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Allgemeiner Anzeiger : 01.08.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-08-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191708014
- PURL
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170801
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-08
- Tag 1917-08-01
-
Monat
1917-08
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 01.08.1917
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A-Ysot-ttrieg im- Völkerrecht. Ter U-Boot-Krieg beruht aus dem Grund- tab der See-pene. Ein kriegführender Staat ist ücis lcrechtigl, einen Teil des feindlichen Getautes zu besetzen und den Zu- und Ab- gavg zu verhindern. Dieses Recht kann er uanklich auch dann cmsübcn, wenn das besetzte Gelost einen Gürtel bildet, der rings ein Ge lände umichiicht. von dem aus feindliche Ope rationen staltzufindcn pfleaen, so die Belagerung einer befestigen Stadt, so vor allem aber auch die Sccumschlicßung eines Geländes, indem inan das Küstenland in die Gewalt nimmt und rinas eine Sperre anbringt. ,Die Sperre kann u'öbcwndeiedmchMincnlegung'geschehen.einFall, der in der Haager Vereinbarung besonders vor gesehen ist. Dieser Minenlegung steht es aber gleich, wenn irgendwelche anderen Vernichtungs- elcmente in diesen Seegürtel gebracht werden, um den Ein- und Austritt zu verhindern; man kann, wenn cs technisch möglich ist, einen elektri schen S:rcm in den Umschließungsgürtel legen, der alles vernichtet, was in seinen Bereich kommt; man kann auch solche Zsrstörungs- mittcl aubringen, die nicht durch bloße Be- rühnmg zur Entladung kommen, sondern erst durch einen zugeleileten elektrischen Strom; man kann insbesondere auch Unterseeboote in den Umschließungsgürtel legen, die jedes ein- und nuslaufende Schiff, das ihnen in den Wurf kommt, vernichten. Der Unterseebootkrieg ist daher berechtigt, ebenso berechtigt als es wäre, wenn man um eine Festung herum einen Gürtel von Kanonen aufpflanzte, um jeden, der sich naht, zu vernichten, oder wenn man ein lohendes Feuer anbrüchte, das jeden tötete, der in seinen Bereich käme. Die Seespcrre ist rechtlich von der Blockade unterschieden; denn bei dieser wird ein recht liches Verbot ausgestellt, das; niemand ein dringen darf und daß dcr Eindringende durch Wegnahme von Schiff und Ladung gestraft wird. Das ist hier nicht dcr Fall; cs wird hier keine rechtliche Bestimmung gegeben, sondern eine tatsächliche Sperre gelegt, so das; alles, was in die Sperre fällt, tatsächlich der Vernichtung anheimsSllt. Don einem Unrecht ist hicr keine Rede; nicht von einem Unrecht gegenüber dem Feind, denn die Umschließung ist berechtigt; aber auch nicht von einem Unrecht gegen Dritte, denn es ist ihre Sache, das Sperrgebiet zu vermeiden, das wir mit Recht besetzt haben. Natürlich ist cs unsere Pflicht gewesen, diese Seesperre in genügender Weise bekannt zu machen; dies ist aber in mehr als hinreichender Weise geschehen, und kein feindliches und kein neutrales Schiff kann sich darauf berufen, daß ihm die Verhält nisse unbekannt geblieben seien. Die Neutralen dürfen sich um so weniger darüber beklagen: wenn sich ihre Schiffe in die Sperre hineinwagen, so ist cs nur das Streben nach Gewinn, nach Erlangung der hohen Frachtsätze und Warenpreise, das sie lockt; denn die Ge winne der Seefahrt werden sich nicht nur nm das Drei- und Vierfache, sondern um das Zehn fache steigern. Wollen diese neutralen Reeder und Kaufleute Millionäre werden, jo ist das ihre Sache; wenn sie aber sich darüber beklagen, daß sie in dem Msiko nntergegangen sind, in das sie sich selbst wissentlich begaben, so ist diese Klage nicht nur zurnckzuweisen, sondern sie ist im höchsten Grade zu verdammen, und ein Vorwurf gegen uns fällt auf sie selbst zurück. Man hat den Unterseebootkrieg vielfach auf -lotwehr und Notstand gegründet und betont, daß wir ihn nur begonnen haben, weil man uns die Lebensmittel abzuschneiden versuchte und wir uns dagegen wehren mußten; man hat ihn durch das Recht der Repressalien recht fertigen wollen, die wir gegen unsere Feinde und gegen diejenigen üben, welche unsere Feinde unterstützen; man hat doS Recht der Blockade angerufen und erklärt, daß wir doch auch die Besorgnis hätten, eine Blockade zu legen. Ties alles sind an sich zutreffende Be trachtungen, allein es bedarf ihrer nicht, da schon die obige Rechtfertigung durchschlagend ist. Wir brauchen auch nicht daraus Rücksicht zu nehmen, daß das Leben von Menschen da durch gefährdet wird; denn das liegt in Mr Natur der Sperre und findet durch Minen legung in gleicher Weise statt. Und wenn wir im einzelnen Falle Mittel anwenden, um die gefährdeten Menschenleben möglichst zu erhalten, so ist dies von unserer Seite eine Guttat, nicht eine rechtliche Pflicht. Wir werden es natürlich tun, soweit es ohne Beeinträchtigung unserer Operationen möglich ist. Die Anfeindung unseres Unterseebootkrieges von selten der Gegner ist nur das Zeichen ihrer Schwäche und eine Folge der Ohnmacht, ihm wirksam zu begegnen. Er ist das sichere Mittel, das unsere Gegner auf die Knie bringt. Darum ist es eine richtige Politik, ihn ohne alle Bedenken mit steigender Energie fortzusetzen. verschiedene Nnegsnachnchten. Ein neuer Feind? Nach einer Reutermelduug hat Siam er klärt, daß der Kriegszustand mit Deutschland und Ost er re ich-Ungarn besteht. Alle Deutschen und Österreicher sind verhaftet und die Handelshäuser geschlossen worden. Neun Dampfer mit einem Tonnen gehalt von 18S65 Br.-Reg.-To. sind beschlag nahmt worden. An Berliner amtlichen Stellen liegt eine Bestätigung dieser Nachricht nicht vor. Bekannt ist allerdings, daß besonders England und Frankreich seit langem mit allen Mitteln auf Siam drücken, um es zum Bruch mit uns zu bewegen. Immerhin ist die Reutermelduug mit Vorsicht aufzunehmen, insbesondere auch hin sichtlich der Einzelheiten über das angebliche Vorgehen Siams gegen deutsche und öster reichische Staatsangehörige und Eigentum. * Tas erste Einheitsschiff. Nach einer Meldung der,Times' ist als er st es sogenanntes Standard- schiff dcr britischen Negierung, d. h. ein nach dem Einheitstyp gebauter Dampfer, soweit sertiggestellt worden, daß er Ende dieses Monats in Dienst gestellt werden kann. Nach der .Times' handelt es sich um einen Dampfer von 5000 Tonnen. * Rustlands Ruf nach der Entlastungs- offensive. Dcr ,Nußkij Invalid', das Organ der russischen Militärpartei, erklärt, daß das von den Truppen General Kornilows während der Offensive gewonnene. Gelände bis nach Kalusz hin wieder geräumt werden mußte, uni der drohenden Umzingelung zu entgehen. Die eroberten Stellungen waren nicht stark genug, um dem feindlichen Druck standzuhalten. Da ein Ausbau dcr Stellungen wegen des Mangels an geeignetem Material nicht möglich war, mußten die russischen Linien wieder bis zur früheren Front zurückgenommen werden. Nach dieser Bekundung der russischen Niederlage stellt das Blatt fest, daß gegen wärtig die gefährlichste Stunde für Rußland geschlagen habe. Es fei nur dann möglich, den Feind aufzuhalten und eine Katastrophe zu ver hindern, wenn auf den übrigen Frontabschnitten sofort eine starke Eutlastungsoffenfive einsetze, um die schwerbedrohte 11. Armee zu retten. (Inzwischen ist ja die Katastrophe über diese Armee hereingebrochen.) * Die amerikanische Armee. Zu der Meldung, daß in den Der. Staaten die Auswahl für die erste Armee, die 687 600 Brann umfassen soll, begonnen hat, erklärt die Londoner Fachzeitschrift .Statist', daß die Ein kleidung, Ausrüstung, Ausbildung und Beförde rung von 500 000 Mann eine Ausgabe fei, von deren Größe und Schwierigkeit man sich in Amerika anscheinend keine zutreffende Vor stellung mache. Auch in Frankreich begegnet die „amerikanische Niesenarmec" stärksten Zweifeln. Man glaubt dort, daß die Ameri kaner dem Vierverband im besten Falle lediglich Ersatz für Arbeitskräfte stellen werden. Das letzte Mttel. — Der russische Zusammenbruch in Ostgalizien. — Das Komitee dcr geschlagenen 11. russischen Armee, in dem die Mitschuldigen Kerenskis und Brussilows an dcr verhängnisvollen russischen Offensive gegen Lemberg sitzen, hat ein draht loses Telegramm nach Petersburg gerichtet, in dem es u. a. heißt: „Die deutsche Offensive, die am 19. Juli von der Front der 11. Armee ihren Ansang nahm, entwickelt sich zu einer furchtbaren Katastrophe, die unter Umständen den Untergang des revo lutionären Rußlands zur Folge haben kann. In der Stimmung der Truppen, die vor kurzem durch die heldenmütigen Anstrengungen der zielbewußten Minimalisten vorgeschoben wurden, hat sich ein scharfer und gefahrdrohender Umschwung vollzogen. Die Angriffslust er schöpfte sich rasch, die meisten Truppenteile be finden sich im Zustands einer zunehmenden Zer setzung. Von einer Anerkennung des Vorge setzten und einer Subordination ist keine Rede mehr. Zureden und Belehren sind völlig wir kungslos geworden; sie werden durch Drohungen, zuweilen sogar durch'Erschießen der Zuredenden beantwortet. Manche Formationen verlassen die Schützengräben, ohne das Herankommen des Feindes abzuwarten. In einigen Fällen wurde dcr Befehl zur Unterstützung der Kämpfenden vorzurücken, mehrere Stunden hindurch in Versammlungen besprochen; die Folge davon war ein Verspäten der Unterstützung um 24 Stunden. Wiederholt haben Truppen bei- den ersten. Schüssen ihre Stellungen verlassen. Hinter der Front ziehen sich kilometerweit Züge von Flüchtlingen mit und ohne Gewehr, gesund, irisch, bar aller Scham und im Gefühl völliger Sicherheit vor Strafe. Zeitweilig entfernten sich ganze Truppen- teile. Die Mitglieder der Armee- und Front komitees erkennen an, daß die Lage die äußersten Mittel und Anstrengungen erfordert und daß man vor nichts haltmachen darf, um die Re volution vor dem Untergang zu retten. Heute haben der Oberbefehlshaber der Südwcstsront und der Kommandeur der 11. Armee in Über einstimmung mit den Kommissaren und den Komitees den Befehl erlassen, auf die Fliehenden f zu schießen. Das ganze Land soll die volle Wahrheit über die vor sich gehenden Ereignisse erfahren, soll erschauern und in sich selbst die Entschlossenheit finden, sich auf diejenigen zu stürzen, die kleinmütig . . . vernichten ... die Revolution." Mit diesem Telegramm versuchen die Schuldigen die Verantwortung für ihre Nieder lage auf die schlechtgejührten und zu nutzlosen Opfern verführten Truppen abzuschieben. Der Blick Rußlands soll von dem verhängnisvollen Ausgang des Angriffs seiner besten Truppen auf Lemberg und Drohobycz durch dis Be hauptung von der bedrohten russischen Revolution abgelsnkr werden. Tatsächlich ist die Niederlage die operative Folge des Durchbruchs der deutschen Truppen bei Zborow, der als Ver geltung unternommen, sich planmäßig zu einer siegreichen Operation der verbündeten Armeen erweitert und das Zurückgehen des russischen Heeres erzwingt. Erst dieser Rückzug hat den englischen, fran zösischen und russischen Führern die Macht über die Truppe genommen, die einzufehcn beginnt, wozu sie mißbraucht wurde. Jetzt wollen die Machthaber die Truppe wieder in ihre Hand zwingen, indem sie auf sie schießen lassen. Auch hierfür soll die Lüge von der bedrohten russischen Revolution als Entschuldigung dienen. Nicht die Revolution wird durch das siegreiche Vor dringen deutscher und österreichischer Truppen bedroht, sondern die Versührungskünste des Bierverbandes und der jetzigen russischen Macht haber. Es soll verschleiert werden, daß die Mittelmächte um den Frieden, der Vierverband um die Fortsetzung des verlorenen Krieges kämpst. Politische Kunälckau. s Deutschland. * Auf eine Eingabe betr. Ersatz bei den deutschen Sturmtrupps, in der der naftoualüberaleReichstagsabgcordnete Felir Mar quardt gebeten hatte, nach Möglichkeit die älteren Mannschaften durch jüngere abzulöseu, hat das Kriegsministerium geantwortet: „Die Sturm trupps werden bestimmungsgemäß aus den besten Leuten zusammengcstellt und bestehen vor wiegend aus Freiwilligen, die sich in großer Zahl zum Dienst drängen. Da die in Frage kommenden Regimenter aus Leuten bestehen, unter denen sich auch ältere Jahrgänge befinden, so ergibt sich naturgemäß, daß auch bei den Sturmtrupps die Mitverwendung älterer Mann schaften vorkommen wird. Soweit es aber möglich ist, werden die älteren Mannschaften durch jüngere Mannschaften ersetzt werden." Frankreich. * Im Senat kain es zu einer ausgedehnten Debatte über die Friedenspropaganda in Volk und Heer. Ministerpräsident Ribot führte dabei aus, wenn das Land aus Müdig keit den Frieden wolle, so sei es nicht mehr würdig Frankreich zu sein. Man müsse diese scheußliche Propaganda unter die Erde schaffen. Man müsse die Lage kaltblütig, aber ohne über mäßige Unruhe betrachten. Die Engländer würden ihren Teil der Front ausdehnen. Frankreich könne nicht besiegt werden, müsse bis zum Tage des Sieges kämpfen und könne dies nur, wenn es einig sei. Der Senat nahm dann mit großer Mehrheit eine Entschließung an, die der Regierung das Vertrauen aussprichk, daß sie die Friedenspropaganda unterdrücken und für die Wiederherstellung der Manneszucht sorgen wird. Vnqland. * Nach einer Mitteilung aus parlamentarischen Kreisen ist die Regierung entschlossen, etwaige neue deutsche Luftangriffe künftig mit Vergeltungsangriffen zu beantworten. — Eine solche Drohung wird auf die Entschlüsse der deutschen Heeresleitung leinen Eindruck machen, um so weniger als das ganze Volk einmütig entschlossen ist, alle Not und Unbill zu ertragen, um den endgültigen Sieg zu erringen. Ein Appell an die Furcht findet in deutschen Herzen keinen Widerhall. * Die vom englischen Seemanns- und Heizerverband geplante internatio nale Konferenz ist nach Meldungen ans London gesichert. An der Konferenz nehmen Vertreter Australiens, Neuseelands, Frankreichs, Rußlands, Italiens, Belgiens, Norwegens, Schwedens und der Ver. Staaten teil. Auf der Konferenz, die schon in nächster Zeit in London stattfinden wird, soll die Stellungnahme zu der deutschen Seekriegsführung sowie das Verhältnis zu Deutschland nach dem Kriege er örtert werden. Ruhland. * Nach übereinstimmenden Berichten, die über Stockholm aus Petersburg kommen, steht das Land vor dem v ö l l i g e n Z u s a m m c n - bruch. TaS geht aus einem Aufruf der einst weiligen Negierung an Volk und Heer hervor, in dem es heißt, die Stunde der Gefahr sei gekommen. Das Volk müsse die Früchte der Revolution gegen Anschläge im Innern und gegen den andringenden Feind verteidigen. Der Aufruf verspricht dann, daß die Armee uur für die Ziele Rußlands kämpfen und daß ihr Programm im August mit den Ver bündeten besprochen und zur gemeinsamen Grundlage gemacht werden soll. Im übrigen verspricht der Ausruf alle nur denkbaren Re formen. Türkei. ""Anläßlich des Bekam-Festes veröffent lichten die Blätter Betrachtungen über die Kriegslage, in denen ansgeführt wird, daß man voller Zuversicht bis zum Ende des Krieges durchhalteu könne. Ins besondere wird auf den Durchbruch in Galizien verwiesen, dcr die schönste Nachricht zum Feste sei. Die verbündeten Armeen werden sujK herzlichste beglückwünscht. Amerika. * Die Regierung von Brasilien hat — nach Bierverbandskreisen — die Beschlag nahme der deutschen internierten Schiffe beschlossen, weil Deutschland die Ge bühren innerhalb der gestellten Frist von 24 Stunden nicht bemhlt habe. Vis eiferns ^ot. Is KnegSroman von G. v. Brockdorff. G»rNtduns.) Sie stand längs und starrte auf den blanken Streifen am Hintergrunds, der die Grenze rwischen dem Hafen und dem offenen Meer bezeichnete. Fern wiegte sich ein vereinzeltes Segel gegen einen falben Himmel, eine schmale, schwarze Rauchsäule kränsclte sich aus dem Schornstein irgendeines Dampfers und wehte wie ein langer Trauerflor in der immer durchsichtiger werdenden Lust. „Wis still der Hafen jetzt ist," dachte die junge Frau. „All das bunte lärmende Leben kingesargt von dcr rauhen Hand des Krieges. Keiir Überseedampfer, kein geräuschvolles Frachlen- vrrladen, keine fremden, wirr durcheinander schwirrenden Zungen wie sonst. Nur ein paar müde Holzschiffe, die still und melancholisch ihre kurze Fahrt antreten und nicht wissen, ob ihr Leib nicht die Zielscheibe irgendeines Untersce- boslgeschosses wird." Sie seufzte leise, während sie vom Fenster rurücktrat, nahm eine angesangene Handarbeit oom Nähtisch und begann zu sticheln. Aber ihre Gedanken wanderten unablässig. Die Stille, die vom Hafen herausstieg und wie eine schwüle Wolke in dem großen Zimmer lastete, machte sie förmlich nervös. Sonst hatte taS bunte Treiben im Hafen ihr Zerstreuung gewährt, stundenlang hatte sie vom Fensterplatz »uS zugrsehen und bei Tisch den Bruder oft genug mit ihren Beobachtungen unterhalten. Dabei konnte sie sogar ihr eigenes Leid vergessen und brachte es fertig, ihrem Manne in den wenigen Stunden, die er daheim verbrachte, ein gleichgültiges und unbefangenes Gesicht zu zeigen. Denn seitdem sie die erste maßlose Ent täuschung, den ersten tiefen Schmerz überwunden hatte, >var es ihr Bestreben gewesen, dem Manne zu verbergen, wie tief sich ihr Stolz zertreten und zu Boden geworfen fühlte. Daß er eine andere vor ihr geliebt hatte, das wäre zu ertragen gewesen, und das hätte sie ertragen, aber daß cr diese andere unglück lich gemacht hatte, obwohl er sich innerlich noch immer nicht frei von ihr sühlte, daß die Ehe, die er einging, ihm ein kühles Rechcnexempel ge wesen war, und sie selber, Sabine Grolenius, eine Zahl und nicht mehr wert als die Millionen des alten Geschäftes, dessen Namen sie trug, das Halle sie in den ersten entsetzlichen Augen blicken des Erkennens wie ein Keulenschlag niedergeschmettert. Tagelang lag sie in ihrem Zimmer eingeschlossen, überwältigt von Ekel und Haß gegen den, der ihre Liebe in so brutaler Weise von sich gestoßen halte. Dann wurde sie ruhiger; nur die Verachtung blieb. Sie sprach mit ihm über Dinge des täg lichen Lebens, saß ihm bei Tisch gegenüber, pflegte die Geselligkeit Ivie früher —, aber in ihrem Tonsall war eine kühle Schürfe, die nicht sortzubringen war, und wenn sie allein waren, blickten ihre Augen über ihn hinweg, als jähe sie ihn nicht. Er halte wiederholt Versuche gemacht, sic das Geschehene vergesse» zu lassen, brachte ihr - Blumen, kleine Aufmerksamkeiten. Sie ließ di« Blumen ungepflegt verwelken, und die Geschenke legte sie ihm sorgfältig wieder ringewickelt auf den Tisch seines Arbeitszimmers. „Quäl dich doch nicht darum," bat er einmal. „Wozu wollen wir uns gegenseitig unser Leben ver bittern?" Sie hatte ihn groß angesehen. „Unser Leben? Ich weiß von keiner Ge meinsamkeit mehr. Ich lebe mein Leben, du das deine, jedes wie's ihm beliebt." Noch einmal versuchte er eiuzulenkeu. „Wir sind doch nun einmal verheiratet, Sabine —" Da lachte sie auf. „Verheiratet? Du mußt seltsame Ansichten von der Ehe haben, Werner! Wozu auch? Du bist Teilhaber im Geschäft, da hast das Geld, nm dir dein Leben einzurichtcu. Willst du noch mehr?" Eine schneidende Kälte halte in ihrem Ton sall gelegen, der einen Abgrund zwischen ihr und dem Manne öffnete. Seit dem Tage halte er jeden Versuch zur Versöhnung aufgegeben. Sie lebten nebeneinander her wie Fremde, fremder als Fremde, nur dem Scheine nach und vor den Augen der Welt zusammengehörig. Es war Sabines ängstliches Bestreben ge wesen, ihr Leid fremde» Auge» zu entziehen; in der eigenen Familie jedoch erwies sich dies auf die Tauer als unmöglich. In der ersten Zeit Hails Sabines Mutter bisweilen zum Guten geredet, Bruder und Schwägerin halten ernste/warnende Worte ge sprochen. > . „Du darfst es nicht so tragisch nehmen, Ikbstl Sabine." „Bedenke. Kind, was ans eurer Zukur-si werden soll!" „Glaubst du, daß es nicht 'mendlich viel; Ehen gibt, in denen der Mann so und schlimmer an seiner Fran gehandelt hat?" Sabine zuckte die Achseln und lächelte ihr müdes, verbitlertes Lächeln. Es war ja gleichgültig, was die andern dachten und sagten, aber es verletzte sie, daß sie das Zerwürfnis als eins vorübergehende Vc.- stimmung ausahen, sie felbst wohl gar über großer Reizbarkeit beschuldigten. So verschloß sie die Lippen, wurde stumm und unzugänglich, wenn jemand aus der Familie das Thema berührte. Die Fernerstehenden wußten von uiLts. Denen gegenüber wurde die Komödie dec glück lichen Ehe weiter sortgeführt, wenn auch Sabini Lächeln von Tag zu Tag müder und ver bitterter wurde. So vergingen dis ersten Jahre der Ehe, Lis es eines Tages hieß, daß Krieg im Lande sei, und Werner Asmussen wis Millionen auden dem ehernen Rufe Folge leisten mußte. Sabine erfuhr es, ohne mit der Wimper z» zucken. Wozu Trauer heucheln bei einer Botschaft, die für sie Ivie sür Werner in gleicher Weist eins Erlösung bedeutete? Und sie zählte die Tage Lis zum Ausmarsch Es war eine Erinnerung, die sie lange, lang« verfolgte: Die Straße wägend von jeldgwncr Uniformen: ernste kühne Gesichter darüber, mr
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