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Allgemeiner Anzeiger : 20.01.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191701203
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-01
- Tag 1917-01-20
-
Monat
1917-01
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 20.01.1917
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Gegenfragen an Snglanä. Die Fragen und Vorwürfe, die Reuter im Auftrage der englischen Regierung erhebt, um Deutschlands Schuld am Ausbruch des Krieges zu beweisen, sind sür niemand mehr neu. Es sind dieselben Phrasen, die längst widerlegt worden sind. Das amtliche W. T. B. stellt einige Gegenfragen. Hat nicht Sir Edward Grey erklärt, er verzichte auf die Kouferenzidee, wenn es Deutschland gelinge, Österreich-Ungarn zu direkten Verhandlungen mit Ruhland Zu bringen, und ist dies Deutlchlands dauernden Bemühungen nicht geglückt? War nicht die Anerbietung eines Schiedsgerichts an demselben Tage, wo Ruhland gegen Österreich-Ungarn, den Bundesgenossen Dcutichlands, das diewm ver tragsmäßig zur Hilfe verpflichtet war, mobilisierte, ein Ansinnen, auf das Deutschland nur io reagieren konnte, wie es reagiert hat? Hat nicht der eng lische Botschafter in Petersburg schon am 25. Juli Sasonow gewarnt, die Mobilisation anzuordnen, weil Deutschland nicht mit einer Gegenmobiljsalion sich begnügen könne, sondern sogleich Krieg erklären müsse? Hat nicht Graf PourtelLs Herrn Sasonow dauernd dasselbe gesagt? Halte es nicht England in der Hand, dem Kriege fernzubleiben, wollte es nicht viel mehr die Gelegenheit benutzen, um über Deutschland herzufallen, nachdem Sir Edward Grey es abgelehnt halte, neutral zu bleiben, selbst wenn Belgiens Neutralität oder die Un verletzlichkeit Frankreichs und der französischen Kolonien von Deutschland garantiert werden würden? Spricht daraus und aus der strikten Weigerung, überhaupt Bedingungen zu nennen, unter denen England neutral bleiben würde, nicht der absolute Angriffswille Englands, hat sich nicht Rußland bei England nach vollzogener Mobilisation für die „feste Haltung" bedankt, die England Deutschland gegenüber eingenommen hat? Warum schweigt die Reulermeldnng über Irland, wo englische Offiziere unschuldige Iren aus reiner Lust am Töten ohne Kriegsgericht erschossen haben? Erinnern sich die Engländer nicht an die Konzentrationslager während des Burenkrieges, wo Tausende unschuldiger Buren kinder zugrunde gingen, und weiß die englische Regierung nicht, wie eine große Anzahl der Buren noch jetzt über England denkt? Sind der englischen Regierung die Dumadebalten über die Behandlung der Fremdvölker in Ruß land unbekannt? Noch neulich hat der russische Abgeordnete Tschenkeli in der Duma gesagt, daß oft von der Dumatribüne davon gesprochen worden sei, daß die russische Negierung während des Krieges alle menschlichen und göttlichen 6-esetze hinsichtlich einer ganzen Reihe von Völkerschaften verletzt habe. Sind nicht nach dem unanfechtbaren Zeugnis russischer Dumamitglieder zahllose Juden in Rußland unschuldig aufgehängt und Mohammedaner im Kaukasus zu Tode gequält worden? Haben nicht England und Frankreich unter dem heuchle rischen. Mantel der Schutzmacht an das souveräne Griechenland Forderungen gestellt, die weit über die Forderungen hinausgingen, die seiner zeit Österreich-Ungarn an Serbien zu stellen gezwungin war? Was die Kolonien anlangt, so hat Deutschland die seinigen alle durch fried liche Abmachungen gewonnen. Es hat auch kein Schuldkonto aufzuweisen. Wiedas, mit dem England in Indien und Frankreich in Marokko belastet sind. Kann England irgendeinen Beweis dasür erbringen, daß Deutschland vor der Auslegung des englischen Minenfeldes in der Nordsee Minen anderswo als an den deutschen und englischen Küsten und in den Zufahrtsstraßen zu den englischen Gewässern nach entsprechender Warnung an die Neutralen gelegt hat? Ist nicht der deutsche Unterseebootkrieg lediglich eine Vergeltungsmaßregel gegen die englitche Aus- hungerungspolitik? Ist den Engländern un bekannt, daß Paris eine Festung war, die von Deutschland- regelrecht nach den Gesetzen des Krieges belagert worden ist? Ist den Eng ländern bekannt, daß es russische Gefangenen lager gibt, in denen während des Krieges viele Tausende deutscher Gefangener elend zugrunde gegangen sind, in Toluki allein 17 000 ? ssPiß man in Europa, daß in manchen Gefangenen lagern die Leichen der Verstorbenen in ge frorenem Zustande übereinandergestapclt worden und vor den Lagern aufgeschichlet worden sind? Warum erwähnt die Reulernote zwar den „Lusilania"-Fall, nicht aber die Pogroms in Johannisburg, Loudon und Moskau, den „Baralong"-Fall, den „King Stephen", den Fall Felicis Pfadt, die Erschießung unschuldiger deutscher Kaufleute iu Marokko, die Ermordung des deutschen Botschaslsbeamten Kattner unter den Augen und mit Billigung der russischen Polizei? Warum beschäftigt sich die englische Presse nicht mit den englischen Anerbietungen über Belgien im Jahre 1887? Vermeidet man eS, zu gestehen, daß die englische Regierung zweierlei Auslegungen des Völkerrechts kennt, je nach dem die eine oder andere ihren Interessen nütz lich ist? Warum hat mau in England die Veröffent lichung der belgischen GesanLtenbcrichte über die Einkreisungspolitik Englands verboten? Schämt man sich seiner eigenen Talen? verschiedene Uriegsnachrichten. Noch immer keine Einheitsfront. Dem römischen Zensor ist offenbar ein Artikel des ,Secolo' entgangen, dessen Pariser Mitarbeiter in einem längeren Artikel das Gerücht bestätigt, daß aus der römischen Konferenz des Vierverbandes keine Einigung erzielt worden sei. Jeder General stab betrachte eifersüchtig nur die eigene Front als Hauptsache. Eine militärische Einigung wurde daher nicht erzielt. Italiens Kriegsschiffe Verluste. Die Bekanntgabe des Verlustes des Schlacht schiffes „Regina Margherita" am 11. Dezember in der Adria nach Monatsfrist mach! in Italien einen ebenso schlechten Eindruck, als der ver gebliche Versuch, den Verlust des „Leonardo da Vinci" zu verheimlichen. Italien hat nunmehr drei Schlachtschiffe erster Klasse, nämlich außerdem den „Benedetto Brin" und zwei Panzerkreuzer, den „Amalfi" und „Gari baldi" verloren. Mit der „Regina Mar gherita sind 675 Mann untergegangen. — Die öffentliche Meinung ist außerordentlich erregt. * Sakoniker Schwierigkeiten. Aus Mitteilungen über anscheinend geplante Verschiffung größerer italienischer Truppenkörper, zu der angeblich ein englicher Admiral als Leiter erwartet wird, wird nach einer Meldung aus Malmö in Nom der Schluß gezogen, daß Italien sich nunmehr in stärkerem Um fange an der Balkan-Expedition beteiligen werde. Italien soll dazu auf der Konferenz in Nom durch den Hinweis bewogen worden sein, daß die Preisgebung dieser Ex pedition in erster Linie und am schwersten Italien treffen müsse. * Englands kanadische Rekruten. Um den immer mehr fühlbaren Mangel an Ersatzmannschaflen für Heer und Marine nach Möglichkeit zu lindern, macht England neuer dings erhebliche Anstrengungen, den nötigen Ersatz aus denKolonien heranzuziehen. Die Ablehnung der allgemeinen Wehrpflicht in Australien hat die englischen Hoffnungen auf jenem Kontinent vernichtet. Nunmehr versucht England, den noktoendigen Ersatz in Kanada zu erhalten. Für Nekrutierungszwscke werden jetzt in den hauptsächlichsten Provinzen Kanadas Rekrutieruugsbureaus eröffnet. In allen Re- gierungsbureaus Kanadas wird daher auch heute eine starke Personaleinschränkung systematisch durchgeführt und alle dadurch freigewordenen Kräfte dem Heere überwiesen. Vielfach werden auch weibliche Hilfskräfte zum Ersatz heran- gezogeu. Um der englischen Marine weiteren schnellen Ersatz zu belchaffen, wird jetzt eine Kanadische Marine-Ubersee-Division gebildet, welche 5000 Mann umfassen soll. Aus der ge samten Sachlage läßt sich mit Leichtigkeit er sehen, daß es England täglich schwerer fällt, den notwendigen Ersatz für Heer und Marine zu finde«. Russische Truppentransporte nach Besiarabic«. Auf den südrussischen Eisenbahnen wurde die Beförderung von Zivilpersonen zum Teil gänzlich eingestellt, zum Teil stark beschränkt. Diese Maßregel soll mit starken russischen Truppentransporten aus allen russischen Gouvernements nach Beßarabien Zusam menhängen. Cm Iakr KalkanLug. Berlin, im Januar. Als dieser Kampf begann, der sich leider von Woche zu Woche, von Monat zu Monat mit immer größerem Recht den Namen eines „Welt krieges" erwarb, hätte wohl niemand ange nommen, daß man Gelegenheit haben würde, innerhalb dieses Krieges Jahresjubilüen zu feiern. Diese Gelegenheit aber bot sich bereits mehr als einmal; zweimal jährte sich der Kriegs- beginu, und auch die dritte Wiederholung dieses denkwürdigen, snr Europa und auch für die übrige Welt schicksalsreichsten Tages ist bereits in greifbare Nähe gerückt, Doch noch ehe das dritte Wegsjahr seinen Abschluß findet, feiern wir einen Jahrestag anderer Art, einen Tag des Ruhmes unserer und unserer Verbündeten Waffen, das praktische Ergebnis unserer Be mühungen, das handgreiflichste Symbol sür die unlösbar zusammengeschweißte Einheit der Zeutralmächte und ihrer tapferen Bundes genossen. Am 15. Januar des Jahres 1916 fuhr der erste Balkanzug auf den Schienenweg hinaus! Es war ein wintergrauer Vormittag. Tätiges, verkehrsreiches Leben in den Straßen Berlins. Denn im Kriege kennt man auch au Feiertagen, bei den festlichsten Anlässen leine Pause, keine Nast. Wie sonst ging jedermann seiner Arbeit nach. Wie sonst rollten die elektrischen Bahnen über ihre Gleiswege; wie sonst fuhren die Last wagen, Omnibusse, Droschken lärmend über den Asphalt der Friedrichstadt; wie sonst ballte die Intensität des Werktages sich um den Bahnhof Friedrichstraße zusammen. Alles war wie sonst, nichts schien verändert, während doch — im besten Sinne — au diesem Tage ein denk würdiges Stück Geschichte seine sichtbare Krönung erhielt. Droben, auf dem Fernbahnsteig Friedrich straße aber war nicht alles wie sonst. Eine feierliche Gesellschaft hatte sich auf dem Bahnsteig versammelt. Persönlichkeiten mit klingenden Namen, aus dem politischen Leben, aus der Finanzwelt, aus dem Getriebe der Presse. Viele Uniformen. Unter den Bahnbeamten eine ge wisse Feierlichkeit, gemischt mit Nervosität. Sie warten. Da — in der Ferne/ an der Biegung des von Westen kommenden Schienenweges, wird der gedrungene, schwarze, qualmende Kopf einer Schnellzugslokomotive sichtbar. Auf die Brust der Lokomotive ist eine Tafel geheftet, gleiche Tafeln auf jedem Wagen. Einfache Tafeln in Weiß, mit nur einem be scheidenen, aus stänimigen schwarzen Buchstaben geformten Wort : „Valkanzug". Balkanzug I . . . Eine ganze Geschichte ist in diesem kurzen Wort verborgen. Man wieder holt die drei Silben, wieder und wieder. Und die Erinnerungen kommen, flattern von den Schlacht- seldern herbei, von den so oft und viel mit Blut, warmem Soldatenblut getränkten Bergen und Tälern des Balkan. Es beginnt mit der Erinnerung an einen Frühsommerlag . . . Ahnungslosigkeit in ganz Europa. . . dann plötzlich Extraausgaben, Zusammenlauf auf Straßen und Plätzen: der österreichische Thron folger Franz Ferdinand und seine Gattin in Serajewo von einem Serben ermordet. Ein Blitz durchfährt die Lust. Europas Atmospäre ist mit Elektrizität geladen, wenige Monate lang, bis zum 1. August die Spannung sich jäh löst, mit der Explosion des großen Krieges. Lebhafter Verkehr auf dem Bahnsteig. Ge dränge, Schaffner laufen längs des Zuges auf und ab. Auf den Tafeln glänzt das Wort: „Balkanzug". Man denkt an die Kämpfe, an Binner!?, äer Xneckt. 18) Roman von Bruno Wagener. lF-rtsthung.) „Aber eins sage ich Ihnen," fuhr Dolkhardt ernst zu Hinnerk fort, „fleißig sein wollen wir und arbeitan. Denken Sie sich das ja nicht so leicht. Die Kunst ist eine strenge Herrin und fordert den ganzen Mann. Dafür belohnt sie ihren treuen Diener mit überreichen Händen, nicht immer mit Geld und Gut, aber mit innerer Befriedigung und mit sehendem Genießen der Welt und ihrer Schönheit." 15. Es war dunkler Abend, aks Hinnerk Meyer von Mölln zurückkam. Kein Stern zu sehen, der ganze Himmel mit Wolken behangen. Nur wo der Mond stand, da sah man ab und zu einen Hellen Schein, wenn eine dünnere Stelle in der grauen Nebelwand gerade vorüberzog. Nun tauchten die Lichter von Neuenfelds vor dem durch die Finsternis Tappenden auf, einige niatt erleuchtete Fenster, die kaum einen Schein auf die Straße fallen ließen. Hinnerk fragte nichts nach der Dunkelheit. In seiner Seele war es voll von Hellen Bildern. Er konnte es noch kaum fassen, wie das alles auf einmal über ihn hereingebrochen war. Es war wie ein Traum. Wieviel Neues hatte er kennen gelernt, das wie Offenbarungen aus einer fremden Welt vor ihn trat. Nun wußte er, was es hieß, Maler zu sein. Volkhardt hatte ihm Pinsel und Farben, Palette und Malstock gezeigt, hatte iüm deren Anwendung erklärt und sich an die Staffelei gestellt, auf der ein großes angefangenes Gemälde stand, an dem der Professor unter Benutzung seiner Studien nach der Natur malte. Bis es dämmrig wurde, halte ihm Hinnerk dabei zu sehen dürfen. Dann aber hatte ihm Volkhardt wundervolle Bilder gezeigt, Nachbildungen berühmter Ge mälde von Raffael und Tizian, von Rubens und Rembrandt. Ganz besonders der letztere hatte ihm gefallen, daS war alles so menschlich wahr, es lebte alles auf diesen Bildern. Dem jungen Banernknecht kam das so vertraut vor; das Dunkel der Diele im heimischen Dorfe mit dem durch die Tür und die niedrigen Fenster luken hereinbrechenden Sonnenlicht oder mit dem Scheine der qualmenden Lampe, die vom Balken herabhing, glaubte er hier wiederzu- erlennen, und die Menschen standen vor ihm, wie er sie alltäglich im Halbdunkel des Bauern hauses sah, nur daß sie kostbare Gewandung trugen, wie er sie nie gesehen hatte. Zum Abschied Halle ihm Professor Volkhardt ein wunderbares Watt geschenkt, das sein besonderes Entzücken erregt halte. Es stellte einen jungen Stier dar, der in ungebändigter Kraft und Schönheit und doch plump und unbe holfen, wie man es beim Jungvieh sieht, auf der Weide stand. Potter hieß der Dialer, und der sollte vor mehr als dreihundert Jahren in Holland gelebt haben, wo es noch heule das schönste Niederungsvieh gibt. Wie ein Kleinod hielt Hinnerk den sorgfältig eingewickelten Kupferdruck in der Hand. Der sollte in seiner Kammer hängen, um ihn täglich anzuspome» zu treuer Arbeit, damit auch er einst em Maler werde und etwas leiste. Voll von diesen Eindrücken hatte Hinnerk den Weg zurückgelegt. Dicht vor dem Dorf eingang hörte er plötzlich seinen Namen nennen. Nur undeutlich sah er, daß auf einem weiß ge tünchten Prellstein am Straßenrand eine mensch liche Gestalt saß. „Geht da Hinnerk Meyer?" hörte er jetzt eine Stimme, die er nicht gleich erkannte. Er trat an die Gestalt heran, und nun sah er beim flüchtigen Mondschimmer, daß es seine Mutter war. — Sie stand auf, als sie ihn erkannte. „Ich habe auf dich gelauert, Hinnerk," sagte sie. Es kam ihm vor, als ob etwas angstvoll Scheues in ihr« Stimme läge. „Ist etwas passiert?" fragte er. „Nein, passiert ist nichts," sagte sie, und da bei hatte der Sohn das deutliche Gefühl, daß doch etwas vorgesallen sei. „Ich dachte man bloß, heute abend kommst du doch nicht mehr zu mir. Und ich wollte man hören, wie es dir bei dem Dialer ergangen ist." Hinnerk erzählte seiner Mutter mit wenigen Worten seine Erlebnisse, und was für Vorschläge Volkhardt ihm gemacht hatte. „Dann willst du ganz von Gesine Siemers fortgehen?" fragte die Frau erstaunt. „Du hast dich doch auf ein Jahr vermietet." Er sagte ihr, daß er natürlich bleiben würde, bis Ersatz für ihn geschafft sei; das war keines wegs so leicht, denn die Knechte waren rar, und in Lübeck bei den Vermittlungsbureaus mußte man ein Heidengeld bezahlen, wenn man eine tüchtige Arbeitskraft bekommen wollt«. Damit waren fi» bis zum Bolten- die Wildheit in dem serbischen Bergland. Mackensen dringt vor mit Schwärmen deutsch«« und österreichischer Truppen, Wolken von Reitern ziehen über die Kämme der Gebirge. Von der anderen Seite nähern sich die Bulgaren. Endlich tauschen deutsche, österreichische und bulgarische Krieger den Bruderkuß aus. Berlin- Konstantinopel ... nur etwas Arbeit noch, und dieser große Traum ist auch technisch verwirk licht. Und die Arbeit kommt. Sie wird stürmisch in Angriff genommen, stürmisch bewältigt, mitten im Kriegsgebraus. Die Linie ist fertig. So war es vor einem Jahre. Die Ab sperrung Deutschlands wurde nach dem Osten hin durchstoßen. Preußen und Orient, Spree und Bosporus verbunden durch die gesicherte Strecke des Balkanzuges. Das war und ist die Bresche, die entscheidende Bresche in dcr großen Absperrungsmauer, hinter der England uns verhungern, ersticken wollte. Die weiteren Erfolge, die Niederwerfung Rumäniens. . . . Großtaten im Gefolge des Balkanzuges. So besagt dies Jubiläum: wir halten an dem unsrigen fest. Auch der Balkanzug bewahrt sich seine Richtung, die blutige Kämpfe ihm wiesen. Unerschütterlich verläßt er — wie vor einem Jahre — den Bahnsteig Berlin. Unerschütter lich. Ist dies nur ein Symbol? Ist es nicht noch mehr — siegreiche Wirklichkeit? . . Politische Kunälckau. Deutschland. * Der bayerische Ministerpräsident Freiherr v. Hertling ist in Berlin zu einer Sitzung des Bundesrats aus schusses sür aus wärtige Angelegenheiten einge troffen. Man geht wohl nicht fehl, wenn inan als Ursache dieser Sitzung des Bundesrats ausschusses sür auswärtige Angelegenheiten, bei dem der bayerische Ministerpräsidmt den Vorsitz führt, auf die letzten weltpolitischen Ereignisse, die mit den Noten zusammenhängen, zurücksührt. * Fortgesetzt laufen Stellengesuche aus allen Kreisen der weiblichen Be völkerung beim Krieg samt und beim Kriegs-Arbeitsamt ein. Die Ab sender sind der irrigen Meinung, daß dort auch Stellen vermitlelt werden. Da dies nicht der Fall ist, sind Stellengesuche an die Amler zweck los. Gewerbliche Arbeiterinnen und kaufmän nische Angestellte müssen sich an ihre zustän digen Arbeitsnachweise wenden. Für Frauen, die in der sozialen Fürsorge und in den höheren Berufen arbeiten wollen, wird näheres nach Einrichtung von Meldestellen bekanntgegeben. Griechenland. *Nach den Berichten der Vierverbands blätter ist die Annahme des Ultimatums des Vierverbandes durch die griechische Regierung von dem friedliebenden Teile der griechischen Bevölkerung freudig ausgenommen worden und habe eine glückliche Entspannung der Lage herbeigesührt. Die Regierung habe die Durchführung der geforderten Maßregeln begonnen; viele Züge mit Truppen und Kriegs gerät gingen nach dem Süden ab. Die halb« amtlichen Blätter meldeten, daß die Militär behörden den Verbündeten sechs Batterien mit Zubehör übergeben hätten. Anderseits habe eine Versammlung von 3000 Menschen unter Huldigungen sür den König ihren Widerspruch gegen die Annahme des Ultimatums ausgedrückt. Auf verschiedenen Inseln sanden ähnliche Ver sammlungen statt. Amerika. * Nach den Berichten englischer Blätter ist Präsident Wilson entschlossen, einen weiteren Schritt zu tun und Deutschland zu veran lassen, seine Friedensbedingungen be kannt zu geben. Der Präsident teilt nicht die weitverbreitete Meinung, daß durch die bisher gewechselten Noten über den Frieden nichts er reicht wurde. Er glaubt vielmehr an einen wesentlichen Fortschritt, der darin liege, daß die Friedensparteien in den einzelnen Ländern Boden gewonnen (?) hätten und eine dem Frieden günstige Stimmung hervorgerufen worden sei. Je mehr solche Strömungen ermutigt würden, um so mehr Grund habe man, auf ein Zustandekommen des Friedens zu hoffen. Siemersschen Hofe gekommen. Hinnerk wollte sich von seiner Mutter verabschieden; er konnte sie nicht durchs Dorf begleiten, denn er mußte nach dem Vieh sehen und die An ordnungen sür den kommenden Tag mit Frau Siemers besprechen. Er reichte der Mutter die Hand; da fühlte er, daß die ihrige eiskalt war und zitterte. „Ist dir was, Mutter?" fragte er besorgt. „Was soll mir wohl sein?" gab sie zurück. „Aber daß du's man gleich weißt. Auf dem Höfe ist was passiert. Den alten Rickmann hat's umgeworfen — ein Schlaganfall oder so etwas. Mahnkes Trine hat mir's erzählt." „Ist er denn tot?" „Nee, tot wohl nicht; aber er kann sich nicht rühren, bloß mit den Augen rollen." „Bist du nicht heute nachmittag auf dem Hofe geivesen? Du wolltest doch gehen. Hat ihm denn da schon was gefehlt?" „Was sollte ich wohl da auf dem Hofe?" fragte sie hastig. „Ich habe doch da nichts zu suchen. Was du sür dummes Zeug redest!" Er suchte sie zu begütigen, denn es kam ihm vor, als habe sie sich über seine Fragen geärgert. „Nun, ich dachte, wegen der Strümpfe, die du ausgebessert hast. Die wird Franz Nick- mann nun wohl nicht mehr tragen, wenn es so mit ihm steht." „Wegen der Strümpfe — du lieber Gew, Wegen der Strümpfe!" wiederholte die Fran mit zittriger Stimme. „Das hätte ich ja gan, vergessen. Nee, die wird der Altenteiler nun wohl nicht mehr tragen. O ie l O je I Die
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