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Allgemeiner Anzeiger : 24.12.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-190012247
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19001224
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1900
-
Monat
1900-12
- Tag 1900-12-24
-
Monat
1900-12
-
Jahr
1900
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 24.12.1900
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Stammbuch der Bismarcks. Zur Ge schichte der Familie v. Bismarck ist ein wert voller Beitrag zu verzeichnen, von dem nicht allein um des rühmlichen, allen und weit verzweigten Geschlechts willen, sondern auch seiner mnsterbaften vorbildlichen Anlage wegen Vermerk zu nehmen sich empfiehlt. Es ist das ein „Stammbuch des Geschlechts v. Bismarck von 1200 bis 1900" - es verzeichnet 480 Stammesgenossen nach Geburt, Lebenslaus und Verwandtschaft: zahlreiche Wappen-Abdrücke, Namen^unterschriften und Abbildungen von Herrensitzen, ein Verzeichnis verwandter Ge- schlechier sind beigegeben. Besonders interessiert auch ein Dankbrief des Altreichskanzlers, des „ergebenen Vetters v. Bismarck" an den Her ausgeber Valentin v. Bismarck. Gnadengeschenk. Der Prinz-Regent von Bayern hat der Wilwe des von dem Räuber Kneißl erschossenen Gendarmeriestationskomman danten Brandmeier in Altomünster eine momen tane Unterstützung von 100 Mk. angewiesen. Das Geschenk ist bereits in den Händen der Witwe. — Das zweite Opfer, Gendarm Scheidler in Altomünster, der von Kneißl bei dem Ver such, ihn festzunehmen, einen Schuß in den rechten Unterschenkel erhalten hatte, ist seinen Leiden ebenfalls erlegen. Scheidler wurde sechs Tage nach seiner Verwundung das Bein unter halb des Kniees amputiert. Er hinterläßt eine Witwe und sieben Kinder, von denen das jüngste noch nicht ein halbes Jahr, das älteste 17 Jayr alt ist. Die Teilnahme für die arme Familie, die nun, ihres Ernährers beraubt, sich in der denkbar dürftigsten Lage befindet, ist allgemein. Gin Walfisch ist in der letzten Zeit wieder holt in der Nordsee gesehen worden. Die Sprottenfischer, welche ihrem Fange vor der E'bmündung oblagen, sahen an verschiedenen Tagen einen mächtigen Walfisch dort herum- treiben. Das Tier hielt sich viel an der Ober fläche, so daß seine Größe und Gestalt genau beobachtet werden konnte. Nach der Beschrei bung der Beobachter handelt es sich wahrsche n- lich um einen Finwal. Zeitweilig kam das Tier bis in die Nähe des äußeren Feuerschiffs. Ein 12 jähriger Schulknabe in Vogels dorf (Kreis Niederbarnim) hat am Mittwoch Selbstmord verübt. Der Junge saß am Tische in der Wohnstube seiner Eltern, plötzlich sprang er mit den Worten auf: „Ich lerne überhaupt nicht mehr!" und eilte in die Schlafstube, wo man ihn kurz darauf am Bettpfosten hängend, entseelt vorfand. Mit seinem Halstuch hat er sich aufgeknüpst. Wie verlautet, ist der Knabe wegen Unfleißes vom Pfarrer getadelt worden. Schutzwaffen in Kindeshand. Der acht jährige Sohn des Lohgerbers Heerlein in Suhl hat, während die Mutter der Kinder aus Arbeit abwesend war, seine sechsjährige Schwester Frieda mit einem Gewehr erschossen. Das Gewehr hatte er hinter der in der Stube be findlichen Kommode hervorgeholt und dann mit einer Kugelpatrone, die sich in einem Kästchen im unverschlossenen Wandschrank befand, ge- taden. Der Tod des Kindes erfolgte alsbald. Ein Spiegel der Bolksmeinung. Im dritten Teil des neuen Münchener Adreßbuches finden sich nicht weniger als zwölf seit Jahrcs- 'Ä- gegründete Vereine mit dem Namen „Die Boeren", außerdem gibt es noch „Frieden- hAEr Boeren", sodann „Boerensrcunde" und Boerenscharfschützen". — Auch ein „Chinesen- bund ist ms Leben getreten. Einer Bandwurmkur » i» Doktor wäre kürzlich beinahe die Ehefrau des Besitzers Kuhr aus Loye zum Opfer ge fallen. Sie hatte sich von ihrem Mann ein größeres Quantum Bandwurmpillen aus Memel mitbringen lassen- anstatt diese jedoch nach Vorschrift m mehrstündigen Zwischenräumen ein zunehmen, verschluckte die Fran sämtliche Pillen, 45 an der Zahl, mit einem Male. Bald zeigten fich die Symptome einer schweren Vergiftung. Statt nun den Arzt zu holen, versuchte man, die Ertränkte durch Eingeben von Kuhdung und ähnlichen Sachen zu kurieren, natürlich mit dem Erfolge, daß der Zustand der Frau sich immer mehr verschlimmerte. Im letzten Augenblick erst wurde ärztliche Hilfe in Anspruch genommen uno die unmittelbare Lebensgefahr dadurch be ¬ seitigt, doch liegt die Frau noch jetzt schwer krank danieder. Ein Ehrenbeleidigungsprozetz, der be deutendes Aussehen erregt, findet gegenwärtig: in Wien statt. Es handelt sich dabei um eine seitens des Korpskommandos verfügte Verruis- erk'ärung eines der elegantesten Restaurants der Ringstraße. Am 24. Oktober nachmittags erschien ein Baron Thavonat, der Reserveoifizier ist, in Zivilkleidung im Restaurant Hartmann, bestellte Forelle, aß die Hälfte und gab dann den Fisch mit der Behauptung zurück, daß er nicht frisch sei, sondern übel rieche. Der Kellner verlangte Zahlung. Es kam zu einem erregten Wort wechsel, wobei Baron Thavonat den herbeige eilten Besitzer Hartmann „Schwein" nannte. Hartmann antwortete: „Selber Schwein". Der Baron ohrfeigte den Hartmann, und als Kellner zu Hilfe eilten, zog er einen Revolver. Die Staatsanwaltschaft lehnte die Erhebung der Anklage wegen Bedrohung gegen Thavonat ab. Das Korpskommando verfügte, daß Offiziere das Restaurant Hartmann zu meiden haben, und alle Bemühungen der Gastwirte-Genossen- schaft, die Zurücknahme dieser Verfügung zu er wirken, scheiterten bisher an der Weigerung Hartmanns, eine öffentliche Erklärung abzu geben, daß er nicht gewußt habe, daß Thavonat Offizier sei. französische Kolonialpolitik. Wenn die Engländer eine Kolonie anlegen, dann ist ihr erstes, Faktoreien zu bauen, die Deutschen sangen mit der Errichtung eines Regierungs gebäudes an. Und die Franzosen? In Madagaskar hatten französische Soldaten zu ihrer Unterhaltung ein kleines Theater-Konzert improvisiert, in dem einige von ihnen selbst als Künstler auftraten. Das Experiment hatte großen Eriolg. Man mußte einen neuen Theatersaal bauen, nnd französische Unternehmer konnten sogar eine kleine Schauspielertruvpe aus Frankreich dorthin schicken, die vom Mai bis August dieses Jahres dort gespielt hat. General Gallieni ging jedoch im Einverständnis mit der Stadtverwaltung von Tananarioo noch weiter. Man hat ein Stadttheater beg-ündet, für das die Stadtverwaltung eine Subvention von 85 000 Frank bew liigt hat, für die man nun ein neues und großartiges Thcatergebäude aus führen kann. Bereits am l. Januar soll die Einrichtung des neuen Theaters beendet sein, einige Wochen später wird die Eröffnung statt finden. Die ersten Banknoten. Das Britische Mnscnm hat in seiner Ausstellung älterer Druck sachen aus Japan und China soeben eine chuiesische Banknote ausgestellt, die während der Regierung Hung Wus (1368—1399) ausgegeben wurde. 18 Zoll lang und 9 Zoll breit, ist dies das erste Exemplar einer Banknote, die, soweit bekannt, in irgend einem Lande existiert. Erst 300 Jahre später wurde in Stockholm die erste europäische Bank gegründet, welche Banknoten ausgab. Opfer der Vergiftung durch arsenik haltiges Bier. Noch täglich ereignen sich in Manchester neue Todesfälle, deren Ursache auf Vergiftung durch arsenikhaltiges Bier zurückzu- ssihren ist. Bei fünf Personen, die in den ver schiedenen Hospitälern und im Arbeitshause unter verdächtigen Symptomen gestorben sind, stellten die Aerzte Arsenikvergiitung fest. Gegen zwölf Bierbrauer hat man bereits Haftbefehle erlassen. Zahlreiche Erkrankungen w-rden ge meldet, die ebenfalls durch den Genuß ver gifteten Bieres verschuldet find. Der Zustand vieler dieser Patienten ist ziemlich bedenklich. Allgemeines Erstaunen haben die letzten An gaben des Manchester Cuy-Analytikers hervor gerufen. Dieser hat herausgeiunden, daß die verhängnisvolle Verunreinigung des Bieres nicht nur arsenikhaltigem Traubenzucker zuzu- schreiben ist, sondern daß auch im Malz Spuren von dem Gilt entdeckt werden. Man hat sämt liche Brauer der Stadt und Umgegend sofort davon in Kenntnis gesetzt und sie gewarnt, Malz zu brauchen, das nicht vorher chemisch untersucht worden ist. Brand einer Dampfsägemühle. Ein furchtbarer Brand hat eine in dem Stadtteile Staraja Dierewnia in Petersburg gelegene, einer belgychen Slkttengcfelllchattgeyorig^röye Dampssägemüble und die daran grenzenden ge waltigen Holzläger vollständig eingeäschert. Der materielle Schaden wird auf 1V« Mill. Rubel geschätzt. 5 Arbeiter kamen in den Flammen um. Der Bock als Gärtner. Aus Antrag des französischen Konsuls in ' New Jork sind drei Krankenwärter an der dortigen Irrenanstalt unter dem Verdacht, drei französische Pensionäre erwürgt zu haben, verhaftet worden. Die ein geleitete Untersuchung hat unglaubliche That- sachen zu Tage gefördert. Das Krankenwärter personal hat die ihm unterstellten Kranken aufs schlimmste mißhandelt. Einige von ihnen sollen sogar vergütet worden sein. Die Engländer in Iahnnnrsdurg. Wie die Engländer in Südafrika die nicht unter Waffen stehende Boerenbevölkerung be handeln und die von siegreichen Boerenttuvpcn gefangenen Engländern gegenüber auch heute noch geübte Milde vergelten, erfuhr der Schreiber dieser Zeilen vor kurzem gelegentlich eines Auf enthaltes in Brüssel von einem Justizbeamten aus Johannesburg, dem es gelungen war, rechtzeitig von dort zu entkommen. Die Be wohner Johannesburgs waren, nach Aussage dieses Herrn, eigentlich erfreut, als die Eng länder einrückten, da schon bedeutende Explosionen in der Nähe erfolgt waren, man gefahrbringende Sprengungen in den Minen befürchtete und sich recht unsicher fühlte. Die ruhige und nicht im mindesten aufsässige Haltung der Bevölkerung hielt aber die siegreichen Söhne Albions nicht ab, sich in jeder Weise als die Herren zu zechen und ohne Grund die schärfsten Maß nahmen in Anwendung zu bringen. Bürger, die auf fast menschenleerer Straße bei Be gegnungen nur wenige, ihre Geschäfte betreffende Worte wechselten, wurden sofort von hinzu- trcienden Soldaten in barscher Weise zum Weilergehen und Unterlassen aller Besprechungen aufgc'ordert. Wehe dem aber, der den Siegern gegenüber sein Recht wahren wollte. Eine der ersten Maßregeln nach der Einnahme Johanms- buras war die Anordnung, daß sämtliche Waffen abzulieiern seien. Ein Mann hatte einen Revolver vergessen abzugeben, wurde denunziert und zu 2 Jahr Kerker verurteilt: zugleich wurde sein ganzes Hab und Gut ein gezogen. Dabei muß bemerkt werden, daß jeder dort wegen der Unsicherheit, die in der von vielen Abenteurern aufgesuchten Gegend der Minen herrscht, gewohnt ist, einen Revolver zu besitzen, und dies keineswegs als eine aus nahmsweise Bewaffnung betrachtet: selbst Frauen haben, weil nicht selten die dienenden Kaffern Frauen gefährlich werden, häufig einen Re volver. Die bittersten Erfahrungen aber mußten die Beamten Johannesburgs, darunter der Mann, dem wir diese Mitteilungen verdanken, machen. Er hatte die Stra rechlspflege in Johannesburg zu üben und dachte nicht daran, den Engländern etwas in den Weg zu legen. Nicht wenig überraschte ihn daher die ihm von bewcundeter Seite kommende bestimmte Mi:- teikung, daß sein Name sich auf der Liste derer befände, welche das britische Oberkommando nach Ceylon oder St. Helena bringen lassen wolle. 50 Männern Johannesburgs war dieses Schicksal bestimmt und der von dieser Hiobspost Betroffene zweifelte nicht an dem Ernste der Situation, denn er hatte schon mehrere be kannte Männer durch Soldaten abführen sehen. Morgens früh pflegte man dem ohne Anklage und Richterspruch zur Deportation Bestimmten emen Zettel zuzustellen des Inhaltes, daß er der militärischen Autorität in Johannesburg nicht erwünscht sei und sich daher des Nach mittags zu bestimmter Smnde an bestimmtem Orte einzufinden habe. Wer nicht kam, wurde geholt und die Reise dieser Verbannten ging, wie gesagt, nach einer der erwähnten Inseln, Weib und Kind aber mochten bleiben, wo sie wollten. Da galt es, rasch zu handeln. Freundes Hilfe verschaffte unserem Gewährs mann einen für eine andere Person bestimmten, glücklicherweise nicht auf den Namen lautenden Permiß des englischen Kommandos zur Auf gabe von Frachtgütern auf der Eisenbahn und am nächsten Morgen schon in aller Frühe fuhr er nnicrMunW. Durban zu, während seine Frau mit ihren zwei kleinen Kindern infolge einer Verspätung auf einem Kohlenzug folgte nnd unterwegs mit ihrem Mann wieder zusammentraf. Von Durban fuhren die Heimatlosen, um allen Ver dacht zu vermeiden, mit einem englischen Schiff nach London, und durften, als fie von dort nach Brüssel gelangt, wegen ihrer persönlichen Sicherheit wenigstens endlich wieder frei auf atmen. Den größten Teil ihrer beweglichen Habe haben sie freilich in Johannesburg im Stich lassen müssen. Auch ihre Geldmittel find knapp: Als der Kneg entbrannte, wurden die geldwerten Papiere der Bank in Johannesburg zur Aufbewahrung übergeben, da man an nehmen durfte, daß dieses Institut größere Sicherheit genießen würde, als ein Privathaus. Aber vergeblich waren alle Versuche, das hinterlegte Eigentum wieder zu erlangen, denn die Bank von Johannesburg erhielt nach der Einnahme von Johannesburg von den Eng ländern strengste Weisung, an transvaalsche Beamte keinerlei Auszahlungen vorzunehmen. Schließlich weiß unser Gewährsmann nicht genug zu erzählen von dem großen und all gemeinen Ruin, den der Krieg und die Art, in der die Engländer die Okkupation betreiben, über das Land gebracht hat. Wir brauchen hier nicht zu wiederholen, was die Zeitungen seit Monaten berichten, daß das Privat eigentum in keiner Weise geschont wird und die rauchenden Trümmer der niedergebrannten Farmen den Weg bezeichnen, den die britischen Tnivpen genommen haben. Dazu ist auch alle Erwerbsthät'gkeit gehemmt. Die zahlreichen mittellosen Existenzen und Abenteurer, welche in Transvaals Bergwerken und anderweit Arbeit und eine Zukunst suchten, darunter nicht wenig Engländer, vereinigen ihre Ver zweiflung und ihren Haß gegen die rüfichts- losen Eroberer mit der Erbitterung der Boeren, welchen dieser statt durch Milde zu versöhnen und zu gewinnen, ihre Herden wegtreiben, die heimatlichen Wohnstätten in rauchende Stein haufen verwandelt und ihre Weiber und Kinder ins Elend gestoßen haben. Mancher von ihnen ruht in der blutgetränkten Heimaterde, nicht wenige trauern fern von der Heimat auf St. Helena oder Ceylon in Gefangenschaft und Verbannung. Die aber noch übrig find, wer den wie Geächtete, die nichts mehr zu ver lieren haben, in Transvaals Bergen noch lange den Verzweiflungskampf weiter kämpfen: auf den Tag hoffend, an dem die Drach-nsaat, die der E.ndrmg ing ohne Recht und Gewissen ge- säet, ausgehen, ein gewaltiger Freiheilssturm ganz Südafrika durchbrausen nnd die englische Zwingherrschaft hinwegfegen wird, wie vor mehr als 100 Jahren im Norden Amerikas. Dmrtes Allerlei. Der Planet Eros. Bei den Astronomen genießt gegenwärtig der erst vor zwei Jahren entdeckte Planet Eros das größte Ansehen, und auf allen Observatorien der Welt bildet er den Gegenstand eifrigster Beobachtungen. Begreiflich ist diese große Anteilnahme an dem Planeten Eros schon deshalb, weil dieser Planet, der seit zwei Monaten von allen Planeten fich in größter Nähe der Erde befindet, eine genauere Berech nung des Abstandes der Erde von der Sonne und der Planeten voneinander gestattet. Lange wird Eros allerdings nicht in dieser günstigen Lage verweilen, in wenigen Wochen wird er wieder im Raum verschw nden, um erst nach 30 Jahren in den Gesichtskreis der Erdbewohner zurückznkehren. In der photographischen Auf nahme des Himmels, einem in Vorbereitung befindlichen Riesenwerk, an dem die Astronomen aller Länder Mitarbeiten, — der Atlas soll 30 Millionen verzeichnen, die auf 22 000 Blätter verteilt find, — wird der Planet Eros einen Ehrenplatz einnehmen. * * 2- Vor Gericht. Richter (zu einem Zeugen): „Nicht wahr, der Angeklagte wollte Sie ver anlassen, die Sache zu verheimlichen? Mit was wollte er Ihnen den Mund stopfen?" Zeuge: „Mit einer Klafter Buchenholz!" „Ei, wie sollte ich nicht I gab diese zurück. „Mir ist zum Glück ein gutes Gedächtnis be- fchieden worden. Aber Ar,^r scheint nicht eben großen Wert auf alte Bekanntschaften zu leaen Jungfer Lene!" warf er verlegen bittend ein. Ja" fuhr das Mädchen eifriger werdend fort,'„ich bleibe dabei: Ihr müßt ein schlechtes Gedächtnis haben!" . . „Jungfer Lene," sagte Tobbl abermals mit einem so herzgewinnenden Ton, daß dem jungen Mädchen ganz warm dabei wurde. ^Bei Gott, ich vergesse nicht so leicht, wre es den Anschein haben mag. Aber wenn ich au chd ass chlcchlest e Gedächtnis hätte, was je ein Mensch besessen, Euch, und was Ihr mir Gutes gelhan habt, das könnte ich doch mein Lebtag mcht vergessen! Ihr müßt nur Nachsicht haben mft mir un gelenkem Bären. Ich bin noch wenigs mit Eures gleichen in Verkehr gekommen ... „Wißt aber trotz alledem gar zrerftch zu reden!" rief das Mädchen ärgerlich. Er sah erstaunt und fragend nach ihr M und fie fuhr fort: „ „Ja, ja, es ist, wie ich sage! Im Punkte der Redensarten könnt Jhr's mit allen jungen Burschen in der Welt getrost aufnehmen. So ein Wortgeklingel, wie Ihr es da eben vor gebracht, macht Euch so leicht keiner nach." „Ihr spottet über mich," sagte Tobbi in grenzenloser Verlegenheit. „Ich weiß nicht, was Ihr damit sagen wollt." „Ich will sagen, daß ein ehrliches „schön Dank!" mehr wert ist als alles, was man sonst vorbringen kann. Aber Ihr, Tobbi, Ihr könnt Euch nun einmal nicht einfach und recht schaffen bedanken, wie's andere Leute thun. Das habe ich ja dem Herrn Advokaten gleich im Gcrichtssaal gesagt. Ich wußte das noch von der Tintengeschichte her." „Ja," sagt«! Tobbi fast träumerisch, leise den Kopf wiegend, „damals, das war sehr unrecht von mir! Aber damals war ich ein kindischer Bube. Ihr solltet mir das nicht nachtragen, was ich vor langen Jahren Thörichtes gelhan habe. Ich weiß mich genau zu erinnern. „Steif wie ein Bock" stand ich vor Euch ... Ja, ja, Jungfer Lene, das waren Eure eigenen Worte. O, ich habe nicht eines davon vergessen. Aber wenn Ihr meint, neulich im Gerichtssaal, auch da wäre ich wie ein dummer Junge dageftanden und ich hätte Euch Dank sagen sollen für . . . für . . ." Er stockte. Es gurgelte förmlich in seiner Kehle, als ob die Worte Wassermafsen wären, die fich überstürzten und einander den Ausgang wehren wollten. Die Lene sah erschrocken auf. Was war es nur, was den Tobbi plötzlich so gewaltig erregte? Hätte fie doch lieber ge schwiegen ! Wie dumm, einen Dank erzwingen zu wollen- einen Dank anhören, der nicht von Herzen rommt! So schalt fie sich selbst und wußte doch nicht, was thun, was sagen Tobbi aber hatte fich gefaßt. „Es ist schwer," sagte er „ein Geschenk annehmen, das man nicht mag' Ihr habt mir allerdings mein schon verloren gegebenes Leben zurückgcschenkt, Lene, aber . . „Wie?" rief das Mädchen, erschreckt auf springend. „Und dies IGeschenk, Euer Leben, Ihr fandet es so schwer, es — es wieder zu nehmen?" > Tobi nickte mit dem Kopf. „Ja!" sagte er langsam. „Ich hätte es damals mehr als gern dahin gegeben. Selbst auf dem Richtplatz, wenn es nicht anders sein konnte! Ich wußte, daß ich an dem Tode meines Vaters keine Schuld hatte; was küm merte es mich, daß die Menschen mich für einen Mörder gehalten hatten? Und als Ihr erschienet, Jungfer Lene, und als meine Un schuld an den Tag kam, gewiß: es hat mich mehr erschreckt, als erfreut! Mußte ich doch glauben, daß das alte Elend wieder aufs neue beginnen werde. Das drückte mich zu Boden! Meine Verurteilung wäre mir lieb gewesen!" Tobbi schwieg. Lenes Augen hatten fich mit Thränen gefüllt; mühsam nach Fassung ringend, sagte fie: „Wäre es Euch also lieber gewiesen, wenn ich nicht ge kommen wäre, wenn ich geschwiegen, wenn ich geduldet hätte, daß man Euch ..." „Nein, nein, dreimal nein!' rief jetzt Tobbi, in dem das Benehmen und die Worte des Mädchens plötzlich ein ganz ungeahntes Gefühl erweckten. Mit einem Mut und einer Zuver sicht, die er einen Augenblick zuvor dem Mäd chen gegenüber garnicht für möglich gehalten haben würde, fuhr er iw Tonne innigster Ueberzeugung fort: „Du mußtest ja kommen, Lene! Du konntest nicht zurückbleiben; aber wie hätte ich ahnen sollen, daß es vielleicht noch etwas anderes war, was dich antrieb, als nur Rechtlichkeitsgefühl und Menschenliebe? Wie hätte ich denken können, daß du wirklich Wert darauf legtest, daß der arme Tobbi Dvortschack dir einen schönen Dank sagte? Lene, Lene, wenn ich in dein Herz sehen könnte, ich gäbe zehn Jahre meines Lebens darum!" Er trat vor das Mädchen hin und sab fie mft leuchtenden Augen an. Lene aber bückte fich und nestelte am Spinn rad. Sie konnte den Tobbi nicht anschauen, es war unmöglich, denn dann, dann hätte er ja gleich diesen Blick tief ins Herz hinein gethan, nach dem er Verlangen trug nnd ... und . . „Lene," begann der junge Mann von neuem nnd über seine schönen Züge flog ein so sonniges Lächeln, wie es vielleicht noch nie dort gethront hatte, „Lene, wenn man etwas versäumt hat. so kann man's nachholen. Mcht wahr? Uno da denk' ich denn, Ihr werdet nichts da wider haben, wenn ich Euch jetzt so recht aus Herzensgrund danke, daß Ihr mir daS Leben gerettet habt, denn jetzt weiß ich's, was ich früher nicht gewußt und nicht geglaubt habe, daß es auch für mich Glück und Freude hier auf Erden gibt! Als ich freikam aus de« Gefängnis, hat für mich ein neues Leben be gonnen. Oft schon war mir's, als sei ich ein anderer Mensch geworden . . . aber heute, Lene, heute ist mir zu Sinn, als könne es im Himmel nicht schöner sein; ich fühle, ich weiß es ... . es ist gewiß wahr, du hast mich lieb, wie ich dich lieb habe und wir . . ." Hi» (Fortjetzung folgt.)
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