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Das mißglückte Attentat ans den Kaiser. Am Freitag nachmittag kam aus Breslau die Kunde, daß dort gegen 1 Uhr nach Ein treffen des Kaisers und während seiner Fahrt nach der Kürasfierkaserne eine geisteskranke Frauensperson ein Bell nach dem kaiserlichen Wagen geworfen habe, glücklicherweise ohne weiteres Unheil anzurichten. Die Frau wurde als die vierzigjährige Wollwarenhändlerin Selma Schnapka festgestellt. Sie leidet an Veriolgungswahnfinn und sagte u. a.: Alle Leute wollten fie morden, und so habe sie auch den Kaiser morden wollen. Die Vernehmung durch den Staatsanwalt hat es außer jeden Zweifel gestellt, daß irgend eine politische Bedeutung dem Vorialle nicht beizumessen ist. — Des näheren wird noch mitgeteilt, daß das noch neue Hand beil das Hinterrad der kaiserlichen Equipage traf und zur Seite geschleudert wurde. Der Kaiser, der mit dem Erbprinzen von Sachsen- Meiningen fuhr, hatte den Vorgang bemerkt, fuhr indessen weiter, während die Atlentätterin, die von den Polizeibeamten kaum vor der auf geregten Menge zu schützen war, nach der Wache gebracht wurde. Panzerzug auf der Bahnlinie Peking -Tientsin. durch Geständnisse der Angeklagten eine Reihe von „Verurteilungen" mißliebiger Gegner, sowie die Absicht eines Attentats auf König Karol festgestellt. 'Afrika. *Nach einem Telegramm der,Daily Mail aus Pretoria soll Botha dem Feldmarschall Roberts mitgeteilt haben, unter welchen Be dingungen er bereit sei, sich zu ergeben. Das war schon öfters gemeldet worden und wird diesmal wohl kaum richtiger sein als früher. Sonst liegen verschiedene Meldungen vor, die beweisen, daß dieBoeren allenthalben kräftig bei der Arbeit sind. Asien. *Zur Bezwingung der Philip pinen will man jetzt in Amerika ein drakoni sches Mittel ergreifen. Der Vertreter der „Phi lippinischen Republik" in Paris teilt mit, er babe die Meldung erhalten, die amerikanische Regierung werde einen großen Preis auf den Kovf des Präsidenten und des Ober- be'ehlshabers Aguinaldo aussetzen. Eine solche That werde die Philippiner aber nicht überraschen, denn man sei seit langem ent schlossen, hierauf damit zu antworten, daß für die Ermordung jedes amerikanischen Beamten und jedes Oifiziers ebenfalls große Preise aus geschrieben würden. Politilckr Rundschau. Die chinesischen Wirren. * Ueber die Lage in China seit der Er oberung von Peking veröffentlicht die,Nordd. Allg. Ztg/ eine von militärischer Seite stammende Uebersicht, die hervorhebt, daß eine Verfolgung des Hofes mit den zur Verfügung stehenden Streitkräften nicht an gängig war und daß einer den klimatischen Verhältnissen entsprechenden Unterbringung der Truppen ganz besondere Sorgfalt zugewendet werden soll. Der offiziöse Artikel nimmt an, daß jetzt wieder neue Anwerbungen und Zu- sammenziebungen von Truppen zum Schutze des chinesischen Hofes stattfinden. Er nennt die Lage in den südlichen Provinzen noch immer bedrohlich, betont aber, daß das Ziel, welches nach Lage der Verhältnisse überhaupt erreichbar war: nämlich Unterdrückung jeder feindseligen Regung innerhalb der von Peking- Tientsin auszuübenden Schlagweite mit unerbitt licher Strenae, im wesentlichen erreicht ist. Der offiziöse Artikel nimmt ferner an, daß von sehr wesentlichem Einfluß auf diese Gestaltung der Dinge in China gerade die Wirksamkeit des gemeinsamen Oberbefehls gewesen ist. Erst Waldersees Ankumt habe „System und 'rischeren Zug" in die Maßnahmen der Verbündeten gebracht. *An weiteren Strasexpeditionen werden sich die amerikanis chen Truppen nicht beteiligen. Die Washingtoner Regierung hat den Mächten dies angezeigt. Die ameri kanische Regierung ist der Meinung, daß weitere Strasexpeditionen einen Krieg an'achen müßten, welchem die Verbündeten nicht gewachsen seien. Auch würde durch Strasexpeditionen das Zu standekommen eines Abkommens eher erschwert als erleichtert. *Die Todesstrafe für die An stifter der Unruben wird bekanntlich von den Mächten als eine Vorbedingung für den Frieden gefordert. Ein führendes konservatives Chinesen blatt aus Schanghai 'ordert die noch nicht ver- ha'teten chinesischen Beamten, deren Leben die Verbündeten bedrohen, auf, diesem schimpflichen Tode durch Selbstmord aus demWege zu gehen. * Angeblich zuverlässige chinesische Nachrichten aus Schanghai besagen, daß Prinz Tuan und General Tungfuhsiang aus Furcht, sie könnten den Verbündeten zur Bestrafung aus- geliefert werden, in der Provinz Kansu die Fahne der Rebellion ausgepflanzt haben. Es werden bereits ernste Ruhestörungen ge meldet. Man fühlt große Besorgnis für die Sicherheit der dortigen katholischen Missionen. Deutschland. * Dem Bundesrat ist der Entwurf eines Gesetzes wegen Verwendung über schüssiger Reichseinnahmenaus dem Rechnungsjahr 1901 zur Schuldentilgung zugegangen. Der Entwurf schließt sich nach Form und Inhalt dem für das lausende Rechnungsjahr ergangenen gleichartigen Gesetz vom 30. März 1900 an. * Die Zurückberufung der Linien- schisfsdivision und einiger Kreuzer wird der .Köln. Ztg/ bestätigt. Allerdings soll das Geschwader voranssichtlicb erst zum nächsten Frühjahr die chinesischen Gewässer verlassen. Die beiden kleinen Kreuzer „Irene" und „Gefion" werden Anfang 1901 die Heim'ahrt antreten. * Zur Vermeidung von Schädigungen des Verlagsbuchhandels, sowie des am Schulbücherkauf interessierten Publi kums hat der Abg. Müller-Sagan den Antrag eingebracht, den Reichskanzler zu effnchen. bal digst geeignete Schritte zu thun, um für daS Reichsgebiet und, soweit angängig, auch für die benachbarten deutschen Sprachgebiete von Oesterreich-Ungarn und der Schweiz eine möglichst gleichmäßige deutsche Recht schreibung zu erzielen. *Die Weingesetznovelle, die die Thronrede ankündigt, enthält nach einer offiziösen Korrespondenz der Münchener Illg. Ztg/ nicht, wie srüher angekündigt wurde, das Verbot der Herstellung von Kun st wein, sondern nur die schärfere Ueberwachung derselben nach dem Vorgang des Margarine-Gesetzes, nebst einer Erhöhung der Strafen für Ueber- tretungen. * Im Reichstags-Wahlkreis Meseritz- Bomst muß Stichwahl zwischen Gerdorff (kons.) und Ehrzanowsky (Pole) stattfinden. *Der erste deutsche Handwerks und Gewerbekammer-Tag ist am Donnerstag in Berlin in Anwesenheit zahl reicher Regierungsvertreter eröffnet worden. Der erste Gegenstand der Tagesordnung behandelte die Aufgaben der Handwerkskammern auf dem Gebiet des Lehrlingswesens und bezüglich der Gesellenprüfungsordnung. Frankreich. * Hoffentlich bringt die nachfolgende Meldung aus London die Dreyfusfrage nicht wieder in Fluß: Esterhazy hat sich mehrere Tage hintereinander in London von dem dortigen französischen Generalkonsul vernehmen lassen. Zur Unterstützung seiner Aussagen brachte er Dokumente (auch wieder gefälschte?) bei und beschuldigt duPatydeClam, Henry, Billot, Boisdeffre, Gonse und Saussier. Er versicherte, daß das Bor dereau gefälscht sei, und daß auch die Gut achten falsch seien. Die Briefe Kaiser Wilhelms seien künstlich her gestellt. Zum Schluffe versicherte Esterhazy, er habe auf Befehl gehandelt. England. *15 000 Medaillen hat die englische Regierung zur Erinnerung an den süd afrikanischen Krieg anfertigen lassen. Die silberne Denkmünze trägt das Bild der Königin auf der einen Seite, während auf der andern eine den Frieden darstellende Figur der englischen und der Kolonialarmee einen Lorbeer kranz überreicht. Belgien. *Belgien beabsichtigt thatsächlich eine Niederlassung in China zu erwerben. Der Minister des Auswärtigen erklärte im Senat, die Erwerbung chinesischen Grund und Bodens stehe in Frage, doch handle es sich um eine einfache Niederlassung ohne politische Be deutung. Solche Erwerbungen seien in Tientsin und an andern Orten möglich, erforderten jedoch keinerlei militärisches Vorgehen. Dänemark. * Die Erkrankung des Zaren wird überall als s ehr ernst angesehen. Besondere Bestürzung hat sie an dem nahe verwandten dänischen Hof hervorgermen, wo gegenwärtig die Mutter des Zaren weilt. Diese ist zur Zeit selbst leidend und kann vorerst nicht zu ihrem erkrankten Sohne reisen. Dagegen wird sich der russische Thronfolger, der bei seiner Mutter in Kopenhagen weilt, sofort nach Petersburg und von dort wahrscheinlich nach Livadia be geben. Ruhland. * Nach dem neuesten Krankheits- Bülletin über den Zaren wird das Allgemeinbefinden desselben bis zum Donners tag vormittag als gut bezeichnet. Balkanstaaten. * Ueber die Reise des Oberkommissars von Kreta, Prinzen Georg, wird aus Kopenhagen gemeldet, er gedenke bei Gelegen heit seiner bevorstehenden Besuche bei den großen europäischen Höfen nicht so sehr eine Neuregelung der staatsrechtlichen Stellung der Insel in den Vordergrund seiner Anliegen zu rücken, obwohl er seiner Ueberzeugung von deren Unvermeidlichkeit Ausdruck geben dürfte, als die Aufmerksamkeit der Regierung auf die finan zielle Lage und die ökonomischen Verhältnisse Kretas zu lenken. Einen wichtigen Reisezweck scheine namentlich die Beschaffung der Mittel zur Errichtung von Eisenbahnen auf der Insel zu bilden. Es werden insbesondere Hoff nungen auf den Aufenthalt des Prinzen in Paris gesetzt. * Milan ist nach Venedig gereist und wird sich dauernd in Paris niederlassen, sowie sein Sohn Alexander die Apanage des Vaters von 300 000 auf 500 MO Frank hat erhöhen lassen. *Jn der Bukarester Prozeßverhandlung gegen dasmacedonischeKomitee wurde Deutscher Reichstag. Am 15. d. wird die Sitzung durch den Abg. Grasen Ballestrem eröffnet. Eingegangen ist die sozialdemokratische Interpellation betr. die 12 000 Mark-AffSre. Auf der Tagesordnung steht die Wabl des Prä sidiums und der Schriftführer. Die Wahl erfolgt durch Abgabe von Stimmzetteln. Für den Präsi denten werden abgegeben 294 Zettel: 26 von diesen sind unbeschrieben; die übrigen 268 lauten aus den Namen des bisherigen Prsidenten Grafen Balle- strem (Zentr.) Derselbe ist somit gewählt. Abg. Graf Balle strem erklärt, die Wahl an- zunchmen und spricht seinen Dank für da? ihm durch seine Wiederwahl geschenkte Vertrauen auS. Nunmehr erfolgt die Wahl de« ersten Vize präsidenten. Es werden abgegeben 290 Stimmzettel, davon sind 90 unbeschrieben: von den 200 gültigen Zetteln entfallen 190 auf v. Frege, 3 auf von Treuenfels, 2 aus Singer und je 1 aus die Nbgg. von Levetzow, Schrempf, Bismarck-Bohlen, Schmidt- Elberfeld und Schönlank. Abg. v. Frege ist allo zum ersten Vizepräsidenten gewählt und erklärt: Ich nehme die Wahl mit Dank an. Bei der Wahl des zweiten Vizepräsidenten wer den 293 Stimmzettel abgegeben, davon sind drei ungülilg, darunter einer, der aus den Namen Li- Hung-Tfchana lautet. Weitere vier Zettel sind un beschrieben. Von den 286 gültigen Zetteln lauten 181 auf Büsing, 55 auf Schmidt-Elberfeld, 50 auf Singer. Abg. Büsing, der somit gewählt ist, erklärt, die Wahl mit Dank anzunehmen. Es folgt die Wahl der Schriftführer, ebenfalls durch Stimmzettel. Entsprechend einem Vorschlag de» Präsidenten wird die Feststellung des Ergebnisses dieser Wahl nach der Sitzung erfolgen und in der nächsten Sitzung verkündet werden. — Zu Quästoren ernennt der Präsident die Abgg. Rintelen und Münch-Ferber. Der Präsident gedenkt dann noch kurz der seit der letzten Session durch den Tod abberufenen Mitglieder des Hauses. Dieses ehrt da« An denken der Dahingeschiedenen durch Erheben von den Sitzen. Sodann wird noch ein schleuniger Antrag deS Zentrums wegen eines in München gegen den Abg. Heim (Zentr.) schwebenden Strafverfahrens debatteloS angenommen. Nächste Sitzung Montag. Don Uak »nd Fern. Zum Fall Arenberg teilt der Direktor des Gerichtsgesängnisses in Hannover dem ,Hann. Kour.' mit, daß bei der Behandlung des Prinzen von Arenberg irgendwelche Abweichungen von den Vorschriften der Gefängnisordnung nicht stattfinden, auch solche nicht etwa bisher staltgefunden haben. Stabsarzt Dr. Schimmel in Düsseldorf wurde am Mittwoch durch zwei Offiziere ver haftet und in das Militärgesängnis abgeführt. Die Verhaftung soll mit dem Elberfelder Militär- befreiungs-Prozeß Zusammenhängen. Keimaltos. 4) Roman von C. v. Zell. (Fortsetzung.) Wie ein Dolchstoß traf diese Vorstellung Tobbis Herz. Eiskalt und regungslos lagen nun die vor wenigen Stunden noch so fieberheißen, ruhe losen Hände Saffas auf der Bettdecke. Unter den halbgeschlossenen, unbeweglichen Lidern sah Tobbi zwei glanzlose, erloschene Augen an Stelle der schönen, feurig funkelnden, mit denen seine Mutter sonst zu blicken pflegte. War fie es denn? War es nicht ein anderer fremder Körper, der dort lag? Aber das Lächeln um den feingeschnittenen Mund ... so konnte nur Safsa, seine Mutter, lächeln. Ach, fie lächelte wirklich auch jetzt, während ihres Kindes Herz vor Weh zu zerspringen drohte! Janosch verbot dem Knaben das laute Jammern und Weinen. „Was kann es nützen!" sagte er mit einem herben Ausdruck in seinen Mienen. ^Sie ist nun tot — und wir müssen zusehen, wre wir uns ohne die Mutter behelfen können." Das war alles, was Janosch tagelang sprach. Meist sah er starr vor sich hin und murmelte dann: „Was nun? Was nun?" Zwei Tage später wmde Safsa beerdigt. Janosch nahm Tobbis Hand in die seinige und folgte mit ihm den Leichenträgern, die den schwarzen, schmucklosen Sarg auf ihren Schultern nach dem Friedhof trugen. Ohne Sang und Klang gaben fie der Erde heim, was der Erde gehört. Sassa hatte nun eine Heimat! Tobbi konnte diesen immer wiederkehrenden Gedanken nicht los werden. Aber es war eine schauer liche, enge, finstere, kalte Heimat, in die der Sarg hinabgelassen worden war. Er sah die Mutter unaufhörlich im Geiste vor Augen, ge schmückt mit einem Kränzlein von Immergrün und blühendem Heidekraut. Tobbi hatte beides im Walde gesucht und zusammengeflochten — unter unzähligen heißen Zähren. Die Mutter sollte doch ein letztes Liebeszeichen ihres Kindes mit in das Grab nehmen! Drunten, bei der zänkischen Wirtin am Fen ster, da stand ein Blumentopf, über und über mit kleinen weißen Sternblümchen bedeckt. Es war durchaus nichts besonderes Schönes oder gar Kostbares; aber Tobbi hätte wer weiß was darum geben mögen, wenn es ihm erlaubt wor den wäre, einige von diesen weißen Blüten in den Totenkranz einflechten zu dürfen. Er faßte sich auch das Herz, der Wirtin seine Bitte vorzutragen. Aber da kam er schlecht an! Nicht eine Blüte gab fie ihm; nm Schelt worte über seine unverschämte Forderung. Tobbi mußte leider sogar hören, wie die engherzige Wirtin sich gleich darauf gegen eine Nachbarin über diese Angelegercheü ausließ. „Ich habe mich wohl gehütet, dem dummen Jungen meine schönen Blumen zu geben," sagte fie in einem Tone, als habe fie eine Heidenthal zu rühmen. „Ob die da oben —" mit dieser verächtlichen Bezeichnung war seine Mutter und war die Dachstube gemeint, in der Saffas Leiche damals noch lag — „mit Blumen ge schmückt wird oder nicht, das ist ganz gleich gültig. Heidekraut und Immergrün ist lange gut genug sür so eine!" „Für so eine! . . Ja gewiß, für die Tote war es ganz gleichgültig, ob fie mit Blumen geschmückt ward oder nicht; — nur für ihn nicht, für Tobbi nicht! „Und warum denn," fragte er sich, „warum hatte man im ganzen Orte so viele und schöne Blumen zusammengetragen, als vor etlichen Tagen die alte Bäuerin vom Schulzenhofe be stattet wurde?" Da hätte niemand denken sollen, daß es Winter sei, so bunt waren die vielen frischen Kränze auf ihrem Sarge. Alt und jung hatte sich beeifert, seinen Teil zu seiner Ausschmückung beizutragen. Selbst die Schenkwirtin ließ es sich damals nicht nehmen, einen großen Kranz zu winden. Sie hatte zu diesem Zweck einen Geraniumstock aller seiner roten Blüten beraubt. Eine ganze Stunde hindurch läuteten damals die Glocken auf dem Kirchturm; die Schulkinder sangen einen Choral, und trotz des bitterkalten Tages waren gewiß kaum zehn gesunde Men schen aus Rukischken zu Hause geblieben. An dem offenen Grabe hatte der Herr Pfarrer eine seiner schönsten Reden gehalten. Er sprach von Zeit und Ewigkeit, von Beloh nung und von Strafe; vom Scheiden und vom Wiedersehen; so rührend und erbaulich wie nur möglich, und es flossen zahllose Thränen. Tobbi hatte alles mit angesehen und ange hört ; aber — damit ihn niemand gewahr werde, war er hinter einen Leichenstein gekrochen. Eigentlich wurde die Schulzin von niemand betrauert. Sie war zeitlebens eine böse Sieben, eine rechte Tantippe gewesen. Dem seligen Schulzen hatte sie viele schlimme Tage bereitet. Man sagte ihm nach, daß er viel lieber in die Hölle hätte kommen mögen, als mit seiner Eheliebsten dereinst im Himmel wieder vereint leben zu sollen. So viel stand fest: die Schulzin hatte wenig Liebe gesäet und geerntet. Nicht einmal bet ihren eigenen Kindern. Aber bei der Leichenfeier ging es trotzdem so schön und so feierlich zu, als trüge man einen Engel des Lichtes zu Grabe. „Es war so recht erhebend," sagten die Leute nachher beim Schmaus im Hause der Verstorbenen, wo der Branntwein nicht gespart wurde. Hatte doch der stattlichste Bauernhof im Orte der Schulzin gehört. Da durfte von ihren Erben nichts verabsäumt werden, um das An denken an die Dahingeschiedene und um diese selbst zu — ehren! Um Sassa Dvortschack kümmerte sich niemand. Freilich fie hatte keinen Bauernhof besessen. Sie war arm; fie war eine Fremde, eine .heimat lose! Und darum glaubten die Menschen, sie geringschätzen, fie verachten zu dürfen!? Alle diese Gedanken und Vorstellungen durch kreuzten Tobbis Kopf und Herz, als er, hinter dem Sarge der Mutter, dem Kirchhof zuschritt. Wie mit eiserner Klammer umschloß Janofch Tobbis Hand. Den Kopf trug der Vater weder gesenkt, noch hochaufgerichtet. Er sah nur un verrückt gerade aus auf die schwarze Sargwand vor sich, und sein Gefichtsausdruck war nach wie vor weit eher finster, als traurig zu nennen.