der öffentliche Ankläger, wußte alle diese Argumente schlagfertig zu ent kräften und Tobbi mußte je länger, desto mehr einschcn, daß seine gute Sache als verloren zu betrachten sei. Da Mblich öffnete sich die Thür des Gerichtssaales und fast mit Gewalt machte sich ein junges Mädchen frei von den Händen der sie erzürnt zurückhaltenden Gerichlsdicucr. „Laßt mich!" rief die Eindringcudc mit lauter Stimme. „Ich Will, ich muß gehört werden!" „Es ist zu spät," hieß es. „Er ist schon so gut wie verurteilt." Das Mädchen zuckte heftig zusammen. Allem Anschein nach hatte es einen weiten Weg in großer Hast zurückgelegt. Sein hübsches Ge sicht war über und über gerötet, seine Haare vom Winde zerzaust, seine Schuhe mit Staub bedeckt. „Das ist nicht wahr!" rief es. „Es kann nicht sein! Ihr müßt mich hören!" Ihr angstvoller Ruf drang bis zu dem Vor sitzenden des Gerichtshofes. Er machte den Dienern ein Zeichen, das Mädchen nicht länger zurückzuhalten, und fragte dann den Angeklagten: „Kennt Är diesen verspätet auftretenden Zeugen, Tobias Dvortschack?" Tobbi blickte auf. „Nein," sagte er ruhig. „Ich erinnere mich nicht, diese jemals gesehen zu haben." Nun nahm der Voi sitzende aufs neue das Wort: er sagte, der Schluß der Verhandlung sei durch einen unvorhergesehenen Zwischenfall aufgehalten worden. Das Zeugenverhör sei bendet. Es frage sich demnach, ob es zulässig sei, die so unerwartet vorgetretene Zeugin trotz dem noch zu hören? Er bäte die Herren Richter, sich über diese Frage schlüssig machen wollen. Aber das junge Mädchen rief unbotmäßig dazwischen: „Wenn es noch Recht und Gerechtigkeit auf Erden gibt, so dürft ihr mir's nicht 'verweigern daß ich sage, was ich weiß, was ich gesehen habe mit diesen meinen eigenen Augen!" Der Vorsitzende nahm nicht Akt von dieser seltsamen Anrede. Mit unerschütterlicher Ruhe I wiederholte er seine Frage an die anwesenden Kollegen, und als diese sich einstimmig für die Zulässigkeit der verspäteten Zeugin ausgesprochen hatten, nahm der Vorsitzende den Gang der Verhandlung wieder auf, indem er sich fragend dem jungen Mädchen zuwendete. „Wie ist Euer Name?" redete er sie an. „Ich heiße Lene Anskat," sagte die Zeugin. „Mein Vater ist der Großbauer Anskat in Pcrgitten." Tobbi richtetete sich hoch auf. Mit weit geöffneten Augen starrte er nach der Sprecherin hin. Träumte oder wachte er? „Lene Anskat!" murmelte er halblaut vor sich hin. Vor seinen Augen flammte es auf wie Helles Morgenrot. Sie, die kleine Lene aus Pcrgitten, war es, die da vor ihm stand? Sie wollle noch eine Aussage thun, ihn vielleicht retten vor der Verurteilung? O, sie war ja schon mehr als einmal sein guter Geist, sein Schutzengel gewesen! Der einzige Mensch, außer Sassa, der je wahre, warmherzige Teil nahme für ihn empfunden hatte. Den Ver teidiger nicht ausgenommen, der freilich die Worte nicht gespart hatte, um den Angeklagten freigesprochen zu bekommen. Nichts von alle dem, was er gesagt, hatte aber Tobbis Herz auch nur auf Augenblicke zu erwärmen ver mocht. Die Lene war nur Tobbis wegen gekommen. Sie hatte ihn also nicht vergessen! Wenigstens doch eine Seele, die mit ihm fühlte, sich um ihn bekümmerte! Wie ihm das wohlihat, wie es ihn mit neuem Lebensmut beseelte! S »c (Forlsetzung folgt.)
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