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Allgemeiner Anzeiger : 28.04.1917
- Erscheinungsdatum
- 1917-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadtbibliothek Bautzen
- Digitalisat
- Stadtbibliothek Bautzen
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id181900449X-191704281
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- oai:de:slub-dresden:db:id-181900449X-19170428
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- LDP: Bestände der Stadtbibliothek Bautzen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Allgemeiner Anzeiger
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Jahr
1917
-
Monat
1917-04
- Tag 1917-04-28
-
Monat
1917-04
-
Jahr
1917
- Titel
- Allgemeiner Anzeiger : 28.04.1917
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Der PräNäent äer Melt. Der Vierverband und besonders England bat dem Eintritt der Ver. Staaten in den Welt krieg offenbar mit Hoffnung und Furcht zugleich entgegengesehen. Hoffnung beseelte die Draht zieher des Verbandes auf die Rohmaterialien und Lebensmittel Amerikas, auf seine Flotte und möglicherweise auch auf das neue Heer der Ver. Staaten, dessen Bildung der Präsident vom Kongreß gefordert hatte. Furcht aber empfand man im Vierverband und in erster Linie in London bei dem Gedanken, daß die Großmacht jenseits des Ozeans eingreisen werde, um beim Frie- densschluß als am wenigsten geschwächte Macht ihre Stimme in die Wagschals zu werfen. Damit ist aber England nicht gedient. Und sogar in Italien werden Stimmen laut, die von der doch schließlich kommenden Friedenskonferenz befürchten, daß sie eine Volksversammlung werde, wenn Amerika die südamerikanischen Re publiken noch zur Gefolgschaft gegen Deutschland gewinnt. Wie nüchtern man in England über die „Hilse" Amerikas denkt, zeigt ein Artikel der Londoner .National Review', in dem es u. a. heißt: Wilson ist der letzte Mensch auf der Welt, den wir in diesem Kriege haben wollen. Jetzt, wo es bei uns endlich einiger maßen geht, wünschen wir nicht, dadurch in Schwierigkeiten zu kommen, daß ein Volk von Amateuren mitmacht, die noch alles zu lernen haben. Jedenfalls ist es für einen Durch schnittsamerikaner nicht leicht, sich der Zusammen arbeit mit uns anzupassen, nachdem ihm in den amerikanischen Schulen und durch eine über- sensaüonslustige Presse gelehrt worden ist, Eng land als den Erbfeind zu betrachten, gegen den in jedem Unionstaat eine jährliche Kundgebung stattfindet. „Zur Hölle mit England I" ist der volkstümliche Schlachtruf in vielen amerikani schen Städten. Ein Krieg Amerikas gegen England würde immer volkstümlich sein, aber ein Krieg gegen irgendeine andere Macht in Gemeinschaft mit England scheint nahezu un natürlich. Einstweilen freilich klingt aus Washington liebliche Musik in die Ohren der Vierverbändler; denn die Regierung der Ver. Staaten hat an geblich beschlossen, mit der gegenwärtigen deut schen Regierung keinen endgültigen Frieden zn schließen. Amerika verlange die Einsetzung einer liberalen deutschen Regierung, die allen Bürgern gleiche Rechte gewährt. Man könnte füglich daran zweifeln, daß Wilson, der ausdrücklich als Verfechter des Friedensgedankens und der Unabhängigkeit der Völker wiedergewäht worden ist, solche Gedanken fassen kann, wenn nicht sein ganzes Auftreten in den letzten Monaten diese Meldung allzu glaubhaft machte. Fort gerissen von seiner Berauschtheit, im Irrtum befangen über seinen Machtbereich, träumt er sich als Allerweltslehrmeister, Menschheitsbe glücker, Präsident der Welt. Glücklicherweise findet er in seinem eigenen Lande noch einige Hemmungen. Während nämlich der Senat seinen Entwurf einer gewissen Dienstpflicht für alle Amerikaner von 19 bis 26 Jahren zuge stimmt hat, macht sich iin Repräsentantenhause eine starke Gegnerschaft geltend. Der Kongreß ist also uneinig und die Frage muß in einer gemeinsamen Sitzung beider Häuser entschieden werden. Vorläufig kann also der Vierverband noch nicht auf Amerikas Millionenheer rechnen — es steht noch auf Wilsons Schreibmaschinen entwurf. Dagegen kann Wilson seinen Freunden eine Abschlagszahlung machen. Der Senat hat nämlich zugestimmt, daß die Vierverbandsstaaten ihre in den Ver. Staaten wohnenden Staats angehörigen rekrutieren dürfen. Soweit ist es im „freien" Amerika gekom men! Man wirst das bisher heilige Asylrecht zum alten Eisen, ein Zeichen, wie stark Wilson sich mit den Vierverbandsgenossen bereils ein gelassen hat. Einstweilen wird es unter den veränderten Verhältnissen nötig sein, ein neues Friedensprogramm zu entwerfen. Herr Wilson hat es — selbst getippt — bereits fertig in der Tasche, und die bevorstehende Washingtoner Konferenz wird es zu genehmigen haben. Als wichtigster Punkt wird diese Konferenz die mili tärische Zusammenarbeit des Verbandes und die Verteilung des Dreimilliardenkredites zu verhandeln haben. Das wird seh'S hübsch werden und zugleich sehr lehrreich. Denn im ersten Kriegstaumel sollte ja Frank reich mehrere Milliarden geschenkt erhalten. Jetzt will die amerikanische Finanzwelt über Zinsfuß, Garantien usw. unterhandeln. Die geldbedürstige Meute aber wird sich wie toll auf die Milliarden stürzen — um eines Tages die Rechnung der lachenden Leute der New Aorker Börse präsentiert zu erhalten. Wie hieß es doch in dem Zukunftsbild, das eine japanische Zeitung unlängst von dem Verhältnis des Vierverbandes zu den Ver. Staaten entwarf? „Amerika wird auf Jahre hinaus die Zinsengeißel über die Völker des Vierverbandes schwingen." So ist es! Aber Herrn Wilsons Ehrgeiz ging ja weiter. Der Vierverband ist sein Höriger geworden. Darum müssen die Mittelmächte be siegt werden, damit auch sie in die Abhängigkeit des amerikanischen Goldes geraten. Dann erst wäre Wilson wirklich, was ihm jetzt seine Groß- machtsträume vorgaukeln: der Präsident der Welt. Deutschlands Schwert wird diese Träume zerstören. Das deutsche Volk weiß, um was es geht, und wird in diesen Monaten, wo die Entscheidung nahegerückt ist, nicht nachlassen in selbstloser Hingabe, Opfermut und Tatbereitschaft. Schweigen und Arbeiten! Das ist jetzt die Losung des Tages für jeden Deutschen. dt. ä. v. verschiedene ttrlegsnachrlchten. Die letzte Verzweiflungsoffensive? Berner über die Lage der Westmächte wohl unterrichtete Kreise erblicken in der augenblick lichen englisch-französischen Offensive, die bei voller Handlungsfreiheit der Verbündeten gewiß unter günstigeren Witterungsverhältnissen unter nommen worden wäre, eine notgedrungene letzteVerzweiflungsoffensive. Man ist nämlich fest davon überzeugt, daß England und Frankreich den Krieg in jetzigem Maßstabs nur noch zwei bis längstens drei Monate werden fortsetzen können, da bis dahin der Seeverkehr der Westmächte durch den Tauchbootkrieg in einer Weise gestört sein wird, die eine energische Fortsetzung des Krieges nicht mehr gestattet. Angesichts der täglich sich verschärfenden Lage sind deshalb auch verbandsfreundliche Persönlich keiten der genannten Kreise der Überzeugung, daß die Westmächte in zwei bis drei Monaten selbst den allernotwendigsten Seeverkehr zur Fortführung des Krieges nicht mehr werden aufrecht erhalten können und darum versuchen müssen, durch die jetzige Offensive den Krieg zur Entscheidung zu bringen. * Wie steht die Schlacht? In einer Betrachtung zur Kriegslage im ,Bund' weist Stegemann darauf hin, daß bisher der Durchbruch im Westen dem Verbände nicht gelungen sei, und sagt u. a.: Soviel man heute schon erkennen kann, hat der Ver teidiger den ersten gefährlichsten Augenblick über wunden und die von Lens bis Auberive klaf ternde Schlacht ist nach erzwungener Ausrichtung an den Drehpfosten trotz örtlicher Umfassungen wieder zu einem Abringen frontal verstrickter Kräfte geworden, denen bis jetzt keine Durch brechung die Bewegungsfreiheit wiedergab. Haben die Deutschen in der Verteidigung tatsächlich nicht mehr als 14 000 Gefangene auf der eng lischen und etwas über 10 000 Gefangene auf der französischen Front eingebüßt, so wäre selbst bei völliger Aufopferung der in den ersten Linien verkämpften Besatzungen der Gesamt- Verlust in Ansehung der Frontentwicklung der Schlachten erstaunlich gering. — Der militärische Mitarbeiter von .Sjöfartstidende' (Christiania) schreibt anläßlich der französischen Offensive, ebenso wie srüher scheine „unglücklicher weise für die Entente" eine gemeinsame Offensive auf allen Fronten auch dieses Jahr unmöglich zu sein. * Die portugiesischen „Nothelfer". Die portugiesischen Truppen scheinen sich in Frankreich nicht wohl zu fühlen. Nach privaten Berichten aus Toulouse sind von den in Frank reich befindlichen portugiesischen Truppen über 600 Mann nach Spanien desertiert, während einige hundert andere nach Portugal zurückgekehrt sind, wo sie sich versteckt halten. * Sarrail als Herr der Schrecken. Nach zuverlässigen Berichten schwedischer Blätter übt Sarrail gegenwärtig in Mazedonien ein wahres Schreckensregiment aus. In der sog. neutralen Zone finden zahlreiche Verhaftungen statt. Ein sehr starkes Militär ausgebot durchzieht alle Landstriche hinter der Front. Auch einige griechische Gendarmen wurden von den Verbandsloldaten erschossen. Die Soldaten benutzen die Gelegenheit, um in Bauernhöfen zu plündern und den armen Leuten ihr Letztes fortzunehmen. Die Soldaten zünden ferner Häuser und Kirchen an. Generaloberst Frhr. v. Bissing -j-. Der Gencralgouvcrneur von Belgien, General oberst Freiherr von Biffing ist in Brüssel gestorben. Daß Exzellenz von Bissing leidend war, war bekannt. Es war bereits gemeldet worden, daß der General- gouvcrneur sich Schonung auferlcgen müsse und der Gouverneur von Antwerpen General von Zwehl mit seiner Vertretung beauftragt sei. Die Nachricht von dem Tode des Generalgouvcrneurs und früheren Kommandierenden des westfälischen Korps wird über all schmerzliches Bedauern erwecken. Er war am 30. Januar 1844 zu Bellermannsdorf geboren und trat 1863 in das 8. Dragonerregiment ein. Er machte als Leutnant den Feldzug gegen Österreich mit und erwarb sich hier den Kronenorden 4. Klaffe mit Schwertern. Im Krieg gegen Frankreich wurde er als Adjutant beim Oberkommando des 3. Armee korps durch Verleihung des Eisernen Kreuzes aus gezeichnet. 1880 erfolgte seine Ernennung zum Ritt meister, 1884 zum Major und 1887 zum persönlichen Adjutanten unseres jetzigen Kaisers, der ihn un mittelbar nach seiner Thronbesteigung zu seinem Flügeladjutanten machte. 1890 rückte er zum Ober sten, 1894 zum Generalmajor auf. 1896 wurde er unter Beförderung zum Generalleutnant Befehls haber der 29. Division in Freiburg, 1901 erhielt er als Kommandierender General das 7. Armeekorps, ein Jahr später wurde er zum General der Kavallerie ernannt. 1907 trat er von dem Kommando zurück und wurde dann im Kriege Generalgouverneur von Belgien. Kuba sendet Soldaten! Nach Berichten holländischer Blätter wird der Präsident von Kuba sein gesamtes kubanisches Heer, das etwa 200000 Mann zählt, den Ver. Staaten für die Kriegsdauer zur Verfügung stellen. Dieser Kräftezuwachs unsrer Feinde wird uns wenig Kopfschmerzen machen. Politische Aunälckau. Deutschland. * In einem Schreiben an den Leiter des Kriegsamtes, Exzellenz v. Groener, weist Gene ralfeldmarschall v. Hindenburg aus Anlaß der jüngsten Arbeitseinstellungen darum um, daß die unverminderte Erzeugung an Kriegs material die allem voranstehende Aufgabe ist. Das soll allen Rüstungsarbeitern nachdrücklichst klar gemacht werden. Exzellenz v. Groener hat eine Abschrift deS HindenburgbrieseS allen in Betracht kommenden Stellen (Gewerkschaften und Verbänden) zugehen lassen. *Der Bundesrat ist in seiner letzten Sitzung dem Beschluß des Reichstages (vom 19. Februar 1913), wonach das Jesuiten gesetz aufgehoben wird, beigetreten. In derselben Sitzung hat auch der Bundesrat dem Beschluß des Reichstages, den 8 12 des NeichS- vereinsgesetzes (Sprachenparagraph) aufzuheben, seine Zustimmung erteilt. "Die täglich beim Kriegs-Arbeits-Amt ein laufenden Gesuche um Befreiung und Zurückstellung vsmHilfsdienst geben dem Kriegsministerium Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß eine Besreiung oder Zurück stellung nicht angängig ist. Gegen die auf Grund des 8 7 des Gesetzes ergangene be sondere schriftliche Aufforderung können der Hilfsdienstpflichtige oder sein bisheriger Arbeit geber bei dem Ausschuß, von dem die Auf forderung ergangen ist, Vorstellung erheben. Die Aufforderung ist zurückzunehmen, wenn die Auflösung des bisherigen Beschäftigungsver- hältnisses einen übermäßigen Schaden bereiten würde, sofern nicht die Bedürfnisse des Hilfs dienstes überwiegen. Englauv. * Noch einmal will die Regierung ver suchen, die leidige irische Frage in einer allen Parteien genehmen Art zu lösen. Sie wird demnächst im Unterhause einen Gesetz entwurf einbringen, der die sofortige Einführung der Selbstverwaltung in Irland mit freier Wahl für einige Grafschaften vorsieht. Ob freilich der Negierungsentwurf die Zustimmung der Iren findet, muß abgewartet werden. Italien. * Die internationale Handels konferenz wird am 17. Mai in Rom zu sammentreten. Die Konferenz wird sich mit dem Problem der wirtschaftlichen Vereinigung der Vierverbandsländer, gestützt auf wirtschaft liche Sonderabkommen, befassen. Alle Länder des Verbandes außer Montenegro, Serbien und Japan werden auf der Konferenz durch Sondergesandte vertreten sein. Für diese drei Staaten werden ihre Geschäftsträger in Rom teilnehmen. Schweiz. *Die Friedensgerüchte wollen nicht verstummen. Nach der .Zürcher Zeitung' seien gegenwärtig für die Mittelmächte, Frankreich, Rußland und die Balkanländer alle Aussichten sür einen Frieden vorhanden. Nur Eng land leiste Widerstand, es fordere sogar Gebietsabtretungen von Deutschland, und zwar Helgoland und die großen Nordseehäfen. — Man wird gut tun, alle diese Meldungen mit Vorsicht aufzunehmen. Wenn der Tag ge kommen ist, daß tatsächlich über Friedensmöglich keiten verhandelt werden kann, wird das deutsche Volk aus berufenem Munde davon hören. / Rustland. * Nach privaten Stockholmer Meldungen sollen in Petersburg abermals schwere Unruhen ausgebrochen sein, die heftiger sind, als die im März. Sie richten sich gegen die vorläufige Negierung. — Zugleich wird aus Beßarabien gemeldet, daß sich die dortigen Behörden weigern, die neue Regierung anzu erkennen. Sie fordern mit Erfolg die Bauern auf, Ergebenheitsielegramme an den Zaren zu senden. Es sollen revolutionäre Soldaten ent sandt werden, um die Ordnung herzustellen. — Die neue Regierung hat die sogen. Frei heitsanleihe eröffnet und dazu — unter englischer Anstiftung einen Aufruf erlassen, in dem die Mittelmächte beschuldigt werden, in Rußland die abgeschaffte Regierungsform sür den Fall ihres Sieges wiederherstellen zu wollen. Der Aufruf zeigt deutlich den Kampf der unter englischer Fuchtel stehenden Regierung gegen die Friedensströmung. Auch die neue Regierung wird, wie die alte, von England zum Lügen angehalten. Oroknen. 17) Roman von M. Berger. (Schluß.) „Hedwig!" flüsterte er bebend und küßte ihrs Augen und Mund. Es klopfte. Doktor Faller verbarg schnell die Waffe. „Wenn man dich hier sieht; es wird Dr. Beer sein, der mich zu sprechen wünscht!" „Offne, ich will es so!" entgegnete sie einfach. Doktor Faller kam ihrem Wunsche nach und wenige Augenblicke später standen Grübel, seine Frau und Doktor Beer im Zimmer. „Bravo, gnädiges Fräulein, bravo!" flüsterte Doktor Beer Hedwig zu. „Jetzt ist alles gut; Sie haben den Mut gefunden, das zu tun, was ich im stillen ersehnte!" Hedwig reichte ihm dankbar die Hand, die er ehrfurchtsvoll an seine Lippen führte, dann wandte sie sich an Frau Grübel. „Sie werden sich wundern, Frau Grübel, mich hier zu finden!" „Durchaus nicht!" entgegnete diese. „Da ich ja weiß, was zwischen euch getreten ist, Kinder. Ich hätte es gerade so gemacht; jeder ist sich selbst der Nächste; mag die Gesellschaft die Nass rümpfen oder nicht." „Ich danke Ihnen!" sagte Hedwig. „Bravo, Hedwig!" lachte Irene, die glück strahlend aussah. „Der arme Herr Direktor war fast verzweifelt. Was ist denn dabei, daß du hier bist: ich komme dock auch hierher. Du fährst nachher mit uns nach Hause, Marie wird sich bei deinen Eltern entschuldigen. Mein Verlobungsfest ist nämlich heule, wie findest du das? Ich kann dir gar nicht sagen, wie wir uns freuen!" „Ich wünsche dir aufrichtig Glück, liebste, beste Irene," rief Hedwig erfreut aus und küßte beglückwünschend die Freundin herzlich ab. „Nun zur Hauptsache, meine Herrschaften," sagte Grübel mit feierlichem Ton und gab sich ein gewichtiges Ansehen. „Herr Fabrikdirektor Doktor Faller, ich habe die Ehre Ihnen mit zuteilen, daß Sie nach vorläufiger Schätzung mit mehr als fünfzehnhundert Stimmen Mehr heit zum Reichstagsabgeordneten gewählt sind. Gott verläßt seine Gerechten nicht!" „Gewählt; ich bin gerechtfertigt!" rief der Fabrikdirektor aus, und Tränen der Rührung traten in seine Augen. „Jetzt werden wir endlich einmal im Par lament durch einen Mann vertreten sein," meinte Grübel lächelnd, „der sein Handwerk versteht. Hören Sie, meine Herrschaften, von der Straße her den Ruf: Extrablatt! Ja, ja, mein Herr Schwiegersohn ist sehr flink. Im poniert mir; heute über acht Wochen soll die Hochzeit sein! Das ist gewiß die allerneueste Nachricht von sehr großer Wichtigkeit!" Alle gratulierten dem jungen Brautpaare. „Mein Glück, Friedrich, habe ich eigentlich dir und deinen sehr vernünftigen Wählern zu verdanken," sagte Doktor Beer scherzend. „An dem Tage nämlich, an dem Doktor Faller ge wählt wird, fo bestimmte mein arausamer Schwiegervater, soll meine Verlobung gefeiert werden." „So habe ich gesagt," lachte Grübel und hielt sich die Hüften. „Ist das nicht grausam, Hedwig?" wandte sich Irene an die heiter aussehende Freundin, die jetzt, nachdem ihr Erkorener gewählt worden, nicht mehr an der Zustimmung ihrer Eltern zweifelte. „Wenn der Herr Direktor heute nicht gewählt worden wäre, hätte ich noch fünf Jahre warten müssen, dann aber hätte mich keiner gewollt." „Ich hätte dich doch genommen, Lieb!" scherzte Doktor Beer. „Aber Herr Grübel, wie kann man so grau sam sein?" fragte lachend der Direktor. „Da kennen Sie den schlecht," versetzte Frau Grübel trocken, „wenn ich nicht wäre, würde er überall seinen Mpf durchsetzen!" „Aber Schwiegermama, wer wird denn so auS der Schule plaudern!" Es klopfte, und auf das Herein des Doktors trat ernst und mit finsterer Miene der Kom merzienrat ein. Er grüßte die Gesellschaft nur kurz und warf seiner erbleichenden Tochter einen grollenden Blick zu. Bei seinem Eintritt zog sich die Familie Grübel zurück und ließ den Kommerzienrat mit seiner Tochter und dem Direktor allein. „Bei meiner Ehre, das ist stark!" sagte der Kommerzienrat nach einer kurzen Pause der Ver legenheit. „Du in diesem Hause, Hedwig, jeder Sitte und Erziehung bar!" „Herr Kommerzienrat, Sie beschimpfen meine Braut!" legte sich Doktor Faller in das Mittel. „Wer gab Ihnen das Recht, Herr Reichs tagsabgeordneter, mich hier zur Rede zu stellen ?" fragte der Kommerzienrat grollend, indem er den Direktor mit verächtlichem Blick von oben bis unten maß. „Ich . . . Vater!" rief Hedwig. „Dann entschuldigen Sie, ich habe mich ge irrt. Ich glaubte meine Tochter hier zu finden; ich sehe mich aber einer mir von heute ab völlig fremden Dame gegenüber!" sagte der erbitterte Vater Hedwigs, und mit einem kaum bemerk lichen Gruß verließ er das Zimmer. „Vater, Vater I" rief Hedwig erblassend aus und sank dann, heftig weinend, an den Hals des Geliebten. „Armes Lieb!" Du opferst viel mehr als ich verdienet" flüsterte dieser aufs tiefste er schüttert. „So groß und edel wie du bist, werde auch ich sein! Hedwig, folge deinem Vater." „Nein, Friedrich," entgegnete diese fest, „hier ist mein Platz; Vorurteil und Dünkel hat hier die Grenze erreicht." „Hedtvig, mein süßes, trautes Weib!" rief dieser voll Rührung. Mit ein paar Worten weihte der Fabrik- direllor die Freunde in das ein, was sich soeben ereignet hatte. „Fräulein Hedwig," sagte Frau Grübel und strich kosend über das wellige Haar des weinenden Mädchens, „Ihr Herr Vater wird sich's schon überlegen, bis dahin betrachten Sie mein Haus als das Ihre!" „Gewiß, Fräulein Hedwig," stimmte Grübel seiner Frau bei. „Verfügen Sie über uns: ich kenne Ihren Brummbär von Vater; er hat einen
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