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Politische Rundschau. Die chinesischen Wirren. *Die diplomatischen Verhand lungen zwischen den Mächten sind auf einem toten Punkt angelangi. Der russische, der deutsche Vorschlag, Amerikas Sonderstellung, das französische Programm — alles ist bekannt, aber man merkt keine praktischen Wirkungen. Und auf diese Unentschlossenheit rech neten die Chinesen von Anfang an. Es mehren sich die Nachrichten vom chinesischen Kaiserhofe, die ein Zunehmen der fremdenfeindlichen Strömung be weisen. Auch aus amerikanischer und französi scher Quelle wird bestätigt, daß sowohl Prinz Tuan wie der General Tungfuhsiang, dessen Truppen hauptsächlich bei dem Ansturm auf die Gesandtschaften in Peking beteiligt waren, am Kaiserhof zu hohen Ehren ge kommen sind. * Ein Ukas des Zaren erklärt den „Uebergang des Mandschugebietes im transsejaischen Bezirk und des von den russischen Truppen besetzten rechten Amur-Ufers an Rußland". Nach dieser Kundgebung wird man weder an der so emphatisch betonten „Selbstlosigkeit", noch an der inbrünstigen, jede Gewaltthat verabscheuenden Friedenssehn sucht Rußlands weiter zweifeln dürfen. Uebrigens kommt die Sache nicht überraschend. * Im Distrikt Mulden, in der nördlichen Mandschurei, sind mehr als tausend Christen enthauptet worden. * In Schanghai ist die Rinderpest ausgebrochen, weshalb das für die Deut schen gekaufte Rindvieh getötet werden mußte. * Aus Nordchina wird die Gefahr einer Hungersnot gemeldet, da die sonst aus dem Süden dorthin gelangenden regel mäßigen Rcistransporte ausgeblie ben sind. Von militärischer Seite sollen Schwie rigkeiten dagegen erhoben werden, daß zur Ab wendung der Hungersnot diese Reistransporte wieder ausgenommen werden. (Bekanntlich be zog die chinesische Kaiserfamilic einen erheblichen Teil ihrer Einnahmen aus dem von den Süd provinzen entrichteten Reistribut.) *Die Streitkräfte der verbündeten Mächte in der Pr o v i n z P e t s ch i li haben schon jetzt die Zahl von 70 000 Mann erreicht und werden in den nächsten Tagen noch weiter verstärkt werden, so daß Gras Walderscc über eine bedeutende Armee zur Ausführung seiner militärischen Aufgabe verfügen kann. Nach einer Meldung aus Taku wurden bisher dort gelandet 8178 Deutsche, 8353 Engländer, 5608 Amerikaner, 6575 Franroseu, 2541 Ita liener. 404 Oestcrreicher, 20 034 Japaner und 15 570 Russen. Deutschland. * Das K a i s e r p a a r wird am 13. Oktober, von Elb erleid kommend, in Essen ein- lreffen und Geheimrat Krupp besuchen. Am 14. Oktober werden der Kaiser und die Kaiserin das Kruppsche Etablissement, die Kolonie Süd essen und wahrscheinlich auch das Essener Kaiser denkmal besichtigen. * Kaiser Wilhelm hat aus Anlaß des Ablebens des Fcldmarschalls Martinez Campos dessen Witwe sein Beileid aus- sprechcn lassen. *Der Groß Herzog von Hessen reiste als „Graf Starkenburg" zur Pariser Weltausstellung. *Dcr dem Bundesrat vorgelegte Entwurf von Bestimmungen über den Kleinhandel mit Garnen wird amtlich veröffentlicht. *Jn den Etat für 1901 sind nach amtlicher Mitteilung an die deutsche Kolonial-Gesellschaft für kartographische Zwecke in Kamerun, Togo und Südwestafrika 8000 Mark eingestellt worden: ferner find erhebliche Mittel zu einer wesentlichen Verstärkung der Schutztruppe in Kamerun (Bildung einer berittenen Polizeitruppe) und schließlich 130000 Mark für die Anlage eines Straßen netzes in Kamerun vorgesehen. * Die Arb e it s k o m i s s i o n e n Wirtschaftlichen Ausschusses Wen am Donnerstag im Neichsamt des Innern ihre Beratungen über die wichtigsten Positionen des Zolltarifs beendigt. Die Beschlüsse derselben werden dem Plenum des Ausschusses, der am 16. Oktober zusammentritt, vorgelegt werden. Generalmafor v. Höpfner, Kommandeur der beiden deutschen Seebataillone. * Nach der amtlichen Streik- statistik wurden in Deutschland im zweiten Quartal d. 492 Streiks begonnen, zu denen 86 am 1. April noch nicht beendete Streiks hinzu kamen. Beendet wurden im zweiten Quartal 497 Streiks. Von Streiks betroffen wurden 2390 Betriebe mit 95 388 Arbeitern, von denen 578 zu völligem Stillstände kamen. Vollen Erfolg hatten die Streikenden in 90, keinen Enolg in 193 Fällen. Außerdem sanden sieben Aussperrungen statt, zu denen fünf am 1. April noch nicht beendete hinzukdaten. Beendet wurden 11 Aussperrungen. Die Höchstzahl der gleich zeitig ausgesperrten Arbeiter betrug 2334. * lieber die Verhältnisse der Anstalten für Geisteskranke in den einzelnen Pro vinzen Preußens sollen infolge eines gemein samen Erlasses des Kultusministers und des Ministers des Innern Uebersichten angefertigt werden. Dieselben sollen als Unterlage für eine neue Bearbeitung der Fragen, welche sich ans die Fürsorge für Geistekranke beziehen, dienen. * Bei den Wahlmännerwahlen zum gotha - ischen Landtag siegten in Woltershausen die Sozialisten und errangen damit ihr neuntes und letztes Mandat. An der Mehrheit im nächsten Landtage fehlt ihnen nur eine Stimme. Frankreich. *Kriegsminister General Andrö wird den der Kammer bereits vorliegenden Antrag auf Einführung der zweijährigen Dienstzeit entschieden unterstützen. Die Dienstzeit soll zwei volle Jahre umfassen und es sollen keine Ausnahmen gemacht werden. *Jn einem an den Senator Trarieux ge richteten Schreiben kündigt Dreyfus die Fortsetzung seiner Bemühungen zurRevision des Urteils von Rennes an. (Er mag sich doch die Mühe ersparen. In den Augen seiner Freunde bleibt er unschuldig und wenn er auf hundert Schritte nach Verrat röche — und seine Gegner würden ihn auch dann für schuldig halten, wenn er die Feuer- oder Wasser probe glänzend bestände.) * Der internationale Sozialisten kongreß in Paris beschloß seine Zustimmung zu dem Eintritt eines Sozialisten in eine bürgerliche Regierung zu geben, falls ganz besondere Umstände dies erheischten und unter der Bedingung, daß die sozialistische Partei ihre Erlaubnis dazu gegeben Habe. (Die deutschen Delegierten haben dem zugestimmt: für Deutschland dürste die Frage für längere Zeit wohl noch nicht „brennend" werden.) England. *Es verlautet, daß die Ersetzung des Lord Wolseley durch Lord Roberts als Leiter des Generalstabes sestbeschlossene Sache ist. Lord Roberts soll sich bereits als grund sätzlicher Anhänger der allgemeinen Wehrpflicht ausgesprochen haben, deren Einführung er jedoch nach einem etwas umständ lichen Plane auf 15 Jahre verteilt wissen will. Italien. * General Barat ieri legte im Namen des Negus Menelik einen Kranz am Sarge des Königs Humbert nieder. Die Schleifen des Kranzes tragen die Wid mung : „Der König von Äthiopien als Andenken dem König Umberto." (Baratieri wurde bei Adua von den Truppen Mcneliks geschlagen.) Baltanstaaten. * Der Schah ist am Freitag, von Budapest kommend, in Konstantinopel einge troffen. Amerika. *Zum Präsidenten von Mexiko ist Porfirio Diaz wiedergewählt worden. (Diaz ist ein sehr energischer Mann; er hätte keine Gegenkandidaten geduldet.) Afrika. *Ein Angebot Englands, zur Auf rechterhaltung der Ruhe in Laurenzo Marques eine Abteilung britischer Marinemannschaften zu landen, hat die portugiesische Regierung dankend ab gelehnt, da jedenfalls die vorhandenen portugiesischen Truppen für den bezeichneten Zweck ausreichen und in kurzer Zeit bedeutende Verstärkungen dort eintreffen würden. * Die Hauptmasse der Boeren - streitkräste, bei der Schalk Burger und General Viljoen sich befinden, scheint sich an einem Punkte östlich von Pietersburg zusammenzuziehen. Dies- ungesunde Gegend ist für den Aufenthalt von Menschenmassen ganz ungeeignet und von Buschveldt umschlossen, durch welches die Boeren schwerlich durchbrechen können, weil starke englische Streitkräfte die Bahnlinie halten. * Die Boerengenerale Botha, Viljoen, der Präsident Steijn, deWet und D e - larey sind mit 12000 Mann (?) entschlossen, bis zum letzten Ende auszuharren. * Ein Kopenhagener Blatt veröffentlicht Briefe eines skandinavischen Gefangenen, der im Boerenlager focht, aus St. Helena. Die Briefe waren der englischen Zensur ent gangen und wurden, in Seife versteckt, nach Kopenhagen gesandt. Der Briesschreiber richtet schwere Anklagen gegen die Eng länder wegen roher, unmenschlicher Behand lung der Gefangenen, die gepeitscht und sonst mißhandelt werden. Ein Gefangener starb infolge der Mißhandlungen. Flaschenposten. Eine Ministerabteilung für Flaschenposten gedenkt auch die französische Regierung einzu richten, nachdem die Ver. Staaten schon mit gutem Beispiel vorangegangen sind. Das Büreau würde dem Marineministerium direkt unterstellt werden. Die Flaschenposten dienten früher nur als Sendboten und wurden meist von Schiffen ins Meer geworfen, die in höchster Gefahr schwebten und Nachricht von ihrem Schicksal geben wollten. Seit Jahren aber dienen sie einem wissenschastlichen Zweck, dessen Erfüllung freilich auch der Praxis der Schiff fahrt in höchstem Maße zu gute kommt. Sie werden benutzt, um die großen Strömungen des Weltmeers nach ihrem Verlauf bis ins einzelne zu erkunden, besonders den Golfstrom, die Strömungen bei Japan und im tropischen Stillen Ozean. Der Fürst Ulbert von Monaco ist der erste gewesen, der gelegentlich seiner wissenschaftlichen Meerfahrten auch der Ver wendung der Flaschen zum Studium der Meeresströmungen seine Aufmerksamkeit zuge wandt hak. Erst in den Ver. Staaten aber erhielten diese Bestrebungen eine planmäßige Ausgestaltung. Seit 1896 gehört das Aus werfen von Flaschen zu den von der Regierung geschaffenen Organisaiionen und untersteht der Ueberwachung durch das Marine-Amt. Den Schiffskapitänen werden Formulare ausgehän digt, die in sieben Sprachen folgende -Rubriken amweisen: „Angaben über die Meeresströmun gen, Name des Schiffes, Name des Kapitäns, Tag der Aussendung, Name dessen, der sie auf fischt, Tag und Ört der Wiederausfindung." Der Kapitän füllt auf der Fahrt, wo und wann es ihm beliebt, die ersten Rubriken des Formulars aus, schließt es in die Flasche ein, versiegelt diese sorgfältig und wirft sie ins Meer. Der erste, der sie wieder findet — ost nachdem sie eine Fahrt von mehreren tausend Kilometern zurückgelegt hat —soll sie zerbrechen, das Papier herausnehmen, seinen Namen und den Ort und Tag der Auffindung darauf ver zeichnen und sie dann an das Marine-Amt in Washington oder an das nächste amerikanische Konsulat einsenden. Im letzten Jahre wurden 103 Flaschenposten im Atlantischen Ozean auf gefischt. Von Nah nnd Fern. Eine eigenartige Kundgebung beab sichtigen bei Gelegenheit der Anwesenheit des Kaisers und der Kaiserin im Wupperthal am 13. Oktober d. die der dortigen Reisevereinigung angehörigen Briestaubenvereine zu veranstalten. In Gegenwart des Kaiscrpaares werden etwa 4000 Brieftauben ausgelassen werden, welche die Kunde von dem Kaiserbesuche in alle Richtungen bringen sollen. Der Kaiser, welcher Protektor des Brieftaubenverbandes ist, hat sich bereit erklärt, mit der Kaiserin dem Massenauffluge der Tauben be-zuwohnen. Die Schwebebahn funktioniert! Der Kaiser wird durch eine Fahrt aus der Schwebe bahn in Elberkeld dies bisher einzigartige Unter nehmen einweihen. Aus diesemGrunde weiltenvor einigen Tagen mehrere Hobe Rcgicrungsbeamte in Elberfeld und unternahmen in Begleitung des Generalbevollmächtigten der Kontinentalen Gesellschaft für elektrische Unternehmungen, Rcgierungsbaumcisters Feldmann, des Ober bürgermeisters Funck und anderer Personen eine Fahrt mit der Schwebebahn bis Vohwinkel und zurück, die glatt und ohne Zwischenfall verlief. Kürst Ferdinand bezahlt „freiwillig"! Vor längerer Zeit entnahm der seitdem flüchtig gewordene und im Sommer dieses Jahres in Paris verhaftete Attache des Fürsten Ferdinand von Bulgarien, Eugen Pfannenstiel, von einem Hoteldirektor in München angeblich für den Fürsten selbst ein Darlehn von 3000 Mk. Als Fürst Ferdinand davon erfuhr, erklärte er, daß er von der Machination des Pfannenstiel nichts gewußt habe, daß er aber trotzdem für die be treffende Summe aufkommen wolle. Da nun seitens des Fürsten keine Zahlung erfolgte und mehrere Mahnungen nicht fruchteten, klagte ein Münchener Rechtsanwalt gegen den Fürsten Ferdinand von Bulgarien das Darlehn in Höhe von 3000 Mk. ein. Die Klage war jedoch ohne Erfolg, da die Münchener Staatsanwaltschaft die Zustellung an Fürst Ferdinand, der ein auswärtiger Souverän sei, verweigerte. Wie nun aus München berichtet wird, hat der Fürst endlich, und zwar freiwillig sein Versprechen eingelöst, indem er dieser Tage an jenen Rechts anwalt 3000 Mark Hauptsache und 744 Mark Kosten und Spesen durch seinen Sekretär tele graphisch übermitteln ließ. Anlage kleiner Gärten. Der Magistrat von Magdeburg beabsichtigt, von einem städti schen Gelände, das gegenwärtig als Acker be nutzt wird, 20 Morgen zur Anlage kleiner Gärten von je V4 Morgen Größe vom 1. No vember ab zunächst auf sechs Jahre zu pachten. Der jährliche Pachtzins ist aus 30 M. für den Viertelmorgen festgesetzt. Die Stadt wird für die Herstellung der notwendigen Wege und der Einfriedigung, sowie für Wasserzuteilung nebst Schöpsbasfins sorgen, auch soll ein Kinderspiel platz angelegt werden. Das für die Gärten be stimmte Gelände wird ferner nach einem ein heitlichen Plane stadtseitig noch in diesem Herbst mit Obstbäumen bepflanzt werden; auf jeden der Gärten werden 6—8 Obstbäume je nach Größe entfallen. stand er dem Wunsch, das bleiche Gesicht mit heißen Küssen zu bedecken und ihr zu sagen: „Bleib bei mir." Und dennoch blieb er stumm. Und sie saß neben ihm anscheinend kalt und unnahbar, und er sah ihr an, wie sie ihn ab sichtlich von sich fern halten wollte. Sie erreichten das Waldhaus, wie das Schlöß chen meistens genannt wurde, gegen elf Uhr. Die Aufseherin, Frau Schröder, war mit einem Diener des verstorbenen Herrn von Hohenstedt verheiratet gewesen. Da sie sich stets sehr zu verlässig erwiesen hatte, wurde ihr als Witwe der Posten hier angewiesen. Sie war etwas erstaunt über die späten Gäste — die Dame sprach kein Wort, und Herr von Hohenstedt schien erregt und zerstreut. Endlich bemerkte er doch die zweifelhaften Blicke, mit denen Frau Schröder Edith be trachtete, und sagte schnell: „Sie werden noch nichts von meiner Heirat gehört haben, Frau Schröder; dies ist meine junge Frau." Das Benehmen der Kastellanin änderte sich mm mit einem Schlagt. Sie verbeugte sich tief und bot ihre Dienste bereitwillig an. Ihre Fragen waren jedoch für Walter sehr unange nehm, und er würde viel darum gegeben haben, denselben auSweichen zu können. „Ich fahre gleich wieder fort," erwiderte er anf die Bitte um Auskunft in betreff der ge wünschten Zimmer und des Abendbrots. „Meine Frau wird jedoch hier ihren Wohnsitz nehmen, und da Sie meiner Familie stets treu gedient haben, wäre es mir lieb, wenn Sie hier blieben." Ein so grenzenloses Erstaunen drückte sich in Frau Schröders Augen aus, daß Walter, um alle Mutmaßungen abzuschneiden, kurz sagte: „Verhältnisse, die nur uns beide angehen, machen diese Einrichtung nölig. Meine Frau wird hier Herrin sein und sich eine ausreichende Dienerschaft halten. Sie können als Haus hälterin hier bleiben oder nicht, ganz wie Sie wollen." „O gnädiger Herr, ich werde unendlich dank bar sein, bleiben zu dürfen — aber es erscheint so sonderbar, daß —" Walter erhob die Hand. „Nicht weiter!" sagte er. „Mn wirklich treuer Dienstbote wundert sich über nichts, was seine Herrschaft thut." Frau Schröder knixte und zog sich zurück. Nun wandte sich Walter zu seiner Frau, die stumm am Fenster stand und in die Nacht hinausblickte. „Mein Lieb," ries er aus, „der Augenblick ist da, der uns trennen muß! Ich vermag aber nicht, dich so zu verlassen. Sprich mit mir, sage mir ein Wort, ein einziges Wort, oder noch besser: kehre wieder mit mir zurück nach Schloß Bergheim." Wie seine Worte ihr Herz bewegten! Aber trotzdem blieb sie äußerlich kalt; ihr Wille, sich von ihm zu trennen, war jetzt unabänderlich, es war leider, leider! das einzig Richtige, getrennt zu leben. Waren erst die nächsten Wochen über standen, dann würde sie ihr Alleinsein als eine Thatsache betrachten, die niemals anders sein könnte. Wenn ihre Lebenskraft von dem nagen den Gram aufgezehrt wurde, so wollte sie klagen; Walter war ja dann wirklich frei. Sie wandte Wußte es fein? »1 Roman von C. v. Berlepsch. sF ttttzung.) Walter war nach EditHS Weggange auf einen Stuhl gesunken und weinte bitterlich. Im Herzen fluchte er der Frau, die so Schweres über ihn gebracht hatte. Und dann kam ihm die Erinnerung an Gabriele, wie sie als Kind gewesen war, sie, seiner Mutter Liebling, und er grübelte darüber »ach, ob er wohl auch daran die Schuld trage, daß eS so wett mit ihr gekommen sei. — Edith ging in ihr Zimmer. Ihr Reisekleid lag noch auf demselben Fleck; sie zog schnell ihr weißes Gewand ab und legte ihren Schmuck fort. Schon nach wenigen Minuten trat sie reffefertig zu ihrem Gatten. Kein Wort wmke zwischen ihnen gewechselt, als sie in den Wagen stiegen. Sie hatte den Schleier über ihr bleiches Gesicht gezogen und sah starr vor sich hm. Einmal versuchte er ihre Hand zu ergreifen, aber sie entzog ihm dieselbe. „Wir wollen äußerlich ganz rnhig sein, Walter, und auch gar nicht sprechen; w« er tragen es dann leichter." So fuhren sie schweigend Wetter. Es kam gewiß schwerlich zum zweiten Mal vor, daß Eheleute an ihrem Hochzeitstage eine solche Fahrt Msammen machen. Immer wieder war Walter versucht, wenn « die regungslose Gestatt seiner Frau aiffah, sie i» die Arm« zu schließen und ihr vorzuschlagen, mit ihm in ein fernes Land M Kaum Wider sich daher um, reichte ihrem Mann die Hand und sagte: „Versuche nicht, mich umzustimmen; laß es so bleiben, wie wir beschlossen haben, und nun geh', ein schneller Abschied wird un» die Trennung erleichtern." Langsam ließ er ihre Hand finken und trat vor ihr zurück; sie wollte es so, nun, mochte es denn sein. „Edith," sagte er, „da du nicht bei mir sein willst, so will ich versuchen, fern von dir dein Leben so behaglich wie möglich zu gej statten. Jeder nur denkbare Luxus soll d«V umgeben." Luxus, Behaglichkeit! Wie gerne würde sie darauf verzichten, dachte sie mit Bitterkeit, wie gerne würde sie mt dem ärmsten Bettler tauschen l Nun wandte sie den Kopf wieder dem Fenster zu. . „Edith," hob Malter von neuem an, „eins mußt du mir noch fest versprechen: Wenn b» merkst, daß du dir zu viel zugemutet hast' wenn du die Trennung nicht ertragen kannst, oder wenn du gar krank werden solltest, oa» laß mich rufen." „Ich verspreche es dir," sagte sie leise, „ab-' Walter, sonst wollen wir unS nicht schreib- Jeder Brief, jedes Liebesvort würde ja unseren schmerz erneuen." Waller seufzte dies auf. „Du hast E Edith, jedoch wie sollen wir es ertragen! U noch eins will ich dich fragen," fuhr er „Wie wünschest du, -daß ich mich gegen Gräfin verhalte? Ich möchte wisse«, wie darüber denkst, ehe ichs gehe." .. . „Ich habe gar keinen Wunsch in dieier L