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Allgemeiner Anzeiger : 08.08.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Urheberrechtsschutz 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191708086
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170808
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- Zeitungen
- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-08
- Tag 1917-08-08
-
Monat
1917-08
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 08.08.1917
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politische ArmäschLU. Deutschland. * In einer Unterredung über die Be ziehungen zwischen Deutschland und Mexiko betonte der Berliner mexika nische Geschäftsträger, daß die Gerüchte, Mexiko beabsichtige in die Reihe der Gegner Deutsch lands einzutreten, vollständig grundlos, sind. Seiner Meinung nach stände dies zu der bis jetzt erstrebten selbständigen Haltung und der Neu tralität der mexikanischen Regierung, die sich während der dreijährigen Kricgsdauer als völlig einwandfrei erwiesen habe, in schärfstem Wider spruch. Außerdem richtet Mexiko seine Stellung- nahme am Kriege niemals nach der besten Be zahlung. * In der w ür 1 t e mb er g i s ch e n E r st c a Kammer erklärte Ministerpräsident Frhr. von Weizsäcker, im Hinblick auf die zahllosen Helden taten unserer Kämpfer und auf die glänzenden Erfolge ihrer Führer sei für weitere Be trachtungen über Vergangenes und über Zu künftiges jetzt kein Raum. Unsere Kämpfer wollen keine Nachrichten erhalten über den politischen Streit inderHeimat. Sie hoffen auf siegreiche Heimkehr in die Heimat, die eine Stätte des politischen und sozialen Friedens und Rechts für alle sein werde, und die einer freien, inneren und äußeren Ent wicklung unvergleichlich mehr Raum biete als die Feindesländer. Österreich-Ungarn. * Reichskanzler Dr. Michaelis, der seinen Antrittsbesuch in München und Dresden gemacht hat, ist in Wien eingetroffen. Einen Tag lang währten die Besprechungen mit dem Minister des Äußeren, Grafen Czernin, am anderen Tage wurde der Reichskanzler in feier licher Audienz von Kaiser Karl empfangen. Rustland. * Die .Times' meldet, daß trotz der strengen Maßnahmen Kerenskis noch immer von Zeit zu Zeit Automabile in den Straßen von Peters burg auftauchen, deren Insassen, Soldaten und Matrosen, zum Teil auch Zivilisten, auf Gruppen von Offizieren und Mannschaften, die vor den Regierungsgebäuden Wache halten, mit Browningpistolen schießen. Die Auf tritte seien in den letzten Tagen weniger ge fährlich, seitdem die Truppen sofort mit Maschinen gewehren antworten und die Menge in mehreren Fällen die Insassen dieser Automobile lynchte. Im übrigen macht die Selbständigkeitsbewegung im Zarenreiche Fortschritte. Drei ^rieg. Als Deutschland im August 1914 zur Ver teidigung seiner Grenzen und seiner Lebens bedingungen die Waffen erhob, ging ein einziger Begeisterungssturm durch das Land. Schnell wuchsen uns in Ost und West, zu Land und Wasser Feinde auf, aber im hinreißenden Anprall der fünf Armeen widerstand im Westen weder der gedungene Belgier noch der Fran zose noch die schnell zusammengerafften engli schen Söldlinge. Tief in Feindesland hinein wurden von begeisterten Männern die deutschen Waffen getragen; die stärksten Festungen wurden im Sturm überrannt, und wo in jenen glühenden August- und September-Tagen die deutschen Heere im Westen Fuß gefaßt hatten, stehen sie im wesentlichen am Ende des dritten Kriegsjahres auch heute noch. Im Osten gewann die militärische Lage ein anderes Aussehen. Die russischen Massen, im Lolksmunde als Dampfwalze bezeichnet, geboten unserer Heersührung, sich hauptsächlich auf die Verteidigung zu beschränken, die Grenzprovinzen zu schützen und den geeigneten Augenblick ab zuspüren, um auch hier in das Herz des feind lichen Landes vorzustoßen. Mit überlegener Kühnheit verstand es die deutsche Heeresleitung, diese Zeit zu erwarten, und kein wie hoch auch immer aufgebauschter Erfolg der Russen konnte Hindenburg, den genialen Feldherrn, aus seiner Zurückhaltung herauslocken. Daß er jedoch zu schlagen verstand, beweisen die Namen Tannen berg, Winterschlacht in Masuren, Gorlice- Tarnow, der Narew, die Weichselfestungen und schließlich Brest-Litowsk, das gewaltige Bollwerk am Bug. Während sich im Westen in einer gesteigerten Entlastungsoffensive die englischen und französi schen Armeen erschöpften, hatten wir, von dem erfolgreichen Stoße Mackensens bei Gorlice im Mai 1915 eingeleitet, die deutschen Waffen lies nach Polen und Wolhynien hineingeiragen und die Ostsee am Rigaischen Meerbusen erreicht. Aber schon war ein neuer Feind in die Reihe des Vierverbandes eingelreten; der eidbrüchige Ver bündete, Italien, hatte just um die Zeit, da Mackensen zur Wiedereroberung Lembergs an getreten war, Österreich den Krig erklärt und an zwei Fronten gegen Tirol und das Küstenland mit der Jsonzo-Grenze die Feindseligkeiten er öffnet. Damals schien unsere Lage durchaus ernst, Serbien hatte gegen Österreich einen nicht zu unterschätzenden Erfolg errungen, die Eng länder bestürmten die Dardanellen und hatten sich auf Gallipoli festgesetzt. Die Verbindung nach Konstantinopel war noch nicht geöffnet und Rumänien nahm eine keineswegs neutrale Haltung ein. Die Lage änderte sich mit dem Eintreten deS tapferen Vulgarenvolkes in den Krieg. Voir der patriotischen Begeisterung getragen, die Be freiung der mazedonischen Bulgaren zu bewerk stelligen, griffen die Bulgaren Serbien an, das nun unter der Führung Mackensens von drei Fronten bestürmt wurde. Nach schweren Kämpfen erstritten deutsche, österreichisch-unga rische und bulgarische Truppen die Balkanpforte, und der erste Balkanzug, der von Berlin nach Konstantinopel lief, war ein Symbol für die Einigkeit der verbündeten Mittelmächte von Flandern bis zum Persischen Meerbusen. Als Ersolg des serbischen Feldzuges brachte uns der Januar 1916 den völligen Zusammen bruch des Dardanellenunternehmens, und nun empfahl der damalige französische Premier minister Briand eine starke Offensive der Entente- Armee von Saloniki aus. Ende August des Jahres 1916 hatte sich Rumänien zum Verrat an den Mittelmächten entschlossen und stürmte über die siebenbürgische Grenze, wo nur schwache Postierungen der Österreicher standen. Aber zu leichtfertig hatte Rumänien den Versprechungen des Vierverbandes vertraut. Bulgaren und Türken hoben zugleich mit Deutschland und Österreich ihr sieggewohntes Schwert, und in einem beispiellos ruhmvollen Feldzug wurde Rumänien, trotz dem zwar verspäteten Eingreifen Rußlands, völlig überrannt. Ein ungemein langer und harter Winter begann mit Anfang des neuen Jahres 1917 und lähmte auf allen Fronten die Kampftäligkeit, 1 bis mit dem beginnenden Frühfahr ^ei große Ereignisse dem dritten KriegsjahU^die ent scheidende Prägung gaben: Die russWe Re volution, die als Folge unseres Sieges aus brach, und die Kriegserklärung Amerikas. Die Verkündigung des uneingeschränkten U-Boot-KriegeS gab Amerika den willkommenen Vorwand, seine von Anfang betätigte deulsch- seindliche Politik bis zur Kriegserklärung zu steigern. Nicht der U-Boot-Krieg, sondern der enge Anschluß an England hat den Schritt ver anlaßt. Und nun unternahm es die englisch- französische Heeresleitung, die große Offensive zwischen Arras und Soissons ins Werk zu setzen. Da entwand der geniale Rückzug Hinden burgs den Angreifern den erhofften Erfolg. Ungeheure Opfer an Menschen und Material waren im Raume Arras—Soissons um ein paar Quadratkilometer Landes und eine Anzahl zerschossener französischer Dörfer gebracht worden. Die russische Revolution, die, wie immer wieder betont werden muß, eine direkte Folge unserer Siege im Osten darstellt, mußte natur gemäß die Kampstätigkeit au der gesamten Ost front lähmen, und erst den stärksten diplo matischen Bemühungen des Vierverbandes ist es gelungen, den russischen Angriffsgeist zu einem kurzen Scheinleben zu erwecken. Die Brussi- lowsche Offensive hat nur eine ganz kurze Zeit gedauert; der kraftvolle deutsch-österreichische Gegenstoß in den letzten Tagen des dritten Kriegsjahres hat ihre Kraft gebrochen und die geringen erreichten Vorteile entscheidend in Frage gestellt. Endlich festigt die Tatsache, daß durch unsere Unterseeboote so viel Schiffsraum versenkt wird, wie alle Werften der Welt in Jahren an gestrengter Arbeit nicht bauen können, die feste Überzeugung, daß das Kriegsende in nicht zu ferner Zeit erwartet werden kann. Jedenfalls ist die Lage der Mittelmächte am Ende des dritten Kriegsjahres um ein bedeutendes günstiger als am Ende des zweiten. Das vierte Kriegsjahr beginnt unter einem günstigen Stern. verschiedene Uriegsnachrichten. Ein Alngschrerken für Deutschland. Ein Artikel in der Londoner Zeitschrift „Land and Water" sagt, daß ein Flugzeug von einen: Typ fertig fei, der geeignet sei, den Krieg bis in das Innere Deutsch lands zu tragen. Das Flugzeug vermöge eine Last von mehreren Tonnen zu tragen und könne ebenso gut eine Bemannung von 25 wie von drei Mann an Bord haben. — Es ist leicht verständlich, daß angesichts unserer Luft angriffe auf London und der erneuten Angriffe auf militärische Anlagen in Paris, sowie in Verbindung mit den jetzt bekannt gewordenen Verlusten, die unsere Feinde an Flugzeugen er litten haben — sie verloren bekanntlich 2298 Maschinen während des Krieges —, das Be dürfnis besteht, uns wenigstens Furcht einzu jagen. Nun, wir sind nicht so schreckhaft und sind entschlossen, zu ertragen, was auch kommen mag. * Krrcgsschiffsverluste unserer Feinde. Mit dem jetzt gemeldeten Verlust des englischen U-Bootes „Ö 84" vor einigen Tagen im Mittelmeer und des Kreuzers der „Diadem"- Klasse beläuft sich, einschließlich des am 14. Juli in die Luft geflogenen englischen Panzers „Vangnard", dergesamte Kriegsschiffs- Verlust des Vierverbandes auf 265 Ein heiten mit einer Gesamttonnage von 938 015 Tonnen. Da,von entfallen auf England 162 Einheiten mit 669 290 Tonnen. In dem jetzt abgelausenen Kriegsjahr hat die deutsche Flotte im Gegensatz zu der der Verbandsmächte kein einziges größeres Kriegsschiff verloren. Da gegen beläuft sich der Verlust des Vierverbandes auf nicht weniger als 8 Schlachtschiffe, zwei Panzerkreuzer, 1 geschützten Kreuzer und acht kleine Kreuzer, im ganzen also 19 Schiffe. — Die Feinde verloren also nur etwas weniger, als die japanische und italienische Flotte bei Kriegsausbruch zusammen Tonnen hatten. * Der russische Zusammenbruch. Nach einer Meldung des ,Demps' aus Petersburg sind die siebente und achte russijche Armee durch den Rückzug der elften Armee in großer Gefahr. Ter Rückzug der russischen Heeressäulen erfolge unter bedenklichen Umständen. Andere Petersburger Mel dungen berichten, daß beim Rückzug aus den Sereth-Stellungen die englischen und französischen Offiziere die russischen Artilleristen auf den Knien beschworen haben, ihre Geschütze nicht kampflos dem Feinde zu überlassen. Die seien aber einfach davongelaufen. Das erste russische Frauen bataillon kam aus seinem ersten Gefecht mit ernsten Verlusten zurück. * Italienische Sorgen. .Popolo d'JIalia' zeigt sich sehr bekümmert über die deutsche Offensive gegen Rußland und sagt: „Während die Verbündeten verhandelten und diskutierten, haben die Deutschen abermals die Initiative an sich gerissen und gehandelt. Es gelte nun, leinen Augenblick zu versäumen und an allen Fronten des Vier- verbandes gleichzeitig zum Angriff überzu gehen. Nur dadurch lasse sich die russische Revolution vor der deutschen Gefahr retten." Es scheint indessen, als ob man in Italien weniger um die russische Revolution, als um das eigene Schicksal in Sorge wäre. MUionenopfer cies Krieges. 50 Millionen Mcnschcnverlusie. — 1500 Millionen Menschen im Kriege. — 500 Milliarden Kriegs- kosten. — 10 Millionen versenkte Tonnen. Im letzten Jahre hat der Krieg noch eine ungeheure Ausdehnung gewonnen, die schon am Ende des zweiten Kriegsjahres beinahe für un möglich angesehen worden war. Tatsächlich steht jetzt fast die ganze Welt im Kriegszustände. Der Krieg selbst ist auf selten unserer Feinde auch um die Zahl der Kämpfer beträchtlich ver mehrt worden, wenn auch Amerika bisher sich nur gering aktiv am Kriege beteiligt hat. Die ungeheure Zahl der im Schützengraben liegenden Soldaten hat Opfer gefordert, wie sie bisher noch kein Krieg aufzuweisen hatte. Ein schwe disches Blatt hat jüngst ausgerechnet, daß bis her an Toten, Verwundeten und Verstümmelten auf allen Seiten mindestens die Zahl von 50 Millionen erreicht worden sei, wenn man auch diejenigen immer mitzählt, die bereits mehr fach verwundet wurden und immer wieder in den Kampf zurückkehren konnten. Die besten Heilerfolge hat nach demselben Blatte Deutschland aufzuweisen, während die verhältnismäßig größten Verluste merkwürdiger weise nicht Rußland, sondern Frankreich zu ver zeichnen hat. Der Zahl nach sind natürlich die russischen Verluste am größten. Aber, da Ruß land fast sünfmal soviel Einwohner chat wie Frankreich, so ist das Verlustverhältnis Frank reichs viel ungünstiger als das Rußlands. Nach einem so ungeheuren und blutigen Kriege von dreijähriger Dauer lassen sich natürlich einzelne Zahlen nicht anführen, sondern nur runde Summen, die wohl auch im großen und ganzen zutreffen dürsten. Allmählich hat der Krieg fast die ganze Welt ergriffen und augenblicklich sind nicht weniger als 1500 Millionen Menschen im Kriegszustände, wenn auch nicht alle am Kriege aktiv beteiligt sind. Da die ganze Bevölke rungszahl der Erde auf etwa 1650 Millionen geschätzt wird, so kann man sagen, daß der größte Teil der Menschheit einander feindlich gegenübersteht. Die Mittelmächte weisen ungesähr165 Millionen Einwohner einschließlich derKolonien auf, während der Nest auf feiten unserer Feinde steht. Den Massen entsprechend, die am Kriege befestigt sind, sind die Kosten, die mit Einschluß der ver wüsteten und zerstörten Güter bisher auf 500 Milliarden geschätzt werden. England hat davon allein an reinen Kriegsausgaben 100 Milliarden ausgebracht. Frankreich hat rund 55 Milliarden Kriegskosten bisher gehabt, Rußland ungefähr 60 Milliarden, Italien 20, Deutschland und seine Verbündeten zusammen kaum den dritten Test der Kosten unserer Feinde. Es kommen noch dazu die Kosten Amerikas und der Masse kleiner Staaten wie Serbien, Rumänien, Monte negro usw., die sich im einzelnen nicht genau berechnen lassen. Alle leben mehr oder weniger von der Gnade Englands oder Amerikas, so daß sich die Kosten dieser Länder noch dadurch beträchtlich erhöhen. Man wird an der Hand dieser Zahlen nicht sehlgehcn, wenn man die bisherigen Kriegs lasten einschließlich der zerstörten Güler auf mindestens 500 Milliarden schätzt. Damit sind aber die Kriegskosten der Völker noch nicht er schöpft, sondern sie werden sehr beträchtlich er höht durch die ungeheuren Verluste, die der feindliche Handel durch die versenkten Schiffe erlitten hat. Jüngst erst wurde mitgeteilt, daß seit Februar über 5 Millionen Tonnen ver senkt worden seien. Da aber schon vorher auch 5 Millionen Tonnen durch unsere Marine ver senkt wurden, so stellt sich der Gesan-tverlust auf 10 Millionen Tonnen, die nicht nur einen sehr beträchtlichen Wert darstellen und eine un geheure Bedeutung für die Versorgung unserer Feinde haben, sondern auch durch den Verlust der gesamten Ladung den Feinden unermeßlichen Schaden zugesügt haben. Es sind Riesenzahlen, die sich dem Be trachter der drei furchtbaren Jahre dartuu. Un geheures Unglück und Elend ist darin enthalten. Aber noch immer soll nach dem Wunsch unserer Feinde kein Ende des Mordens sein, trotzdem sowohl dis Blutopfer als auch die vertanen Werte vollkommen nutzlos sind, denn fester als je steht es, daß niemals den Feinden ihre Ab sicht gelingen wird, uns zu vernichten und unS unserer Lebensmöglichkeit zu berauben. Oie eilerne ^ot. 4f KriegSroman von G. v. Brockdorff. M Kotts-dung.) f „Vielleicht hat Hans geschäftliche Sorgen," warf Sabine ein. „Bedenke doch, wie alle Handelsbeziehungen gelitten haben." Über Beates volles, rosiges Gesicht glitt ein etwas hochmütiges Lächeln. „Ich bitte dich, Sabine, wir sind doch keine Firma, die von heute auf morgen fällt. Das ist natürlich Unsinn. Wer soll's denn aus halten, wenn wir's nicht können." Sabine schwieg einen Augenblick. Das blasse, sorgendurchfurchte Gesicht des Bruders trat vor ihre Seele. Sollte die Lage nicht doch ernster sein, als Beale sie bewertete? Ihr Blick gilt durch das Fenster auf den Hafen hinaus, wo die Masten der Schiffs in das rosige Nachmillagslicht hineinragten, ruhig, stolz, königlich. Beinahe mußte sie über ihren Argwohn lächeln. Gewiß, — Beate haste recht. Die Grotenius' würden sich halten können, und wenn der Krieg noch ein volles Jahrzehnt währte. Und es sah aus, als ob das entsetzliche Blutvergießen noch immer kein Ende haben sollte. Unten im Garten leuchteten die weißen Flieder dolden auf und erloschen wieder, wie hohe Szepter prangten die Feucrlilien auf den Beeten und die Rosenbüfche standen in einem Meer von Blülen. Italien haste den Krieg erklärt, Warschau mar gefallen, und die deutschen Truppen rückten mit Riesenschritten gegen die Burgen des jcind- lichen Ostens vor. Aber noch gähnte die Un- ermeßlichkeit des slawischen Reiches wie ein offener Nachen vor der deutschen Front, und die Schützengräben im Norden Frankreichs lagen starr und trotzig gleich ehernen Burgmauern 'vor den Angreifern. Und der August kam mit schwerem, feuchtem Nebel übe: dem Hafen, ehe die sonnigen Herbst tage des Septembers blau und klar wie Heller Türkis einen hohen, strahlenden Himmel über das stille Land breiteten. Noch immer kein Ende, nicht einmal die Aussicht auf ein Ende. Sabine Asmussen saß noch immer am Fenster und starrte auf das wogende Wasser zu ihren Füßen. Die Handarbeit war längst ihren Händen entglitten, still und müde haste die junge Frau den Kopf gegen die Lehne des Sessels gepreßt und dachte an Vergangenes und an die Zukunst. Sie hatte müßige Zeit heute. Die Verwundeten im Lazarett waren ent lassen worden, nun sollte täglich neuer Nachschub eintreffen. Diesmal sollten Schwerverwundete kommen, und eine größe Zahl als sonst, halte der Ober arzt erklärt. Sabine freute sich auf die Arbeit, auf die Tapferen, denen sie ihr Leiden erleichtern durste. „Ich bin dir so dankbar für deinen Rat, ins Lazarett zu gehen," sagte sie zu Beate. Diese lächelte geschmeichelt. „Siehst du, Kind, das ist daS Beste gegen unnötige Gedanken. Und dann, finde ich, ist es > Pflicht für einen jeden, das Seine zu tun." 1 Beale sprach nicht ohne Sclbstbewußtsein von ihrer ausgedehnten Tätigkeit in der Kriegs- fürsorge, und Sabine empfand ein leises Unbe hagen dabei, so oft sie die Schwägerin die eigene Tüchtigkeit so offen zur Schau stellen hörte. Unterzog Beate sich wirklich nur der großen vaterländischen Sache wegen ihren neuen Pflichten? „Es macht mir so viel Spaß, überall dabei zu sein, alles durch meine Hand gehen zu lassen," sagte sie einmal. Sabine schwieg dazu, aber sie begriff plötz lich, warum sie es nie über sich Halle gewinnen können, die Schwägerin zu ihrer Vertrauten zu machen. Die vielen von Beate ins Leben gerufenen Wohltätigkeilsveranstaltungen zugunsten des Krieges und der Kriegswitwen brachten es von selbst mit sich, daß die beiden jungen Frauen sich seltener sahen. Bisweilen — wenn ihre Zeit es ihr er laubte — vertrat Sabine bei den Mahlzeiten im Hause ihres Bruders die abwesende Hausfrau. Jedesmal fiel es ihr dabei von neuem auf, wie schweigsam HanS während der letzten Mo nate geworden war. Sogar für die Fragen und kindlichen Späße des kleinen Johannes hatte er oft nur ein zerstreutes Lächeln. „Du mußt dich schonen," Lat Sabine. „Ich sehe jede Nacht noch nach zwöls Licht in deinem Fenster. Du bist überarbeitet, Hans." Er lachte kurz auf und fuhr sich mit der Hand nervös durch das dichte Haar. „Ich bitte dich, Sabine, fang du nicht auch noch an! Beate quält mich gerade genug mit ihren ewigen Vorhaltungen. Es ist ein wahres Glück für mich, daß sie jetzt so viel außerhalb des Hauses za tun hat." Sabine sah ihren Bruder forschend an. „Hast du Sorgen, Hans?" „Liebes Kind," er war jäh ausgestanden und stieß einen Seufzer des Unwillens aus. „Ihr könnt einen, weiß Gott, verrückt machen mil euren Fragen. Kümmere du dich nur deine Verwundeten und überlaß mjx bitte das andere. Seit Werner im Felde ist, habe ich dir volle Verantwortung für die Firma. Ich weiß, was das auf sich hat und tue, was in meinen Kräften steht." Ec lachte wieder ein wenig gezwungen. „Daß es für mich eine Menge Arbeit gibt, jetzt, wo so viele von den Leuten eingezogcn sind, das ist doch klar. Und daß man gerade in dieser Zeit höllisch auf dem Posten sein muß, versieht sich von selbst. Also bitte — keine un nötigen Fragen, die einem nur den Kopf warm machen und die Gedanken ablenken und vor allem: keine Sorgen meinetwegen." Sabine, die es bei den ersten Worten des Bruders wie eine schwere Ahnung durchzuckt halte, atmete erleichtert aust Beate hatte recht: sie war eine Närrin ge wesen, sich überflüssige Gedanken zu machen. Natürlich halte der Bruder seinen Kopf voll; sicher waren auch allerlei Verluste zu verzeichnen, denn der überseeische Handel stöckle doch und dis afrikanischen Handelshäuser dec Firma waren zum Teil vernichtet. Leicht war es immerhin nicht, aber Gott sei Dank doch nicht so, daß das stolze alte Handelsschiff der Grolcmns zum l Sinken gebracht werden konnte.
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