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419 „Nun — und?" „Und du nicht alt genug, Onkel Bernhard — sie lassen uns nicht niehr in Friesen leben wie wir wollen, diese dummen Menschen!" „Und du, Vally, was willst du tun?" „Ich — laß mich bei dir bleiben für alle Zeit, Onkel Bern hard!" „Vally!" „Ja, du, ja, ich bitte dich! Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß dieses Jahr, das heute schließt, mir nehmen soll, was meines Lebens Inhalt gewesen ist, seit ich denken kann! Ick war Jennys Freundin — ja — aber festgehalten hast doch nur du mich, Onkel, nur du! Und nun soll das neue Fahr ein Leben ohne dich für mich bringen^— das ertrage ich nicht!" Es überwältigte sie. Überstürzt, wie.gegen ihren Willen, brach es aus ihr heraus. Der Mann sprang plötzlich aus und riß sie mit sich hoch, daß sie, wie willenlos in seinen Armen lag: „Vorsicht Kind, nimm dich in acht! Ich sagte dir, daß ich zu Ende bin mit meiner Kraft' Ich könnte zum erstenmal im Leben — an mich denken wollen! An meine grenzenlose Einsamkeit! An den traurigen Herbst, der mir so nahe, in dem man sich doppelt nach einem Sonnenstrahl sehnt! Ich könnte vergessen, daß das liebe süße Mägdelein meinen Arm aus Mitleid und Iung- mädchenschwärmerei dem alten Papa Dinge sagt — wenn ich dich nun nimnier ließe — du?" „Halt mich doch, halt mich fest für alle Zeit!" klang es mit unterdrücktem Jubel an sein Ohr. „Vally — versteh mich recht: wenn du jetzt nicht gehst, bist du mein, du, dar junge, blühende, lebensfrohe Geschöpf — der Frühling, den dor Herbst dann zu Eigen nimmt ganz und gar!" „Der Frühln g will den Herbst sonnig machen, hell und strahlend ihn einhüllen in Licht und Liebe — so unendlich viel Liebe!" „Vally — Kind!" Sie schüttelte den Kopf und preßte ihre Lippen leiden schaftlich auf die seinen: „Kind — nein! Ich bins längst nicht mehr! Aber eine, die du bezwungen, die du losgelöst von allem hast, daß sie nichts keimt als dich — dich allein — die bin ich!" „Und du kommst zu mir? Du — an diesem letzten Tage des Jahres, der für mich wie der Abschluß eines verfehlten Lebens war —" „Du hättest ja doch nie gesprochen — und ich wollte, daß das neue Jahr, das der Welt soviel geben mutz, auch mir mein Glück bringt — drum war ich mutig —" „Und du willst mein sein, du willst mir, dem Müden, Alten, deine Jugend geben? Du willst mein Weib sein, du Kind du?" „Dein — nur dein, Bernhard!" „Du — du, ich oanke dir! So habe ich doch nicht umsonst gelebt!" Mit einem Ruck schaltete er das Licht ein, daß strahlende Helligkeit den traulichen Raum erfüllte: „Eine neue Zeit bricht an, ein neues Leben — für so viele — hell soll es werden in der ganzen Welt! Wie eine Verheißung scheint es mir, kleines Mädel, daß du mir den Glauben bringst, daß es auch für mich noch licht werden kann!" Er zog sie an sich und mit einem leisen Zubellaut schlang sie die Arme um seinen Hals. Der Zcbmuck. Kriminal-Erzählung von Curd. (Fortsetzung.) „Das ist meine private Meinung mein Herr." „Gewiß, Herr Direktor. Mein Name ist Lissok." „Wolff," stellte sich der andere kurz vor. „Ich glaube," nahm der Detektiv das Wort, „verstanden zu haben, daß Sie das Bild schon kennen, aber unter einem anderen Namen?" „Sie haben gute Ohren, Herr Lissok. Gewiß, das Bild gibt mir zu denken. Doch schließlich, was geht es mich an?" „Hm," machte Haase. „Aber ich meine, es käme doch auf eine Probe an. Man könnte vielleicht den Künstler prüfen." „Wie meinen Sie das?" „Nun, man gibt ihm einen Auftrag, den er nur im Beisein des Bestellers ausführen kann, ein Porträt." Direktor Wolff blickte die andern an. „Allerdings, das ginge zu machen," meinte er. „Wollen Sie es versuchen, Herr Lissok?" Der Detektiv zuckte lachend die Achseln. „Ich nicht, Herr Direktor, denn mir fehlt es an Geld. Aber vielleicht Sie, oder eine andere Person, vielleicht em Herrenkopf, ein alter Mann oder irgend jemand. Schon an seinem Gesichts ausdruck würde man erkennen können, ob er wirklich Maler ist." „Sie sind der reinste Detektiv, Herr Lissok. Die Sache in teressiert mich üb-igens riesig und ich möchte schließlich für den Spaß ein paar Mark opfern." Wieder kamen neue Gäste. Ditektor Wolff grüßte ein paar Mal und trat auf einen Herrn zu, der mit einer Dame eingetreten war. „Servus, Wolff, denke dir nur, bei Halmer sind sie einge brochen." „Ah?" entfuhr es Wolff. „Und?" „Den Schmuck, weißt du, dieses prachtvolle Stück, haben sie aus dem Geldschrank gestohlen," rief der Fremde lebhaft. „Die Polizei hat's schon in der Hand." „Donnerwetter," sagte Wolff langsam und schüttete den Kopf. Haase verzog keine Miene. Langsam trat er näher und mischte sich in die Unterhaltung. Geschickt spielte er mit den Meinungen der beiden und brachte sie langsam auf den Maler. „Wissen Sie, ich traue dem Kerl nicht," meinte der Fremde „Ich war gestern bei Helmer drüben, wir spielten eine Partie Schach zusamnien, dann eine mit dem Waldmann, aber der Kerl mogelt ja entsetzlich. Ebenso beim Skat. Ich bin doch ein alter, gerissener Spieler, doch bei dem verlieren wir halt immer. Und das steht fest, der spielt falsch. Na, man kann ja nichts sagen, verstehen Sie, es ist der zukünftige Schwiegersohn. Aber er ge fällt mir nicht." Haase verzog keine Miene. „Gödke," unterbrach ihn Wolff, „sieh dir mal das Bild hier an. Kennst du es?" „Teufel, der Waldfrieden, den ich vorigen Winter Kausen wollte." „Ist er's? triumphierte Wolff. „Ich lasse mich köpfen, wenn er es nicht ist." „Sie haben also recht, Herr Direktor," mischte sich Haase ein. „Vielleicht überlegen Sie sich die Sache noch einmal." Wolff erklärte seinem Freunde kurz den Vorschlag des Unbekannten. Gödke wiegte seinen Kopf und lachte. „Sie hätten Detektiv werden müssen, junger Mann! Nun, das können wir ja machen. Aber wie?" „Sie können wohl unmöglich selbst zu Waldmann gehen, denn, da er Sie kennt, wird er Ihnen den Eintritt in sein Atelier erschweren oder unmöglich machen," nahm Haase das Wort. Überrascht blickte ihn Göoke an. „Herr, Sie sino wohl. . ." „Pardon, ich bin . . . m . . . bitte, folgen Sie mir unauf fällig auf den Flur hinaus, man beobachtet uns." Haase ging langsam von einem Bilde zum andern, die andern blieben noch eine Welle stehen und folgten ihm langsam nach. » Draußen erwartete sie Haase, legitimierte sich und sagte: „Ich danke Ihnen, meine Herren, für Ihre Hilse, die Sie mir vielleicht unfreiwillig geleistet haben. Ich habe oie Halmersche Sache übernommen und glaube eine Spur gefunden zu haben. Wenn Sie morgen früh Zeit hätten, da kommt Waldmann sicher hierher, sich selbst noch einmal hierherzubemühen, wäre es mir lieb. Ich schicke Iynen einen Mann als Modell her, den Sie Waldmann empfehlen sollen oder aber zum Malen bestellen sollen. Das andere mache ich dann selbst. Gödke und Wolff versprachen dem Detektiv ihr Erscheinen und Haase verabschiedete sich. Gerade, als er das Haus verließ, ging auf der andern Seite Waldmann vorbei. Rasch trat er noch einmal in den Flur, zog einen falschen Bart aus der Tasche, befestigte ihn am Kinn, stülpte den Kragen hoch, klemmte einen Zwicker aus die Nase und folgte dem Waler